Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 1978/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1309/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.03.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Feststellung seiner Erkrankung der Halswirbelsäule als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) zusteht.
Der im Jahr 1963 geborene Kläger ist seit dem 29.06.1981 als Hemmschuhleger im Rangierbahnhof K. bei der Deutsche Bahn S./C. beschäftigt.
Am 13.09.2017 beantragte der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, die Anerkennung einer BK Nr. 2109 und führte an, dass er im Jahr 2015 eine Rehamaßnahme in der K.klinik Bad N. absolviert habe und aufgrund der Halswirbelsäulenbeschwerden mit Schmerzausstrahlung in den rechten Arm arbeitsunfähig entlassen wurde.
Die Beklagte veranlasste eine Prüfung der Arbeitsplatzexposition des Klägers. Der Präventionsdienst der Beklagten gab am 10.11.2017 eine Stellungnahme nach Aktenlage ab und teilte mit, dass unabhängig von der unstrittig körperlich anstrengenden Tätigkeit bei Wind und Wetter bei den Tätigkeiten des Hemmschuhlegers egal in welchem Rangierbereich in den verschiedenen Rangierbahnhöfen in Deutschland Lasten im Bereich von größer als 30 kg gänzlich auszuschließen seien. Auch Heben und Tragen auf der Schulter und über der Schulter mit Beteiligung des Rückens seien tätigkeitsbedingt auszuschließen. Keinesfalls kämen Tragezeiten von mehr als 30 Minuten über die Schicht kumuliert vor. Auch die lange Zeitdauer von 17,26 Jahren spiele hier keine Rolle, weil schon die grundsätzlichen Belastungsfaktoren zu verneinen seien (vgl. Bl. 24 bis 28 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.11.2017 die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV ab und teilte mit, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Die Beklagte verwies zur Begründung auf die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition des Präventionsdienstes, wonach der Kläger bei seiner Tätigkeit als Hemmschuhleger keinen Belastungen ausgesetzt sei, die ursächlich für die Entstehung der Erkrankung sein könnten.
Der Kläger erhob hiergegen am 27.12.2017 Widerspruch und führte aus, dass der Stellungnahme des Präventionsdienstes zu entnehmen sei, dass vereinzelt Hemmschuhe unter dem Wagenrad eingeklemmt werden müssten. Insofern sei von den Hemmschuhlegern eine erhebliche Krafteinwirkung auszuüben. Auch könne es vorkommen, dass die Hemmschuhspitze unter dem Wagenrad noch einklemme. Der Hemmschuhleger müsse sodann unter Anwendung hoher körperlicher Kräfte den Hemmschuh unter dem Wagenrad herausziehen. Diese Arbeit erfolge je nach Bauart auch in extrem gebückter und stark verdrehter Körperhaltung. Aus der wissenschaftlichen Stellungnahme zu der BK 2109 der Anlage 1, wonach ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Halswirbelsäule anzunehmen sei, wenn Lastgewichte von 50 kg und mehr getragen würden, könne gerade nicht der Schluss gezogen werden, dass bei Tragen von Lastgewichten bis zu 25 kg wie im vorliegenden Fall nicht genauso sich eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule entwickeln könne. Zudem sei der Begriff langjährig im vorliegenden Fall erfüllt. Auch sei nicht davon auszugehen, dass nur eine sehr kurzzeitige arbeitsbedingte Einwirkung im Sinne der BK 2109 pro Arbeitsschicht vorliege, von nur wenigen Sekunden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie der Präventionsdienst zum Ergebnis komme, dass beim Kläger keine 30-minütige Belastung pro Arbeitsschicht vorlag.
Die Beklagte zog weitere Unterlagen bei (u.a. ein Vorerkrankungsverzeichnis der zuständigen Krankenkasse, vgl. Bl. 47 der Verwaltungsakte, sowie einen Rehaentlassungsbericht über die stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation vom 04.05.2017 bis zum 25.05.2017 in der K.klinik Bad S. , vgl. Bl. 52 bis 63 der Verwaltungsakte).
Des Weiteren veranlasste die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des Präventionsdienstes zum Widerspruchsvorbringen des Klägers. In der Stellungnahme vom 13.04.2018 gab der Diplom-Ingenieur C. nach weiteren Ermittlungen zu den rangiertechnologischen Gegebenheiten in K. an, dass Hebe- und Trageaufgaben von mindestens 40 kg auf der Schulter mit seitwärts erzwungener Kopfbeugehaltung sicher auszuschließen seien. Es habe auch weiterhin Bestand, dass Tragezeiten von 40 kg über mindestens 30 Minuten keinesfalls arbeitstäglich anfallen könnten. Das Aufbringen von Druckkräften über einen Hebel – hier die Kippstangen – sei mit 30 kg angenommen worden. Dies sei zum Zeitpunkt des Andrückens möglich, aber aufgrund des Rollens von Stahl auf Stahl und der Konstruktion des Hemmschuhs sei diese Kraft sicher nicht über den gesamten Verschiebevorgang anzusetzen. Die Wagen könnten oft schon von Hand angeschoben werden. Das Aufkommen solcher Einklemmungen sei im Durchschnitt mit zweimal pro Schicht pro Hemmschuhleger einzuschätzen. Aufgrund der Haken könnten Hemmschuhe in K. stehend gezogen werden. Es müsse nicht in extrem gebückter oder verdrehter Körperhaltung gearbeitet werden. Im Einzelfall könne dies jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Es sei aber aufgrund der Gefahr des losrollenden Wagens nicht die Regel und heute sogar verboten. Die Voraussetzungen der BK Nr. 2109, wonach mindestens 40 kg an mindestens 30 Minuten über die Schicht aufsummiert auf der Schulter getragen werden müssten, der einzelne Tragevorgang zu einer Kopfbeugehaltung nach vorne und seitwärts führen müsse oder zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule, mit einer arbeitsbedingten Mindesteinwirkung im Sinne einer kumulativen Gesamtbelastung in Höhe von 4,4 x 106 kg x h, lägen nicht vor. Eine geeignete Belastung im Sinne der BK 2109 sei aus arbeitstechnischer Sicht nicht nachzuweisen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2018 zurück und führte unter Bezugnahme auf die weiteren Ermittlungen des Präventionsdienstes aus, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Hemmschuhleger keinen geeigneten Einwirkungen ausgesetzt gewesen sei, die geeignet seien, eine BK im Sinne der Nr. 2109 zu verursachen.
Der Kläger erhob hiergegen am 28.06.2018 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) und führte aus, dass er bereits im Widerspruchsverfahren gerügt habe, dass die Besonderheiten der Tätigkeit als Hemmschuhleger keine ausreichende Berücksichtigung gefunden hätten. Vereinzelt klemmten Hemmschuhe unter dem Wagenrad, sodass eine erhebliche Krafteinwirkung aufzuwenden sei, um den Hemmschuh aus dem Wagenrad herauszuziehen. Diese Arbeit erfolge nach Bauart in extrem gebückter und stark verdrehter Körperhaltung. Auch könne trotz den Ausführungen des Sachverständigenbeirats zur BK Nr. 2109 bezüglich des erhöhten Risikos bei Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr nicht der Schluss gezogen werden, dass beim Tragen von Lastgewichten bis zu 25 kg sich keine bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule entwickeln könne.
Der Kläger trug zudem in einer Stellungnahme vom 22.07.2018 vor, dass ein Hemmschuh in etwa 6,5 kg wiege. Der Präventionsdienst berücksichtige jedoch nicht, dass bei der Abbremsung der Waggons zwei Hemmschuhe getragen werden müssten. Dadurch summiere sich das Gewicht auf 13 kg. Zudem würden die Hemmschuhe von den Hemmschuhlegern selbst an bestimmte Orte getragen und am Ende der jeweiligen Arbeitsschicht wieder weggetragen. Dies stelle eine zusätzliche Belastung dar. Wie weit ein Hemmschuhleger zu laufen habe, hänge auch davon ab, wo er zuvor positioniert sei. So könne aus einer Strecke von 10 bis 15 m auch ein Kilometer werden, und diese Strecke werde innerhalb einer Schicht nicht nur einmal gelaufen, sondern unzählige Male. Dass Haken benützt würden, um die Hemmschuhe von den Schienen zu nehmen, treffe zu. Diese Haken dienten aber nicht vordergründig dazu, die Körperhaltung zu schonen, sondern um die Hemmschuhe unter den Waggons hervorzuziehen. Man müsse also gegen ein Gewicht von Tonnen, soviel wiege ein Waggon mit Sicherheit, mit einem einfachen Haken ankommen. Dass es dabei zu keiner Schonung des Körpers komme, erkläre sich von selbst. Der Haken müsse von beiden Händen umschlossen werden, sodass beide Arme belastet würden, um den Hemmschuh unter dem Gewicht des Waggons zu befreien. Es sei auch nicht zu einer Mechanisierung der Gleise gekommen (vgl. Bl. 21 der SG-Akte).
Die Beklagte trug mit Schreiben vom 10.09.2018 vor, dass dem Schreiben des Klägers vom 22.07.2018 keine Angaben zu entnehmen seien, die den Feststellungen des Präventionsdienstes, wonach keine Hebe- und Trageaufgaben von mindestens 40 kg auf der Schulter mit einer seitwärts erzwungenen Körperkopfbeugehaltung vorgelegen hätten, widersprächen. Die Beklagte verwies des Weiteren auf das gemeinsame Ministerialblatt vom 31.01.2017, in der eine wissenschaftliche Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenbeirats zur BK Nr. 2101 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht worden sei. Hierin werde eine Minimaldosis für Männer von 4,4 x 106 kg x h als unterstes Abschneidekriterium definiert, unter der eine ausreichende Exposition im Sinne der BK Nr. 2109 nicht eingenommen werde. Eine BK Nr. 2109 könne somit im vorliegenden Fall unter keinen denkbaren Gesichtspunkten festgestellt werden (vgl. Bl. 25 bis 27 der SG-Akte).
Der Kläger legte mit Schreiben vom 28.09.2018 eine weitere Beschreibung seines Arbeitsplatzes und der von ihm hierbei angegebenen Belastungen vor (vgl. Bl. 29 bis 31 der SG-Akte).
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.03.2019 ab und führte aus, dass die BK Nr. 2109 das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter mit Lastgewichten von 50 kg und mehr in Regelmäßigkeit mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung voraussetze. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger in einer den Voraussetzungen der BK 2109 entsprechenden Dauer und Häufigkeit schwere Lasten (über 50 kg) auf der Schulter bewegt habe.
Der Kläger hat gegen den am 11.03.2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 11.04.2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und hat zur Begründung im Wesentlichen auf das bisherige Vorbringen im Verwaltungs- und SG-Verfahren verwiesen. Des Weiteren hat der Kläger vorgetragen, dass die Hemmschuhleger Waggons auch miteinander verhaken müssten und es hierfür keine Hilfsmittel gebe. An manchen Tagen müssten 40 Waggons in 20 Minuten miteinander verhakt werden. Teilweise müsste ein Mitarbeiter innerhalb von acht Stunden 22 bis 26 Mal diesen Vorgang durchführen. Auch müsse er je nach Arbeitsschicht und Arbeitsbereich in Bereichen arbeiten, in welchen die ersten Waggons abgebremst würden. Hier kämen Hemmschuhe zur Anwendung, die 25 kg wiegen würden. Der Abbremsvorgang der ersten Waggons sei besonders gefährlich, da diese mit höchster Geschwindigkeit anrollten. Der Hemmschuhleger müsse dabei eine Strecke von ca. 200 m zurücklegen und anschließend dem Hemmschuh wieder an den Platz bringen. Der Hemmschuhleger müsse somit 400 m zurücklegen und hierbei 50 kg bewegen. Diesen Vorgang müsse er in acht Stunden ca. 40 Mal verrichten. Der Kläger habe dies dem SG auch persönlich schildern wollen. Es werde ausdrücklich die Amtsermittlungspflicht des Gerichts gerügt, da das SG in dieser Angelegenheit durch Gerichtsbescheid entschieden habe, ohne den Kläger persönlich anzuhören.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 06.03.2019 sowie den Bescheid vom 28.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass beim Kläger eine Berufskrankheit Nr. 2109 der Anlage zur BKV vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf ihre bisherigen Ausführungen sowie den Gerichtsbescheid vom 09.03.2019 verwiesen.
Der Senat hat Prof. Dr. D. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt. In seinem am 25.09.2019 erstellten Gutachten diagnostiziert Prof. Dr. D. eine Defektsituation im Bereich der Rotatorenmanschette mit Impingementsyndrom und AC-Gelenksarthrose des rechten Schultergelenkes mit ausgeprägter Bewegungseinschränkung (nach Rekonstruktionsoperation 2016), eine komplette Ruptur der langen Bizepssehne links (konservative Behandlung) 2018 sowie eine Funktionsbeeinträchtigung der Halswirbelsäule bei Uncovertebralarthrose C5 bis C7 und begleitender Osteochondrose, Bandscheibenprotrusion C5-C6 mit Irritation der C6-Wurzel sowie Bandscheibenprotrusion C6-7 (dadurch bedingte schmerzhafte Bewegungseinschränkung für alle Bewegungsqualitäten). Unter Berücksichtigung der ungünstigen Arbeitsbedingungen und der diesbezüglich nachweislichen zeitlichen Ausdehnung der Belastungssituation über 35 Jahre seien die Gesundheitsstörungen mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf die schädigenden Einwirkungen der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Hemmschuhleger bei der Deutschen Bahn AG zurückzuführen. In der Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 10.11.2017 werde nicht nachvollziehbar ausgeführt, in welcher Weise der Kläger beim Transport der Hemmschuhe die entsprechenden Lasten per Hand oder auf der Schulter transportiert habe. Beide Transportmodalitäten seien geeignet, in ihrer Gesamtheit die beschriebenen Körperschäden verursacht zu haben. Soweit das Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel vorausgesetzt werde, sei zu fragen, wie es möglich sei, derartige Lastgewichte von 50 kg und mehr auf dem Kopf zu transportieren. Eine BK nach der Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV liege vor. Zudem sei anzumerken, dass auch die Anerkennung der Erkrankung als sogenannte Wie-BK in Betracht komme.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 16.12.2019 zum Gutachten von Prof. Dr. D. Stellung genommen und auf die fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen verwiesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Soweit der Kläger rügt, dass das SG seine Amtsermittlungspflicht verletzt habe, da es durch Gerichtsbescheid entschieden habe, ohne den Kläger persönlich anzuhören, folgt hieraus kein Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids und Zurückverweisung des Rechtsstreites an das SG. Denn das SG hatte nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG die Beteiligten vorher gehört (Schreiben vom 04.02.2019, Blatt 37 der SG-Akte, das der Klägerbevollmächtigten am 07.02.2019 per Empfangsbekenntnis, Blatt F36a der SG-Akte, zugestellt worden war). Nach der Rechtsauffassung des SG, worauf maßgeblich abzustellen war, wies der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt war geklärt. Damit durfte das SG durch Gerichtsbescheid entscheiden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nach § 105 SGG nicht erforderlich, die gesetzlich vorgesehene vorherige Anhörung war erfolgt. Bereits zuvor hatte der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, Gelegenheit Stellung zu nehmen. Im Rahmen dessen hat der Kläger mit Schreiben vom 22.07.2018 sowie vom 03.09.2018 seinen Arbeitsalltag beschrieben. Ein Verfahrensfehler, der zur Aufhebung und Zurückverweisung i.S.d. § 159 SGG berechtigt, liegt daher nicht vor.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2018 ist nicht rechtswidrig, der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Erkrankungen der Halswirbelsäule als BK nach der Nr. 2109 nach Anlage 1 zur BKV.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-) schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, BKV, E § 9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Vorliegend konnte der Senat nicht feststellen, dass die Halswirbelsäulenerkrankungen des Klägers als BK Nr. 2109 anzuerkennen sind.
Nach Nr. 2019 der Anlage 1 zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule, die durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter und die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen.
Die unbestimmten Rechtsbegriffe des BK-Tatbestands der BK 2109 sind mit der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2109 Nr. 1) so zu verstehen, dass eine versicherte Person zur Erfüllung der Voraussetzungen des Tatbestands der BK 2109 den nachfolgend aufgezeigten beruflichen Einwirkungen ausgesetzt gewesen sein muss; fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist der Tatbestand der BK 2109 nicht erfüllt (BSG aaO). 1. Das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter setzt Lastgewichte von 50 kg und mehr voraus (Merkblatt BK 2109, Abschnitt IV Abs. 2; Bayerisches LSG, Urteil vom 13.11.2007, L 3 U 287/06, juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 30.09.2009, L 6 U 32/09, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.4.2013, L 3 U 209/10, juris; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2109 Anm. 2). 2. Die Lasten müssen langjährig getragen worden sein. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern ist (so wörtlich das Merkblatt 2109, Abschnitt IV Abs. 3). Danach muss die belastende Tätigkeit über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren ausgeübt worden sein (zum Merkmal langjährig auch: Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Anh. zu K § 9 Anl. zu BKV BK-Nr. 2108 - 2110 RdNr. 7 m.w.N.; a.A. "mindestens 10 Jahre" Ricke in Kasseler Kommentar, § 9 SGB VII RdNr. 42). Insoweit umschreibt das Merkmal "langjährig" in der Norm nur eine aus Erfahrungswissen gewonnene Dauer der Belastung, die mit "etwa zehn Jahren" angenommen wird (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2015, B 2 U 10/14 R, juris Rnrn 25, 26 zum gleichlautenden Tatbestandsmerkmal der BK Nr. 2108; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2109 Anm 2 iVm M 2108 Anm. 2.2.2; "in der Regel 10 Jahre" LSG Bremen, Urteil vom 13.02.1997, L 2 U 67/96, juris). Es handelt sich nicht um eine starre Untergrenze. Geringe Unterschreitungen dieses Wertes schließen die Anwendung des BK-Tatbestands daher nicht von vornherein aus; dies gilt besonders in den Fällen, in denen Versicherte Lasten mit noch höherem Gewicht bewegt haben. Wird allerdings eine Belastungsdauer von acht Jahren nicht erreicht, ist die BK 2109 ausgeschlossen. Bei Belastungen mit einer Dauer von weniger als zehn Jahren ist aber die haftungsbegründende Kausalität sorgfältig zu prüfen. 3. Erforderlich ist eine Regelmäßigkeit des Tragens schwerer Lasten auf der Schulter, wobei das Tragen schwerer Lasten in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten ausreicht, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht genannt werden kann. Wie bei der Belastungsdauer (Kriterium 2.) können geringere oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch stärkere oder länger dauernde Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden. Insoweit lässt sich dem BK-Tatbestand, der Begründung des Verordnungsgebers und dem Merkblatt nur das Erfordernis eines regelmäßigen Tragens nicht aber eines arbeitstäglichen Tragens von schweren Lasten auf der Schulter entnehmen. 4. Das Tragen schwerer Lasten muss mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung einhergehen. 5. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein, wie sich dem BK-Tatbestand unmittelbar entnehmen lässt (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2109 Nr. 1).
Vorliegend stellt der Senat fest, dass der Kläger diese Kriterien nicht erfüllt. Unabhängig davon, ob die beim Kläger vorliegenden und in den Gutachten von Prof. Dr. D. vom 25.09.2019 zum Ausdruck gebrachten Gesundheitsstörungen der HWS die Voraussetzungen der BK Nr. 2109 erfüllen, sind diese nicht, wie von der BK Nr. 2109 gefordert, "durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter" verursacht. Denn der Senat konnte nicht feststellen, dass der Kläger überhaupt Lasten auf der Schulter getragen hat. Der Senat entnimmt den Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten vom 10.11.2017 und vom 13.04.2018, dass die Hemmschuhe ein Gewicht von 6,5 kg hatten und mit Haken von den Schienen genommen werden konnten. Auch liegen nach den Aufnahmen des Präventionsdienstes Hemmschuhe in Abständen von 10 bis 15 Metern auf Erhebungen bereit, so dass ein längerer Transportweg nicht anfällt. Das Freisetzen der eingeklemmten Hemmschuhe erfolgte unter Einsatz einer Kippstange. Ein regelmäßiges Tragen der Hemmschuhe auf der Schulter mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung wird in den Stellungnahmen des Präventionsdienstes über die Arbeitsweise der Hemmschuhleger am Rangierbahnhof in K. nicht beschrieben.
Auch den Einwänden des Klägers in seinem Schreiben vom 03.09.2018 sowie dem Vortrag seiner Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren und im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger tatsächlich schwere Lasten von einem Gewicht von 50 kg auf der Schulter mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung getragen hat. Der Kläger selbst hat in seiner Stellungnahme vom 03.09.2018 auf die Kraftanstrengung beim Hervorziehen des Hemmschuhs unter dem Eisenbahnwagen sowie den körperlich anstrengenden und stressigen Vorgang des Verhakens der Wagen verwiesen. Diese Tätigkeiten beinhalten jedoch auch nach der Darstellung des Klägers kein Tragen von schweren Lasten auf der Schulter, sondern wirken sich – wie der Kläger selbst angibt – belastend auf die Haltung und die Arme aus. Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Widerspruchsbegründung sowie nachfolgend im Klage- und Berufungsverfahren rügt, dass die Beklagte die Besonderheiten der Tätigkeit des Klägers nicht berücksichtigt habe, trifft dies nicht zu. Insbesondere die Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 13.04.2018 wurde nach den örtlichen Gegebenheiten und der vom Arbeitgeber angegeben betrieblichen Auslastung des Rangierbahnhof K. erstellt. Soweit der Kläger in seinen Stellungnahmen vom 22.07.2018 und vom 03.09.2018 eine weitaus höhere Arbeitsbelastung angibt, steht dies im Widerspruch zu den Aussagen des Betriebs, wonach sich insbesondere seit dem Jahr 2004 die Wagenzahl deutlich verringert hat. Belege für seine abweichenden Angaben zur Auslastung hat der Kläger nicht vorgelegt. Auch die Angabe von langen Gehstrecken sind angesichts der in Abständen von 10 bis 15 Meter bereitgestellten Hemmschuhe nach dem Foto auf Blatt 72 der Verwaltungsakte nicht nachvollziehbar. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da selbst nach dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich ist, dass er tatsächlich Lasten von 50 kg auf der Schulter getragen hat. Sofern er in seiner Stellungnahme vom 03.09.2018 das Gewicht der Hemmschuhe teilweise auch auf 25 kg beziffert, war er nach seinen Ausführungen nur manchmal in diesem Bereich eingesetzt, wobei sich die Gewichtsangabe von 25 kg in den Ermittlungen des Präventionsdienstes nicht bestätigt und der Kläger auch keine Belege für seine abweichenden Angaben vorgelegt hat. Soweit in der Berufungsbegründung vorgetragen wird, er sei öfters in diesem Bereich eingesetzt gewesen, führt dies nicht zu einer ausreichenden Exposition, da selbst bei einem unterstellten Gewicht der Hemmschuhe von jeweils 25 kg ein Tragen auf der Schulter mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung vom Kläger nicht vorgetragen wird. Insofern und auch angesichts der Tatsache, dass der Kläger seine Angaben nicht näher belegt hat, sah sich der Senat auch nicht zu weiteren Ermittlungen dazu veranlasst, ob der Vortrag des Klägers bezüglich des Gewichts der Hemmschuhe von 25 kg tatsächlich zutrifft.
Unabhängig vom Gewicht der Hemmschuhe stellen die vom Kläger geschilderten Arbeitsvorgänge, auch wenn sie vielfach wiederholt wurden und ohne mechanische Hilfsmittel und im Freien der Witterung ausgesetzt stattfanden, kein "Tragen auf der Schulter" i.S.d. BK 2109 dar. Von diesem Tatbestandsmerkmal der BK 2109 kann auch nicht abgesehen oder dieses ausgeweitet werden, denn dieses Merkmal ist gerade der empirisch belegte maßgebliche Umstand der Krankheitsverursachung, der den Verordnungsgeber zur Feststellung der BK veranlasst hat.
Auch soweit der Kläger meint, dass wegen der beim Herausziehen der Hemmschuhe gekrümmten Körperhaltung die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2109 erfüllt seien, folgt der Senat ihm darin nicht. Denn der Tatbestand der BK 2109 knüpft mit dem Merkmal "Tragen auf der Schulter" bereits an eine statische Belastung der zervikalen Bewegungssegmente und eine außergewöhnliche Zwangsbelastung der HWS an (Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2109, I.) an, so dass dieses Merkmal gerade zum Tatbestand der BK 2109 gehört und daher nicht dazu dienen kann, diesen Tatbestand erweiternd auf andere Kopfzwangshaltungen mit anderer Druckbelastungsbedingungen für die HWS anzuwenden. Die vom Kläger geschilderten Belastungen bei Herausziehen der Hemmschuhe unter den Wagenrädern stellen keine mit dem Tragen schwerer Lasten auf der Schulter vergleichbare Einwirkungen dar.
Im Übrigen reichen auch kurzfriste Überlastungen – wie von Prof. Dr. D. in seinem Gutachten vom 25.09.2019 zur Begründung für die Anerkennung einer Berufskrankheit angeführt – nach der von der Beklagten eingereichten und vom BMAS veröffentlichen wissenschaftlichen Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenbeirats (GMBl 2017, S. 29/30, Bl. 27/28 der SG-Akte) nicht aus, um eine geeignete Einwirkung im Sinne der BK Nr. 2109 zu begründen. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat befürwortet eine Mindestbelastungsdosis von 4,4 x 106 kg x h zur Feststellung einer ausreichenden Expositionsdauer. Letztlich kann der Senat vorliegend nicht feststellen, dass der Kläger überhaupt schwere Lasten von mindestens 50 kg auf der Schulter getragen hat, so dass es auf das Erreichen einer Mindestexpositionsdosis nicht ankommt.
Auch soweit Prof. Dr. D. auf der Seite 13 seines Gutachtens vom 25.09.2019 grundsätzliche Zweifel daran äußert, ob es überhaupt möglich ist, Lasten mit einem Gewicht von 50 kg auf dem Kopf zu tragen, führt dies nicht zu einer anderweitigen Bewertung seiner Ausführungen durch den Senat. Prof. Dr. D. verkennt, dass die Voraussetzung des Tragens von Lasten von 50 kg auf der Schulter der - damaligen - tatsächlichen Belastung von Fleisch- und Kohleträgern entspricht (s. hierzu Schäfer u.a., Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern beim Tragen von Lasten auf der Schulter; Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2008, Seiten 20 ff.). So wogen Schweinehälften früher 50 bis 60 kg, Rinderviertel etwa 70 bis 80 kg, Kohlesäcke etwas über 50 kg. Im Hinblick auf die als typisch gefährdet anzusehenden und Anlass für die BK Nr. 2109 gebenden Fleischträger ist der Referenzwert somit für ein Objekt in Größe und Form einer Schweinehälfte oder eines Rinderviertels in Übereinstimmung mit dem Merkblatt sowie Literatur und Rechtsprechung mit etwa 50 kg anzunehmen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.2003, L 10 U 4524/01; ebenso LSG Berlin, Urteil vom 17.08.2000, L 3 U 81/97 und Urteil vom 25.03.2003, L 2 U 104/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.1999, L 3 U 202/97; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.1998, L 2 U 883/98 - alle in juris; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2109 Anm. 2). Diese Auffassung ist in einer neueren Entscheidung des Bundessozialgerichts ausdrücklich bestätigt worden (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, juris).
Sofern Prof. Dr. D. in seinem Gutachten vom 25.09.2019 eine Anerkennung der Halswirbelsäulenerkrankung als sogenannte "Wie-BK" vorschlägt, scheitert dies bereits daran, dass eine Anerkennung der Halswirbelsäulenerkrankung als sogenannte "Wie-BK" nicht beantragt wurde und die Beklagte hierüber nicht in den angefochtenen Bescheiden entschieden hat.
Der Senat kann im Ergebnis nicht feststellen, dass der Kläger schwere Lasten i.S.d. BK Nr. 2109 getragen hatte. Damit liegen die Voraussetzungen der BK Nr. 2109 beim Kläger nicht vor, sodass der Kläger keinen entsprechenden Feststellungsanspruch hat und die Berufung insoweit als unbegründet zurückzuweisen war.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben zusammen mit den Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Feststellung seiner Erkrankung der Halswirbelsäule als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) zusteht.
Der im Jahr 1963 geborene Kläger ist seit dem 29.06.1981 als Hemmschuhleger im Rangierbahnhof K. bei der Deutsche Bahn S./C. beschäftigt.
Am 13.09.2017 beantragte der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, die Anerkennung einer BK Nr. 2109 und führte an, dass er im Jahr 2015 eine Rehamaßnahme in der K.klinik Bad N. absolviert habe und aufgrund der Halswirbelsäulenbeschwerden mit Schmerzausstrahlung in den rechten Arm arbeitsunfähig entlassen wurde.
Die Beklagte veranlasste eine Prüfung der Arbeitsplatzexposition des Klägers. Der Präventionsdienst der Beklagten gab am 10.11.2017 eine Stellungnahme nach Aktenlage ab und teilte mit, dass unabhängig von der unstrittig körperlich anstrengenden Tätigkeit bei Wind und Wetter bei den Tätigkeiten des Hemmschuhlegers egal in welchem Rangierbereich in den verschiedenen Rangierbahnhöfen in Deutschland Lasten im Bereich von größer als 30 kg gänzlich auszuschließen seien. Auch Heben und Tragen auf der Schulter und über der Schulter mit Beteiligung des Rückens seien tätigkeitsbedingt auszuschließen. Keinesfalls kämen Tragezeiten von mehr als 30 Minuten über die Schicht kumuliert vor. Auch die lange Zeitdauer von 17,26 Jahren spiele hier keine Rolle, weil schon die grundsätzlichen Belastungsfaktoren zu verneinen seien (vgl. Bl. 24 bis 28 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.11.2017 die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV ab und teilte mit, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Die Beklagte verwies zur Begründung auf die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition des Präventionsdienstes, wonach der Kläger bei seiner Tätigkeit als Hemmschuhleger keinen Belastungen ausgesetzt sei, die ursächlich für die Entstehung der Erkrankung sein könnten.
Der Kläger erhob hiergegen am 27.12.2017 Widerspruch und führte aus, dass der Stellungnahme des Präventionsdienstes zu entnehmen sei, dass vereinzelt Hemmschuhe unter dem Wagenrad eingeklemmt werden müssten. Insofern sei von den Hemmschuhlegern eine erhebliche Krafteinwirkung auszuüben. Auch könne es vorkommen, dass die Hemmschuhspitze unter dem Wagenrad noch einklemme. Der Hemmschuhleger müsse sodann unter Anwendung hoher körperlicher Kräfte den Hemmschuh unter dem Wagenrad herausziehen. Diese Arbeit erfolge je nach Bauart auch in extrem gebückter und stark verdrehter Körperhaltung. Aus der wissenschaftlichen Stellungnahme zu der BK 2109 der Anlage 1, wonach ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Halswirbelsäule anzunehmen sei, wenn Lastgewichte von 50 kg und mehr getragen würden, könne gerade nicht der Schluss gezogen werden, dass bei Tragen von Lastgewichten bis zu 25 kg wie im vorliegenden Fall nicht genauso sich eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule entwickeln könne. Zudem sei der Begriff langjährig im vorliegenden Fall erfüllt. Auch sei nicht davon auszugehen, dass nur eine sehr kurzzeitige arbeitsbedingte Einwirkung im Sinne der BK 2109 pro Arbeitsschicht vorliege, von nur wenigen Sekunden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie der Präventionsdienst zum Ergebnis komme, dass beim Kläger keine 30-minütige Belastung pro Arbeitsschicht vorlag.
Die Beklagte zog weitere Unterlagen bei (u.a. ein Vorerkrankungsverzeichnis der zuständigen Krankenkasse, vgl. Bl. 47 der Verwaltungsakte, sowie einen Rehaentlassungsbericht über die stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation vom 04.05.2017 bis zum 25.05.2017 in der K.klinik Bad S. , vgl. Bl. 52 bis 63 der Verwaltungsakte).
Des Weiteren veranlasste die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des Präventionsdienstes zum Widerspruchsvorbringen des Klägers. In der Stellungnahme vom 13.04.2018 gab der Diplom-Ingenieur C. nach weiteren Ermittlungen zu den rangiertechnologischen Gegebenheiten in K. an, dass Hebe- und Trageaufgaben von mindestens 40 kg auf der Schulter mit seitwärts erzwungener Kopfbeugehaltung sicher auszuschließen seien. Es habe auch weiterhin Bestand, dass Tragezeiten von 40 kg über mindestens 30 Minuten keinesfalls arbeitstäglich anfallen könnten. Das Aufbringen von Druckkräften über einen Hebel – hier die Kippstangen – sei mit 30 kg angenommen worden. Dies sei zum Zeitpunkt des Andrückens möglich, aber aufgrund des Rollens von Stahl auf Stahl und der Konstruktion des Hemmschuhs sei diese Kraft sicher nicht über den gesamten Verschiebevorgang anzusetzen. Die Wagen könnten oft schon von Hand angeschoben werden. Das Aufkommen solcher Einklemmungen sei im Durchschnitt mit zweimal pro Schicht pro Hemmschuhleger einzuschätzen. Aufgrund der Haken könnten Hemmschuhe in K. stehend gezogen werden. Es müsse nicht in extrem gebückter oder verdrehter Körperhaltung gearbeitet werden. Im Einzelfall könne dies jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Es sei aber aufgrund der Gefahr des losrollenden Wagens nicht die Regel und heute sogar verboten. Die Voraussetzungen der BK Nr. 2109, wonach mindestens 40 kg an mindestens 30 Minuten über die Schicht aufsummiert auf der Schulter getragen werden müssten, der einzelne Tragevorgang zu einer Kopfbeugehaltung nach vorne und seitwärts führen müsse oder zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule, mit einer arbeitsbedingten Mindesteinwirkung im Sinne einer kumulativen Gesamtbelastung in Höhe von 4,4 x 106 kg x h, lägen nicht vor. Eine geeignete Belastung im Sinne der BK 2109 sei aus arbeitstechnischer Sicht nicht nachzuweisen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2018 zurück und führte unter Bezugnahme auf die weiteren Ermittlungen des Präventionsdienstes aus, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Hemmschuhleger keinen geeigneten Einwirkungen ausgesetzt gewesen sei, die geeignet seien, eine BK im Sinne der Nr. 2109 zu verursachen.
Der Kläger erhob hiergegen am 28.06.2018 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) und führte aus, dass er bereits im Widerspruchsverfahren gerügt habe, dass die Besonderheiten der Tätigkeit als Hemmschuhleger keine ausreichende Berücksichtigung gefunden hätten. Vereinzelt klemmten Hemmschuhe unter dem Wagenrad, sodass eine erhebliche Krafteinwirkung aufzuwenden sei, um den Hemmschuh aus dem Wagenrad herauszuziehen. Diese Arbeit erfolge nach Bauart in extrem gebückter und stark verdrehter Körperhaltung. Auch könne trotz den Ausführungen des Sachverständigenbeirats zur BK Nr. 2109 bezüglich des erhöhten Risikos bei Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr nicht der Schluss gezogen werden, dass beim Tragen von Lastgewichten bis zu 25 kg sich keine bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule entwickeln könne.
Der Kläger trug zudem in einer Stellungnahme vom 22.07.2018 vor, dass ein Hemmschuh in etwa 6,5 kg wiege. Der Präventionsdienst berücksichtige jedoch nicht, dass bei der Abbremsung der Waggons zwei Hemmschuhe getragen werden müssten. Dadurch summiere sich das Gewicht auf 13 kg. Zudem würden die Hemmschuhe von den Hemmschuhlegern selbst an bestimmte Orte getragen und am Ende der jeweiligen Arbeitsschicht wieder weggetragen. Dies stelle eine zusätzliche Belastung dar. Wie weit ein Hemmschuhleger zu laufen habe, hänge auch davon ab, wo er zuvor positioniert sei. So könne aus einer Strecke von 10 bis 15 m auch ein Kilometer werden, und diese Strecke werde innerhalb einer Schicht nicht nur einmal gelaufen, sondern unzählige Male. Dass Haken benützt würden, um die Hemmschuhe von den Schienen zu nehmen, treffe zu. Diese Haken dienten aber nicht vordergründig dazu, die Körperhaltung zu schonen, sondern um die Hemmschuhe unter den Waggons hervorzuziehen. Man müsse also gegen ein Gewicht von Tonnen, soviel wiege ein Waggon mit Sicherheit, mit einem einfachen Haken ankommen. Dass es dabei zu keiner Schonung des Körpers komme, erkläre sich von selbst. Der Haken müsse von beiden Händen umschlossen werden, sodass beide Arme belastet würden, um den Hemmschuh unter dem Gewicht des Waggons zu befreien. Es sei auch nicht zu einer Mechanisierung der Gleise gekommen (vgl. Bl. 21 der SG-Akte).
Die Beklagte trug mit Schreiben vom 10.09.2018 vor, dass dem Schreiben des Klägers vom 22.07.2018 keine Angaben zu entnehmen seien, die den Feststellungen des Präventionsdienstes, wonach keine Hebe- und Trageaufgaben von mindestens 40 kg auf der Schulter mit einer seitwärts erzwungenen Körperkopfbeugehaltung vorgelegen hätten, widersprächen. Die Beklagte verwies des Weiteren auf das gemeinsame Ministerialblatt vom 31.01.2017, in der eine wissenschaftliche Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenbeirats zur BK Nr. 2101 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht worden sei. Hierin werde eine Minimaldosis für Männer von 4,4 x 106 kg x h als unterstes Abschneidekriterium definiert, unter der eine ausreichende Exposition im Sinne der BK Nr. 2109 nicht eingenommen werde. Eine BK Nr. 2109 könne somit im vorliegenden Fall unter keinen denkbaren Gesichtspunkten festgestellt werden (vgl. Bl. 25 bis 27 der SG-Akte).
Der Kläger legte mit Schreiben vom 28.09.2018 eine weitere Beschreibung seines Arbeitsplatzes und der von ihm hierbei angegebenen Belastungen vor (vgl. Bl. 29 bis 31 der SG-Akte).
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.03.2019 ab und führte aus, dass die BK Nr. 2109 das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter mit Lastgewichten von 50 kg und mehr in Regelmäßigkeit mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung voraussetze. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger in einer den Voraussetzungen der BK 2109 entsprechenden Dauer und Häufigkeit schwere Lasten (über 50 kg) auf der Schulter bewegt habe.
Der Kläger hat gegen den am 11.03.2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 11.04.2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und hat zur Begründung im Wesentlichen auf das bisherige Vorbringen im Verwaltungs- und SG-Verfahren verwiesen. Des Weiteren hat der Kläger vorgetragen, dass die Hemmschuhleger Waggons auch miteinander verhaken müssten und es hierfür keine Hilfsmittel gebe. An manchen Tagen müssten 40 Waggons in 20 Minuten miteinander verhakt werden. Teilweise müsste ein Mitarbeiter innerhalb von acht Stunden 22 bis 26 Mal diesen Vorgang durchführen. Auch müsse er je nach Arbeitsschicht und Arbeitsbereich in Bereichen arbeiten, in welchen die ersten Waggons abgebremst würden. Hier kämen Hemmschuhe zur Anwendung, die 25 kg wiegen würden. Der Abbremsvorgang der ersten Waggons sei besonders gefährlich, da diese mit höchster Geschwindigkeit anrollten. Der Hemmschuhleger müsse dabei eine Strecke von ca. 200 m zurücklegen und anschließend dem Hemmschuh wieder an den Platz bringen. Der Hemmschuhleger müsse somit 400 m zurücklegen und hierbei 50 kg bewegen. Diesen Vorgang müsse er in acht Stunden ca. 40 Mal verrichten. Der Kläger habe dies dem SG auch persönlich schildern wollen. Es werde ausdrücklich die Amtsermittlungspflicht des Gerichts gerügt, da das SG in dieser Angelegenheit durch Gerichtsbescheid entschieden habe, ohne den Kläger persönlich anzuhören.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 06.03.2019 sowie den Bescheid vom 28.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass beim Kläger eine Berufskrankheit Nr. 2109 der Anlage zur BKV vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf ihre bisherigen Ausführungen sowie den Gerichtsbescheid vom 09.03.2019 verwiesen.
Der Senat hat Prof. Dr. D. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt. In seinem am 25.09.2019 erstellten Gutachten diagnostiziert Prof. Dr. D. eine Defektsituation im Bereich der Rotatorenmanschette mit Impingementsyndrom und AC-Gelenksarthrose des rechten Schultergelenkes mit ausgeprägter Bewegungseinschränkung (nach Rekonstruktionsoperation 2016), eine komplette Ruptur der langen Bizepssehne links (konservative Behandlung) 2018 sowie eine Funktionsbeeinträchtigung der Halswirbelsäule bei Uncovertebralarthrose C5 bis C7 und begleitender Osteochondrose, Bandscheibenprotrusion C5-C6 mit Irritation der C6-Wurzel sowie Bandscheibenprotrusion C6-7 (dadurch bedingte schmerzhafte Bewegungseinschränkung für alle Bewegungsqualitäten). Unter Berücksichtigung der ungünstigen Arbeitsbedingungen und der diesbezüglich nachweislichen zeitlichen Ausdehnung der Belastungssituation über 35 Jahre seien die Gesundheitsstörungen mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf die schädigenden Einwirkungen der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Hemmschuhleger bei der Deutschen Bahn AG zurückzuführen. In der Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 10.11.2017 werde nicht nachvollziehbar ausgeführt, in welcher Weise der Kläger beim Transport der Hemmschuhe die entsprechenden Lasten per Hand oder auf der Schulter transportiert habe. Beide Transportmodalitäten seien geeignet, in ihrer Gesamtheit die beschriebenen Körperschäden verursacht zu haben. Soweit das Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel vorausgesetzt werde, sei zu fragen, wie es möglich sei, derartige Lastgewichte von 50 kg und mehr auf dem Kopf zu transportieren. Eine BK nach der Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV liege vor. Zudem sei anzumerken, dass auch die Anerkennung der Erkrankung als sogenannte Wie-BK in Betracht komme.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 16.12.2019 zum Gutachten von Prof. Dr. D. Stellung genommen und auf die fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen verwiesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Soweit der Kläger rügt, dass das SG seine Amtsermittlungspflicht verletzt habe, da es durch Gerichtsbescheid entschieden habe, ohne den Kläger persönlich anzuhören, folgt hieraus kein Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids und Zurückverweisung des Rechtsstreites an das SG. Denn das SG hatte nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG die Beteiligten vorher gehört (Schreiben vom 04.02.2019, Blatt 37 der SG-Akte, das der Klägerbevollmächtigten am 07.02.2019 per Empfangsbekenntnis, Blatt F36a der SG-Akte, zugestellt worden war). Nach der Rechtsauffassung des SG, worauf maßgeblich abzustellen war, wies der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt war geklärt. Damit durfte das SG durch Gerichtsbescheid entscheiden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nach § 105 SGG nicht erforderlich, die gesetzlich vorgesehene vorherige Anhörung war erfolgt. Bereits zuvor hatte der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, Gelegenheit Stellung zu nehmen. Im Rahmen dessen hat der Kläger mit Schreiben vom 22.07.2018 sowie vom 03.09.2018 seinen Arbeitsalltag beschrieben. Ein Verfahrensfehler, der zur Aufhebung und Zurückverweisung i.S.d. § 159 SGG berechtigt, liegt daher nicht vor.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2018 ist nicht rechtswidrig, der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Erkrankungen der Halswirbelsäule als BK nach der Nr. 2109 nach Anlage 1 zur BKV.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-) schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, BKV, E § 9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Vorliegend konnte der Senat nicht feststellen, dass die Halswirbelsäulenerkrankungen des Klägers als BK Nr. 2109 anzuerkennen sind.
Nach Nr. 2019 der Anlage 1 zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule, die durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter und die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen.
Die unbestimmten Rechtsbegriffe des BK-Tatbestands der BK 2109 sind mit der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2109 Nr. 1) so zu verstehen, dass eine versicherte Person zur Erfüllung der Voraussetzungen des Tatbestands der BK 2109 den nachfolgend aufgezeigten beruflichen Einwirkungen ausgesetzt gewesen sein muss; fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist der Tatbestand der BK 2109 nicht erfüllt (BSG aaO). 1. Das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter setzt Lastgewichte von 50 kg und mehr voraus (Merkblatt BK 2109, Abschnitt IV Abs. 2; Bayerisches LSG, Urteil vom 13.11.2007, L 3 U 287/06, juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 30.09.2009, L 6 U 32/09, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.4.2013, L 3 U 209/10, juris; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2109 Anm. 2). 2. Die Lasten müssen langjährig getragen worden sein. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern ist (so wörtlich das Merkblatt 2109, Abschnitt IV Abs. 3). Danach muss die belastende Tätigkeit über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren ausgeübt worden sein (zum Merkmal langjährig auch: Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Anh. zu K § 9 Anl. zu BKV BK-Nr. 2108 - 2110 RdNr. 7 m.w.N.; a.A. "mindestens 10 Jahre" Ricke in Kasseler Kommentar, § 9 SGB VII RdNr. 42). Insoweit umschreibt das Merkmal "langjährig" in der Norm nur eine aus Erfahrungswissen gewonnene Dauer der Belastung, die mit "etwa zehn Jahren" angenommen wird (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2015, B 2 U 10/14 R, juris Rnrn 25, 26 zum gleichlautenden Tatbestandsmerkmal der BK Nr. 2108; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2109 Anm 2 iVm M 2108 Anm. 2.2.2; "in der Regel 10 Jahre" LSG Bremen, Urteil vom 13.02.1997, L 2 U 67/96, juris). Es handelt sich nicht um eine starre Untergrenze. Geringe Unterschreitungen dieses Wertes schließen die Anwendung des BK-Tatbestands daher nicht von vornherein aus; dies gilt besonders in den Fällen, in denen Versicherte Lasten mit noch höherem Gewicht bewegt haben. Wird allerdings eine Belastungsdauer von acht Jahren nicht erreicht, ist die BK 2109 ausgeschlossen. Bei Belastungen mit einer Dauer von weniger als zehn Jahren ist aber die haftungsbegründende Kausalität sorgfältig zu prüfen. 3. Erforderlich ist eine Regelmäßigkeit des Tragens schwerer Lasten auf der Schulter, wobei das Tragen schwerer Lasten in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten ausreicht, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht genannt werden kann. Wie bei der Belastungsdauer (Kriterium 2.) können geringere oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch stärkere oder länger dauernde Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden. Insoweit lässt sich dem BK-Tatbestand, der Begründung des Verordnungsgebers und dem Merkblatt nur das Erfordernis eines regelmäßigen Tragens nicht aber eines arbeitstäglichen Tragens von schweren Lasten auf der Schulter entnehmen. 4. Das Tragen schwerer Lasten muss mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung einhergehen. 5. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein, wie sich dem BK-Tatbestand unmittelbar entnehmen lässt (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2109 Nr. 1).
Vorliegend stellt der Senat fest, dass der Kläger diese Kriterien nicht erfüllt. Unabhängig davon, ob die beim Kläger vorliegenden und in den Gutachten von Prof. Dr. D. vom 25.09.2019 zum Ausdruck gebrachten Gesundheitsstörungen der HWS die Voraussetzungen der BK Nr. 2109 erfüllen, sind diese nicht, wie von der BK Nr. 2109 gefordert, "durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter" verursacht. Denn der Senat konnte nicht feststellen, dass der Kläger überhaupt Lasten auf der Schulter getragen hat. Der Senat entnimmt den Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten vom 10.11.2017 und vom 13.04.2018, dass die Hemmschuhe ein Gewicht von 6,5 kg hatten und mit Haken von den Schienen genommen werden konnten. Auch liegen nach den Aufnahmen des Präventionsdienstes Hemmschuhe in Abständen von 10 bis 15 Metern auf Erhebungen bereit, so dass ein längerer Transportweg nicht anfällt. Das Freisetzen der eingeklemmten Hemmschuhe erfolgte unter Einsatz einer Kippstange. Ein regelmäßiges Tragen der Hemmschuhe auf der Schulter mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung wird in den Stellungnahmen des Präventionsdienstes über die Arbeitsweise der Hemmschuhleger am Rangierbahnhof in K. nicht beschrieben.
Auch den Einwänden des Klägers in seinem Schreiben vom 03.09.2018 sowie dem Vortrag seiner Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren und im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger tatsächlich schwere Lasten von einem Gewicht von 50 kg auf der Schulter mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung getragen hat. Der Kläger selbst hat in seiner Stellungnahme vom 03.09.2018 auf die Kraftanstrengung beim Hervorziehen des Hemmschuhs unter dem Eisenbahnwagen sowie den körperlich anstrengenden und stressigen Vorgang des Verhakens der Wagen verwiesen. Diese Tätigkeiten beinhalten jedoch auch nach der Darstellung des Klägers kein Tragen von schweren Lasten auf der Schulter, sondern wirken sich – wie der Kläger selbst angibt – belastend auf die Haltung und die Arme aus. Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Widerspruchsbegründung sowie nachfolgend im Klage- und Berufungsverfahren rügt, dass die Beklagte die Besonderheiten der Tätigkeit des Klägers nicht berücksichtigt habe, trifft dies nicht zu. Insbesondere die Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 13.04.2018 wurde nach den örtlichen Gegebenheiten und der vom Arbeitgeber angegeben betrieblichen Auslastung des Rangierbahnhof K. erstellt. Soweit der Kläger in seinen Stellungnahmen vom 22.07.2018 und vom 03.09.2018 eine weitaus höhere Arbeitsbelastung angibt, steht dies im Widerspruch zu den Aussagen des Betriebs, wonach sich insbesondere seit dem Jahr 2004 die Wagenzahl deutlich verringert hat. Belege für seine abweichenden Angaben zur Auslastung hat der Kläger nicht vorgelegt. Auch die Angabe von langen Gehstrecken sind angesichts der in Abständen von 10 bis 15 Meter bereitgestellten Hemmschuhe nach dem Foto auf Blatt 72 der Verwaltungsakte nicht nachvollziehbar. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, da selbst nach dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich ist, dass er tatsächlich Lasten von 50 kg auf der Schulter getragen hat. Sofern er in seiner Stellungnahme vom 03.09.2018 das Gewicht der Hemmschuhe teilweise auch auf 25 kg beziffert, war er nach seinen Ausführungen nur manchmal in diesem Bereich eingesetzt, wobei sich die Gewichtsangabe von 25 kg in den Ermittlungen des Präventionsdienstes nicht bestätigt und der Kläger auch keine Belege für seine abweichenden Angaben vorgelegt hat. Soweit in der Berufungsbegründung vorgetragen wird, er sei öfters in diesem Bereich eingesetzt gewesen, führt dies nicht zu einer ausreichenden Exposition, da selbst bei einem unterstellten Gewicht der Hemmschuhe von jeweils 25 kg ein Tragen auf der Schulter mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung vom Kläger nicht vorgetragen wird. Insofern und auch angesichts der Tatsache, dass der Kläger seine Angaben nicht näher belegt hat, sah sich der Senat auch nicht zu weiteren Ermittlungen dazu veranlasst, ob der Vortrag des Klägers bezüglich des Gewichts der Hemmschuhe von 25 kg tatsächlich zutrifft.
Unabhängig vom Gewicht der Hemmschuhe stellen die vom Kläger geschilderten Arbeitsvorgänge, auch wenn sie vielfach wiederholt wurden und ohne mechanische Hilfsmittel und im Freien der Witterung ausgesetzt stattfanden, kein "Tragen auf der Schulter" i.S.d. BK 2109 dar. Von diesem Tatbestandsmerkmal der BK 2109 kann auch nicht abgesehen oder dieses ausgeweitet werden, denn dieses Merkmal ist gerade der empirisch belegte maßgebliche Umstand der Krankheitsverursachung, der den Verordnungsgeber zur Feststellung der BK veranlasst hat.
Auch soweit der Kläger meint, dass wegen der beim Herausziehen der Hemmschuhe gekrümmten Körperhaltung die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2109 erfüllt seien, folgt der Senat ihm darin nicht. Denn der Tatbestand der BK 2109 knüpft mit dem Merkmal "Tragen auf der Schulter" bereits an eine statische Belastung der zervikalen Bewegungssegmente und eine außergewöhnliche Zwangsbelastung der HWS an (Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2109, I.) an, so dass dieses Merkmal gerade zum Tatbestand der BK 2109 gehört und daher nicht dazu dienen kann, diesen Tatbestand erweiternd auf andere Kopfzwangshaltungen mit anderer Druckbelastungsbedingungen für die HWS anzuwenden. Die vom Kläger geschilderten Belastungen bei Herausziehen der Hemmschuhe unter den Wagenrädern stellen keine mit dem Tragen schwerer Lasten auf der Schulter vergleichbare Einwirkungen dar.
Im Übrigen reichen auch kurzfriste Überlastungen – wie von Prof. Dr. D. in seinem Gutachten vom 25.09.2019 zur Begründung für die Anerkennung einer Berufskrankheit angeführt – nach der von der Beklagten eingereichten und vom BMAS veröffentlichen wissenschaftlichen Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenbeirats (GMBl 2017, S. 29/30, Bl. 27/28 der SG-Akte) nicht aus, um eine geeignete Einwirkung im Sinne der BK Nr. 2109 zu begründen. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat befürwortet eine Mindestbelastungsdosis von 4,4 x 106 kg x h zur Feststellung einer ausreichenden Expositionsdauer. Letztlich kann der Senat vorliegend nicht feststellen, dass der Kläger überhaupt schwere Lasten von mindestens 50 kg auf der Schulter getragen hat, so dass es auf das Erreichen einer Mindestexpositionsdosis nicht ankommt.
Auch soweit Prof. Dr. D. auf der Seite 13 seines Gutachtens vom 25.09.2019 grundsätzliche Zweifel daran äußert, ob es überhaupt möglich ist, Lasten mit einem Gewicht von 50 kg auf dem Kopf zu tragen, führt dies nicht zu einer anderweitigen Bewertung seiner Ausführungen durch den Senat. Prof. Dr. D. verkennt, dass die Voraussetzung des Tragens von Lasten von 50 kg auf der Schulter der - damaligen - tatsächlichen Belastung von Fleisch- und Kohleträgern entspricht (s. hierzu Schäfer u.a., Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern beim Tragen von Lasten auf der Schulter; Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2008, Seiten 20 ff.). So wogen Schweinehälften früher 50 bis 60 kg, Rinderviertel etwa 70 bis 80 kg, Kohlesäcke etwas über 50 kg. Im Hinblick auf die als typisch gefährdet anzusehenden und Anlass für die BK Nr. 2109 gebenden Fleischträger ist der Referenzwert somit für ein Objekt in Größe und Form einer Schweinehälfte oder eines Rinderviertels in Übereinstimmung mit dem Merkblatt sowie Literatur und Rechtsprechung mit etwa 50 kg anzunehmen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.2003, L 10 U 4524/01; ebenso LSG Berlin, Urteil vom 17.08.2000, L 3 U 81/97 und Urteil vom 25.03.2003, L 2 U 104/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.1999, L 3 U 202/97; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.1998, L 2 U 883/98 - alle in juris; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 2109 Anm. 2). Diese Auffassung ist in einer neueren Entscheidung des Bundessozialgerichts ausdrücklich bestätigt worden (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, juris).
Sofern Prof. Dr. D. in seinem Gutachten vom 25.09.2019 eine Anerkennung der Halswirbelsäulenerkrankung als sogenannte "Wie-BK" vorschlägt, scheitert dies bereits daran, dass eine Anerkennung der Halswirbelsäulenerkrankung als sogenannte "Wie-BK" nicht beantragt wurde und die Beklagte hierüber nicht in den angefochtenen Bescheiden entschieden hat.
Der Senat kann im Ergebnis nicht feststellen, dass der Kläger schwere Lasten i.S.d. BK Nr. 2109 getragen hatte. Damit liegen die Voraussetzungen der BK Nr. 2109 beim Kläger nicht vor, sodass der Kläger keinen entsprechenden Feststellungsanspruch hat und die Berufung insoweit als unbegründet zurückzuweisen war.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben zusammen mit den Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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