Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 SB 3599/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1331/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.03.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Nachteilsausgleiche G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) sowie B (Berechtigung für eine ständige Begleitung) ab dem 02.10.2016 entzogen hat.
Die im Jahr 1967 geborene Klägerin beantragte am 08.07.2014 erstmals die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB). Mit Bescheid vom 08.09.2014 stellte der Beklagte den GdB auf 100 seit dem 05.10.2013 sowie die Merkzeichen G und B fest und berücksichtigte hierbei eine Enddarmerkrankung (Darmkrebs) sowie einen Anus Praeter (künstlicher Darmausgang) mit einem GdB von 100.
Der Beklagte leitete im Jahr 2015 ein Überprüfungsverfahren ein und zog eine Stellungnahme der Klägerin vom 28.11.2015 sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte bei (dazu vgl., Bl. 38 bis 39 Verw.akte; Bl. 40 bis 42 Verw.akte; Bl. 43 bis 45 Verw.akte; Bl. 46 bis 47 Verw.akte; Bl. 48 bis 51 Verw.akte, Bl. 52 bis 56 Verw.akte). Dr. F. , ärztlicher Dienst des Beklagten, bewertete in einer Stellungnahme vom 20.12.2015 den GdB weiterhin mit 100. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen seien jedoch nicht mehr nachgewiesen. Die Beklagte zog weitere Befundberichte bei (Bericht von Dr. W. Facharzt für Innere Medizin vom 09.05.2016, Bl. 68 bis 69 Verw.akte; Bericht von Dr. W. vom 09.12.2015, Bl. 71 Verw.akte sowie Bericht des Radiologen Dr. W. vom 04.04.2016 über ein CT Staging des Thoraxabdomen und Becken, Bl. 72 bis 73 Verw.akte). Dr. F. hielt in weiteren versorgungsmedizinischen Stellungnahmen daran fest, dass die Voraussetzungen für die Merkzeichen B und G nicht mehr vorlägen.
Mit Schreiben vom 08.07.2016 hörte der Beklagte die Klägerin zum beabsichtigten Entzug der Merkzeichen an.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 30.07.2016 mit, dass sie ständig und auf Dauer auf eine Begleitperson angewiesen sei. Die Grenze zum Heben und Tragen von Lasten betrage höchstens fünf Kilogramm, eigentlich drei Kilogramm. Ihr sei es daher im Alltag unmöglich schwere Einkäufe alleine zu tätigen. Wenn sie das Höchstgewicht nicht einhalte könne es zu einem Stomabruch (Stoma = künstlicher Darmausgang) kommen, welcher schwere Folgen habe. Sie bekomme Erwerbsminderungsrente und Grundsicherung und könne sich eine Monatskarte z.B. für Arztbesuche in Stuttgart nicht leisten. Sie sei daher auf die Wertmarke in ihrem Ausweis angewiesen. Die Klägerin legte einen Bericht von Dr. W. vom 27.07.2016 vor wonach in Folge der Gefahr eines Stomabruches eine Begleitperson weiterhin erforderlich sei. Zum Erhalt der Mobilität zum Beispiel für Arztbesuche sei auch in Anbetracht der finanziellen Situation die Fortführung der bisherigen Berichtigung zum Erhalt eines Tickets im öffentlichen Nahverkehr dringend angezeigt.
Dr. U. kam in einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 15.09.2016 zum Ergebnis, dass der Anus Praeter zurückverlagert wurde. Der GdB bleibe auf Grund des initialen Tumorstadiums unverändert bis zur weiteren Nachprüfung. Die Merkzeichen G und B ließen sich nicht mehr begründen. Ortsübliche Wegstrecken könnten zurückgelegt werden. Eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung sei nicht erforderlich.
Mit Bescheid vom 28.09.2016 hob der Beklagte den Bescheid vom 08.09.2014 nach § 48 SGB X auf und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale G und B seit dem 02.10.2016 nicht mehr vorlägen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 28.10.2016 Widerspruch und führte zur Begründung nochmals an, dass sie infolge der Erkrankung nicht schwer Heben und Tragen könne und daher bei Einkäufen und der Benutzung und dem Tragen von Lasten im öffentlichen Nahverkehr eine Begleitung benötige. Am 02.11.2016 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des Merkzeichens B.
Der Beklagte zog einen Entlassungsbericht über eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der A. -Klinik T. vom 03.09.2014 bis zum 01.10.2014 bei (Diagnosen: Rektumkarzinom lokal metastasiert Stadium pT4b pN2b M 1, ein endständiges Descendostoma, Bl. 104 bis 112 Verw.akte).
Der Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. M.-T. vom 21.02.2017 mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2017 zurück.
Die Klägerin erhob am 27.06.2017 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (nachfolgend SG) und führte zur Begründung an, dass sie an den Folgen des Rectumskarzinoms noch erheblich beeinträchtigt sei. Das Heben sogar leichtester Lasten sei ihr nicht möglich. Des Weiteren sei auch eine Sensibilitätsstörung an den Füßen eingetreten, welche ihre Fortbewegungsmöglichkeit in erheblichem Maße beeinträchtige. Auf Grund der Schwere des Tumors seien zwei künstliche Darmausgangsanlagen eingesetzt worden. Infolge dessen sei eine normale Ausscheidung über den natürlichen Darmausgang nicht mehr möglich. Diese sei hierdurch weiterhin erheblich beeinträchtigt. Bereits das Heben leichtester Gegenstände sei mit einem hohen Risiko eines Bruchs im Bereich des künstlichen Darmausganges verbunden. Sie könne daher nicht mehr selbst leichteste Dinge des alltäglichen Lebens selbständig verrichten und sei daher auf das Merkzeichen B angewiesen. Auch könne sie sich nur sehr verlangsamt unter großen Anstrengungen fortbewegen. Eine Strecke von weniger als 2 km könne sie nicht mehr in 30 Minuten zurücklegen. Die Klägerin legte hierzu zwei Stellungnahmen des Facharztes für Innere Medizin Dr. W. vom 09.05.2016 und vom 15.02.2017 vor (vgl. Bl. 14 bis 16 der SG Akte).
Die Klägerin legte ein Bericht über ein CT-Staging vom 20.09.2017 des Thorax/Abdomen/Becken sowie vom 28.03.2017 und vom 04.04.2016 vor (vgl. Bl. 34 bis 37 SG - Akte).
Das SG vernahm die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen in schriftlicher Form.
Der Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie Dr. W. gab mit Schreiben vom 15.01.2018 an, dass die Gehfähigkeit auf Grund der Tumorerkrankung nicht relevant eingeschränkt sei. Die Klägerin sei bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch nicht regelmäßig auf entsprechende Hilfe angewiesen. Mit der Beurteilung durch den Beklagten bestehe Einverständnis.
Der Oberarzt des Zentrums für Innere Medizin und Onkologie des M. Hospitals S. Dr. K. teilte mit Schreiben vom 22.02.2018 mit, dass der Fall der Klägerin in der interdisziplinären Tumorkonferenz am 24.10.2017 erneut besprochen worden sei. Es sei ein neuer Befund in Gestalt eines Wachstums der Raumforderung der Lunge aufgetreten. Es sei davon auszugehen, dass es wieder um eine aktive Tumorerkrankung handele. Die Klägerin sei noch in der Lage, die ortsüblichen Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen und benötige bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel derzeit keiner Hilfe.
Dr. W. , Facharzt für Innere Medizin, führte in einer Stellungnahme vom 25.07.2018 an, dass er bereits in den Stellungnahmen vom 09.05.2016 und 15.02.2017 ausgeführt habe, dass der Erhalt der Merkzeichen G und B nach wie vor erforderlich sei.
Der Beklagte hielt unter Vorlage einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 04.12.2018 von Dr. W. (vgl. Bl. 118 bis 119 SG-Akte) an der bisherigen Bewertung des Sachverhaltes fest.
Die Klägerin verwies mit Schreiben vom 28.01.2019 nochmals darauf, dass sie keine Lasten über 3 kg tragen könne. Auch müsse sie sich auf Grund des Rundherdes am linken Lungenflügel in naher Zukunft einer Operation unterziehen. Die Klägerin legte weitere Befundberichte über ein CT-Staging vom 25.10.2018 sowie vom 19.02.2018 und einen Befundbericht von Dr. W. vom 13.08.2018 sowie von Prof. Dr. S. von der Abteilung für Allgemeinchirurgie des M. Hospital Stuttgart vom 27.10.2017 (vgl. Bl. 127 bis 129, 131 und 132 SG Akte) vor.
Das SG wies mit Gerichtsbescheid vom 19.03.2019 die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen die dem Bescheid vom 08.09.2014 zugrunde gelegen hätten, eingetreten sei. Eine durch eine Chemotherapie begründete körperliche Schwäche liege im Jahr 2017 nicht mehr vor. Eine Einschränkung der Gehstrecke sei von den befragten Ärzten nicht bestätigt worden und auch den Befundberichten nicht zu entnehmen. Da die Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht mehr vorlägen, habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens B.
Die Klägerin hat gegen den am 25.03.2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 17.04.2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben und hat zur Berufungsbegründung nochmals vorgetragen, dass sie nicht schwer Heben und Tragen dürfe und es ihr nicht möglich sei, ohne Hilfe Lasten zu transportieren. Auch bei Reisen sei sie auf die Hilfe zum Tragen von schweren Koffern angewiesen. Sie habe das Gefühl, dass die von ihr verfassten Schreiben keine Berücksichtigung gefunden hätten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.03.2019 sowie den Bescheid vom 28.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung vorgetragen, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht mehr vorlägen, sodass auch das Merkzeichen B nicht mehr festgestellt werden könne. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei objektiv ohne Begleitung möglich. Die Argumentation von Transportproblemen von Gegenständen sei in diesem Zusammenhang nicht entscheidungsrelevant.
Die Berichterstatterin hat das Verfahren in einem nichtöffentlichen Termin am 16.09.2019 mit den Beteiligten erörtert. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift auf Bl. 21 bis 22 der Senatsakte verwiesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verw.akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber nicht begründet. Der Bescheid vom 28.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.05.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat ab dem 02.10.2016 keinen Anspruch mehr auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche G und B. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist der Bescheid des Beklagten Bescheid vom 28.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.05.2017. Darin hat die Beklagte den Bescheid vom 08.09.2014 nach § 48 SGB X aufgehoben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen G und B seit dem 02.10.2016 nicht mehr vorliegen.
Der Senat entscheidet nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Entscheidung des Beklagten, hier also bei Erlass des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG) am 24.05.2017 bezogen auf die verfügte Aufhebung des Bescheids vom 08.09.2014 zum 02.10.2016. Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, welcher die Feststellung von Merkzeichen aufhebt, bestimmt sich nach diesem Zeitpunkt, spätere eventuelle Veränderungen während des Gerichtsverfahrens werden nicht berücksichtigt.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der Entzug der Merkzeichen G und B ab dem 02.10.2016 nur unter den Anforderungen aus § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) möglich. Nach dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft (S. 1) oder für die Vergangenheit (S. 2) aufzuheben. Die Feststellung eines Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) ist ein solcher Dauerverwaltungsakt (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 -, SozR 4 – 1300 § 48 Nr. 26; Rz. 12).
Bei dem Bescheid vom 08.09.2014, den der Beklagte mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 28.09.2016 aufgehoben hat, handelte es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, seither ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die diesem Verwaltungsakt zugrunde lagen, eine wesentliche Änderung eingetreten war.
Materiellrechtlich folgen die Grundlagen für die Entscheidung des Beklagten noch aus §§ 69 ff. Neuntes Busch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der damals gültigen Fassung. Die Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung (BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234), insbesondere die Neufassung der relevanten Vorschriften in den §§ 152 ff. SGB IX n.F., die insoweit zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten sind, sind dagegen nicht zu berücksichtigen. Der hier angegriffene Bescheid vom 28.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2017 ist davor ergangen.
Rechtsgrundlage für die Feststellung der Merkzeichen G und B sind die Vorschriften des SGB IX in der bis zum 01.01.2018 geltenden Fassung des § 69 Abs. 1 und Abs. 4 SGB IX iVm §§ 145, 146 SGB IX.
Nach § 146 Abs. 1 S 1 SGB IX idF vom 02.12.2006 ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Das Gesetz fordert in § 145 Abs. 1 S 1, § 146 Abs. 1 S 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken (BSG Urteil vom 24.4.2008, B 9/9a SB 7/06 R - SozR 4-3250 § 146 Nr. 1 RdNr 12).
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3-3870 a.a.O.).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G nicht auf die VG berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08, veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" geschaffen. Die so geschaffene Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" entfaltet nach der Rechtsprechung des Senats jedoch keine Rückwirkung, sondern ist erst ab dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13 - zum Merkzeichen "aG", juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Folglich stellt der Senat für die Zeit ab dem 15.01.2015 auf die in den VG geregelten Kriterien ab.
Gemäß den Grundsätzen der VG Teil D 1b) Satz 1 für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend (BSG, Urteil vom 11.8.2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden (VG Teil D 1b) Satz 2). Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG Teil D 1b) Sätze 3, 4). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - dh altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Auch das Tragen von Gewichten ist nicht zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 26.09.2014, L 8 SB 1364/14).
Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten die VG Teil D 1 d), e) und f). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind nach den VG Teil D 1 d) als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle - VG Teil D 1e) - und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung - VG Teil D 1f) -.
Die VG beschreiben in Teil D 1 d) bis f) Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei der Beurteilung einer dort nicht erwähnten Behinderung als Vergleichsmaßstab dienen können. Die VG geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die VG dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filtern die VG all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, juris, zu den mit den VG vergleichbaren AHP; BSG, Beschluss vom 17.08.2010 - B 9 SB 32/10 B -, juris, zu den VG und AHP).
Der Senat stellt fest, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen G nicht mehr erfüllt.
Der Beklagte hat das Merkzeichen G im Bescheid vom 08.09.2014 festgestellt. Grundlage dieser Feststellung war das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 12.12.2013, demzufolge die Klägerin durch die Tumorerkrankung und die Chemotherapie körperlich geschwächt war und unter Schwindel litt. Als pflegebegründende Diagnose wurde eine körperliche Schwäche und Belastungsminderung bei Rektumkarzinom mit Anlage eines Ileostomas und Kolostomas sowie Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapie genannt und die Pflegestufe I festgestellt. Dr. V. befürwortete daraufhin in seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 27.08.2014 die Zuerkennung der Merkzeichen B und G wegen der körperlichen Schwäche in Folge der Tumorerkrankung.
Der Senat stellt fest, dass im Vergleich zu den Verhältnissen, welche der Feststellung der Merkzeichen im Bescheid vom 08.09.2014 zugrunde lagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G seit dem 02.10.2016 nicht mehr erfüllt sind. Die die Feststellung des Merkzeichen G begründende körperliche Schwäche durch die akute Tumorerkrankung und damals laufende Chemotherapie kann der Senat den Befundberichten des Gastroenterologen Dr. W. aus dem Jahr 2015 und 2016 nicht mehr entnehmen. Auch der Internist Dr. W. teilt in seiner Stellungnahme vom 27.07.2016 (Blatt 82 Verw.akte) keine Befunde mit, welche das Fortbestehen der Schwächung des Allgemeinzustandes begründen. Der vom Beklagten im Verwaltungsverfahren beigezogene Rehaentlassungsbericht vom 20.11.2014 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 03.09.2014 bis zum 01.10.2014 in der Klinik T. enthält ebenfalls keine Befunde, welche eine anhaltende Schwäche und ein hierdurch beeinträchtigtes Gehvermögen belegen. In der Beschreibung der Beschwerden und funktionellen Einschränkungen wird eine Leistungsminderung aufgeführt. Beim Treppensteigen oder Gehen auf der Ebene bestünden jedoch keine ernsthaften Schwierigkeiten. Es bestehe eine vermehrte Müdigkeit und Antriebsarmut sowie Chemotherapie - bedingte Sensibilitätsstörungen der Hände und Füße. Die Klägerin dürfe nicht schwer Heben und Tragen infolge des Stoma. Als weitere Maßnahmen wurden zum Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme eine regelmäßige körperliche Aktivität wie Bewegung und Schwimmen auch zur Vorbeugung eines Rezidivs empfohlen. Der Senat entnimmt dem Reha Entlassungsbericht, dass sich die Belastbarkeit der Klägerin gebessert hat und eine Verbesserung und Stabilisierung der körperlichen Leistungsfähigkeit eingetreten ist. Damit ist auch ein ordentlicher Allgemeinzustand und Ernährungszustand beschrieben.
Auch den im SG Verfahren beigezogenen Befundberichten und eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen vermag der Senat keine Schwächung der körperlichen Leistungsfähigkeit vergleichbar dem Zustand der Klägerin unmittelbar nach der Tumorerkrankung und während der laufenden Chemotherapiezyklen zu entnehmen. Der behandelnde Gastroenterologe Dr. W. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 15.01.2018 von einer mäßiggradig eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit berichtet. Die Gehfähigkeit sei durch die Tumorerkrankung und die erfolgte Therapie nicht relevant eingeschränkt. Eine solche sei auch von der Klägerin bei den Untersuchungen zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden. Die Klägerin leide nach dem ausgedehnten abdominellen Eingriff an rezidivierenden Bauchschmerzen. Mit dem endständigen Descendostoma komme sie gut zu Recht. Der Senat kann der Aussage und den von Dr. W. mitgeteilten Befunden keine Einschränkung des Gehvermögens in merkzeichenrelevantem Ausmaß entnehmen. Der Senat erkennt zwar durchaus, dass die Klägerin nach wie vor durch die Stomaversorgung und insbesondere die ungünstige Gesamtprognose aufgrund des primären Tumorstadiums sehr belastet ist. Allerdings kann der Senat allein hieraus eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ohne Tragen von Lasten nicht ableiten. Die finanziellen Verhältnisse sind für die GdB-Bewertung ohne Bedeutung, gleiches gilt hinsichtlich der Merkzeichen.
Soweit sich nach dem CT vom 28.03.2017 des Thorax/Abdomen/Becken von Dr. W. (Blatt 35 SG – Akte) im Vergleich zur Voruntersuchung am 04.04.2016 eine Größenzuname und polyzyklische Konfiguration eines Rundherdes im apikalen Unterlappensegment links bei ansonsten unveränderten Befunden zeigte, wurden bislang noch keine weiteren Untersuchungen oder Behandlungen, insbesondere keine Operationen oder Chemotherapie durchgeführt, welche zu einer Schwächung des Allgemeinzustandes führen könnten. Der Senat schließt dies aus der sachverständigen Zeugenaussage des Onkologen im M. Hospital Dr. K. vom 22.02.2018, wonach die in den CT–Untersuchungen vom 04.04.2016, 28.02.2017 sowie vom 20.09.2017 sich vergrößernden Raumforderungen als tumor- bzw. metastasenverdächtig einzuschätzen seien. Der Verlauf sei nicht sicher vorhersehbar. Insofern hat der Beklagte jedoch der Hochrisikosituation der Klägerin damit Rechnung getragen, dass der GdB nach wie vor bei 100 verbleibt. Befunde, welche eine Schwächung des Allgemeinzustandes bedingen, so dass eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, liegen indes derzeit auf onkologischem Fachgebiet nicht vor. Entsprechend hat auch Dr. K. eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr der Klägerin bezogen auf den derzeitigen Zustand in der sachverständigen Zeugenaussage vom 22.02.2018 verneint. Der Senat kann daher eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin nach den beigezogenen Befundberichten und sachverständigen Zeugenaussagen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr feststellen.
Der Senat vermag auch nicht der Auffassung des Internisten Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 25.07.2018 sowie den von ihm erstellten Attesten vom 15.02.2017 und vom 19.06.2017 (nach seiner Aussage zunächst fälschlich auf den 09.05.2015 datiert) zu folgen, wonach die Merkzeichen G und B der Klägerin weiterhin belassen werden sollten. Bei der Prüfung der Voraussetzungen der erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist allein auf die Gehfähigkeit des schwerbehinderten Menschen abzustellen. Außer Acht bleibt dabei, ob der behinderte Mensch Lasten heben und tragen kann. Der Senat geht in Übereinstimmung mit Dr. W. davon aus, dass die Klägerin infolge der Stomaversorgung keine Lasten von mehr als 3kg heben und/oder tragen darf und kann. Die Klägerin ist jedoch auch nach der Aussage von Dr. W. nicht in der Gehfähigkeit grundsätzlich eingeschränkt, Dr. W. führt in seiner Stellungnahme vom 19.06.2017 an, dass er die Einschränkung der Gehstrecke nicht im Vordergrund sehe und vermag zur von der Klägerin im Schreiben vom 13.12.2016 angegebenen Einschränkung der Wegstrecke keine eigene Beurteilung abgeben. Dr. W. verkennt jedoch, dass der Begriff der Mobilität nicht das Mitführen von Lasten, sondern lediglich die Bewegungsfähigkeit an sich umfasst (vgl. Senatsurteil vom 26.09.2014, L 8 SB 1364/14). Für die Zuerkennung des Merkzeichens G ist nicht ausschlaggebend, ob konkret eine Wegstrecke von 2 km in 30 Minuten zurückgelegt werden kann, sondern es ist allein entscheidend, ob ein Regelbeispiel gemäß Teil D Nr 1 Buchst d bis f der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Anlage zu § 2 VersMedV) vorliegt oder ob die vorhandene Behinderung mit einem solchen Regelbeispiel vergleichbar ist (vgl. BSG vom 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 = SozR 3-3870 § 60 Nr. 2; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2018, L 3 SB 2660/16, juris).
Der Senat kann jedoch nicht feststellen, dass bei der Klägerin ein in Teil D Nr. 1 AnlVersMedV gelistetes Krankheitsbild vorliegt. Eine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule ist den beigezogenen Befundberichten und sachverständigen Zeugenaussagen ebenso wenig zu entnehmen wie Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades oder hirnorganische Anfälle und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung, die einen GdB von 70 bedingen. Die durch die Chemotherapie bedingte Schwächung der Klägerin konnte nach deren Ende nicht weiter festgestellt werden. Die Klägerin verfügt derzeit auch nicht mehr über einen Pflegegrad. Die noch vorhandenen Funktionseinschränkungen durch die Stomaversorgung und die Tumorerkrankung sind nach Überzeugung des Senats auch nicht mit diesen Regelbeispielen vergleichbar, da eine besonders nachteilige Auswirkung auf die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht zu erkennen ist. Gleiches gilt für die angegebenen Sensibilitätsstörungen der Beine, die sich nach dem Rehabericht gebessert haben. Der Ausschluss des Hebens und Tragens von schweren Lasten ist hierbei – wie der Senat schon ausgeführt hat – nicht zu berücksichtigen.
Auch der Verweis von Dr. W. in der Bescheinigung vom 27.07.2016, dass in Anbetracht der finanziellen Situation der Klägerin die Fortführung der Berechtigung zum Erhalt eines Tickets im öffentlichen Nahverkehr dringend angezeigt sei, führt nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen nach § 146 Abs. 1 S 1 SGB IX iVm Teil D VersMedV. Für die Zuerkennung der Merkzeichen sind allein die darin festgelegten Voraussetzungen zu prüfen, die finanzielle Situation der behinderten Menschen bleibt außer Betracht.
Der Senat stellt somit fest, dass die die Klägerin in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht mehr soweit beeinträchtigt ist, dass sie nicht mehr in der Lage ist, eine Strecke von etwa zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde zurückzulegen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen G ab dem 02.10.2016 nicht mehr vorliegen und die Beklagte daher zu Recht den Bescheid vom 08.09.2014 insoweit aufgehoben hat.
Der Senat kann zudem feststellen, dass die Klägerin seit dem 02.10.2016 nicht mehr die Voraussetzungen für das Merkzeichen B (Berechtigung für eine ständige Begleitung) erfüllt.
Nach § 146 Abs. 2 SGB IX idF bis zum 31.12.2017 sind zur Mitnahme einer Begleitperson schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind; zur Anwendbarkeit der VG siehe oben zum Merkzeichen G.
Hiervon ausgehend liegen bei der Klägerin die Voraussetzungen des Merkzeichens B ab dem 02.10.2016 nicht mehr vor.
Die Klägerin erfüllt ab dem 02.10.2016 – wie der Senat bereits ausgeführt hat - nicht mehr die Voraussetzungen des Merkzeichens G. Bereits aus diesem Grund scheidet die Aufrechterhaltung des Merkzeichens B aus, da die Klägerin auch nicht hilflos oder gehörlos i. S. d. Gesetzes ist.
Der Senat vermag jedoch auch abgesehen davon die Berechtigung für eine ständige Begleitung bei der Klägerin nicht festzustellen.
Die Klägerin gehört nicht zu dem in D Nr. 2 Buchst. c) VG genannten Personenkreis, bei denen die Berechtigung für eine ständige Begleitung anzunehmen ist. Dass die Klägerin dem in D Nr. 2 Buchst. c) VG genannten Personenkreis zuzurechnen ist, wird von der Klägerin im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
Es sind auch keine sonstigen Gesundheitseinschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet ersichtlich, welche die Voraussetzungen des Merkzeichens B erfüllten könnten. Die neu aufgetretenen Veränderungen im Bereich der Lunge haben bislang noch nicht in eine entsprechende Behandlung gemündet, wie der Senat den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin vom 16.09.2019 entnimmt. Derzeit kann der Senat daher keine entsprechenden Auswirkungen auf die Fähigkeit der Klägerin zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel feststellen.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des Fortbestehens der Voraussetzungen für das Merkzeichen G und das Merkzeichen B. Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Nachteilsausgleiche G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) sowie B (Berechtigung für eine ständige Begleitung) ab dem 02.10.2016 entzogen hat.
Die im Jahr 1967 geborene Klägerin beantragte am 08.07.2014 erstmals die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB). Mit Bescheid vom 08.09.2014 stellte der Beklagte den GdB auf 100 seit dem 05.10.2013 sowie die Merkzeichen G und B fest und berücksichtigte hierbei eine Enddarmerkrankung (Darmkrebs) sowie einen Anus Praeter (künstlicher Darmausgang) mit einem GdB von 100.
Der Beklagte leitete im Jahr 2015 ein Überprüfungsverfahren ein und zog eine Stellungnahme der Klägerin vom 28.11.2015 sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte bei (dazu vgl., Bl. 38 bis 39 Verw.akte; Bl. 40 bis 42 Verw.akte; Bl. 43 bis 45 Verw.akte; Bl. 46 bis 47 Verw.akte; Bl. 48 bis 51 Verw.akte, Bl. 52 bis 56 Verw.akte). Dr. F. , ärztlicher Dienst des Beklagten, bewertete in einer Stellungnahme vom 20.12.2015 den GdB weiterhin mit 100. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen seien jedoch nicht mehr nachgewiesen. Die Beklagte zog weitere Befundberichte bei (Bericht von Dr. W. Facharzt für Innere Medizin vom 09.05.2016, Bl. 68 bis 69 Verw.akte; Bericht von Dr. W. vom 09.12.2015, Bl. 71 Verw.akte sowie Bericht des Radiologen Dr. W. vom 04.04.2016 über ein CT Staging des Thoraxabdomen und Becken, Bl. 72 bis 73 Verw.akte). Dr. F. hielt in weiteren versorgungsmedizinischen Stellungnahmen daran fest, dass die Voraussetzungen für die Merkzeichen B und G nicht mehr vorlägen.
Mit Schreiben vom 08.07.2016 hörte der Beklagte die Klägerin zum beabsichtigten Entzug der Merkzeichen an.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 30.07.2016 mit, dass sie ständig und auf Dauer auf eine Begleitperson angewiesen sei. Die Grenze zum Heben und Tragen von Lasten betrage höchstens fünf Kilogramm, eigentlich drei Kilogramm. Ihr sei es daher im Alltag unmöglich schwere Einkäufe alleine zu tätigen. Wenn sie das Höchstgewicht nicht einhalte könne es zu einem Stomabruch (Stoma = künstlicher Darmausgang) kommen, welcher schwere Folgen habe. Sie bekomme Erwerbsminderungsrente und Grundsicherung und könne sich eine Monatskarte z.B. für Arztbesuche in Stuttgart nicht leisten. Sie sei daher auf die Wertmarke in ihrem Ausweis angewiesen. Die Klägerin legte einen Bericht von Dr. W. vom 27.07.2016 vor wonach in Folge der Gefahr eines Stomabruches eine Begleitperson weiterhin erforderlich sei. Zum Erhalt der Mobilität zum Beispiel für Arztbesuche sei auch in Anbetracht der finanziellen Situation die Fortführung der bisherigen Berichtigung zum Erhalt eines Tickets im öffentlichen Nahverkehr dringend angezeigt.
Dr. U. kam in einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 15.09.2016 zum Ergebnis, dass der Anus Praeter zurückverlagert wurde. Der GdB bleibe auf Grund des initialen Tumorstadiums unverändert bis zur weiteren Nachprüfung. Die Merkzeichen G und B ließen sich nicht mehr begründen. Ortsübliche Wegstrecken könnten zurückgelegt werden. Eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung sei nicht erforderlich.
Mit Bescheid vom 28.09.2016 hob der Beklagte den Bescheid vom 08.09.2014 nach § 48 SGB X auf und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale G und B seit dem 02.10.2016 nicht mehr vorlägen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 28.10.2016 Widerspruch und führte zur Begründung nochmals an, dass sie infolge der Erkrankung nicht schwer Heben und Tragen könne und daher bei Einkäufen und der Benutzung und dem Tragen von Lasten im öffentlichen Nahverkehr eine Begleitung benötige. Am 02.11.2016 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des Merkzeichens B.
Der Beklagte zog einen Entlassungsbericht über eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der A. -Klinik T. vom 03.09.2014 bis zum 01.10.2014 bei (Diagnosen: Rektumkarzinom lokal metastasiert Stadium pT4b pN2b M 1, ein endständiges Descendostoma, Bl. 104 bis 112 Verw.akte).
Der Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. M.-T. vom 21.02.2017 mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2017 zurück.
Die Klägerin erhob am 27.06.2017 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (nachfolgend SG) und führte zur Begründung an, dass sie an den Folgen des Rectumskarzinoms noch erheblich beeinträchtigt sei. Das Heben sogar leichtester Lasten sei ihr nicht möglich. Des Weiteren sei auch eine Sensibilitätsstörung an den Füßen eingetreten, welche ihre Fortbewegungsmöglichkeit in erheblichem Maße beeinträchtige. Auf Grund der Schwere des Tumors seien zwei künstliche Darmausgangsanlagen eingesetzt worden. Infolge dessen sei eine normale Ausscheidung über den natürlichen Darmausgang nicht mehr möglich. Diese sei hierdurch weiterhin erheblich beeinträchtigt. Bereits das Heben leichtester Gegenstände sei mit einem hohen Risiko eines Bruchs im Bereich des künstlichen Darmausganges verbunden. Sie könne daher nicht mehr selbst leichteste Dinge des alltäglichen Lebens selbständig verrichten und sei daher auf das Merkzeichen B angewiesen. Auch könne sie sich nur sehr verlangsamt unter großen Anstrengungen fortbewegen. Eine Strecke von weniger als 2 km könne sie nicht mehr in 30 Minuten zurücklegen. Die Klägerin legte hierzu zwei Stellungnahmen des Facharztes für Innere Medizin Dr. W. vom 09.05.2016 und vom 15.02.2017 vor (vgl. Bl. 14 bis 16 der SG Akte).
Die Klägerin legte ein Bericht über ein CT-Staging vom 20.09.2017 des Thorax/Abdomen/Becken sowie vom 28.03.2017 und vom 04.04.2016 vor (vgl. Bl. 34 bis 37 SG - Akte).
Das SG vernahm die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen in schriftlicher Form.
Der Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie Dr. W. gab mit Schreiben vom 15.01.2018 an, dass die Gehfähigkeit auf Grund der Tumorerkrankung nicht relevant eingeschränkt sei. Die Klägerin sei bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch nicht regelmäßig auf entsprechende Hilfe angewiesen. Mit der Beurteilung durch den Beklagten bestehe Einverständnis.
Der Oberarzt des Zentrums für Innere Medizin und Onkologie des M. Hospitals S. Dr. K. teilte mit Schreiben vom 22.02.2018 mit, dass der Fall der Klägerin in der interdisziplinären Tumorkonferenz am 24.10.2017 erneut besprochen worden sei. Es sei ein neuer Befund in Gestalt eines Wachstums der Raumforderung der Lunge aufgetreten. Es sei davon auszugehen, dass es wieder um eine aktive Tumorerkrankung handele. Die Klägerin sei noch in der Lage, die ortsüblichen Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen und benötige bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel derzeit keiner Hilfe.
Dr. W. , Facharzt für Innere Medizin, führte in einer Stellungnahme vom 25.07.2018 an, dass er bereits in den Stellungnahmen vom 09.05.2016 und 15.02.2017 ausgeführt habe, dass der Erhalt der Merkzeichen G und B nach wie vor erforderlich sei.
Der Beklagte hielt unter Vorlage einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 04.12.2018 von Dr. W. (vgl. Bl. 118 bis 119 SG-Akte) an der bisherigen Bewertung des Sachverhaltes fest.
Die Klägerin verwies mit Schreiben vom 28.01.2019 nochmals darauf, dass sie keine Lasten über 3 kg tragen könne. Auch müsse sie sich auf Grund des Rundherdes am linken Lungenflügel in naher Zukunft einer Operation unterziehen. Die Klägerin legte weitere Befundberichte über ein CT-Staging vom 25.10.2018 sowie vom 19.02.2018 und einen Befundbericht von Dr. W. vom 13.08.2018 sowie von Prof. Dr. S. von der Abteilung für Allgemeinchirurgie des M. Hospital Stuttgart vom 27.10.2017 (vgl. Bl. 127 bis 129, 131 und 132 SG Akte) vor.
Das SG wies mit Gerichtsbescheid vom 19.03.2019 die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen die dem Bescheid vom 08.09.2014 zugrunde gelegen hätten, eingetreten sei. Eine durch eine Chemotherapie begründete körperliche Schwäche liege im Jahr 2017 nicht mehr vor. Eine Einschränkung der Gehstrecke sei von den befragten Ärzten nicht bestätigt worden und auch den Befundberichten nicht zu entnehmen. Da die Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht mehr vorlägen, habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens B.
Die Klägerin hat gegen den am 25.03.2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 17.04.2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben und hat zur Berufungsbegründung nochmals vorgetragen, dass sie nicht schwer Heben und Tragen dürfe und es ihr nicht möglich sei, ohne Hilfe Lasten zu transportieren. Auch bei Reisen sei sie auf die Hilfe zum Tragen von schweren Koffern angewiesen. Sie habe das Gefühl, dass die von ihr verfassten Schreiben keine Berücksichtigung gefunden hätten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.03.2019 sowie den Bescheid vom 28.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung vorgetragen, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht mehr vorlägen, sodass auch das Merkzeichen B nicht mehr festgestellt werden könne. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei objektiv ohne Begleitung möglich. Die Argumentation von Transportproblemen von Gegenständen sei in diesem Zusammenhang nicht entscheidungsrelevant.
Die Berichterstatterin hat das Verfahren in einem nichtöffentlichen Termin am 16.09.2019 mit den Beteiligten erörtert. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift auf Bl. 21 bis 22 der Senatsakte verwiesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verw.akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber nicht begründet. Der Bescheid vom 28.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.05.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat ab dem 02.10.2016 keinen Anspruch mehr auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche G und B. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist der Bescheid des Beklagten Bescheid vom 28.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.05.2017. Darin hat die Beklagte den Bescheid vom 08.09.2014 nach § 48 SGB X aufgehoben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen G und B seit dem 02.10.2016 nicht mehr vorliegen.
Der Senat entscheidet nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Entscheidung des Beklagten, hier also bei Erlass des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG) am 24.05.2017 bezogen auf die verfügte Aufhebung des Bescheids vom 08.09.2014 zum 02.10.2016. Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, welcher die Feststellung von Merkzeichen aufhebt, bestimmt sich nach diesem Zeitpunkt, spätere eventuelle Veränderungen während des Gerichtsverfahrens werden nicht berücksichtigt.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der Entzug der Merkzeichen G und B ab dem 02.10.2016 nur unter den Anforderungen aus § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) möglich. Nach dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft (S. 1) oder für die Vergangenheit (S. 2) aufzuheben. Die Feststellung eines Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) ist ein solcher Dauerverwaltungsakt (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 -, SozR 4 – 1300 § 48 Nr. 26; Rz. 12).
Bei dem Bescheid vom 08.09.2014, den der Beklagte mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 28.09.2016 aufgehoben hat, handelte es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, seither ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die diesem Verwaltungsakt zugrunde lagen, eine wesentliche Änderung eingetreten war.
Materiellrechtlich folgen die Grundlagen für die Entscheidung des Beklagten noch aus §§ 69 ff. Neuntes Busch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der damals gültigen Fassung. Die Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung (BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234), insbesondere die Neufassung der relevanten Vorschriften in den §§ 152 ff. SGB IX n.F., die insoweit zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten sind, sind dagegen nicht zu berücksichtigen. Der hier angegriffene Bescheid vom 28.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2017 ist davor ergangen.
Rechtsgrundlage für die Feststellung der Merkzeichen G und B sind die Vorschriften des SGB IX in der bis zum 01.01.2018 geltenden Fassung des § 69 Abs. 1 und Abs. 4 SGB IX iVm §§ 145, 146 SGB IX.
Nach § 146 Abs. 1 S 1 SGB IX idF vom 02.12.2006 ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Das Gesetz fordert in § 145 Abs. 1 S 1, § 146 Abs. 1 S 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken (BSG Urteil vom 24.4.2008, B 9/9a SB 7/06 R - SozR 4-3250 § 146 Nr. 1 RdNr 12).
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3-3870 a.a.O.).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G nicht auf die VG berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08, veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" geschaffen. Die so geschaffene Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" entfaltet nach der Rechtsprechung des Senats jedoch keine Rückwirkung, sondern ist erst ab dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13 - zum Merkzeichen "aG", juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Folglich stellt der Senat für die Zeit ab dem 15.01.2015 auf die in den VG geregelten Kriterien ab.
Gemäß den Grundsätzen der VG Teil D 1b) Satz 1 für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend (BSG, Urteil vom 11.8.2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden (VG Teil D 1b) Satz 2). Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG Teil D 1b) Sätze 3, 4). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - dh altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Auch das Tragen von Gewichten ist nicht zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 26.09.2014, L 8 SB 1364/14).
Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten die VG Teil D 1 d), e) und f). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind nach den VG Teil D 1 d) als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle - VG Teil D 1e) - und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung - VG Teil D 1f) -.
Die VG beschreiben in Teil D 1 d) bis f) Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei der Beurteilung einer dort nicht erwähnten Behinderung als Vergleichsmaßstab dienen können. Die VG geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die VG dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filtern die VG all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, juris, zu den mit den VG vergleichbaren AHP; BSG, Beschluss vom 17.08.2010 - B 9 SB 32/10 B -, juris, zu den VG und AHP).
Der Senat stellt fest, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen G nicht mehr erfüllt.
Der Beklagte hat das Merkzeichen G im Bescheid vom 08.09.2014 festgestellt. Grundlage dieser Feststellung war das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 12.12.2013, demzufolge die Klägerin durch die Tumorerkrankung und die Chemotherapie körperlich geschwächt war und unter Schwindel litt. Als pflegebegründende Diagnose wurde eine körperliche Schwäche und Belastungsminderung bei Rektumkarzinom mit Anlage eines Ileostomas und Kolostomas sowie Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapie genannt und die Pflegestufe I festgestellt. Dr. V. befürwortete daraufhin in seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 27.08.2014 die Zuerkennung der Merkzeichen B und G wegen der körperlichen Schwäche in Folge der Tumorerkrankung.
Der Senat stellt fest, dass im Vergleich zu den Verhältnissen, welche der Feststellung der Merkzeichen im Bescheid vom 08.09.2014 zugrunde lagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G seit dem 02.10.2016 nicht mehr erfüllt sind. Die die Feststellung des Merkzeichen G begründende körperliche Schwäche durch die akute Tumorerkrankung und damals laufende Chemotherapie kann der Senat den Befundberichten des Gastroenterologen Dr. W. aus dem Jahr 2015 und 2016 nicht mehr entnehmen. Auch der Internist Dr. W. teilt in seiner Stellungnahme vom 27.07.2016 (Blatt 82 Verw.akte) keine Befunde mit, welche das Fortbestehen der Schwächung des Allgemeinzustandes begründen. Der vom Beklagten im Verwaltungsverfahren beigezogene Rehaentlassungsbericht vom 20.11.2014 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 03.09.2014 bis zum 01.10.2014 in der Klinik T. enthält ebenfalls keine Befunde, welche eine anhaltende Schwäche und ein hierdurch beeinträchtigtes Gehvermögen belegen. In der Beschreibung der Beschwerden und funktionellen Einschränkungen wird eine Leistungsminderung aufgeführt. Beim Treppensteigen oder Gehen auf der Ebene bestünden jedoch keine ernsthaften Schwierigkeiten. Es bestehe eine vermehrte Müdigkeit und Antriebsarmut sowie Chemotherapie - bedingte Sensibilitätsstörungen der Hände und Füße. Die Klägerin dürfe nicht schwer Heben und Tragen infolge des Stoma. Als weitere Maßnahmen wurden zum Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme eine regelmäßige körperliche Aktivität wie Bewegung und Schwimmen auch zur Vorbeugung eines Rezidivs empfohlen. Der Senat entnimmt dem Reha Entlassungsbericht, dass sich die Belastbarkeit der Klägerin gebessert hat und eine Verbesserung und Stabilisierung der körperlichen Leistungsfähigkeit eingetreten ist. Damit ist auch ein ordentlicher Allgemeinzustand und Ernährungszustand beschrieben.
Auch den im SG Verfahren beigezogenen Befundberichten und eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen vermag der Senat keine Schwächung der körperlichen Leistungsfähigkeit vergleichbar dem Zustand der Klägerin unmittelbar nach der Tumorerkrankung und während der laufenden Chemotherapiezyklen zu entnehmen. Der behandelnde Gastroenterologe Dr. W. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 15.01.2018 von einer mäßiggradig eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit berichtet. Die Gehfähigkeit sei durch die Tumorerkrankung und die erfolgte Therapie nicht relevant eingeschränkt. Eine solche sei auch von der Klägerin bei den Untersuchungen zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden. Die Klägerin leide nach dem ausgedehnten abdominellen Eingriff an rezidivierenden Bauchschmerzen. Mit dem endständigen Descendostoma komme sie gut zu Recht. Der Senat kann der Aussage und den von Dr. W. mitgeteilten Befunden keine Einschränkung des Gehvermögens in merkzeichenrelevantem Ausmaß entnehmen. Der Senat erkennt zwar durchaus, dass die Klägerin nach wie vor durch die Stomaversorgung und insbesondere die ungünstige Gesamtprognose aufgrund des primären Tumorstadiums sehr belastet ist. Allerdings kann der Senat allein hieraus eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ohne Tragen von Lasten nicht ableiten. Die finanziellen Verhältnisse sind für die GdB-Bewertung ohne Bedeutung, gleiches gilt hinsichtlich der Merkzeichen.
Soweit sich nach dem CT vom 28.03.2017 des Thorax/Abdomen/Becken von Dr. W. (Blatt 35 SG – Akte) im Vergleich zur Voruntersuchung am 04.04.2016 eine Größenzuname und polyzyklische Konfiguration eines Rundherdes im apikalen Unterlappensegment links bei ansonsten unveränderten Befunden zeigte, wurden bislang noch keine weiteren Untersuchungen oder Behandlungen, insbesondere keine Operationen oder Chemotherapie durchgeführt, welche zu einer Schwächung des Allgemeinzustandes führen könnten. Der Senat schließt dies aus der sachverständigen Zeugenaussage des Onkologen im M. Hospital Dr. K. vom 22.02.2018, wonach die in den CT–Untersuchungen vom 04.04.2016, 28.02.2017 sowie vom 20.09.2017 sich vergrößernden Raumforderungen als tumor- bzw. metastasenverdächtig einzuschätzen seien. Der Verlauf sei nicht sicher vorhersehbar. Insofern hat der Beklagte jedoch der Hochrisikosituation der Klägerin damit Rechnung getragen, dass der GdB nach wie vor bei 100 verbleibt. Befunde, welche eine Schwächung des Allgemeinzustandes bedingen, so dass eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, liegen indes derzeit auf onkologischem Fachgebiet nicht vor. Entsprechend hat auch Dr. K. eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr der Klägerin bezogen auf den derzeitigen Zustand in der sachverständigen Zeugenaussage vom 22.02.2018 verneint. Der Senat kann daher eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin nach den beigezogenen Befundberichten und sachverständigen Zeugenaussagen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr feststellen.
Der Senat vermag auch nicht der Auffassung des Internisten Dr. W. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 25.07.2018 sowie den von ihm erstellten Attesten vom 15.02.2017 und vom 19.06.2017 (nach seiner Aussage zunächst fälschlich auf den 09.05.2015 datiert) zu folgen, wonach die Merkzeichen G und B der Klägerin weiterhin belassen werden sollten. Bei der Prüfung der Voraussetzungen der erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist allein auf die Gehfähigkeit des schwerbehinderten Menschen abzustellen. Außer Acht bleibt dabei, ob der behinderte Mensch Lasten heben und tragen kann. Der Senat geht in Übereinstimmung mit Dr. W. davon aus, dass die Klägerin infolge der Stomaversorgung keine Lasten von mehr als 3kg heben und/oder tragen darf und kann. Die Klägerin ist jedoch auch nach der Aussage von Dr. W. nicht in der Gehfähigkeit grundsätzlich eingeschränkt, Dr. W. führt in seiner Stellungnahme vom 19.06.2017 an, dass er die Einschränkung der Gehstrecke nicht im Vordergrund sehe und vermag zur von der Klägerin im Schreiben vom 13.12.2016 angegebenen Einschränkung der Wegstrecke keine eigene Beurteilung abgeben. Dr. W. verkennt jedoch, dass der Begriff der Mobilität nicht das Mitführen von Lasten, sondern lediglich die Bewegungsfähigkeit an sich umfasst (vgl. Senatsurteil vom 26.09.2014, L 8 SB 1364/14). Für die Zuerkennung des Merkzeichens G ist nicht ausschlaggebend, ob konkret eine Wegstrecke von 2 km in 30 Minuten zurückgelegt werden kann, sondern es ist allein entscheidend, ob ein Regelbeispiel gemäß Teil D Nr 1 Buchst d bis f der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Anlage zu § 2 VersMedV) vorliegt oder ob die vorhandene Behinderung mit einem solchen Regelbeispiel vergleichbar ist (vgl. BSG vom 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 = SozR 3-3870 § 60 Nr. 2; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2018, L 3 SB 2660/16, juris).
Der Senat kann jedoch nicht feststellen, dass bei der Klägerin ein in Teil D Nr. 1 AnlVersMedV gelistetes Krankheitsbild vorliegt. Eine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule ist den beigezogenen Befundberichten und sachverständigen Zeugenaussagen ebenso wenig zu entnehmen wie Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades oder hirnorganische Anfälle und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung, die einen GdB von 70 bedingen. Die durch die Chemotherapie bedingte Schwächung der Klägerin konnte nach deren Ende nicht weiter festgestellt werden. Die Klägerin verfügt derzeit auch nicht mehr über einen Pflegegrad. Die noch vorhandenen Funktionseinschränkungen durch die Stomaversorgung und die Tumorerkrankung sind nach Überzeugung des Senats auch nicht mit diesen Regelbeispielen vergleichbar, da eine besonders nachteilige Auswirkung auf die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht zu erkennen ist. Gleiches gilt für die angegebenen Sensibilitätsstörungen der Beine, die sich nach dem Rehabericht gebessert haben. Der Ausschluss des Hebens und Tragens von schweren Lasten ist hierbei – wie der Senat schon ausgeführt hat – nicht zu berücksichtigen.
Auch der Verweis von Dr. W. in der Bescheinigung vom 27.07.2016, dass in Anbetracht der finanziellen Situation der Klägerin die Fortführung der Berechtigung zum Erhalt eines Tickets im öffentlichen Nahverkehr dringend angezeigt sei, führt nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen nach § 146 Abs. 1 S 1 SGB IX iVm Teil D VersMedV. Für die Zuerkennung der Merkzeichen sind allein die darin festgelegten Voraussetzungen zu prüfen, die finanzielle Situation der behinderten Menschen bleibt außer Betracht.
Der Senat stellt somit fest, dass die die Klägerin in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht mehr soweit beeinträchtigt ist, dass sie nicht mehr in der Lage ist, eine Strecke von etwa zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde zurückzulegen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen G ab dem 02.10.2016 nicht mehr vorliegen und die Beklagte daher zu Recht den Bescheid vom 08.09.2014 insoweit aufgehoben hat.
Der Senat kann zudem feststellen, dass die Klägerin seit dem 02.10.2016 nicht mehr die Voraussetzungen für das Merkzeichen B (Berechtigung für eine ständige Begleitung) erfüllt.
Nach § 146 Abs. 2 SGB IX idF bis zum 31.12.2017 sind zur Mitnahme einer Begleitperson schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind; zur Anwendbarkeit der VG siehe oben zum Merkzeichen G.
Hiervon ausgehend liegen bei der Klägerin die Voraussetzungen des Merkzeichens B ab dem 02.10.2016 nicht mehr vor.
Die Klägerin erfüllt ab dem 02.10.2016 – wie der Senat bereits ausgeführt hat - nicht mehr die Voraussetzungen des Merkzeichens G. Bereits aus diesem Grund scheidet die Aufrechterhaltung des Merkzeichens B aus, da die Klägerin auch nicht hilflos oder gehörlos i. S. d. Gesetzes ist.
Der Senat vermag jedoch auch abgesehen davon die Berechtigung für eine ständige Begleitung bei der Klägerin nicht festzustellen.
Die Klägerin gehört nicht zu dem in D Nr. 2 Buchst. c) VG genannten Personenkreis, bei denen die Berechtigung für eine ständige Begleitung anzunehmen ist. Dass die Klägerin dem in D Nr. 2 Buchst. c) VG genannten Personenkreis zuzurechnen ist, wird von der Klägerin im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
Es sind auch keine sonstigen Gesundheitseinschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet ersichtlich, welche die Voraussetzungen des Merkzeichens B erfüllten könnten. Die neu aufgetretenen Veränderungen im Bereich der Lunge haben bislang noch nicht in eine entsprechende Behandlung gemündet, wie der Senat den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin vom 16.09.2019 entnimmt. Derzeit kann der Senat daher keine entsprechenden Auswirkungen auf die Fähigkeit der Klägerin zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel feststellen.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des Fortbestehens der Voraussetzungen für das Merkzeichen G und das Merkzeichen B. Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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