Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 4412/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 3961/19 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.10.2019 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren erster Instanz und für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I. Der Antragsteller 1 wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine vom Antragsgegner verfügte Zahlungseinstellung und begehrt - ebenso wie die Antragsteller 2 bis 4 - die Auszahlung bewilligter SGB II Leistungen bis 27.10.2019.
Der 1977 Antragsteller 1 bildete mit seiner Ehefrau (Antragstellerin 2) und den beiden 2014 und 2016 geborenen Kindern (Antragsteller 3 bis 4) eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II und bezog ab April 2018 vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Mit Änderungsbescheid vom 01.06.2019 bewilligte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers Leistungen für die Zeit von Juli 2019 bis März 2020 in Höhe von monatlich 1.547,52 EUR.
Am 16.09.2019 teilte der Antragsteller 1 dem Antragsgegner per E-Mail mit, dass er einen Arbeitsvertrag unterschrieben habe und am 01.10.2019 seine neue Stelle in Südbayern im Allgäu antreten werde und dort eine Wohnung suche.
Mit ausschließlich an den Antragsteller 1 gerichtetem Bescheid vom 17.09.2019 hob der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab dem 01.10.2019 mit der Begründung auf, er sei wegen des Umzugs des Antragstellers nicht mehr zuständig.
Mit Mitwirkungsaufforderung vom selben Tage forderte der Antragsgegner den Antragsteller 1 zur Vorlage seines Arbeitsvertrages bis 04.10.2019 auf und wies auf die Rechtsfolgen der §§ 60, 66 SGB I hin.
Mit Schreiben vom 18.09.2019 teilte der Antragsteller 1 dem Antragsgegner mit, es bestehe nach dem Zuflussprinzip ein Anspruch auf SGB II Leistungen bis zur Zahlung des Gehaltes am Ende des Monats Oktober 2019. Es sei ihm zudem aus datenschutzrechtlichen Gründen streng untersagt, seinen Arbeitsvertrag an den Antragsgegner weiterzuleiten. Er sei aber gerne bereit, Auskünfte zu erteilen oder Angaben auf einem amtlichen Vordruck zu machen.
Der Antragsgegner erwiderte hieraufhin mit Schreiben vom 20.09.2019, um den SGB II Leistungsanspruch prüfen zu können, könne, alternativ zur Vorlage des Arbeitsvertrages, eine vom Arbeitgeber ausgefüllte Einkommensbescheinigung ausgefüllt werden. Ohne Nachweis des Einkommens sei eine Anspruchsprüfung nicht möglich. Eine darlehensweise Hilfegewährung sei grundsätzlich möglich und könne nach Antragstellung geprüft werden.
Mit Schreiben vom 22.09.2019 erhob der Antragsteller 1 u.a. gegen den Aufhebungsbescheid vom 17.09.2019 Widerspruch und machte des Weiteren verschiedene Einwendungen gegen die Schriftsätze des Antragsgegners geltend.
Auf die Mitteilung des Antragstellers 1 vom 18.09.2019, dass er sein erstes Gehalt voraussichtlich erst Ende Oktober 2019 erhalten werde, teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 20.09.2019 mit, dass ein Nachweis über das Einkommen benötigt werde, alternativ könne er, statt der Vorlage des Arbeitsvertrages, eine vom Arbeitgeber ausgefüllte Einkommensbescheinigung vorlegen.
Mit Abhilfebescheid vom 25.09.2019 nahm der Antragsgegner sodann den Aufhebungsbescheid vom 17.09.2019 zurück und teilte (wiederum ausschließlich) dem Antragsteller 1 ebenfalls mit Schreiben vom 25.09.2019 mit, die Zahlung der Leistungen werde ab 01.10.2019 eingestellt, weil der Antragsteller 1 eine Erwerbstätigkeit aufnehme und voraussichtlich nicht mehr hilfebedürftig sei.
Mit erneut ausschließlich an den Antragsteller 1 gerichteten Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 entzog der Antragsgegner die Leistungen ab dem 01.10.2019 wegen Nichtvorlage des Arbeitsvertrages. Der Antragsteller habe auch keine Gründe mitgeteilt, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen seien.
Hiergegen hat der Antragsteller 1 am 08.11.2019 Widerspruch eingelegt, mit der Begründung nach Auskunft des Bundesdatenschutzbeauftragten, sei eine Einreichung des Arbeitsvertrages nicht notwendig.
Noch vor Einlegung des Widerspruchs hat der Antragsteller 1 am 13.10.2019 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Stuttgart (SG) gestellt und ausgeführt, er benötige die Zahlung von SGB II Leistungen für Oktober insbesondere zur Versorgung seiner beiden minderjährigen Kinder, da sein Gehalt voraussichtlich erst Ende Oktober 2019 ausgezahlt werde. Das Zuflussprinzip besage, dass das Gehalt zu dem Zeitpunkt anzurechnen sei, in dem man tatsächlich darüber verfügen könne. Die Aufforderung des Antragsgegners, er müsse seinen Arbeitsvertrag vorlegen, sei datenschutzrechtlich unzulässig. Mit Schreiben vom 20.10.2019 hat er ergänzend vorgetragen, er habe anlässlich eines Telefonats mit der Jobcenter-Hotline am 17.09.2019 bereits mitgeteilt, dass in seiner neuen Anstellung sein "Gehalt weit über Hartz 4 liegen" werde. Er habe bereits am 17.09.2019 seine voraussichtliche Lohnhöhe mitgeteilt und er sei selbstverständlich bereit, dem Antragsgegner einen Einkommensnachweis zukommen zu lassen, sobald das Gehalt zugeflossen sei.
Mit Beschluss vom 23.10.2019 hat das SG "den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung" abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle an dem für die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei nicht gegeben, solange der Antragsteller die ihm zumutbaren Möglichkeiten nicht ausgeschöpft habe, das erstrebte Ziel ohne Einschaltung des Gerichts zu erlangen.
Gegen den am 24.10.2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller 1 am 23.11.2019 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das BVerfG habe jüngst entschieden, dass 100 % Kürzungen rechtswidrig seien. Er werde seinen Arbeitsvertrag vorlegen, wenn der Senat eidesstattlich versichere, dass er diesen nicht an das "Mobbing-Center Böblingen" (gemeint war der Antragsgegner) weiterleite. Eigentlich obliege ihm keine Mitwirkungspflicht mehr, da sein Einkommen so hoch sei, dass er ab dem 01.11.2019 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II mehr habe. Er werde im Übrigen die chinesische Botschaft informieren, dass hier "Menschenrechtsverletzungen durch Nazi-ähnliche Behörden" vorlägen. Es habe ein Anspruch auf Absicherung bis zur ersten Gehaltszahlung Ende des Monats Oktober 2019 bestanden. Auf Nachfrage des Senats teilte der Antragsteller 1 mit, dass ihm ein den Leistungsanspruch ausschließendes Gehalt am 28.10.2019 zugeflossen ist. Er legte hierzu eine Gehaltsabrechnung vor, widersprach aber der Weiterleitung derselben an den Antragsgegner.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig. Der Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG greift nicht ein.
Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg, da das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht - wenn auch mit unzutreffender Begründung - abgelehnt hat.
Zunächst ist klarzustellen, dass der Antragsteller 1 bereits in der Antragsschrift vom 13.10.2019 ausdrücklich betont hat, dass es ihm um Leistungen für sich und seine Familie geht ("vor allem unsere beiden minderjährigen Kinder ausreichend mit Lebensmitteln versorgt sind"), so dass nicht nur der Antragsteller 1, sondern die gesamte Bedarfsgemeinschaft Beteiligte des vorliegenden Verfahrens sind.
Soweit der Antragsteller 1 in seinem letzten Schriftsatz vom 15.12.2019 die Durchführung eines Güterichterverfahrens angeregt hat, gibt es hierfür im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weder Anlass noch Grundlage.
1.) Die Beschwerde des Antragstellers 1 ist zurückzuweisen.
Da der Antragsgegner dem Antragsteller 1 zuletzt mit Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 die mit Änderungsbescheid vom 01.06.2019 bewilligten Leistungen "ganz entzogen" hat, ist statthafte Antragsart hinsichtlich des Antragstellers 1 zunächst die nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu beurteilende Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen am 08.11.2019 eingelegten Widerspruchs. Entgegen den Ausführungen des SG im Beschluss vom 23.10.2019, der sich ausschließlich mit einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG befasst, liegt ein Rechtsschutzbedürfnis bereits deshalb vor, da es sich bei dem genannten Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 um einen an den Antragsteller 1 gerichteten belastenden Verwaltungsakt handelt. Die Zulässigkeit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage gegen die Entziehung laufender Leistungen hat im Übrigen nicht zur Voraussetzung, dass zuvor die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde zur Aussetzung der sofortigen Vollziehung angegangen wurde (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.01.2002 – L 13 AL 3590/01 ER-B –, juris, Rn. 5).
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Antrag ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung und dem, durch den Antragsgegner vertretenen, Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse überwiegt. Dabei ist zunächst festzustellen, dass der Gesetzgeber vorliegend gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II grundsätzlich die sofortige Vollziehung angeordnet und damit ein Regel-Ausnahmeverhältnis zu Gunsten der Vollziehbarkeit angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 86b, Rn. 12c, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Tatsachen hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 16b). Maßgebend für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BSG, Urteil vom 17.05.1983 – 7 RAr 32/82 –, juris).
Zunächst ist festzuhalten, dass an der Rechtmäßigkeit des Entziehungsbescheides vom 09.10.2019 gewichtige Zweifel bestehen. Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger gemäß § 66 Abs. 1 SGB I ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 Abs. 3 SGB I nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Soweit der Antragsgegner mit an den Antragsteller 1 gerichteten Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 dessen Leistungen ab 01.10.2019 "ganz entzogen" hat, stellt sich jedenfalls die rückwirkende Entziehung von Leistungen mit Wirkung ab 01.10.2019 als rechtswidrig dar. Die Entziehung von Leistungen nach § 66 SGB I wirkt zukunftsgerichtet für die Dauer der Entziehungsentscheidung, d.h. sie wirkt ex nunc. Eine auf den Zeitpunkt der Mitwirkungspflicht rückwirkende Entziehung kann hingegen nicht auf § 66 SGB I gestützt werden (Voelzke in: jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 66 SGB I, Rn. 65).
Zudem bestehen Zweifel, ob hier tatsächlich eine Mitwirkungsverletzung des Antragstellers 1 vorliegt. Dieser dürfte zutreffend darauf hingewiesen haben, dass es nicht zwingend einer Vorlage des Arbeitsvertrages bedarf. Auch hinsichtlich der zuletzt alternativ mit Schreiben vom 18.11.2019 angeforderten, weiteren möglichen Nachweise in Form von Kontoauszügen, Arbeitgeberbescheinigungen oder Abrechnungen, ist im konkreten Einzelfall fraglich, ob diese vom Antragsgegner zur Aufklärung des Sachverhalts zwingend benötigt werden. Der Senat sieht keine Begründung dafür, dass der Antragsteller seinen Vortrag, er erziele durch die neu aufgenommene Beschäftigung Einkommen, welches den Anspruch nach dem SGB II für die gesamte Bedarfsgemeinschaft entfallen lasse, gegenüber dem Antragsgegner konkretisieren und nachweisen muss. Denn die Mitwirkungspflichten von Leistungsberechtigten nach dem SGB II verfolgen die Zielrichtung, die Prüfung der Voraussetzungen der Leistung durch die Leistungsträger zu ermöglichen. In der vorliegenden Situation dürfte daher einiges dafür spreche, dass eine Mitteilungspflicht des Antragstellers 1 nur dahingehend bestand, dass er ein den Leistungsanspruch nach dem SGB II ausschließendes Einkommen erzielt und wann ihm dieses zufließen wird. Der Antragsteller 1 hat hierzu vorgetragen, diese Mitteilung habe er am 17.09.2019 telefonisch vorgenommen, ohne dass dieser Vortrag vom Antragsgegner in Zweifel gezogen wurde. Da der Antragsteller 1 zudem bereits mit Schreiben vom 18.09.2019 die grundsätzliche Bereitschaft signalisiert hat, ggf. notwendige Angaben zu machen, erscheint dem Senat der Vorwurf des Entziehungsbescheides vom 09.10.2019, der Antragsteller 1 habe wegen Nichtübersendung des Arbeitsvertrages seine Mitwirkungspflichten verletzt, eher zweifelhaft.
Bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides führt dies im Regelfall dazu, dass die aufschiebende Wirkung eines eingelegten Rechtsmittels anzuordnen ist. In der vorliegenden Konstellation ist jedoch bei der vom Senat zu treffenden Interessenabwägung der Rechtsgedanke der sogenannten Dolo agit-Regel (Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) zu beachten, wonach sich aus Treu und Glauben ergibt, dass eine Leistung nicht verlangt werden kann, wenn diese unmittelbar zurückzuerstatten wäre. Eben dies wäre hier bei einer Auszahlung von Leistungen für Oktober 2019 aufgrund einer Stattgabe im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Fall. Trotz des voraussichtlichen Erfolgs einer in der Hauptsache zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Entziehungsbescheid hat das Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg, da auf die Entscheidung des Senats nur solche Leistungen auszuzahlen wären, die der Antragsgegner sogleich wieder zurückfordern müsste. Durch den Zufluss laufenden Einkommens im Oktober 2019 war der Bedarf des Antragstellers 1 (sowie der gesamten Familie) gedeckt. Materiell-rechtlich ist der Anspruch des Antragstellers 1 sowie der gesamten Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach dem SGB II damit durch den Gehaltszufluss am 28.10.2019 entfallen und der Antragsgegner ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gesetzlich verpflichtet, die Leistungsbewilligung für Oktober 2019 aufzuheben und etwaige erbrachte Leistungen zurückzufordern. Bei der Entscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X handelt es sich – da hier keinerlei Anhaltspunkte für einen atypischen Fall bestehen - um eine gebundene und nicht um eine Ermessensentscheidung (BSG, Urteil vom 16.01.1986 – 4b RV 25/85 –, SozR 1300 § 48 Nr 21; Brandenburg in: jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 48 SGB X, Rn. 143). Das am 28.10.2019 zugeflossene Gehalt hat nach eigenem Vortrag des Antragstellers 1 - an dem zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat - den grundsicherungsrechtlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft deutlich überschritten und den SGB II Anspruch ausgeschlossen.
Entgegen der den Kern des Rechtsstreits bildenden Rechtsauffassung des Antragstellers 1, es habe noch ein Leistungsanspruch für die Zeit vom 01.10.2019 bis 27.10.2019 bestanden und damit bis zum tatsächlichen Zufluss der Gehaltszahlung, ist durch den Gehaltseingang am 28.10.2019 der gesamte Leistungsanspruch für den Monat Oktober 2019 entfallen. Für die Frage, wann ein Einkommen geeignet ist, den Bedarf zu decken, gilt das Zuflussprinzip. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Bei dem Gehalt des Antragstellers 1 handelt es sich um eine laufende Einnahme in diesem Sinne, da es sich um eine regelmäßig erfolgende Zahlung aus einem Arbeitsverhältnis handelt. Solche laufenden Einnahmen sind ungeachtet des Zeitpunkts, zu dem sie in einem Monat zufließen, nach dieser gesetzlichen Regelung dem monatlichen SGB II-Bedarf gegenüberzustellen. Das dem Konto des Antragstellers am 28.10.2019 gutgeschriebene Einkommen war daher für den Monat Oktober 2019 als Einkommen zu berücksichtigen, obwohl es erst gegen Ende des Monats Oktober 2019 zufloss (ständige Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 17.07.2014 - B 14 AS 25/13 R – juris, Rn. 10; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2015 – L 9 AS 828/15 , Rn. 25, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.09.2007 – L 20 B 176/07 AS ER, juris). Der sinngemäße Einwand des Antragstellers 1, dass für die Zeit vom Monatsersten bis zum Zuflusstag keine "bereiten Mittel" zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stünden, wenn Arbeitseinkommen erst ganz am Ende eines Monats tatsächlich zufließt, rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Der Umstand, dass Einkommen, das im Bedarfszeitraum zu einem späteren Zeitpunkt zufließt, bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Bedarfsdeckung zur Verfügung steht, berührt nicht die Anrechnung als Einkommen, sondern betrifft allein die Frage, inwieweit trotz des anzurechnenden Einkommens zur Überbrückung vorübergehend Leistungen zu gewähren sind (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2006 – L 8 AS 4314/05 –, Rn. 28, juris). § 24 Abs. 4 SGB II sieht ausdrücklich vor, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.09.2007, a.a.O.). Auf die Möglichkeit einer entsprechenden Antragstellung hat der Antragsgegner den Antragsteller 1 zutreffend bereits mit Schreiben vom 20.09.2019 hingewiesen, ein solcher Antrag ist aber nicht gestellt worden.
Trotz durchaus bestehender Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entziehungsentscheidung vom 09.10.2019 geht vor diesem Hintergrund die Interessenabwägung zum Nachteil des Antragstellers 1 aus und die Beschwerde, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, ist zurückzuweisen.
2.) Auch die Beschwerde der Antragsteller 2 - 4 hat keinen Erfolg.
Da sowohl der Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 als auch die Benachrichtigung vom 25.09.2019 über die vorläufige Zahlungseinstellung ausschließlich an den Antragsteller 1 gerichtet sind ("die Zahlung Ihrer Leistungen ... wurde ...eingestellt"; "die Leistungen ...werden ab 01. Oktober 2019 für Sie ganz entzogen."), hat der Antragsgegner, im Ergebnis offenbar unbeabsichtigt, hinsichtlich der Antragsteller 2 - 4 weder eine Entziehung verfügt, noch diese auch nur wirksam über die Einstellung der Zahlung informiert.
Der Antrag der Antragsteller 2 - 4, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen für den Monat Oktober 2019 ausgezahlt zu erhalten, beurteilt sich nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des § 86 Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 aaO). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung – ZPO –). Maßgebend für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Keller, a.a.O, § 86b Rn. 42). Da die Hilfebedürftigkeit der gesamten Bedarfsgemeinschaft zwischenzeitlich durch den Zufluss des Gehalts vom 28.10.2019 entfallen ist (vgl. die Ausführungen unter 1.), besteht keine Eilbedürftigkeit mehr, so dass der Antrag wegen eines fehlenden Anordnungsgrundes keinen Erfolg haben kann. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Antragsgegner den Änderungsbewilligungsbescheid vom 01.06.2019 noch nicht mit Wirkung ab Oktober 2019 aufgehoben hat. Auch insoweit gelten die obigen Ausführungen, dass eine Leistung nicht verlangt werden kann, wenn diese unmittelbar zurückzuerstatten wäre, da der Antragsgegner zur Aufhebung und Rückforderung gesetzlich verpflichtet ist.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Der Senat hat hier trotz der Zurückweisung der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz den Antragsgegner zur Kostentragung verpflichtet. Bei der Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 SGG kann das Gericht neben den Erfolgsaussichten der Hauptsache auch andere Einzelfallgesichtspunkte berücksichtigen werden ("Veranlassungsprinzip" oder "Veranlassungsgrundsatz", vgl BSG, 16.05.2007, B 7b AS 40/06 R (Rn 5); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. Oktober 2009 – 1 BvR 1969/09 –, juris). Vorliegend hat der Senat insbesondere zu Gunsten der Antragsteller berücksichtigt, dass entsprechend der obigen Ausführungen einerseits eine Anfechtungsklage gegen den Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 voraussichtlich erfolgreich sein dürfte und andererseits der Antragsgegner die Antragsteller 2 - 4 nur unzureichend in das Verfahren eingebunden hat.
4.) Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I. Der Antragsteller 1 wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine vom Antragsgegner verfügte Zahlungseinstellung und begehrt - ebenso wie die Antragsteller 2 bis 4 - die Auszahlung bewilligter SGB II Leistungen bis 27.10.2019.
Der 1977 Antragsteller 1 bildete mit seiner Ehefrau (Antragstellerin 2) und den beiden 2014 und 2016 geborenen Kindern (Antragsteller 3 bis 4) eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II und bezog ab April 2018 vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Mit Änderungsbescheid vom 01.06.2019 bewilligte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers Leistungen für die Zeit von Juli 2019 bis März 2020 in Höhe von monatlich 1.547,52 EUR.
Am 16.09.2019 teilte der Antragsteller 1 dem Antragsgegner per E-Mail mit, dass er einen Arbeitsvertrag unterschrieben habe und am 01.10.2019 seine neue Stelle in Südbayern im Allgäu antreten werde und dort eine Wohnung suche.
Mit ausschließlich an den Antragsteller 1 gerichtetem Bescheid vom 17.09.2019 hob der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab dem 01.10.2019 mit der Begründung auf, er sei wegen des Umzugs des Antragstellers nicht mehr zuständig.
Mit Mitwirkungsaufforderung vom selben Tage forderte der Antragsgegner den Antragsteller 1 zur Vorlage seines Arbeitsvertrages bis 04.10.2019 auf und wies auf die Rechtsfolgen der §§ 60, 66 SGB I hin.
Mit Schreiben vom 18.09.2019 teilte der Antragsteller 1 dem Antragsgegner mit, es bestehe nach dem Zuflussprinzip ein Anspruch auf SGB II Leistungen bis zur Zahlung des Gehaltes am Ende des Monats Oktober 2019. Es sei ihm zudem aus datenschutzrechtlichen Gründen streng untersagt, seinen Arbeitsvertrag an den Antragsgegner weiterzuleiten. Er sei aber gerne bereit, Auskünfte zu erteilen oder Angaben auf einem amtlichen Vordruck zu machen.
Der Antragsgegner erwiderte hieraufhin mit Schreiben vom 20.09.2019, um den SGB II Leistungsanspruch prüfen zu können, könne, alternativ zur Vorlage des Arbeitsvertrages, eine vom Arbeitgeber ausgefüllte Einkommensbescheinigung ausgefüllt werden. Ohne Nachweis des Einkommens sei eine Anspruchsprüfung nicht möglich. Eine darlehensweise Hilfegewährung sei grundsätzlich möglich und könne nach Antragstellung geprüft werden.
Mit Schreiben vom 22.09.2019 erhob der Antragsteller 1 u.a. gegen den Aufhebungsbescheid vom 17.09.2019 Widerspruch und machte des Weiteren verschiedene Einwendungen gegen die Schriftsätze des Antragsgegners geltend.
Auf die Mitteilung des Antragstellers 1 vom 18.09.2019, dass er sein erstes Gehalt voraussichtlich erst Ende Oktober 2019 erhalten werde, teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 20.09.2019 mit, dass ein Nachweis über das Einkommen benötigt werde, alternativ könne er, statt der Vorlage des Arbeitsvertrages, eine vom Arbeitgeber ausgefüllte Einkommensbescheinigung vorlegen.
Mit Abhilfebescheid vom 25.09.2019 nahm der Antragsgegner sodann den Aufhebungsbescheid vom 17.09.2019 zurück und teilte (wiederum ausschließlich) dem Antragsteller 1 ebenfalls mit Schreiben vom 25.09.2019 mit, die Zahlung der Leistungen werde ab 01.10.2019 eingestellt, weil der Antragsteller 1 eine Erwerbstätigkeit aufnehme und voraussichtlich nicht mehr hilfebedürftig sei.
Mit erneut ausschließlich an den Antragsteller 1 gerichteten Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 entzog der Antragsgegner die Leistungen ab dem 01.10.2019 wegen Nichtvorlage des Arbeitsvertrages. Der Antragsteller habe auch keine Gründe mitgeteilt, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen seien.
Hiergegen hat der Antragsteller 1 am 08.11.2019 Widerspruch eingelegt, mit der Begründung nach Auskunft des Bundesdatenschutzbeauftragten, sei eine Einreichung des Arbeitsvertrages nicht notwendig.
Noch vor Einlegung des Widerspruchs hat der Antragsteller 1 am 13.10.2019 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Stuttgart (SG) gestellt und ausgeführt, er benötige die Zahlung von SGB II Leistungen für Oktober insbesondere zur Versorgung seiner beiden minderjährigen Kinder, da sein Gehalt voraussichtlich erst Ende Oktober 2019 ausgezahlt werde. Das Zuflussprinzip besage, dass das Gehalt zu dem Zeitpunkt anzurechnen sei, in dem man tatsächlich darüber verfügen könne. Die Aufforderung des Antragsgegners, er müsse seinen Arbeitsvertrag vorlegen, sei datenschutzrechtlich unzulässig. Mit Schreiben vom 20.10.2019 hat er ergänzend vorgetragen, er habe anlässlich eines Telefonats mit der Jobcenter-Hotline am 17.09.2019 bereits mitgeteilt, dass in seiner neuen Anstellung sein "Gehalt weit über Hartz 4 liegen" werde. Er habe bereits am 17.09.2019 seine voraussichtliche Lohnhöhe mitgeteilt und er sei selbstverständlich bereit, dem Antragsgegner einen Einkommensnachweis zukommen zu lassen, sobald das Gehalt zugeflossen sei.
Mit Beschluss vom 23.10.2019 hat das SG "den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung" abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle an dem für die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei nicht gegeben, solange der Antragsteller die ihm zumutbaren Möglichkeiten nicht ausgeschöpft habe, das erstrebte Ziel ohne Einschaltung des Gerichts zu erlangen.
Gegen den am 24.10.2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller 1 am 23.11.2019 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das BVerfG habe jüngst entschieden, dass 100 % Kürzungen rechtswidrig seien. Er werde seinen Arbeitsvertrag vorlegen, wenn der Senat eidesstattlich versichere, dass er diesen nicht an das "Mobbing-Center Böblingen" (gemeint war der Antragsgegner) weiterleite. Eigentlich obliege ihm keine Mitwirkungspflicht mehr, da sein Einkommen so hoch sei, dass er ab dem 01.11.2019 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II mehr habe. Er werde im Übrigen die chinesische Botschaft informieren, dass hier "Menschenrechtsverletzungen durch Nazi-ähnliche Behörden" vorlägen. Es habe ein Anspruch auf Absicherung bis zur ersten Gehaltszahlung Ende des Monats Oktober 2019 bestanden. Auf Nachfrage des Senats teilte der Antragsteller 1 mit, dass ihm ein den Leistungsanspruch ausschließendes Gehalt am 28.10.2019 zugeflossen ist. Er legte hierzu eine Gehaltsabrechnung vor, widersprach aber der Weiterleitung derselben an den Antragsgegner.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig. Der Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG greift nicht ein.
Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg, da das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht - wenn auch mit unzutreffender Begründung - abgelehnt hat.
Zunächst ist klarzustellen, dass der Antragsteller 1 bereits in der Antragsschrift vom 13.10.2019 ausdrücklich betont hat, dass es ihm um Leistungen für sich und seine Familie geht ("vor allem unsere beiden minderjährigen Kinder ausreichend mit Lebensmitteln versorgt sind"), so dass nicht nur der Antragsteller 1, sondern die gesamte Bedarfsgemeinschaft Beteiligte des vorliegenden Verfahrens sind.
Soweit der Antragsteller 1 in seinem letzten Schriftsatz vom 15.12.2019 die Durchführung eines Güterichterverfahrens angeregt hat, gibt es hierfür im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weder Anlass noch Grundlage.
1.) Die Beschwerde des Antragstellers 1 ist zurückzuweisen.
Da der Antragsgegner dem Antragsteller 1 zuletzt mit Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 die mit Änderungsbescheid vom 01.06.2019 bewilligten Leistungen "ganz entzogen" hat, ist statthafte Antragsart hinsichtlich des Antragstellers 1 zunächst die nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu beurteilende Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen am 08.11.2019 eingelegten Widerspruchs. Entgegen den Ausführungen des SG im Beschluss vom 23.10.2019, der sich ausschließlich mit einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG befasst, liegt ein Rechtsschutzbedürfnis bereits deshalb vor, da es sich bei dem genannten Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 um einen an den Antragsteller 1 gerichteten belastenden Verwaltungsakt handelt. Die Zulässigkeit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage gegen die Entziehung laufender Leistungen hat im Übrigen nicht zur Voraussetzung, dass zuvor die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde zur Aussetzung der sofortigen Vollziehung angegangen wurde (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.01.2002 – L 13 AL 3590/01 ER-B –, juris, Rn. 5).
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Antrag ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung und dem, durch den Antragsgegner vertretenen, Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse überwiegt. Dabei ist zunächst festzustellen, dass der Gesetzgeber vorliegend gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II grundsätzlich die sofortige Vollziehung angeordnet und damit ein Regel-Ausnahmeverhältnis zu Gunsten der Vollziehbarkeit angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 86b, Rn. 12c, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Tatsachen hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 16b). Maßgebend für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BSG, Urteil vom 17.05.1983 – 7 RAr 32/82 –, juris).
Zunächst ist festzuhalten, dass an der Rechtmäßigkeit des Entziehungsbescheides vom 09.10.2019 gewichtige Zweifel bestehen. Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger gemäß § 66 Abs. 1 SGB I ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 Abs. 3 SGB I nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Soweit der Antragsgegner mit an den Antragsteller 1 gerichteten Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 dessen Leistungen ab 01.10.2019 "ganz entzogen" hat, stellt sich jedenfalls die rückwirkende Entziehung von Leistungen mit Wirkung ab 01.10.2019 als rechtswidrig dar. Die Entziehung von Leistungen nach § 66 SGB I wirkt zukunftsgerichtet für die Dauer der Entziehungsentscheidung, d.h. sie wirkt ex nunc. Eine auf den Zeitpunkt der Mitwirkungspflicht rückwirkende Entziehung kann hingegen nicht auf § 66 SGB I gestützt werden (Voelzke in: jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 66 SGB I, Rn. 65).
Zudem bestehen Zweifel, ob hier tatsächlich eine Mitwirkungsverletzung des Antragstellers 1 vorliegt. Dieser dürfte zutreffend darauf hingewiesen haben, dass es nicht zwingend einer Vorlage des Arbeitsvertrages bedarf. Auch hinsichtlich der zuletzt alternativ mit Schreiben vom 18.11.2019 angeforderten, weiteren möglichen Nachweise in Form von Kontoauszügen, Arbeitgeberbescheinigungen oder Abrechnungen, ist im konkreten Einzelfall fraglich, ob diese vom Antragsgegner zur Aufklärung des Sachverhalts zwingend benötigt werden. Der Senat sieht keine Begründung dafür, dass der Antragsteller seinen Vortrag, er erziele durch die neu aufgenommene Beschäftigung Einkommen, welches den Anspruch nach dem SGB II für die gesamte Bedarfsgemeinschaft entfallen lasse, gegenüber dem Antragsgegner konkretisieren und nachweisen muss. Denn die Mitwirkungspflichten von Leistungsberechtigten nach dem SGB II verfolgen die Zielrichtung, die Prüfung der Voraussetzungen der Leistung durch die Leistungsträger zu ermöglichen. In der vorliegenden Situation dürfte daher einiges dafür spreche, dass eine Mitteilungspflicht des Antragstellers 1 nur dahingehend bestand, dass er ein den Leistungsanspruch nach dem SGB II ausschließendes Einkommen erzielt und wann ihm dieses zufließen wird. Der Antragsteller 1 hat hierzu vorgetragen, diese Mitteilung habe er am 17.09.2019 telefonisch vorgenommen, ohne dass dieser Vortrag vom Antragsgegner in Zweifel gezogen wurde. Da der Antragsteller 1 zudem bereits mit Schreiben vom 18.09.2019 die grundsätzliche Bereitschaft signalisiert hat, ggf. notwendige Angaben zu machen, erscheint dem Senat der Vorwurf des Entziehungsbescheides vom 09.10.2019, der Antragsteller 1 habe wegen Nichtübersendung des Arbeitsvertrages seine Mitwirkungspflichten verletzt, eher zweifelhaft.
Bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides führt dies im Regelfall dazu, dass die aufschiebende Wirkung eines eingelegten Rechtsmittels anzuordnen ist. In der vorliegenden Konstellation ist jedoch bei der vom Senat zu treffenden Interessenabwägung der Rechtsgedanke der sogenannten Dolo agit-Regel (Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) zu beachten, wonach sich aus Treu und Glauben ergibt, dass eine Leistung nicht verlangt werden kann, wenn diese unmittelbar zurückzuerstatten wäre. Eben dies wäre hier bei einer Auszahlung von Leistungen für Oktober 2019 aufgrund einer Stattgabe im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Fall. Trotz des voraussichtlichen Erfolgs einer in der Hauptsache zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Entziehungsbescheid hat das Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg, da auf die Entscheidung des Senats nur solche Leistungen auszuzahlen wären, die der Antragsgegner sogleich wieder zurückfordern müsste. Durch den Zufluss laufenden Einkommens im Oktober 2019 war der Bedarf des Antragstellers 1 (sowie der gesamten Familie) gedeckt. Materiell-rechtlich ist der Anspruch des Antragstellers 1 sowie der gesamten Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach dem SGB II damit durch den Gehaltszufluss am 28.10.2019 entfallen und der Antragsgegner ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gesetzlich verpflichtet, die Leistungsbewilligung für Oktober 2019 aufzuheben und etwaige erbrachte Leistungen zurückzufordern. Bei der Entscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X handelt es sich – da hier keinerlei Anhaltspunkte für einen atypischen Fall bestehen - um eine gebundene und nicht um eine Ermessensentscheidung (BSG, Urteil vom 16.01.1986 – 4b RV 25/85 –, SozR 1300 § 48 Nr 21; Brandenburg in: jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 48 SGB X, Rn. 143). Das am 28.10.2019 zugeflossene Gehalt hat nach eigenem Vortrag des Antragstellers 1 - an dem zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat - den grundsicherungsrechtlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft deutlich überschritten und den SGB II Anspruch ausgeschlossen.
Entgegen der den Kern des Rechtsstreits bildenden Rechtsauffassung des Antragstellers 1, es habe noch ein Leistungsanspruch für die Zeit vom 01.10.2019 bis 27.10.2019 bestanden und damit bis zum tatsächlichen Zufluss der Gehaltszahlung, ist durch den Gehaltseingang am 28.10.2019 der gesamte Leistungsanspruch für den Monat Oktober 2019 entfallen. Für die Frage, wann ein Einkommen geeignet ist, den Bedarf zu decken, gilt das Zuflussprinzip. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Bei dem Gehalt des Antragstellers 1 handelt es sich um eine laufende Einnahme in diesem Sinne, da es sich um eine regelmäßig erfolgende Zahlung aus einem Arbeitsverhältnis handelt. Solche laufenden Einnahmen sind ungeachtet des Zeitpunkts, zu dem sie in einem Monat zufließen, nach dieser gesetzlichen Regelung dem monatlichen SGB II-Bedarf gegenüberzustellen. Das dem Konto des Antragstellers am 28.10.2019 gutgeschriebene Einkommen war daher für den Monat Oktober 2019 als Einkommen zu berücksichtigen, obwohl es erst gegen Ende des Monats Oktober 2019 zufloss (ständige Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 17.07.2014 - B 14 AS 25/13 R – juris, Rn. 10; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2015 – L 9 AS 828/15 , Rn. 25, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.09.2007 – L 20 B 176/07 AS ER, juris). Der sinngemäße Einwand des Antragstellers 1, dass für die Zeit vom Monatsersten bis zum Zuflusstag keine "bereiten Mittel" zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stünden, wenn Arbeitseinkommen erst ganz am Ende eines Monats tatsächlich zufließt, rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Der Umstand, dass Einkommen, das im Bedarfszeitraum zu einem späteren Zeitpunkt zufließt, bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Bedarfsdeckung zur Verfügung steht, berührt nicht die Anrechnung als Einkommen, sondern betrifft allein die Frage, inwieweit trotz des anzurechnenden Einkommens zur Überbrückung vorübergehend Leistungen zu gewähren sind (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2006 – L 8 AS 4314/05 –, Rn. 28, juris). § 24 Abs. 4 SGB II sieht ausdrücklich vor, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.09.2007, a.a.O.). Auf die Möglichkeit einer entsprechenden Antragstellung hat der Antragsgegner den Antragsteller 1 zutreffend bereits mit Schreiben vom 20.09.2019 hingewiesen, ein solcher Antrag ist aber nicht gestellt worden.
Trotz durchaus bestehender Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entziehungsentscheidung vom 09.10.2019 geht vor diesem Hintergrund die Interessenabwägung zum Nachteil des Antragstellers 1 aus und die Beschwerde, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, ist zurückzuweisen.
2.) Auch die Beschwerde der Antragsteller 2 - 4 hat keinen Erfolg.
Da sowohl der Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 als auch die Benachrichtigung vom 25.09.2019 über die vorläufige Zahlungseinstellung ausschließlich an den Antragsteller 1 gerichtet sind ("die Zahlung Ihrer Leistungen ... wurde ...eingestellt"; "die Leistungen ...werden ab 01. Oktober 2019 für Sie ganz entzogen."), hat der Antragsgegner, im Ergebnis offenbar unbeabsichtigt, hinsichtlich der Antragsteller 2 - 4 weder eine Entziehung verfügt, noch diese auch nur wirksam über die Einstellung der Zahlung informiert.
Der Antrag der Antragsteller 2 - 4, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen für den Monat Oktober 2019 ausgezahlt zu erhalten, beurteilt sich nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des § 86 Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 aaO). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung – ZPO –). Maßgebend für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Keller, a.a.O, § 86b Rn. 42). Da die Hilfebedürftigkeit der gesamten Bedarfsgemeinschaft zwischenzeitlich durch den Zufluss des Gehalts vom 28.10.2019 entfallen ist (vgl. die Ausführungen unter 1.), besteht keine Eilbedürftigkeit mehr, so dass der Antrag wegen eines fehlenden Anordnungsgrundes keinen Erfolg haben kann. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Antragsgegner den Änderungsbewilligungsbescheid vom 01.06.2019 noch nicht mit Wirkung ab Oktober 2019 aufgehoben hat. Auch insoweit gelten die obigen Ausführungen, dass eine Leistung nicht verlangt werden kann, wenn diese unmittelbar zurückzuerstatten wäre, da der Antragsgegner zur Aufhebung und Rückforderung gesetzlich verpflichtet ist.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Der Senat hat hier trotz der Zurückweisung der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz den Antragsgegner zur Kostentragung verpflichtet. Bei der Kostenentscheidung gemäß § 193 Abs. 1 SGG kann das Gericht neben den Erfolgsaussichten der Hauptsache auch andere Einzelfallgesichtspunkte berücksichtigen werden ("Veranlassungsprinzip" oder "Veranlassungsgrundsatz", vgl BSG, 16.05.2007, B 7b AS 40/06 R (Rn 5); BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. Oktober 2009 – 1 BvR 1969/09 –, juris). Vorliegend hat der Senat insbesondere zu Gunsten der Antragsteller berücksichtigt, dass entsprechend der obigen Ausführungen einerseits eine Anfechtungsklage gegen den Entziehungsbescheid vom 09.10.2019 voraussichtlich erfolgreich sein dürfte und andererseits der Antragsgegner die Antragsteller 2 - 4 nur unzureichend in das Verfahren eingebunden hat.
4.) Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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