Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 30 SF 2/20 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 SB 195/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 05.05.2020 geändert. Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf 1.094,56 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Senat entscheidet über die Beschwerde gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1-3 RVG in der Besetzung mit drei Berufsrichtern, nachdem der Berichterstatter das Verfahren dem Senat übertragen hat.
Die grundsätzliche Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich aus §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 ff. RVG. Die Beschwerde ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt mehr als 200 EUR (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Der Beschwerdeführer begehrt eine Vergütung von 1.094,56 EUR, das Sozialgericht hat die Vergütung lediglich in Höhe von 773,26 EUR festgesetzt. Unbeschadet der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts (vgl. zu den Folgen § 33 Abs. 5 Satz 2 RVG) ist die zweiwöchige Beschwerdefrist (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) gewahrt. Der angefochtene Beschluss ist dem Beschwerdeführer laut dessen Empfangsbekenntnis am 25.06.2020 zugegangen. Am 26.06.2020 hat er die Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 1 RVG).
Die Beschwerde ist begründet.
Die Beschwerde ist allerdings nicht etwa deswegen begründet, weil das Erinnerungsrecht des Beschwerdegegners verfristet oder verwirkt war.
Teilweise wird vertreten, dass eine Verwirkung regelmäßig schon nach Ablauf eines Jahres nach Wirksamwerden der Gebührenfestsetzungsentscheidung (grundlegend Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.10.2012 - L 15 SF 131/11 B E, juris Rn. 18 ff.) oder in Entsprechung zu § 20 GKG mit Ablauf des auf die Gebührenfestsetzung folgenden Kalenderjahres (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.08.2019 - II-1 WF 128/19, 1 WF 128/19, juris Rn. 8 ff.; weitere Nachweise bei Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskosten-hilfe, 14. Aufl. 2018, § 56 RVG Rn. 3; gegen eine analoge Anwendung von § 20 GKG OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.03.2017 - I-10 W 35 et al., juris Rn. 5) eintritt. Die hier zugrunde liegende Erinnerung des Beschwerdegegners ging zwar noch in dem auf die Festsetzung am 13.11.2018 folgenden Kalenderjahr, nämlich am 23.12.2019, beim Sozialgericht ein, jedoch nicht mehr binnen eines Jahres nach Gebührenfestsetzung.
Unabhängig vom zeitlichen Moment bedarf die Annahme einer Verwirkung auch im Kostenrecht aber noch eines Umstandsmoments (vgl. Keller, in: jurisPR-SozR 8/2019, Anm. 3, E.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.12.2018 - L 7 AS 4/17 B, juris Rn. 17; Thüringer LSG, Beschluss vom 23.07.2018 - L 1 SF 497/16 B, juris Rn. 18 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 30.04.2018 - L 9 AL 223/16 B, juris Rn. 35 f.), das hier nicht vorliegt.
Zunächst war ein Erinnerungsverfahren nach § 59 RVG anhängig, über das der Beschwerdeführer informiert war. Anhängige Verfahren nach § 59 RVG stehen, soweit sie dem Bevollmächtigten bekannt sind, der Ausbildung von Vertrauen entgegen (LSG NRW, a.a.O., Rn. 36; Thüringer LSG, a.a.O., Rn. 20). In diesem Erinnerungsverfahren erging dann am 25.03.2019 ein Beschluss des Sozialgerichts, dessen Rubrum und Tenor unzutreffend bzw. missverständlich waren. Während das Sozialgericht das Rubrum zeitnah korrigierte, blieb der Tenor unverändert. Die Formulierung des Tenors konnte den Eindruck erwecken, als hätte das Sozialgericht nicht eine Festsetzung im Verhältnis von Beklagter zu Beschwerdegegner getroffen, sondern die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung neu festgesetzt. Der Urkundsbeamte des Sozialgerichts ging jedenfalls irrtümlich davon aus, auf Grundlage dieses Beschlusses überzahlte Gebühren vom Beschwerdeführer zurückverlangen zu können. Der Beschwerdegegner trat dem nicht entgegen, sondern schloss sich mit Schreiben vom 23.09.2019 dem Beschluss des Sozialgerichts vom 25.03.2019 an. Sowohl der Beschluss vom 25.03.2019, als auch das Schreiben des Beschwerdegegners vom 23.09.2019 wurden dem Beschwerdeführer übersandt. Dass der Beschwerdeführer auf den jedenfalls beim Urkundsbeamten des Sozialgerichts entstandenen Irrtum mehrfach hinwies und darin letztlich vom erkennenden Senat im Verfahren L 13 SB 412/19 B bestätigt wurde, ändert hieran nichts. Wenn der Beschwerdeführer wusste, dass der Beschwerdegegner die Gebührenfestsetzung für unzutreffend hielt und der Rückforderung von Gebühren durch den Urkundsbeamten des Sozialgerichts jedenfalls nicht entgegentrat, musste er damit rechnen, dass nach Auflösung des Irrtums im Verfahren L 13 SB 412/19 B vom Beschwerdegegner noch Erinnerung eingelegt werden würde.
Die Beschwerde ist jedoch begründet, weil die allein streitige fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. VV-RVG angefallen ist. Der von den Beteiligten des zugrunde liegenden Klageverfahrens geschlossene außergerichtliche Vergleich, der zur Erledigung des Verfahrens führte, ist hierfür ausreichend. Der Senat gibt seine bisherige gegenteilige Rechtsprechung angesichts des Beschlusses des BGH vom 07.05.2020 (V ZB 110/19, juris Rn. 7) zur Parallelvorschrift Nr. 3104 VV-RVG und der in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 als Klarstellung bezeichneten Änderung von Nr. 3106 VV-RVG (vgl. Art. 7 Nr. 21 RegE KostRÄG 2021 und die zugehörige Begründung auf Seite 98 f.) im Sinne der Einheit der Rechtsordnung auf.
Wegen der Einzelheiten der Gebührenfestsetzung im Übrigen wird auf die Kostenfestsetzung vom 13.11.2018 und den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts vom 05.05.2020 Bezug genommen.
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Gründe:
Der Senat entscheidet über die Beschwerde gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1-3 RVG in der Besetzung mit drei Berufsrichtern, nachdem der Berichterstatter das Verfahren dem Senat übertragen hat.
Die grundsätzliche Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich aus §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 ff. RVG. Die Beschwerde ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt mehr als 200 EUR (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Der Beschwerdeführer begehrt eine Vergütung von 1.094,56 EUR, das Sozialgericht hat die Vergütung lediglich in Höhe von 773,26 EUR festgesetzt. Unbeschadet der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts (vgl. zu den Folgen § 33 Abs. 5 Satz 2 RVG) ist die zweiwöchige Beschwerdefrist (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) gewahrt. Der angefochtene Beschluss ist dem Beschwerdeführer laut dessen Empfangsbekenntnis am 25.06.2020 zugegangen. Am 26.06.2020 hat er die Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 1 RVG).
Die Beschwerde ist begründet.
Die Beschwerde ist allerdings nicht etwa deswegen begründet, weil das Erinnerungsrecht des Beschwerdegegners verfristet oder verwirkt war.
Teilweise wird vertreten, dass eine Verwirkung regelmäßig schon nach Ablauf eines Jahres nach Wirksamwerden der Gebührenfestsetzungsentscheidung (grundlegend Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.10.2012 - L 15 SF 131/11 B E, juris Rn. 18 ff.) oder in Entsprechung zu § 20 GKG mit Ablauf des auf die Gebührenfestsetzung folgenden Kalenderjahres (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.08.2019 - II-1 WF 128/19, 1 WF 128/19, juris Rn. 8 ff.; weitere Nachweise bei Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskosten-hilfe, 14. Aufl. 2018, § 56 RVG Rn. 3; gegen eine analoge Anwendung von § 20 GKG OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.03.2017 - I-10 W 35 et al., juris Rn. 5) eintritt. Die hier zugrunde liegende Erinnerung des Beschwerdegegners ging zwar noch in dem auf die Festsetzung am 13.11.2018 folgenden Kalenderjahr, nämlich am 23.12.2019, beim Sozialgericht ein, jedoch nicht mehr binnen eines Jahres nach Gebührenfestsetzung.
Unabhängig vom zeitlichen Moment bedarf die Annahme einer Verwirkung auch im Kostenrecht aber noch eines Umstandsmoments (vgl. Keller, in: jurisPR-SozR 8/2019, Anm. 3, E.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.12.2018 - L 7 AS 4/17 B, juris Rn. 17; Thüringer LSG, Beschluss vom 23.07.2018 - L 1 SF 497/16 B, juris Rn. 18 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 30.04.2018 - L 9 AL 223/16 B, juris Rn. 35 f.), das hier nicht vorliegt.
Zunächst war ein Erinnerungsverfahren nach § 59 RVG anhängig, über das der Beschwerdeführer informiert war. Anhängige Verfahren nach § 59 RVG stehen, soweit sie dem Bevollmächtigten bekannt sind, der Ausbildung von Vertrauen entgegen (LSG NRW, a.a.O., Rn. 36; Thüringer LSG, a.a.O., Rn. 20). In diesem Erinnerungsverfahren erging dann am 25.03.2019 ein Beschluss des Sozialgerichts, dessen Rubrum und Tenor unzutreffend bzw. missverständlich waren. Während das Sozialgericht das Rubrum zeitnah korrigierte, blieb der Tenor unverändert. Die Formulierung des Tenors konnte den Eindruck erwecken, als hätte das Sozialgericht nicht eine Festsetzung im Verhältnis von Beklagter zu Beschwerdegegner getroffen, sondern die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung neu festgesetzt. Der Urkundsbeamte des Sozialgerichts ging jedenfalls irrtümlich davon aus, auf Grundlage dieses Beschlusses überzahlte Gebühren vom Beschwerdeführer zurückverlangen zu können. Der Beschwerdegegner trat dem nicht entgegen, sondern schloss sich mit Schreiben vom 23.09.2019 dem Beschluss des Sozialgerichts vom 25.03.2019 an. Sowohl der Beschluss vom 25.03.2019, als auch das Schreiben des Beschwerdegegners vom 23.09.2019 wurden dem Beschwerdeführer übersandt. Dass der Beschwerdeführer auf den jedenfalls beim Urkundsbeamten des Sozialgerichts entstandenen Irrtum mehrfach hinwies und darin letztlich vom erkennenden Senat im Verfahren L 13 SB 412/19 B bestätigt wurde, ändert hieran nichts. Wenn der Beschwerdeführer wusste, dass der Beschwerdegegner die Gebührenfestsetzung für unzutreffend hielt und der Rückforderung von Gebühren durch den Urkundsbeamten des Sozialgerichts jedenfalls nicht entgegentrat, musste er damit rechnen, dass nach Auflösung des Irrtums im Verfahren L 13 SB 412/19 B vom Beschwerdegegner noch Erinnerung eingelegt werden würde.
Die Beschwerde ist jedoch begründet, weil die allein streitige fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. VV-RVG angefallen ist. Der von den Beteiligten des zugrunde liegenden Klageverfahrens geschlossene außergerichtliche Vergleich, der zur Erledigung des Verfahrens führte, ist hierfür ausreichend. Der Senat gibt seine bisherige gegenteilige Rechtsprechung angesichts des Beschlusses des BGH vom 07.05.2020 (V ZB 110/19, juris Rn. 7) zur Parallelvorschrift Nr. 3104 VV-RVG und der in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 als Klarstellung bezeichneten Änderung von Nr. 3106 VV-RVG (vgl. Art. 7 Nr. 21 RegE KostRÄG 2021 und die zugehörige Begründung auf Seite 98 f.) im Sinne der Einheit der Rechtsordnung auf.
Wegen der Einzelheiten der Gebührenfestsetzung im Übrigen wird auf die Kostenfestsetzung vom 13.11.2018 und den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts vom 05.05.2020 Bezug genommen.
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
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