L 10 R 2401/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2963/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2401/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.05.2019 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, auf Dauer.

Die am 1960 geborene Klägerin, deutsche Staatsbürgerin, besuchte von Anfang August 1977 bis Mitte Juni 1978 die einjährige hauswirtschaftliche Berufsfachschule. Anschließend (von Ende Juli 1978 bis Ende Juli 1979) absolvierte sie - nach eigenen Angaben - ein Praktikum als Kindergartenhelferin; von Anfang September 1979 bis Ende August 1981 wurde sie zur Pelzwerkerin ausgebildet. In diesem Beruf arbeitete sie bis Mitte Mai 1982 und anschließend - mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit - als Hausangestellte, Näherin/Kontrolleurin, Pflege- und Stationshelferin sowie als Verkäuferin/Kassiererin. Zuletzt war sie nach eigenen Angaben von Herbst 1999 bis Anfang 2006 als Tierpflegehelferin bei einer Tierschutzinitiative beschäftigt. Seither ist sie arbeitsunfähig bzw. ohne Beschäftigung und arbeitsuchend und bezieht seit Anfang 2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Wegen der weiteren Einzelheiten der von der Klägerin zurückgelegten Versicherungszeiten wird auf den Versicherungsverlauf (Bl. 212 ff. SG-Akte) Bezug genommen. Bei ihr ist seit Mai 2006 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie der Nachteilsausgleich Merkzeichen "G" festgestellt.

Am 27.10.2014 beantragte die Klägerin (erneut) die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen holte die Beklagte das Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. L. ein, der nach Untersuchung im Wesentlichen eine ganz im Vordergrund stehende erhebliche Funktionseinschränkung im Bereich des linken Schultergelenks nach sturzbedingter Oberarmkopffraktur im April 2013 sowie Bewegungseinschränkungen im rechten Sprunggelenk nach Versteifungsoperation Anfang 2006 diagnostizierte. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung (ohne Armvorhalte- und Überkopfarbeiten) seien der Klägerin noch sechs Stunden und mehr täglich möglich; eine Arbeit als Tierpflegehelferin komme nicht mehr in Betracht. Mit Bescheid vom 08.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2015 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, dass die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne und daher keine Erwerbsminderung vorliege; ein besonderer Berufsschutz komme ihr auf Grund ihres beruflichen Werdegangs nicht zu.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.05.2015 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung und auf Dauer (vgl. Bl. 215 SG-Akte) begehrt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen unter Hinweis auf ihre orthopädischen Leiden sowie "erhebliche psychische Beeinträchtigungen" geltend gemacht, dass sie nicht mehr in der Lage sei, drei Stunden täglich zu arbeiten.

Das SG hat ärztliche Befundunterlagen beigezogen und die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Proktologie Dr. K. hat mitgeteilt, die Klägerin zuletzt Mitte März 2015 wegen Schulterbeschwerden behandelt zu haben und auf seine vorgelegten Patientenunterlagen verwiesen. Die Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. hat u.a. mitgeteilt, die Klägerin zuletzt im Juli 2015 wegen Schulter-/Oberarmbeschwerden links untersucht zu haben. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. hat im Wesentlichen über eine rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode, mit somatischem Syndrom berichtet, die vom Hausarzt der Klägerin mit einem Johanneskrautpräparat behandelt werde.

Das SG hat nach Stellungnahme der Beklagten durch den Obermedizinalrat und Sozialmediziner F. (Bl. 53 SG-Akte) von Amts wegen das Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. eingeholt, der bei der Klägerin nach Untersuchung auf seinem Fachgebiet eine Dysthymie diagnostiziert hat; eine mittelgradige depressive Störung sei nicht (mehr) ersichtlich. Die Klägerin könne seitens des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts noch leichte Arbeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten (Einschränkungen: keine Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das soziale Anpassungs- und an das Konzentrationsvermögen sowie an die Stresstoleranz, etwa Nachtschicht-, Akkordarbeit, ständiger Publikumsverkehr, und mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen), z.B. solche einer Haushaltshilfe, in einer Poststelle oder in der Montage.

Nach Vorlage weiterer orthopädischer Befundunterlagen hat das SG von Amts wegen bei der Fachärztin für Orthopädie Dr. B.-S. ein Sachverständigengutachten eingeholt. Nach Untersuchung (September 2017) hat die Sachverständige bei der Klägerin im Wesentlichen (vgl. Bl. 151 f. SG-Akte) Schmerzzustände im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (mit nur geringen Bewegungseinschränkungen und ohne Nervenwurzelreizungen), der Schultern (mit deutlichen Bewegungseinschränkungen), der Handgelenke (ohne Funktionseinschränkungen), der Füße (rechts bei geringer Spreizfußbildung, links bei Zustand nach Versteifung im Großzehengrundgelenk und operativer Korrektur der 4. Zehe) bzw. der Sprunggelenke (rechts mit deutlicher, links ohne Bewegungseinschränkung) diagnostiziert. Eine akute Bandscheibenläsion liege nicht vor. Leichte Tätigkeiten auf Arbeitstischhöhe im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen - mit überwiegendem Sitzen - seien der Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich möglich (Einschränkungen: ohne Überkopfarbeiten, häufiges Bücken und Treppensteigen, Wirbelsäulenverdrehungen, Heben/Bewegen von Lasten über 5 kg, länger andauernde feinmotorische Arbeiten, Gehen auf unebenem Gelände bzw. auf Leitern).

Die Klägerin hat insbesondere geltend gemacht, bei ihr bestehe in Ansehung der von der Sachverständigen aufgeführten Einschränkungen nebst "Medikamenteneinfluss" eine Summierung "außergewöhnlicher" Leistungseinschränkungen. Aus dem vorgelegten neurochirurgischem respektive radiologischem Befundbericht (Bl. 175 f., 192 f. SG-Akte) ergäben sich zudem namentlich Bandscheibenschäden - die die Sachverständige nicht gesehen habe und die sich in chronischen Lendenwirbelsäulenschmerzen äußerten - sowie Nierenzysten. Für die Beklagte hat sich zuletzt der Beratungsarzt Dr. B. (Bl. 198 f. SG-Akte) geäußert.

Mit Urteil vom 22.05.2019 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2015 und unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.04.2018 bis 31.03.2021 zu gewähren; außerdem hat es angeordnet, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu einem Viertel zu erstatten hat. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Klägerin zwar noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Es hat sich dabei auf die eingeholten Sachverständigengutachten gestützt. Es bestünde indes "eine erhebliche Anzahl" qualitativer Leistungseinschränkungen, sodass es der Klägerin nicht möglich sei, zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig zu sein. Namentlich der Umstand, dass die Klägerin nur noch bis zu 5 kg heben und tragen könne, ihr feinmotorische Tätigkeiten lediglich kurzzeitig und nur noch Arbeiten auf Schreibtischhöhe bei Ausschluss von Überkopfarbeiten möglich seien, begründe eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, wovon sich die Kammer (auch) auf Grund des "persönlichen Eindrucks" der Klägerin in der mündlichen Verhandlung überzeugt habe. Hinzukämen die übrigen, insbesondere von den gerichtlichen Sachverständigen aufgeführten, zahlreichen "gewöhnlichen" Einschränkungen, namentlich nicht mehr als "nur geringfügige Anforderungen" an die Kommunikationsfähigkeit. Zudem sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, "geistig anspruchsvollere" Tätigkeiten (z.B. Büroarbeiten) auszuüben. Eine Verweisungstätigkeit habe die Beklagte nicht benannt. Somit stehe der Klägerin - ausgehend von einem nachgewiesenen Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung (erst) im September 2017 (Untersuchung durch die Sachverständige Dr. B.-S. ) - eine für die Dauer von drei Jahren befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 101 Abs. 1 und § 102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu; eine Dauerrente komme nicht in Betracht, da nicht unwahrscheinlich sei, dass die Erwerbsminderung behoben werden könne. Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) komme für die Zeit vor dem Nachweis einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht in Betracht, da die Klägerin insoweit als ungelernte Arbeiterin auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden könne. Für die Zeit der ausgeurteilten Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung trete eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit dahinter zurück.

Gegen das der Beklagten am 05.07.2019 zugestellte Urteil hat diese am 22.07.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt, mit der sie die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Abweisung der Klage in vollem Umfang begehrt hat. Am 20.09.2019 hat die Klägerin gegen das ihr am 05.07.2019 zugestellte Urteil (Anschluss-)Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt hat.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels hat die Beklagte im Wesentlichen geltend gemacht, dass bei der Klägerin ausweislich des Sachverständigengutachtens von Dr. V. nur eine geringe seelische Störung bestünde und dass der Auskunft des Dr. B. nichts durchgreifend Abweichendes entnommen werden könne, zumal die Klägerin psychiatrisch nur niederfrequent und darüber hinaus nur mit einem Johanneskrautpräparat behandelt werde. Soweit das SG in psychiatrischer Hinsicht seine Annahme ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auch auf den "persönlichen Eindruck" von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestützt habe, lasse sich weder dem Urteil noch dem Sitzungsprotokoll entnehmen, welche "Eindrücke" das Gericht gewonnen habe. Im Hinblick auf die von der Sachverständigen Dr. B.-S. genannte Einschränkung nur kurzzeitig möglicher feinmotorischer Tätigkeiten, lasse sich diese weder mit dem von der Sachverständigen erhobenen klinischen Befund noch mit den geschilderten Tagesablaufaktivitäten der Klägerin in Einklang bringen. Insgesamt begründe weder die Art noch die Summe der bestehenden Einschränkungen eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes.

Die Beklagte beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.05.2019 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst, vgl. Bl. 30 Senats-Akte),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.05.2016 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 08.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2015 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab Antragstellung und über den 31.03.2021 hinaus auf Dauer zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil insoweit für rechtsfehlerhaft, als ihr lediglich ab 01.04.2018 - und nicht bereits ab Antragstellung - Rente wegen Erwerbsminderung zugesprochen worden ist; außerdem habe sie Anspruch auf eine Dauerrente statt der ausgeurteilten befristeten Rente. Das SG habe sich nicht in ausreichender Art und Weise mit dem Sachverständigengutachten der Dr. B.-S. auseinandergesetzt, die erhebliche orthopädische Erkrankungen bestätigt habe. Soweit sich die Beklagte auf die niederfrequente Behandlung bei Dr. B. berufe, übersehe sie, dass dieser seinen Praxissitz verlegt habe und sie - die Klägerin - nichts dafür könne, keinen neuen Therapieplatz gefunden zu haben. Auch sei die Behauptung "falsch", sie werde von ihrem Hausarzt lediglich mit einem Johanneskrautpräparat behandelt. Ihre behandelnden Ärzte könnten im Übrigen bestätigen, dass ihr Gesundheitszustand einer Besserung nicht zugänglich sei.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, ebenso die Anschlussberufung (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 524 der Zivilprozessordnung - ZPO -) der Klägerin. Begründet ist indes nur die Berufung der Beklagten. Das SG hätte diese unter Abänderung des Bescheids vom 08.01.2015 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2015 nicht verurteilen dürfen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.04.2018 bis 31.03.2021 zu gewähren. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese ist trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder seit Rentenantragstellung im Oktober 2014 noch ab einem späteren Zeitpunkt voll bzw. teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Ihr steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit, zu. Dem entsprechend ist auch die (Anschluss-)Berufung der Klägerin, mit der sie Rente wegen Erwerbsminderung bereits ab einem früheren Zeitpunkt und ohne zeitliche Befristung begehrt, unbegründet.

Rechtsgrundlage für die hier in erster Linie begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie (u.a.) teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75, in SozR 2200 § 1246 Nr. 13). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert, denn sie kann zur Überzeugung des Senats zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

Die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin ist ganz maßgeblich durch Gesundheitsstörungen von Seiten des orthopädischen Fachgebiets - die sie mit ihrem Rechtsmittel auch in den Vordergrund gerückt hat - sowie von psychiatrischer Seite eingeschränkt.

In orthopädischer Hinsicht leidet sie im Wesentlichen an Schmerzzuständen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten bei degenerativen Veränderungen mit nur geringen Bewegungseinschränkungen ohne Nervenwurzelreizungen, an deutlichen, schmerzhaften Bewegungseinschränkungen im Bereich der Schultern, an einer beginnenden Daumensattel- bzw. Handgelenksarthrose beidseits mit beginnenden degenerativen Veränderungen, sowie an Schmerzen im Bereich der Füße (links bei Zustand nach Großzehengrundgelenkarthrodese) bzw. der Sprunggelenke (rechts mit deutlicher, links ohne Bewegungseinschränkung). Dies stützt der Senat auf das Sachverständigengutachten der Dr. B.-S. und auf das Gutachten des Dr. L. ; aus den Auskünften (gegenüber dem SG) der behandelnden Ärzte Dr. K. und Dr. B. ergibt sich nichts Abweichendes, ebenso wenig aus dem Arztbrief des Neurochirurgen Prof. Dr. N. (Oberarzt im Klinikum S.) von Anfang 2018, nachdem dieser chronische Schmerzen mit Lumboischalgien ohne Hinweise auf ein fokales Defizit bestätigt hat (s. Bl. 175 f. SG-Akte), bzw. aus dem MRT-Bericht von März 2018 (Bl. 192 SG-Akte), in dem u.a. geringe Bandscheibenvorwölbungen ("Bulging") ohne signifikante Einengungen, degenerative Wirbelsäulenveränderungen und ein sog. Baastrup-Phänomen (= Rückenschmerzen durch sich berührende Dornfortsätze) beschrieben worden sind, worauf der Beratungsarzt Dr. B. (Bl. 198 f. SG-Akte) aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen hat, dass sich damit gerade die von der Klägerin geklagten - und von der Sachverständigen berücksichtigten - Rückenschmerzen erklären ließen.

Unter Zugrundelegung dessen, des von Dr. B.-S. erhobenen klinischen Befunds (s. Bl. 136 ff. SG-Akte, insbesondere: problemloses selbstständiges Entkleiden, Sockenausziehen im Stehen ohne Schmerzäußerung, Schuhe ausziehen bei völligem Nachvornebeugen, problemloses Sitzen mit elastischem Stützmieder, problemloses Ausziehen der Bandage, nur geringe Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, Nacken- und Schürzengriff - wenn auch mit Schmerzangabe - durchführbar bei passiv deutlich besserer Beweglichkeit der Schultergelenke und klinisch "nicht ganz" nachvollziehbarer Bewegungseinschränkung rechts, beidseits reizlose, frei bewegliche Handgelenke, geringe Einschränkung der Hüftgelenksinnenrotation rechts, Gangbild nur leicht hinkend bei unauffälliger Fußsohlenbeschwielung und nur gering ausgeprägtem Lymphödem rechts, normale Beweglichkeit der linken Sprunggelenke ohne Auffälligkeiten, Bewegungseinschränkung im Bereich der rechten Sprunggelenke nach Arthrodese des unteren Gelenks, grob-neurologisch insgesamt keine Auffälligkeiten, vgl. Bl. 147 ff. SG-Akte, zu Letzterem auch bereits der Sachverständige Dr. V. , s. Bl. 91 f. SG-Akte) und der von der Klägerin geschilderten (Tagesablauf-)Aktivitäten ("jetzt" am Bodensee im Urlaub gewesen, dort "erholt", Versorgung des Haushalts, Krankengymnastik, Einkaufen, Schreib- und Computerarbeiten, Zeitunglesen, morgens und mittags je eine halbe Stunde stricken, Einstellung des TENS-Geräts für ihre Mutter, s. Bl. 135 SG-Akte) hat die Sachverständige überzeugend dargelegt, dass die bei der Klägerin bestehenden orthopädischen Leiden lediglich zu qualitativen Einschränkungen nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungsminderung für leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen - mit überwiegendem Sitzen - führen. Sie hat damit die Einschätzung des Gutachters Dr. L. bestätigt und die Klägerin hat sich im Rechtsmittelverfahren ausdrücklich auf ihr Gutachten berufen und es verteidigt. Auch die Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie Dres. B. und B. haben in ihrem "ärztlichen Attest" (Bl. 112 SG-Akte) lediglich qualitative Einschränkungen beschrieben.

Soweit die Sachverständige das Heben und Bewegen von Lasten über 5 kg, Überkopfarbeiten, häufiges Bücken und Treppensteigen, Gehen auf unebenem Gelände bzw. das Besteigen von Leitern sowie wirbelsäulenverdrehende Arbeiten als nicht mehr leidensgerecht erachtet hat, ist dies für den Senat auf der Grundlage der obigen Ausführungen schlüssig und nachvollziehbar. Darüber hinaus berücksichtigt der Senat zugunsten der Klägerin auch die von dem Gutachter Dr. L. und den Dres. B. und B. zusätzlich aufgeführten Einschränkungen (keine Arbeiten in Armvorhalte sowie in vornübergebeugter Haltung).

Soweit die Sachverständige Dr. B.-S. gemeint hat, der Klägerin seien darüber hinaus feinmotorische Tätigkeiten nur kurzzeitig möglich, vermag der Senat sich dem nicht anzuschließen, denn der von der Sachverständigen insoweit erhobene klinische Befund (Bl. 138, 142, 149 SG-Akte, dazu sogleich) trägt diese Einschränkung nicht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Bei der Untersuchung durch Dr. B.-S. haben die Hände der Klägerin bei normaler Beschwielung der Handflächen, freier, reizloser Beweglichkeit der Hand- und Fingergelenke und bei seitengleich normaler Sensibilität in den Händen ohne motorische Ausfälle äußerlich keine Auffälligkeiten gezeigt, die Trophik der Haut und Fingernägel ist beidseits unauffällig gewesen, Gelenkschwellungen der Finger und Handgelenke haben nicht vorgelegen, ebenso wenig wie Hinweise auf Muskelatrophien oder Strangbildungen. Die Kraft der Hände ist beidseits normal, der Faustschluss jeweils problemlos und die Klägerin in der Lage gewesen, sämtliche Greifformen beidseitig unauffällig durchzuführen, wobei die Fingerspitzen sämtlicher Finger den jeweiligen Daumen gut berührt haben. Entsprechend dieses klinischen Befunds lassen auch die von der Klägerin gegenüber der Sachverständigen geschilderten Tagesablaufaktivitäten (s.o., insbesondere Stricken, Zeitunglesen, Schreib- und Computertätigkeiten) relevante funktionelle Einschränkungen im Bereich der Hände nicht erkennen, zumal die Klägerin insoweit auch keine aktuellen Beschwerden (s. Bl. 136 SG-Akte) - sondern erst auf Nachfrage Schmerzen "bei gewissen Bewegungen" (Bl. 149 SG-Akte) - angegeben hat. Die Sachverständige hat die (qualitative) Einschränkung nur kurzzeitig möglicher feinmotorischer Arbeiten im Wesentlichen alleine aus der radiologisch diagnostizierten beidseits beginnenden Daumensattel- bzw. Handgelenksarthrose mit beginnenden degenerativen Veränderungen geschlossen (s. Bl. 149, 153 SG-Akte). Indes kommt es im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung nicht auf eine bestimmte (bildgebende) Diagnosestellung, die Art oder Anzahl von Diagnosen oder auf die Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (BSG, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, in juris, Rdnr. 15), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen, sodass auch die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht maßgeblich sind (BSG, a.a.O.). Derartige funktionelle Beeinträchtigungen im Bereich der Hände hat die Sachverständige aber - wie aufgezeigt - gerade nicht festgestellt, sondern im Gegenteil einen funktionsgerechten, unauffälligen klinischen Befund erhoben. Auch der Gutachter Dr. L. stellte insoweit keine Funktionsstörungen fest.

Soweit die Sachverständige weiter ausgeführt hat, der Klägerin seien wegen der eingeschränkten Armanhebefähigkeit auf Grund der Schulterleiden (lediglich) Tätigkeiten auf Arbeitstischhöhe möglich (Bl. 148, 153 SG-Akte), folgt daraus keine über die oben bereits aufgeführten (qualitativen) Einschränkungen hinausgehende, zusätzliche Einschränkung. Denn dieser Funktionsstörung wird namentlich bereits mit dem Ausschluss von Überkopfarbeiten und Tätigkeiten in Armvorhalte/in Vornüberbeugung sowie des Hebens und Bewegens von Lasten über 5 kg umfassend Rechnung getragen. Nur am Rande merkt der Senat an, dass es der gerichtlichen Sachverständigen auch maßgeblich auf Letzteres (kein Heben und Bewegen von Lasten über 5 kg) angekommen ist. Dies ergibt sich in Ansehung der von ihr festgestellten (aktiven) Anhebbarkeit der Schultern bis einschließlich 40° (was die Sachverständige im Hinblick auf den klinischen Befund im Übrigen als "nicht ganz nachvollziehbar" erachtet hat, s. Bl. 148 SG-Akte, nachdem die passive Beweglichkeit deutlich besser gewesen ist: rechts bis 120°, links bis 130° bei durchführbarem Nacken- und Schürzengriff, Letzteres mit Schmerzangabe, s. Bl. 141 f., 147 SG-Akte; neurologisch keine ausstrahlenden Schmerzen in die Arme, bei seitengleich normaler Sensibilität in den Ober- und Unterarmen ohne motorische Ausfälle, Bl. 138 SG-Akte) aus der klarstellenden (positiven) Formulierung, dass das Arbeiten auf Arbeitstischhöhe (jedenfalls) noch möglich ist (s. Bl. 153 SG-Akte), nicht jedoch das Heben/Bewegen von Lasten über 5 kg, sowie aus der diesbezüglichen Auseinandersetzung mit der Einschätzung der Dres. B. und B. (s. Bl. 155 SG-Akte), die trotz der Schulterleiden das Heben und Tragen von Lasten noch bis 10 kg für zumutbar erachtet haben.

In psychiatrischer Hinsicht leidet die Klägerin an einer Dysthymie, also an einer depressiven Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen (s. Definition des Diagnoseschüssels F34.1 ICD-10). Dies stützt der Senat auf das Sachverständigengutachten des Dr. V. , der auf Grundlage des von ihm erhobenen psychopathologischen Befunds (pünktlich zur Untersuchung erschienen, angemessener Kontakt, Fragen offen beantwortet, keine durchgehende Freudlosigkeit, emotionale Schwingungsfähigkeit nur leicht beeinträchtigt, keine Hinweise für kognitive oder mnestische Störungen, ungestörte Auffassung, unauffällige Psychomotorik, Klägerin hat nicht schmerzgeplagt gewirkt, keine Hinweise auf Zwänge, Wahn- oder Ich-Störungen, keine Sinnestäuschung, Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen verneint, keine Einnahme einer Schmerz- bzw. antidepressiven Medikation, Bl. 90 ff. SG-Akte), der von der Klägerin ihm gegenüber geschilderten Aktivitäten (u.a. stricken, sticken und häkeln, lesen gemeinsame Essenszubereitung mit der Mutter, Versorgung des Kaninchens/Hasen und der Fische, Einkaufen, mit dem Bus fahren, Wahrnehmung von Terminen, z.B. Arztbesuche, Krankengymnastik, zu Fuß in die Stadt/auf den Markt gehen, Haushaltstätigkeiten, namentlich Staubwischen, Fernsehen, Verabredung mit einer Freundin, Bl. 90 f., 93 SG-Akte) und unter Hinweis darauf, dass die Klägerin die Fragen des Beck-Depressionsinventars in Ansehung der klinisch nur leichten psychischen Symptomatik dahingehend beantwortet hat, dass sich ein möglichst schweres Störungsbild ergibt (Bl. 93 SG-Akte), schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, dass eine höhergradige seelische Störung bei der Klägerin nicht besteht. Ebenso überzeugend hat der Sachverständige aufgezeigt, dass die bei ihr bestehende Dysthymie lediglich zu qualitativen Einschränkungen (s. dazu oben im Tatbestand), nicht jedoch zu einer zeitlichen Leistungslimitierung führt.

Soweit Dr. B. (in seiner Auskunft gegenüber dem SG von Anfang September 2015) von einer mittelgradigen depressiven Störung bei der Klägerin ausgegangen ist, hat bereits Obermedizinalrat F. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme (Bl. 53 SG-Akte) darauf hingewiesen, dass sich eine derartige Störung aus dem von Dr. B. mitgeteilten objektiven klinisch-psychopathologischen Befund gar nicht ableiten lässt, dass er im Wesentlichen die subjektiven Beschwerdeangaben der Klägerin zu Grunde gelegt und die Tagesablaufaktivitäten der Klägerin überhaupt nicht gewürdigt hat. Auch der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich aus dem Bericht des Dr. B. lediglich eine Dysthymie begründen lasse (vgl. Bl. 92 SG-Akte). Nur am Rande merkt der Senat insoweit noch an, dass die Klägerin auch bei der Untersuchung durch den Gutachter Dr. L. Ende 2014 keine wesentlichen psychischen Auffälligkeiten zeigte und dass - wie dargelegt - die Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. V. im Februar 2017 ebenfalls keine höhergradigen seelischen Leiden erbracht hat.

Soweit die Klägerin gemeint hat, die Beklagte behaupte fälschlicherweise, dass sie nur mit einem Johanneskrautpräparat behandelt werde, merkt der Senat an, dass Dr. B. über die Verabreichung (nur) eines solchen Präparats berichtet hat (Bl. 31 SG-Akte) und dass die Klägerin gegenüber Dr. V. selbst angegeben hat, keine antidepressiven und auch keine schmerzlindernden Medikamente - sondern Baldrian zur Schlafregulierung - einzunehmen (Bl. 92 SG-Akte). Auf die Frage, mit welcher Medikation die Klägerin therapiert wird, kommt es indes ohnehin nicht entscheidend an, weil schon eine Relevanz für die Frage von Erwerbsminderung nicht erkennbar ist. Denn welche Medikamente die Klägerin gegen ihre seelischen Leiden einnimmt, ändert nichts daran, dass diese Leiden, wie dargelegt, nur leicht ausgeprägt sind.

Soweit die Klägerin (nur pauschal) geltend gemacht hat, (auch) der "Medikamenteneinfluss" begründe außergewöhnliche Einschränkungen, ist schon offen geblieben, welche konkreten, zusätzlichen Einschränkungen, die über die vom Sachverständigen angeführten hinausgehen, dies sein sollen, zumal die Klägerin erst auf explizite Nachfrage gegenüber Dr. V. angegeben hat, dass sie sich "schlapp" und "müde" fühle (Bl. 92 SG-Akte), was der Sachverständige im Übrigen bei seiner Leistungseinschätzung auch berücksichtigt hat (namentlich keine Arbeiten in Nachtschicht oder im Akkord, keine besondere Verantwortung für Menschen und Maschinen, keine besonderen Anforderungen an die Stresstoleranz und das Konzentrationsvermögen).

Soweit die Klägerin schließlich noch angeführt hat, dass sie nichts dafür könne, keinen psychiatrischen/psychologischen Therapieplatz zu finden, ist eine Relevanz für die Frage der Erwerbsminderung ebenfalls nicht zu erkennen. Nämliches gilt, soweit die Klägerin gemeint hat, dass sich ihre Leiden nicht bessern würden, da diese - wie aufgezeigt - eine zeitliche Leistungsminderung gerade nicht begründen.

Auch die sonstigen bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen, namentlich die bildtechnisch diagnostizierten beidseitigen Nierenzysten und die Lymphödeme, wirken sich nicht zusätzlich nachteilig aus; im Hinblick auf Erstere hat Dr. B. keine über die von der Sachverständigen Dr. B.-S. hinausgehenden Einschränkungen gesehen, die Lymphödeme hat Dr. B.-S. (vgl. Bl. 150) - ebenso wie der Gutachter Dr. L. - im Rahmen ihrer Leistungseinschätzung berücksichtigt.

Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, jedenfalls leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI). Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall - entgegen dem SG - regelmäßig gerade nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94, in juris, Rdnrn. 19 ff., auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie der Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 21 m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O., Rdnr. 20; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80, in juris, Rdnr. 19). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein. So liegt der Fall bei der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Soweit das SG gemeint hat, (auch) die Anzahl der bei der Klägerin bestehenden qualitativen Einschränkungen schließe eine Arbeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aus, kann dem schon deshalb nicht beigepflichtet werden, weil die (bloße) Summierung von Leistungseinschränkungen gerade nicht hinreichend ist (Senatsbeschluss vom 25.07.2019, L 10 R 4806/16), die Einschränkungen - wenigstens zwei - müssen vielmehr auch "ungewöhnlich" (dazu näher BSG, Urteil vom 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, in juris, Rdnr. 26, 29 m.w.N.) sein, was indes entsprechend der obigen und der nachfolgenden Darlegungen nicht der Fall ist.

Weder der Ausschluss von Überkopfarbeiten noch der Ausschluss von Tätigkeiten, die mit einem Heben und Bewegen von Lasten über 5 kg verbunden sind, stellen eine "ungewöhnliche" Leistungseinschränkung dar und zwar auch dann nicht, wenn beides zusammen vorliegt, denn diese Einschränkungen sind - wie bereits dargelegt - vom Begriff "leichte Tätigkeiten" umfasst (BSG, Urteil vom 24.03.1998, B 4 RA 44/96 R, in juris, Rdnr. 18); nichts Anderes gilt hinsichtlich des Ausschlusses von Tätigkeiten in Armvorhalte bzw. in vornübergebeugter Haltung. Soweit man - wie das SG entgegen der obigen Ausführungen - annehmen wollte, die von Dr. B.-S. beschriebene Fähigkeit, (noch) auf Arbeitstischhöhe arbeiten zu können, begründe eine darüberhinausgehende, zusätzliche Einschränkung, wäre diese jedenfalls nicht "ungewöhnlich", denn ihr kann unschwer durch eine entsprechende ergonomische Arbeitsplatzgestaltung (z.B. höhenverstellbarer Tisch) Rechnung getragen werden.

Soweit das SG darauf abgestellt hat, dass der Klägerin feinmotorische Tätigkeiten nur noch kurzzeitig möglich seien, begründet dies schon deshalb keine "ungewöhnliche" Leistungseinschränkung, weil sie (entsprechend der obigen Darlegungen) überhaupt nicht vorliegt.

Auch die übrigen vom SG von orthopädischer Seite angeführten (qualitativen) Einschränkungen stellen keine "ungewöhnlichen" dar; dies gilt namentlich auch für die von der Sachverständigen im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Einnahme wechselnder Körperhaltungen zur Begründung aufgeführten Steh- und Gehpausen (zur Wirbelsäulenentlastung) nach einer Stunde, denn diese sind - so Dr. B.-S. - nur kurz erforderlich (s. Bl. 154 SG-Akte).

Soweit das SG seine Überzeugung "ungewöhnlicher" Leistungseinschränkungen von Seiten des psychiatrischen Fachgebiets ausweislich der Urteilsgründe (auch) pauschal auf den "persönlichen Eindruck" von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestützt hat, kann dies schon deshalb keinen Bestand haben, weil eine entsprechende medizinische Fachkompetenz der erkennenden Kammer des SG nicht ersichtlich ist (vgl. dazu nur BSG, Beschluss vom 31.01.2008, B 2 U 311/07 B, in juris, Rdnr. 6), weswegen sich das SG auch veranlasst gesehen hat, das Sachverständigengutachten des Dr. V. einzuholen. Dies trägt indes gerade nicht die Annahme "ungewöhnlicher" Leistungseinschränkungen von psychiatrischer Seite, weil - wie oben dargelegt - schon keine gravierenden seelischen Funktionsstörungen bei der Klägerin vorliegen und der Sachverständige lediglich Tätigkeiten mit "besonderen" Anforderungen an die Stresstoleranz, das soziale Anpassungs- und an das Konzentrationsvermögen bzw. mit "besonderer" Verantwortung für Menschen und Maschinen ausgeschlossen hat; weder dies noch der Ausschluss von Nachtschicht- und Akkordarbeit begründet eine erhebliche Leistungsbehinderung (vgl. nur BSG, Beschluss vom 10.07.2012, B 13 R 40/12 B, in juris, Rdnr. 11), ebenso wenig wie der Ausschluss von "ständigem" - was das SG im Übrigen übersehen hat - Publikumsverkehr (vgl. Senatsurteil vom 15.12.2011, L 10 R 571/11).

Soweit das SG davon ausgegangen ist, die Klägerin verfüge nur noch über eine "geringe" Kommunikationsfähigkeit, ist schon nicht ersichtlich, worauf diese Feststellung - wenn nicht auf dem "persönlichen Eindruck" der Kammer (dazu bereits oben) - beruhen soll. Entsprechendes lässt sich dem Sachverständigengutachten jedenfalls nicht entnehmen; aus dem von Dr. V. erhobenen Befund (s.o.: Auffassung ungestört, im Kontakt angemessen, Fragen werden offen beantwortet, Psychomotorik unauffällig) kann eine Störung der Kommunikationsfähigkeit auch nicht ansatzweise abgeleitet werden. Ebenfalls unzutreffend ist, dass "geistig anspruchsvollere" Tätigkeiten nicht mehr in Betracht kämen. Der Sachverständige hat vielmehr - wie dargelegt - lediglich "besondere" Anforderungen an die Stresstoleranz, das soziale Anpassungs- und an das Konzentrationsvermögen ausgeschlossen. Soweit das SG in diesem Zusammenhang die Auskunft des Dr. B. erwähnt hat, ist diese - wie ebenfalls bereits dargelegt - nicht geeignet, die Überzeugungskraft der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zu erschüttern. Nur am Rande merkt der Senat noch an, dass - entgegen dem SG - auch nicht die (psychische) Anpassungsfähigkeit der Klägerin eingeschränkt ist, sondern, so der gerichtliche Sachverständige, ihr soziales Anpassungsvermögen.

Damit ist weder ersichtlich, dass mehrere "ungewöhnliche" gesundheitliche Einschränkungen noch dass eine besonders einschneidende Behinderung - beide gerichtliche Sachverständige haben im Übrigen übereinstimmend eine Einschränkung der sozialrechtlich relevanten Wegefähigkeit verneint (Bl. 94, 154 SG-Akte) - bei der Klägerin vorliegen, die die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nach sich ziehen würden. Im Ergebnis hat der Senat keinen Zweifel, dass die Klägerin in der Lage ist, die beispielsweise in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise geforderten Verrichtungen, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, kleinere Reinigungstätigkeiten, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen (BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95, a.a.O.), mindestens sechs Stunden täglich auszuüben und entsprechende Arbeitsplätze aufzusuchen. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI liegen somit nicht vor.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI), da sie in Anbetracht ihres im Tatbestand wiedergegebenen beruflichen Werdegangs und ausgehend von ihrer zuletzt von 1999 bis Anfang 2006 ausgeübten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung als Tierpflegehelferin als ungelernte Arbeiterin zu qualifizieren ist und damit keinen besonderen Berufsschutz genießt (vgl. nur BSG, Urteil vom 09.04.2003, B 5 RJ 36/02 R, in juris, Rdnr. 14 m.w.N.); einen solchen hat die Klägerin auch gar nicht konkret geltend gemacht. Sie kann damit sozial und gesundheitlich (s. dazu oben) zumutbar auf sämtliche leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Abschließend merkt der Senat noch an, dass auch der Umstand, dass bei der Klägerin die Schwerbehinderteneigenschaft sowie ein Nachteilsausgleich nach dem Schwerbehindertenrecht festgestellt ist, zu keiner anderen Bewertung führt, denn dem kommt hinsichtlich der zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit keinerlei Aussagekraft zu (BSG, Beschluss vom 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris, Rdnr. 5).

Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, keinen Bestand haben, weshalb das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen ist; dem entsprechend hat auch die (Anschluss-) Berufung der Klägerin - mangels Erwerbsminderung - keinen Erfolg, sodass sie zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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