L 8 R 1896/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1694/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 1896/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 08.05.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung im Anschluss an die ihm zuletzt vom 01.07.2012 bis 30.09.2016 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.

Der 1966 in der Türkei geborene Kläger lebt seit 1990 in der Bundesrepublik Deutschland. Er verfügt nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Er war in Deutschland von August 1992 bis Juni 1998 als Spritzgießer beschäftigt.

Auf einen Rentenantrag gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.06.2007 bis 30.04.2009 (zugrundeliegende Erkrankungen: Somatisierungsstörung, mittelgradige depressive Episode, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, narzisstisch und dependenten Zügen, Verdacht auf Alkoholmissbrauch, Bandscheibenvorfall L4/5 mit Kompression der Nervenwurzel L5 links). Den Weitergewährungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2011 ab.

Im Jahr 2012 wurde beim Kläger ein Plattenepithelkarzinom des linken Zungenrandes mit Tumorresektion und Nachresektion der Zunge, eine Dysphagie/Xerostomie, ein cendkales Lymphödem, eine Funktionsstörung beider Schultergelenke und eine psychophysische Erschöpfung beschrieben, woraufhin die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24.09.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.07.2012 bis 30.06.2014 gewährte. Die Rente wurde mit Bescheid vom 24.04.2014 weiterhin auf Zeit bis 30.06.2016 geleistet.

Am 04.02.2016 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente. Mit Bescheid vom 10.05.2016 (Blatt 61/66 der SG-Akte) gewährte die Beklagte die Rente auf Zeit weiter bis 30.09.2016. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei und veranlasste das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. L. vom 06.02.2017. Dieser diagnostizierte fortbestehende Folgen eines Polytraumas 1991 (Verkehrsunfall), insbesondere eine verbliebene Binnenschädigung des rechten Kniegelenks mit Instabilität und Störung des Bewegungsablaufs, ein operativ behandeltes Mundhöhlenkarzinom, Erstdiagnose November 2011, bislang ohne Hinweis auf ein Rezidiv oder eine Metastasierung der Erkrankung, eine vorbeschriebene depressive Störung, aktuell unter medikamentöser Therapie ohne klinische Ausprägung und Hinweise auf eine somatoforme Schmerzstörung. Körperlich durchgängig leichte Tätigkeiten in überwiegend/ständig sitzender Arbeitshaltung, mit gehende und stehenden Arbeitshaltungen nur in geringfügigem Umfang, ohne regelmäßiges Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Tätigkeiten mit Heben/Tragen und Bewegen von Lasten, Zwangshaltungen der Wirbelsäule und Arbeiten in kniender Haltung, ohne Arbeiten, bei denen ein häufiger Einsatz der Stimme erforderlich sei und regelmäßiger Publikumsverkehr erfolge, ohne Einwirkung von Nässe, Kälte und Zugluft, ohne Arbeiten unter Zeitdruck, mit individuell gestaltbaren Pausen ohne Überschreitung der Pausengesamtlänge seien 6 Stunden und mehr zumutbar.

Mit Bescheid vom 13.03.2017 lehnte die Beklagte lehnte den Weitergewährungsantrag ab. Den Widerspruch des Klägers vom 04.04.2017 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2017 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11.08.2017 beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben. Eine Erwerbstätigkeit sei ihm aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr möglich. Der Kläger hat auch ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen und das MDK-Gutachten vom 13.07.2017 beigezogen (Blatt 23/56 der SG-Akte). Der Neurologe und Psychiater Dr. G. hat dem SG am 24.10.2017 geschrieben (Blatt 57/59 der SG-Akte), der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 3 Stunden zu verrichten. Der HNO-Arzt Dr. S. hat dem SG mitgeteilt (Schreiben vom 03.11.2017, Blatt 67/68 der SG-Akte), der Kläger sei nicht in der Lage leichte Tätigkeiten zu verrichten. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. hat ausgeführt (Schreiben vom 16.10.2017, Blatt 69/89 der SG-Akte), der Kläger sei nicht in der Lage zu arbeiten. Der Ärztliche Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums T., Prof. Dr. Dr. R., hat dem SG am 14.11.2015 (Blatt 90/94 der SG-Akte) geschrieben, der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten 4 stündig auszuüben, wobei eine finale Beurteilung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht möglich sei. Der Orthopäde Dr. M. hat ausgeführt (Schreiben vom 31.01.2018, Blatt 95/97 der SG-Akte), der Kläger könne derzeit Tätigkeiten weder teil- noch vollschichtig ausüben.

Die Beklagte hat hierzu die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. H. vom 02.03.2018 (Blatt 99/100 der SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.06.2018 (Blatt 105/146 der SG-Akte; Untersuchung am 19.06.2018) eine rezidivierende depressive Störung, derzeit remittiert und eine Dysthymie sowie außerhalb seines Fachgebiets ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom ohne Anhalt für relevante neurologische Ausfälle, Kniegelenksbeschwerden rechts, Hüftgelenksbeschwerden beidseits und eine Zungenkarzinomoperation 2011 mit persistierender Geschmacksstörung diagnostiziert. Nicht zumutbar seien Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeiten, Tätigkeiten im Schichtbetrieb, Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, ferner auf orthopädischem Fachgebiet wohl Tätigkeiten überwiegend im Gehen und Stehen sowie auf Treppen, Leitern und Gerüsten sowie dauerhaft mittelschwere und schwere Tätigkeiten. Auf seinem Fachgebiet sei kein Grund ersichtlich gewesen, warum der Kläger nicht in der Lage sein sollte, leichte Tätigkeiten vollschichtig auszuüben. Führend sei eindeutig das orthopädische sowie das HNO-ärztliche oder mund-, kiefer-, gesichtschirurgische Fachgebiet. Vorgelegt hat Dr. W. auch das für das Landgericht Ravensburg im Verfahren 4 0299/11 erstattete nervenärztliche Gutachten des Dr. L. vom 05.02.2015.

Das SG hat nunmehr das Gutachten des Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Professor Dr. R. vom 17.09.2018 (Blatt 167/205 der SG-Akte; Untersuchung am 11.09.2018), der als Grunderkrankung ein Zungenrandkarzinom links beschrieben hat. Die Zungenbeweglichkeit sei deutlich eingeschränkt, ebenso die Zungenprotrusion bei narbiger Fixierung der linken Zungenhälfte. Als Folge der Tumortherapie bestünden ferner ein geringgradiges Lymphödem im Gesicht, eine leichtgradige Dysglossie mit nur leicht reduzierter Sprechverständlichkeit, wodurch die Alltagskommunikation bei längerem Sprechen - vor allem bei lautem Umgebungslärm - geringgradig herabgesetzt sei, eine oropharyngeale Dysphagie und eine Hypogeusie. Als zusätzliche Nebendiagnose auf HNO-ärztlichem Fachgebiet lägen eine beginnende Innenohrschwerhörigkeit beidseits vor, die jedoch im Alltag nicht einschränke, außerdem ein infektbedingt eingeschränktes Riechvermögen. Leichte Tätigkeiten ohne Berufe mit hoher Anforderung an das Sprechen z.B. als Ausbilder/Lehrer bz in starkem Lärm und ohne die Tätigkeit als Koch aufgrund der reduzierten Geschmacksempfindung seien 8 Stunden täglich zumutbar.

Vom SG beauftragt hat der Orthopäde Dr. H. den Kläger begutachtet. In seinem Gutachten vom 28.10.2018 (Blatt 209/233 der SG-Akte) hat er eine schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Kniegelenks nach Schienbeinkopffraktur und Kapselbandverletzung mit nachfolgender operativer Behandlung, jetzt mit Zeichen einer fortschreitenden Kniearthrose, ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom mit Schmerzausstrahlung in beide Beine und Sensibilitätsstörungen rechts wie links sowie variablen Kraftminderungen bei kleinem Bandscheibenvorfall L5/S1 links und mäßiger Bandscheibendegeneration L2/3, eine diskrete, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks bei Zeichen eines entzündlichen Reizzustandes des Sehnen- und Sehnengleitgewebes (Impingement) ohne Hinweise auf eine durchgängige Rotatorenmanschettenruptur und chronische Nacken-Hals-Schmerzen nach operativer Behandlung eines Zungengrundkarzinoms mit Ausräumung der lokalen Lymphknoten und Neigung zu Schwellungen im Gesichtsbereich beschrieben. Die von dem Kläger vorgetragenen Beschwerden und Funktionseinschränkungen seien aus orthopädisch-gutachterlicher Sicht nur teilweise nachvollziehbar. Der Kläger könne nur noch leichte Tätigkeiten in unterschiedlichen Körperhaltungen mit gelegentlichem Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg in stabilisierter, aufrechter Rumpfhaltung oder 5 kg in Rumpfvor- oder -seitneigung, ohne Arbeiten auf vibrierenden Maschinen, ohne Arbeiten, die zu besonderen Kniebelastungen führen würden wie Arbeiten im Knien oder in der Hockstellung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten, die mit häufigem, umfangreichem Treppensteigen einhergehen, Arbeiten auf sehr unebenem und rutschigem Gelände, Sprungbelastungen, ferner ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne länger andauernde, mechanisch besonders belastende Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten im Schichtdienst, ohne ständigen Wechsel zwischen Wärme- und Kältezonen verrichten. Arbeiten unter Akkord- und Fließbandbedingungen ließen sich in der Regel nicht vereinbaren mit der Forderung nach einem regelmäßigen Wechsel der Körperhaltung. Zeitliche Einschränkungen ließen sich allenfalls unter dem Aspekt der damit verbundenen Schmerzsymptomatik rechtfertigen. Aus orthopädischer Sicht könne er keine so gravierende Gesundheitsstörung feststellen, dass sich daraus bei vollschichtiger Arbeit eine unzumutbare Schmerzsymptomatik selbst an einem leidensgerechten Arbeitsplatz plausibel begründen ließe.

Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 04.12.2018 und Email vom 05.12.2018 (Blatt 239, 240 der SG-Akte) geäußert, wozu das SG die ergänzende Stellungnahme von Dr. H. vom 21.02.2019 eingeholt hat (Blatt 243/244 der SG-Akte).

Mit Gerichtsbescheid vom 08.05.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei im Zeitraum seit 01.10.2016 nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. Er könne nämlich noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einigen qualitativen Einschränkungen mindestens 6 Stunden täglich verrichten.

Gegen den seiner Bevollmächtigten am 14.05.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.06.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er habe einen Anspruch auf die beantragte Erwerbsminderungsrente. Er sei voll erwerbsgemindert aus den bereits vorgetragenen Gründen. Er besitze einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen G, B und einem GdB von 90. Er sei darauf angewiesen, dass er, wenn er sich aus dem Haus bewege, eine Begleitperson dabeihabe. Im Fall einer Berufstätigkeit müsse er diese Begleitperson ebenfalls mit sich nehmen. Dies sei bei einer Berufstätigkeit gar nicht möglich. Zudem habe er auch Pflegestufe 3 zuerkannt bekommen. Pflegebedürftig der Pflegestufe 3 seien Menschen, die körperlich schwerstbedürftig seien und fremde Unterstützung zu jeder Tages- und Nachtzeit benötigten. Diese Hilfe zeichne sich durch eine intensive Betreuung aus, die rund um die Uhr zur Verfügung stehe. Die ständige und unmittelbare Hilfe bei jeder Tätigkeit der Grundpflege, sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung rufe die Notwendigkeit für die ständige Anwesenheit der Pflegeperson hervor. Er habe zudem geballt Therapien in Anspruch zu nehmen. Eine Logopädin komme zweimal die Woche nach Hause und führe mit ihm Sprachübungen und Schluckübungen durch. Aufgrund des Zungenkarzinoms seien diese für ihn wesentlich. Wenn er dies nicht entsprechend übe, könne dies zu erheblichen Schluckbeschwerden führen und dann auch dazu, dass er erhebliche Probleme beim Schlucken bekomme und auch möglicherweise ersticken könnte. Bei ihm seien beiderseits die Lymphknoten im Halsbereich entfernt worden, so dass er zweimal in der Woche Lymphdrainagen benötige. Wenn dies nicht durchgeführt werde, bildeten sich erhebliche Flüssigkeiten im Gesicht und Halsbereich. Bezüglich der schulterorthopädischen Behandlung benötige er einmal in der Woche Krankengymnastik und manuelle Therapie, auch einmal in der Woche und zweimal Bewegungsbad/Wassergymnastik. Zudem müsse er alle 3 Monate nach Tübingen zur Kontrolle bezüglich des Karzinoms und einmal in der Woche zum Physiotherapeuten. Hier werde eine Traktionsbehandlung mit Gerät 10-20 min durchgeführt. Zudem sei es so, dass die behandelnden Ärzte zu anderen Einschätzungen gekommen seien. Diese hätten festgestellt, dass er nicht auf dem Arbeitsmarkt oder nur eingeschränkt tätig werden könne. Dr. G. führe insofern aus, dass er nach seiner Meinung nunmehr nur leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und zwar mindestens 3 Stunden täglich verrichten könne. Dr. S. sei der Meinung, dass er nicht in der Lage sei, leichte Tätigkeiten zu verrichten. Dr. Z sei der Meinung, dass er nicht in der Lage sei irgendeine berufliche Tätigkeit nachzugehen. Dr. Dr. Reinert und Dr. C. seien der Meinung, dass er 4 Stunden täglich arbeitsfähig sei. Dr. M. sei der Meinung, dass er nicht in der Lage sei zu arbeiten. Die behandelnden Ärzte, welche ihn seit Jahren kennen, seien der Meinung, dass er nicht in der Lage sei, mehr als 4 Stunden täglich zu arbeiten, viele seien der Meinung, dass er nicht arbeitsfähig sei. Er sei nicht in der Lage zu arbeiten. Ihm sei volle Erwerbsminderungsrente zu gewähren.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 08.05.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2017 zu verurteilen, ihm über den 30.09.2016 hinaus Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten im nichtöffentlichen Termin am 09.08.2019 erörtert (zur Niederschrift vgl. Blatt 25/26 der Senatsakte). Im Nachgang hat der Kläger eine Email an seine Rechtsanwältin (Blatt 38 der Senatsakte) vorgelegt, worin er u.a. mitgeteilt hat, er sei immer noch der gleichen Meinung, dass er derzeit keine Entscheidung fällen könne und akzeptiere auch ihre Entscheidung nicht akzeptiere.

Nach Anhörung der Beteiligten wurde die Berufung durch Beschluss vom 07.11.2019 nach § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Über die Berufung konnte der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem das SG mit Gerichtsbescheid vom 08.05.2019 entschieden hatte und die Berufung dem Berichterstatter durch Beschluss des Senates nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden war. Der Senat hat keine Gründe feststellen können, die eine Entscheidung durch den ganzen Senat erforderlich machen, solche waren auch in der schriftlichen Anhörung sowie in der Anhörung im Termin am 02.12.2019 nicht mitgeteilt worden.

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, auch wenn der Kläger im Termin nicht anwesend und auch nicht vertreten war. Der Kläger war, wie seine bevollmächtigte, ordnungsgemäß zum Termin geladen worden und darüber informiert worden, dass auch bei ihrem Ausbleiben im Termin verhandelt und entscheiden werden kann. Der Verlegungsantrag war schon vor der Sitzung abgelehnt worden. Auch in der mündlichen Verhandlung haben sich keine Anhaltspunkte dafür gezeigt, dass dem Verlegungsantrag doch noch nachzukommen wäre.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2017 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung über den 30.09.2016 hinaus. Der Senat konnte feststellen, dass der Kläger (wieder) in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an fünf Tagen pro Woche (arbeitstäglich) 6 Stunden und mehr zu verrichten. Dabei hat er zwar qualitative Leistungseinschränkungen zu beachten, diese führen aber nicht zu einer zeitlichen Reduzierung des Leistungsvermögens. Daher ist der Gerichtsbescheid des SG vom 08.05.2019 zutreffend und auch die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Senat stellt fest, dass der Kläger (wieder) in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung qualitativer Leistungsbeschränkungen an 5 Tagen pro Woche (arbeitstäglich) 6 Stunden und mehr auszuüben.

Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung vollumfänglich der angefochtenen Entscheidung des SG an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück, weshalb nach § 153 Abs. 2 SGG von einer ausführlichen Darstellung der Urteilsgründe abgesehen und auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen wird. Lediglich ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Dem Gutachten des MDK zur Pflegebedürftigkeit kann nicht entnommen werden, dass der Kläger erwerbsgemindert, also nicht mehr in der Lage ist, auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter den dort üblichen Bedingungen arbeitstäglich 6 Stunden und mehr auszuüben. Vielmehr ist dem Gutachten zu entnehmen, dass vor allem im Bereich der kognitiven Leistungen (Modul 2) keinerlei Beeinträchtigungen bestehen, was der Einschätzung des Dr. G. widerspricht, der Kläger könne seine Interessen nicht mehr angemessen durchsetzen. Diese Einschätzung des Dr. G. wird nicht nur durch das MDK-Gutachten ausdrücklich widerlegt (Seite 4 des Gutachtens = Blatt 28 der SG-Akte: "Er kann Bedürfnisse melden und Aufforderungen umsetzen."), sondern auch den eigenen befunden des Dr. G., der im psychischen Befund angibt, quantitative und qualitative Störungen des Bewusstseins, sowie des Ich-Bewusstseins liegen nicht vor, Antrieb und Motorik sind ungestört. Das entspricht auch dem Geschehen im Erörterungstermin, das schon damals, wie auch in der mündlichen Verhandlung thematisiert worden war.

Die Gutachter Dr. W; Prof. Dr. R. und Dr. H. haben bezogen auf ihre Fachgebiete mitgeteilt, dass der Kläger in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen mindestens 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Die rezidivierende depressive Störung, derzeit remittiert, die Dysthymie, die Folgebeschwerden des Zungenrandkarzinoms links, die schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Kniegelenks nach Schienbeinkopffraktur und Kapselbandverletzung 1991 mit nachfolgender operativer Behandlung, bei jetzt bestehenden Zeichen einer fortschreitenden Kniearthrose, das chronische lumbale Schmerzsyndrom mit Schmerzausstrahlung in beide Beine und Sensibilitätsstörungen rechts wie links sowie variablen Kraftminderungen bei kleinem Bandscheibenvorfall L5/S1 links und mäßiger Bandscheibendegeneration L2/3, die diskrete, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks bei Zeichen eines entzündlichen Reizzustandes des Sehnen- und Sehnengleitgewebes ohne Hinweise auf eine durchgängige Rotatorenmanschettenruptur und chronische Nacken-Hals-Schmerzen beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit nur qualitativ. So kann der Kläger lediglich noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeiten, ohne Tätigkeiten im Schichtbetrieb, ohne Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, ohne Berufe mit hoher Anforderung an das Sprechen, unter Berücksichtigung der reduzierten Geschmacksempfindung verrichten. Die Tätigkeiten müssen in unterschiedlichen Körperhaltungen mit gelegentlichem Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg in stabilisierter, aufrechter Rumpfhaltung oder 5 kg in Rumpfvor- oder –seitneigung erfolgen. Ausgeschlossen sind auch Arbeiten auf vibrierenden Maschinen, Arbeiten, die zu besonderen Kniebelastungen führen wie Arbeiten im Knien oder in der Hockstellung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten, die mit häufigem, umfangreichem Treppensteigen einhergehen, Arbeiten auf sehr unebenem und matschigem Gelände, Arbeiten mit Sprungbelastungen, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, sowie Arbeiten mit länger andauernden, mechanisch besonders belastenden Überkopfarbeiten, Arbeiten im ständigen Wechsel zwischen Wärme- und Kältezonen. Unter Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen kann der Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden und mehr an 6 Tagen pro Woche verrichten. Eine Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht lässt sich aufgrund der objektivierbaren Gesundheitsstörungen nicht begründen. Auch die von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Befunde belegen deren Annahme eines reduzierten zeitlichen Leistungsvermögens nicht, sodass der Senat deren Einschätzung nicht folgen kann.

Soweit der Kläger in der Berufung auf den Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen "G", "B" und einen GdB von 90 verweist, belegt dies nicht ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen (vgl. A Nr. 2 Buchst. b) VG). Der Kläger braucht auch nicht, wie er aus dem Merkzeichen "B" ableiten will, immer eine Begleitperson; das Merkzeichen "B" ist ihm nur für eine Begleitung im öffentlichen Personennahverkehr gewährt. Weshalb der Kläger aber meint, er benötige bei jeglicher beruflicher Tätigkeit eine Begleitperson, erschließt sich dem Senat weder aus seinem Vortrag noch den Befunden der behandelnden Ärzte und der Gutachter. Auch das Innehaben eines Pflegegrades 3 lässt nicht auf eine Erwerbsminderung schließen, denn dass der Kläger bei der Durchführung einer Erwerbstätigkeit der Hilfe Dritter bedarf ist weder dem MDK-Gutachten noch den Befunden der behandelnden Ärzte und der Gutachter zu entnehmen. Dass er "geballt Therapien in Anspruch zu nehmen" hat, bedeutet keine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit, denn dass der Kläger im streitigen Zeitraum mehr Untersuchungen, Behandlungen oder Therapien zu durchlaufen hätte als andere kranke Erwerbstätige, konnte der Senat nicht feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den vorliegenden Gutachten des SG dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Einen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt.

Der Senat konnte auf dieser Grundlage nicht feststellen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, arbeitstäglich 6 Stunden leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Auch liegt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die trotz zeitlich nicht relevant eingeschränktem Leistungsvermögen eine rentenrechtliche Erwerbsminderung annehmen lässt. Insoweit konnten die Gutachter bestätigen, dass der Kläger in der Lage ist, täglich viermal Wegstrecken von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zurückzulegen sowie viermal Öffentlichen Personennahverkehr zu Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" bedeuten vorliegend keine Einschränkung der Wegefähigkeit. Denn der Kläger verfügt über einen Führerschein und ein Auto, er fährt auch selbst Auto, wie er dem Gutachter Dr. H. mitgeteilt hat. Des Weiteren hat der Senat erhebliche Zweifel an den vorgetragenen die Wegefähigkeit angeblich einschränkenden Beschwerden des Klägers – auch die Gutachter haben insoweit die Wegefähigkeit als nicht eingeschränkt angesehen; so hat der Kläger beim Gutachter Dr. W. angegeben, auf Unterarmgehstützen angewiesen zu sein, wobei Dr. W. dann weder im Bereich der Hände eine Beschwielung feststellen konnte, die auf eine regelmäßige Nutzung von Unterarmgehstützen hindeuteten, noch Abnutzungsspuren an den Gehstützen, die darauf hindeuten, dass diese regelmäßig benutzt werden. Auch bei Dr. H. ist der Kläger ohne Hilfsmittel Schritte gegangen. Dr. H. hat das Ausmaß der Knieschäden als nicht so weit fortgeschritten beschrieben, dass der Kläger nicht mehr 500 Meter innerhalb 20 Minuten viermal am Tag zurücklegen könnte. Damit besteht keine Wegeunfähigkeit; dass der Kläger bei Benutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs tatsächlich eine Begleitung bräuchte, lässt sich den ärztlichen Befunden und den Gutachten nicht entnehmen. Auch kann nicht alleine aus dem Fortbestehen der einmal zuerkannten Merkzeichen nicht auf eine rentenrechtlich relevant eingeschränkte Wegefähigkeit geschlossen werden. Auch den übrigen vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen kann nach Überzeugung des Senats durch qualitative Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden.

Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass der Kläger über den 30.09.2016 hinaus erwerbsgemindert ist. Er hat daher keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 bz Abs. 2 SGB VI. Der 1966 geborene Kläger hat nach § 240 SGB VI auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er nach dem 01.01.1961 geboren ist.

Konnte der Senat damit nicht feststellen, dass der Kläger i.S.d. § 43 SGB VI voll bz teilweise erwerbsgemindert ist und hat er auch keinen Anspruch i.S.d. § 240 SGB VI, hat dieser keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved