L 4 KR 635/19 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 4102/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 635/19 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 8. Februar 2019 abgeändert und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zum Abschluss des Klageverfahrens S 10 KR 4052/18, längstens jedoch bis zum 31. Januar 2020 mit einem Bewegungstrainer Innowalk der Marke Made for Movement vorläufig zu versorgen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin erstattet dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Versorgung mit dem Bewegungstrainer "Innowalk medium" der Firma M. f. Mo. GmbH.

Bei dem 2002 geborenen, bei der Antragsgegnerin versicherten Antragsteller besteht bilaterale spastische Zerebralparese mit dystonem Bewegungsmuster entsprechend dem Schweregrad GMFCS V, eine begleitende expressive dysarthrische Sprachstörung und eine leichte Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen Lernbehinderung und leichter geistiger Behinderung nach hypoxischer Hirnschädigung im Alter von acht Monaten. Aufgrund der Bewegungsstörung liegen Kniebeugekontrakturen beidseits, eine Fußfehlstellung im Sinne schwererer Knick-Senk-Spreiz-Füße beidseits, eine Fehlhaltung der Wirbelsäule sowie eine Hüftdysplasie links mit Minderüberdachung des Femurkopfes vor. Infolgedessen ist der Antragsteller selbständig weder geh- noch stehfähig; auch ein stabiles Sitzen ist selbständig nicht möglich.

Am 13. November 2015 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung des Kinder- und Jugendarztes Dr. B. vom 23. Oktober 2015 (Diagnose: Tetraplegie) und eines Kostenvoranschlags in Höhe von EUR 8.383,55 (Jahresmiete zuzüglich Anpassungs- und Dokumentenpauschale) die Versorgung mit einem sog. Innowalk als Hilfsmittel. Bei diesem handelt es sich um einen motorisierten Steh- und Gehtrainer.

In einer Stellungnahme des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), über dessen Einschaltung die Antragsgegnerin den Antragsteller unter dem 16. November 2015 unterrichtete, kam Dr. P. am 18. November 2015 zu der Einschätzung, die Versorgung mit einem Stehständer sei ausreichend; ein Vorteil gegenüber anderen fremdkraftbetriebenen Bewegungsgeräten bestehe bei dem begehrten Hilfsmittel nicht. Hierauf gestützt lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit Bescheid vom 25. November 2015 ab.

Auf den Widerspruch des Antragstellers, zu dessen Begründung dieser u.a. den Arztbrief der Fachärztin für Orthopädie Dr. S., Abteilung Kinderorthopädie eines Krankenhauses, vom 10. Januar 2017 vorlegte, holte die Antragsgegnerin weitere sozialmedizinische Gutachten des MDK ein. Dr. F. führte unter dem 19. April 2016 aus, die Stehposition helfe die Zunahmen von Kontrakturen und Deformitäten zu verhindern und den Muskeltonus zu regulieren. Allgemein dienten alle Vertikalisierungsmaßnahmen der achsgerechten Belastung, Förderung der Atmung und Verdauung, der Osteoporose- und Pneumonieprophylaxe, dem Kreislauftraining und bei Kindern der Entwicklungsförderung. Der Innowalk führe zusätzlich zu den Funktionen des Stehständers passiv simulierte Schreitbewegungen durch. Eine Überlegenheit gegenüber physikalischen Maßnahmen wie z.B. Krankengymnastik sei wissenschaftlich nicht belegt. Ein Stehständer, gegebenenfalls mit Rollen, sei ausreichend. Dr. W. führte im Gutachten vom 26. September 2016 aus, mit dem Bewegungstrainer könne die Behinderung nicht ausgeglichen werden. Es werde hierbei eine passive Gehbewegung angestrebt, das Gehen als solches könne nicht erfolgen. Im Vordergrund stehe das Ziel der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Zum unstrittig sinnvollen Stehtraining sei jedoch eine Versorgung mit einem Stehständer möglich. Zur passiven/aktiven Bewegung der Beine könne nach entsprechender positiver Erprobung eine Versorgung mit einem fremdkraftbetriebenen Bewegungstrainer der Produktuntergruppe 32.06.01 erfolgen. In weiteren Gutachten vom 17. Mai, 17. Juli 2017 und 5. Juni 2018 stellte Dr. F. fest, dass eine Überlegenheit des Bewegungstrainers gegenüber physiotherapeutischen Maßnahmen wissenschaftlich nicht belegt sei. Dem Antragsteller sei zwar die Handhabung eines Bewegungstrainers im Sitzen nicht zumutbar, er könne jedoch alternativ einen Bewegungstrainer im Liegen (Motomed letto 2) einsetzen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2018 wies die Widerspruchsstelle der Antragsgegnerin den Widerspruch gestützt auf die Ergebnisse der MDK-Gutachten als unbegründet zurück. Eine Versorgung mit Stehständer und fremdkraftbetriebenen Beintrainer sei ausreichend.

Hiergegen richtet sich die am 10. Dezember 2018 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage des Antragstellers (S 10 KR 4052/18).

Am 14. Dezember 2018 stellte er beim SG Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren der Versorgung mit dem Innowalk. Er sei aufgrund der bilateralen Zerebralparese stark in der Entwicklung behindert. Trotz intensiver therapeutischer Behandlung habe die motorische Beweglichkeit nicht wesentlich verbessert werden können. Es sei vielmehr eine Adduktorenkontraktur beidseits sowie eine Kniebeugekontraktur beidseits aufgetreten. Des Weiteren sei eine Hüftluxation links festgestellt worden. Zur Vermeidung einer weiteren Progredienz der Kniebeugekontraktur und des Hüftüberdachungsdefizits sei eine schnellstmögliche Versorgung mit dem beantragten Hilfsmittel erforderlich. Es bestehe sonst die Gefahr von Nachteilen im Bereich des Bewegungsablaufs und des Krankheitsbildes. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Bei dem Bewegungstrainer Innowalk stehe der Behinderungsausgleich im Vordergrund. Ausweislich der – vorgelegten – Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 17. August 2018 sei eine Empfehlung gemäß § 135 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht erforderlich. Im Rahmen des Trainings werde die Beinmuskulatur in einem Ausmaß gestärkt, welches mit einem herkömmlichen Bewegungstrainer nicht zu erreichen sei. Kontrakturen, Verkürzungen von Muskeln und Sehnen sowie Deformitäten der Knochen werde vorgebeugt. Es komme zu einer Regulierung des Muskeltonus. Zudem werde durch das aufrechte Training eine soziale Interaktion auf Augenhöhe erreicht. Das Auftreten von Dekubiti könne vermieden, eine Verbesserung der Verdauung und Darmfunktion erreicht, der Kreislauf angekurbelt und der Stoffwechsel erhöht werden. Durch ein intensives Training könne das Setzen selbständiger Schritte erlernt werden. Hierdurch würden auch kognitive Fähigkeiten gefördert. Im, dem Antragsteller, sei es nicht möglich, selbstständig stabil zu sitzen, zu stehen oder zu gehen. Diese Funktionen würden unmittelbar ausgeglichen. Es handle sich darüber hinaus auch um ein Hilfsmittel, das dem mittelbaren Behinderungsausgleich diene. Durch den Bewegungstrainer werde ein freies Sitzen, Stehen und eine unterstützte Fortbewegung vorbereitet und verbessert. Es diene der Befriedigung des Grundbedürfnisses des Gehens sowie der Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Die Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums umfasse bei Kindern auch die Möglichkeit zur ausreichenden Bewegung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Zusammenhang mit der Hilfsmittelversorgung von Jugendlichen ausdrücklich festgestellt, dass sich die Notwendigkeit der Versorgung nicht nur aus einer rein quantitativen Erweiterung des Bewegungsradius, sondern auch aus dem Gesichtspunkt der Integration des Jugendlichen in das Lebensumfeld Gleichaltriger ergeben könne. Mit dem Hilfsmittel werde zudem einer drohenden Behinderung vorgebeugt. Ohne das regelmäßige Training würden sich die Muskel- und Sehnenverkürzung und die Hüftschädigung verstärken. Die von der Antragsgegnerin alternativ empfohlenen Hilfsmittel Stehständer sowie der Motomed letto 2 stellten keine geeigneten Alternativen dar. Diese Hilfsmittel seien hinsichtlich ihres therapeutischen Nutzens nicht mit dem Innowalk vergleichbar. Die Versorgung mit dem Innowalk sei wirtschaftlich. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Eine Nichtversorgung ziehe Nachteile im Bereich des Bewegungsablaufes und des Krankheitsbildes nach sich. Im Kindesalter durchlaufe das Gehirn immer wieder umfangreiche Entwicklungsprozesse. Würden in einer kritischen Phase jene Reize, wie eine beginnende Vertikalisierung und eine damit einhergehende veränderte Wahrnehmung des eigenen Körpers fehlen, würde sich dies in gestörten Entwicklungsverläufen ausdrücken. Für die Belange der Antragsgegnerin sprächen hingegen lediglich finanzielle Aspekte. Zur Untermauerung seines Vorbringens legte er insbesondere die Entlassberichte von Prof. Dr. M., Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Ärztlicher Direktor eines Kinderzentrums, vom 30. September 2015 und 1. März 2017, Arztbriefe von Dr. S. vom 10. August 2015 und 10. Januar 2017, die Herstellerbeschreibung, einen Studienauszug und Erfahrungsberichte aus Norwegen sowie zwei Anwenderbeobachtungen vor.

Die Antragsgegnerin trat dem Antrag unter Verweis auf die Gründe des Widerspruchsbescheides entgegen. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben.

Das SG vernahm Dr. J., Assistenzarzt des Kinderzentrums, und Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugen. Letztere gab unter dem 22. Januar 2019 an, der Bewegungstrainer solle im Rahmen einer ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden. Ziel der Therapie sei die Prophylaxe und die Verhinderung der weiteren Progredienz der Muskelkontrakturen, die Verbesserung der Hüfteinstellung, die verbesserte Knochendurchblutung und damit eine Osteoporoseprophylaxe. Die aktuelle Therapie aus Physiotherapie und Liegefahrrad seien nicht ausreichend. Das Bewegungstraining unterstütze optimal die anderen Maßnahmen wie die Physiotherapie. Der Antragsteller sei nicht selbstständig steh- und gehfähig. Die passiv eingeleitete Bewegung in aufrechter Position führe zu einer reaktiven Ausgleichsbewegung des Patienten. Hierzu sei keine selbstständige Steh- und Gehfähigkeit erforderlich. Bei Durchführung lediglich der aktuellen Therapie bestehe die große Gefahr der Progredienz der schon vorhandenen Muskelkontrakturen und Gelenkdeformitäten, von Herz-Kreislauf-Problemen, vermehrten Knochenbrüchen sowie Verdauungsproblemen.

Dr. J. führte aus, es bestünden Kniebeugekontrakturen beidseits sowie eine Fußfehlstellung im Sinne schwerer Knick-Senk-Füße beidseits und eine Fehlhaltung der Wirbelsäule. Der Antragsteller sei somit nicht selbstständig gehfähig. Mit dem Bewegungstrainer solle im häuslichen Rahmen begleitend zu der bisherigen Therapie eine Mobilisation und Vertikalisierung erfolgen. Dadurch solle ein Training des Herz-Kreislauf-Systems, muskulärer Kraftaufbau und eine Prophylaxe von Kontrakturen erreicht werden, wie sie allein durch die Krankengymnastik nicht zu erreichen sei. Bei alleiniger Krankengymnastik könnten die Zunahme von Kontrakturen, eine weitere Kraftminderung und damit eine verminderte Transferfähigkeit des Antragstellers sowie eine Verschlechterung der muskulo-skelettalen Situation als Folgen auftreten.

Mit Beschluss vom 8. Februar 2019 lehnte das SG den Antrag ab. Es fehle bereits an einem Anordnungsanspruch i.S.e. materiell-rechtlichen Anspruches. Das begehrte Hilfsmittel diene zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung und werde in untrennbarem Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode eingesetzt. Ausweislich der Herstellerbeschreibung werde beim Innowalk in einer aufrechten Position bei maximaler Gewichtsübernahme eine passive Bewegung der Beine eingeleitet. Das Training solle positiven Einfluss auf die Atmung, den Blutkreislauf und die Verdauung haben, die Muskulatur, die Ausdauer und das allgemeine Wohlbefinden stärken, die Beweglichkeit der Gelenke fördern und zu einer verbesserten Stabilität des Rumpfes führen. Es handele sich damit um eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigens theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liege. Der Therapieansatz ist neu i.S.d. § 135 SGB V, da er über bisherige Behandlungskonzepte wie u. a. Ergotherapie, Krankengymnastik und bestimmte Hilfsmittel wie etwa den Bewegungstrainer Motomed hinausgehe (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. August 2018 – L 5 KR 127/18 B ER – juris, Rn. 13). Aus der vorgelegten Stellungnahme des GBA ergebe sich nichts anderes. Entgegen der Ansicht des Antragstellers diene das begehrte Hilfsmittel weder der Vorbeugung einer Behinderung noch dem Behinderungsausgleich.

Gegen diesem ihm am 13. Februar 2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 25. Februar 2019 Beschwerde beim LSG Baden-WürttemB. eingelegt. Zur Begründung hat er über sein bisheriges Vorbringen hinaus ausgeführt, der Innowalk werde nicht im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode eingesetzt. Ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept liege diesem nicht zugrunde. Vielmehr vereine er die anerkannten Trainingsmethoden der Vertikalisierung und des fremdkraftbetriebenen Beintrainings, die durch im Hilfsmittelverzeichnis gelistete Produktgruppen bereits anerkannt seien. Es liege auch keine wesentliche Änderung oder Erweiterung bereits vorhandener Behandlungsmethoden vor. Dies werde im – vorgelegten – Schreiben des GBA vom 13. Dezember 2018 und in gerichtlichen Entscheidungen (Beschluss des LSG Baden-Württemberg. vom 18. April 2019 – L 11 KR 1116/19 ER-B –; Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 14. Januar 2019 – 16 KR 330/18 ER) bestätigt. Erhöhte Anwenderrisiken bestünden beim Innowalk nicht. Dieser verfüge – wie die gelisteten fremdkraftbetriebenen Beintrainer – um eine Spasmuskontrolle und einen Notausschalter. Voreingestellte maximale Nutzungszeiten mit automatischer Abschaltung verhinderten einen Missbrauch des Geräts. Die Einstellungen würden im Abstand von mindestens drei Monaten von ausgebildeten Mitarbeitern überprüft und angepasst. Weder ein Stehständer noch der Beintrainer Motomed letto 2 stellten eine ausreichende alternative Hilfsmittelversorgung dar. Im Stehständer erfolge zwar eine Vertikalisierung, aber keine Mobilisierung. Ein solcher verfüge auch nicht über eine Schienenführung der Beine und führe daher nicht zu einer achsengerechten Belastung der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke, die u.a. Hüftschäden entgegenwirke. Das Hilfsmittel Motomed letto 2 erlaube hingegen keine Vertikalisierung und verfüge ebenfalls nicht über eine Führung der Beine. Dadurch werde gerade kein physiologisches Gangbild eingeübt, eine fehlerhaftes Gangbild nicht korrigiert. Dadurch könne es sogar zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommen. Denn bei fehlerhaftem Gangbild (Überkreuzen der Beine, Spitzfußstellung) werde Muskelverkürzungen nicht entgegengewirkt; es könne eine Schädigung der Hüftgelenke eintreten. Ohnehin diene der Innowalk nicht primär der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, sondern dem unmittelbaren und mittelbaren Behinderungsausgleich. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, da eine Nichtversorgung nach Ansicht seiner behandelnden Ärzte Nachteile im Bereich des Bewegungsablaufs und des Krankheitsbildes nach sich ziehe. Insbesondere drohe eine weitere Verschlechterung des Hüftüberdachungsdefizits und der Kniebeugekontrakturen. Zur Untermauerung seines Vorbringens hat der Antragsteller u.a. die Gebrauchsanweisung des Innowalk vorgelegt.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 8. Februar 2019 abzuändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn mit einem Bewegungstrainer Innowalk der Marke M. f. Mo. zu versorgen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat darüber hinaus auf den Beschluss des Sächsischen LSG vom 9. Mai 2019 (L 9 KR 351/18 B ER) verwiesen, wonach die Behandlung mit dem zur Selbstanwendung überlassenen Innowalk eine bisher nicht vom GBA bewertete neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V darstelle, so dass die Versorgung mit diesem Hilfsmittel ausgeschlossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

II.

1. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Die begehrte Sachleistung übersteigt den Beschwerdewert von EUR 750,00, da der Preis für den begehrten Innowalk nach dem vorgelegten Kostenvoranschlag bei EUR 8.383,55 liegt.

2. Die Beschwerde hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg. Das SG hat den Antrag im Ergebnis zu Unrecht vollständig abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit – wie hier – nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Orientieren in solchen Fällen die Gerichte ihre Entscheidung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache, so sind sie gemäß Art 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, die, wenn dazu Anlass besteht, Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – juris Rn. 7 und Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris Rn. 25, 26). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

3. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist ein Anordnungsanspruch im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches des Antragstellers auf die begehrte Versorgung ausreichend glaubhaft gemacht. Der bei der Antragsgegnerin versicherte Antragsteller hat u.a. aufgrund der bei ihm bestehenden bilaterale spastische Zerebralparese mit dystonem Bewegungsmuster entsprechend dem Schweregrad GMFCS V gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, die nach Satz 2 Nr. 3 auch die Versorgung mit Hilfsmitteln umfasst. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

a) Bei dem begehrten Innowalk-Gerät handelt es sich um eine sächliche medizinische Leistung und damit um ein Hilfsmittel. Es besteht kein Ausschluss als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens oder durch Rechtsverordnung nach § 34 Abs. 4 SGB V. Es dient dem Versorgungsziel der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB V; BSG, Urteil vom 8. Juli 2015 – B 3 KR 5/14 R – juris Rn. 19). Denn es soll spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dies ergibt sich vorliegend aus den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. S. und Dr. J. vom 22. und 24. Januar 2019. Erstere bestätigte ausdrücklich, dass der Innowalk im Rahmen der ärztlich verantworteten "Krankmeldung" (erkennbar gemeint: Krankenbehandlung) eingesetzt werden soll. Ziel der Therapie ist demnach u.a. die Prophylaxe der weiteren Progredienz der Muskelkontrakturen und die Verbesserung der Hüfte. Die Behandlung schließt somit neben den schon bestehenden Störungen und Funktionsbeeinträchtigungen auch die die Prophylaxe deren weiterer Verschlechterung ein. Auch der Stellungnahme von Dr. J. ist zu entnehmen, dass der Innowalk begleitend zu den bisherigen Therapien eingesetzt werden soll, mit dem (selben) Ziel, Mobilisation und Vertikalisierung zu fördern und zu unterstützen. Damit liegt der Schwerpunkt der Versorgung auf dem Zweck der Sicherung der Krankenbehandlung. Zwar kann der Innowalk auch dem Behinderungsausgleich im Grundbedürfnis "Stehen" dienen, da er den Antragsteller in eine vertikale Position bringt und hält. Allein hierfür wäre das Gerät jedoch im Hinblick auf – günstigere – Stehhilfen (Produktgruppe 28.29.01 des Hilfsmittelverzeichnisses) jedoch nicht erforderlich und damit nicht wirtschaftlich.

b) Ein Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln besteht im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse nicht bewilligen.

aa) Nur sofern ein Hilfsmittel den Erfolg einer Krankenbehandlung im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 Alt 1 SGB V sichern soll und dabei in einem untrennbaren Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V eingesetzt wird, ist Voraussetzung für einen Anspruch des Versicherten nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB V, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den GBA anerkannt worden ist. Der Innowalk wird jedoch nach Auffassung des Senats jedenfalls nach summarischer Prüfung nicht im Rahmen einer solchen neue Behandlungsmethode eingesetzt. Eine endgültige Klärung ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

(1) Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von bis dahin noch nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) aufgeführten Behandlungsmethoden und ärztlichen Leistungen das Prüfungsverfahren beim GBA vorgeschaltet. Das gilt auch für Behandlungsmethoden, deren diagnostische bzw. therapeutische Wirkungsweise, Anwendungsgebiete, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte im Vergleich zu bereits anerkannten Methoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 6/16 R – juris, Rn. 25).

Der Begriff der "Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 6/16 R – juris, Rn. 31). Die Beweisanforderungen des § 135 SGB V gelten nicht, wenn ein Hersteller ein neues Hilfsmittel auf den Markt bringt, das nicht der Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dienen, sondern im Rahmen einer eingeführten, anerkannten Behandlungsmethode zum Einsatz kommen soll (BSG, Urteil vom 28. September 2006 – B 3 KR 28/05 R – juris, Rn. 32). Andererseits können auch bereits anerkannte oder zugelassene Leistungen so kombiniert werden, dass von einer neuen Behandlungsmethode auszugehen ist, nämlich dann, wenn das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener für sich allein jeweils anerkannter Einzelleistungen liegt. Die im EBM bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen bilden also - ebenso wie bereits zugelassene Behandlungsmethoden - nur einen Vergleichsmaßstab, anhand dessen zu prüfen ist, ob die in Frage stehende Maßnahme noch den bereits anerkannten Leistungen bzw. Methoden zuzurechnen ist oder sie wesentliche Änderungen oder Erweiterungen enthält (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 1/16 R – juris, Rn. 33). Um zu beurteilen, welche Änderungen oder Erweiterungen in diesem Sinne "wesentlich" sind, bedarf es einer Orientierung am Schutzzweck des § 135 Abs 1 SGB V.

Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden, und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot darf die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 1/16 R – juris, Rn. 37). Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnungsfähige Methoden mithin insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wirkungsweise der Methode ergeben soll bzw. sich ihr Wirkprinzip oder ihr Anwendungsgebiet von anderen, in der vertragsärztlichen Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweisen wesentlich unterscheidet, oder wenn mit der Methode aus anderen Gründen gesundheitliche Risiken verbunden sein können, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 1/16 R – juris, Rn. 39).

(2) Grundsätzlich kann nur das jeweils zuständige Beschlussgremium des GBA letztlich eine Bewertung über wesentliche Unterschiede von Wirkprinzipien, Anwendungsgebieten und Risiken vornehmen. Eine bloße schriftliche Äußerung der Verwaltung des GBA dahin, dass es keiner Methodenprüfung durch ihn bedürfe, genügt nicht. Die Gerichte haben – solange das zuständige Beschlussgremium des GBA zu einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode noch keine Bewertung abgegeben hat – zu prüfen, ob die Methode im Vergleich zu bereits anerkannten Methoden oder zugelassenen vertragsärztlichen Leistungen so deutliche Unterschiede aufweist, dass eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich ist; der GBA kann dann später dennoch aufgrund seines Sachverstandes dazu kommen, dass die Unterschiede zu bereits anerkannten oder zugelassenen Verfahren letztlich im Hinblick auf Wirkprinzipien, Anwendungsgebiete, Risiken, Nutzen und Wirtschaftlichkeit nicht wesentlich sind (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 1/16 R – juris, Rn. 41).

Ein solcher Beschluss des zuständigen Beschlussgremiums des GBA liegt bislang zum Einsatz des Innowalk nicht vor. Dies wird in dem vom Antragsteller vorgelegten Schreiben der Geschäftsführung des Unterausschusses Methodenbewertung des GBA vom 17. August 2018 ausdrücklich bestätigt. Deren weiteres Schreiben vom 13. Dezember 2018 stellt keinen Beschluss in diesem Sinne dar, so dass die dort vertretene Einschätzung keine Bindungswirkung entfaltet. So wird auch in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass die Frage der Neuheit einer Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht allein von der Geschäftsführung des Unterausschusses beantwortet werden kann. Die Beurteilung hat daher für den vorliegenden Fall durch den Senat selbst zu erfolgen.

(3) Das mit dem Innowalk verfolgte Konzept besteht in einer Kombination der unterstützten Vertikalisierung und des fremdkraftbetriebenen Beintrainings.

(a) Jedes dieser Konzepte für sich ist nicht neu in diesem Sinne, sondern gehört zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Aufnahme von diesem Zweck jeweils dienenden Hilfsmitteln im Hilfsmittelverzeichnis. So sind für die Vertikalisierung in Produktgruppe 28 (Stehhilfen) Stehständer als Hilfsmittel gelistet (28.29.01). Als Indikation wird genannt eine erheblich ausgeprägte Beeinträchtigung des Stehens und Gehens bei u.a. kompletten/inkompletten Lähmungen der Arme und Beine (Tetraplegie/ parese) und gegebenenfalls mit Einbeziehung der Rumpfmuskulatur infolge einer Erkrankung des Gehirns (z. B. Multiple Sklerose, Hirnverletzung), des Rückenmarks (z. B. Poliomyelitis, Querschnittsyndrom bei Trauma oder Tumor) oder des peripheren Nervensystems/Muskelerkrankungen (z. B. Guillain-Barré-Syndrom, Muskeldystrophien), kompletten/inkompletten Lähmungen der Beine (Paraplegie/-parese) und gegebenenfalls mit Einbeziehung der Rumpfmuskulatur infolge einer Erkrankung des Rückenmarks (z. B. Querschnittsyndrom bei traumatischer/entzündlicher/tumoröser Brust-und Lendenmarkläsion) oder Erkrankung des peripheren Nervensystems/Muskelerkrankungen (z. B. Polyneuropathie, Muskeldystrophien), aber auch zur Einnahme einer stehenden Position z. B. in Vorbereitung auf ein Gehtraining und/oder zur Erzielung positiver Auswirkungen einer aufrechten Körperposition (z. B. hinsichtlich Kreislaufregulation/Knochenstoffwechsel/Darmperistaltik/Harnableitung und/oder zur Verhütung eines Dekubitus, einer Thrombose oder von Gelenkkontrakturen, Förderung von Kopfkontrolle und Armfunktion und Verbesserung der Raumwahrnehmung). Diese auch mit dem Innowalk durch die Vertikalisierung angestrebten positiven Auswirkungen einer aufrechten Körperposition auf andere Körperfunktionen stellen somit kein neues Behandlungskonzept dar.

Das fremdkraftbetriebene Beintraining ist für sich ebenfalls keine neue Behandlungsmethode mehr. Im Hilfsmittelverzeichnis sind unter Produktgruppe 32 (Therapeutische Bewegungsgeräte) fremdkraftbetriebene Beintrainer gelistet (32.06.01). Als Indikation gilt hier eine erheblich bis voll ausgeprägte Schädigung der neuromuskuloskeletalen und bewegungsbezogenen Funktionen der unteren Extremität (Muskelkraft, -tonus, -ausdauer, -koordination, Funktionen der Willkürbewegungen, Bewegungsmuster) mit Beeinträchtigung der Aktivitäten infolge einer Erkrankung des Gehirns, des Rückenmarks, der Nervenwurzeln oder neuromuskulärer Erkrankungen. Der Einsatz dient zur passiven Unterstützung der Bewegung als Ergänzung zu Maßnahmen der Physiotherapie (Krankengymnastik, KG-ZNS) oder Ergotherapie (motorisch funktionelle Behandlung, sensomotorisch-perzeptive Behandlung) gemäß geltender Heilmittel-Richtlinie des GBA, sofern ein Synergismus nachweisbar ist. Nach der Beschreibung dieser Untergruppe bewegt ein Motor passiv beide Beine durch. Über eine Steuerelektronik können Motorgeschwindigkeit und Drehrichtung beeinflusst und überwacht werden. An den im Radius verstellbaren Tretkurbeln befinden sich Fußschalen, in denen die Füße fixiert und gelagert werden und die auch mit Beinführungen ausgestattet sein können. Fremdkraftbetriebene Beintrainer ermöglichen ein kontinuierliches Bewegen der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke.

Hinsichtlich Indikationen und Funktionsweise entspricht die Behandlung mit Einsatz des Innowalk den Hilfsmitteln in den genannten Produktgruppen, deren therapeutischer Nutzen für die Indikationen durch das Aufnahmeverfahren nachgewiesen wurde und die damit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Insoweit liegt eine neue Behandlungsmethode nicht vor. Nach den beim Antragsteller vorliegenden Gesundheitsstörungen (bilaterale spastische Zerebralparese mit dystonem Bewegungsmuster) und Funktionsbeeinträchtigungen entspricht die Vertikalisierung und das fremdkraftbetriebene Beintraining mithin dem medizinischen Standard. Dies entnimmt der Senat auch den vorliegenden MDK-Gutachten und -Stellungnahmen, in denen durchweg auf eine Versorgung mit Stehständer (Vertikalisierung) und Motomed-Gerät (fremdkraftbetriebener Beintrainer) verwiesen wurde.

(b) Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung dieser Behandlungsmethoden, die einer vorherigen Prüfung durch den GBA bedarf, liegt mithin nur dann vor, wenn gerade die Kombination der Vertikalisierung und des Beintrainings, also das fremdkraftbetriebene Beintraining im Stehständer, eine neue Wirkungsweise darstellt oder bisher nicht erforschte Risiken für den Versicherten nach sich zieht.

Die im Hilfsmittelverzeichnis gelisteten fremdkraftbetriebenen Beintrainer sind nach der dortigen Beschreibung für ein Bewegungstraining sitzend aus dem Rollstuhl oder liegend vorgesehen. In der Beschreibung der Stehständer findet sich kein Hinweis, dass in der Vertikalposition ein fremdkraftbetriebenes Beintraining vorgenommen werden soll. Soweit im Hilfsmittelverzeichnis auch Stehständer zur selbständigen Fortbewegung gelistet sind, handelt es sich um ein motorbetriebenes Fahrgestell, das nicht zum Gehen des Versicherten gedacht ist. Andererseits ist die Nutzung zur Vorbereitung auf ein Gehtraining, also Gehbewegungen im Stehen, ausdrücklich umfasst. Allein die Angabe eines gegenüber den bisher im Hilfsmittelverzeichnis gelisteten Hilfsmitteln zusätzlichen therapeutischen Nutzens rechtfertigt noch nicht die Annahme einer neuen Behandlungsmethode i.S.e. eigenen theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts; dies gilt auch dann, wenn zu dessen Nachweis Studien oder andere Untersuchungen durchgeführt werden. Gegenüber den gelisteten Hilfsmitteln erhöhte Risiken für den Anwender sind vorliegend nicht ersichtlich. Bereits nach der Produktbeschreibung und der Gebrauchsanweisung darf der Innowalk nur unter Aufsicht geschulter Personen benutzt werden. Eine Notabschaltung ist vorhanden. Wie die gelisteten fremdkraftbetriebenen Beintrainer verfügt der Innowalk über eine Spasmus-Kontrolle, die bei Auftreten einer Spastik den Motor stoppt. Das Gerät ist ausweislich der vorliegenden Gebrauchsanweisung als Medizinprodukt CE-zertifiziert. Maximale Nutzungszeiten werden voreingestellt. Der Gefahr eines übertriebenen Einsatzes wird damit begegnet.

bb) Der Senat kann offenlassen, ob mit dem Innowalk gegenüber separater Vertikalisierung und fremdkraftbetriebenem Beintraining ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen (aktiven Stimulation der Muskulatur durch passiv eingeleitete Bewegung) verbunden und ausreichend nachgewiesen ist. Jedenfalls im Falle des Antragstellers mit dessen konkreten Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen stellt sich der Innowalk nach summarischer Prüfung als geeignetes und wirtschaftliches Hilfsmittel dar.

(1) Wie ausgeführt, entspricht die Vertikalisierung und das fremdkraftbetriebene Beintraining nach den beim Antragsteller vorliegenden Gesundheitsstörungen (bilaterale spastische Zerebralparese mit dystonem Bewegungsmuster) und Funktionsbeeinträchtigungen dem medizinischen Standard. Sie sind auch im konkreten Fall notwendig und erforderlich. Dies entnimmt der Senat den vorgelegten Arztbriefen sowie den Aussagen von Dr. S. und Dr. J., aber auch den vorliegenden MDK-Gutachten und -Stellungnahmen, in denen durchweg auf eine Versorgung mit Stehständer (Vertikalisierung) und Motomed-Gerät (fremdkraftbetriebener Beintrainer) verwiesen wurde. Zwischen den Beteiligten ist dies auch nicht streitig.

(2) Die objektive Geeignetheit des Innowalk hierfür ergibt sich aus der Produktbeschreibung und der CE-Kennzeichnung. Denn deren Erteilung setzt voraus, dass Medizinprodukte nicht nur sicher, sondern auch im Rahmen der vom Hersteller vorgegebenen Zweckbestimmung medizinisch-technisch leistungsfähig sind (§§ 7, 19 Gesetz über Medizinprodukte [MPG]; vgl. BSG, Urteil vom 16. September 2004 – B 3 KR 20/04 R – juris, Rn. 16). Die Eignung von Medizinprodukten für den vorgesehenen Verwendungszweck ist durch eine klinische Bewertung anhand von klinischen Daten zu belegen, soweit nicht in begründeten Ausnahmefällen andere Daten ausreichend sind. Die klinische Bewertung schließt die Beurteilung von unerwünschten Wirkungen sowie die Annehmbarkeit des in den Grundlegenden Anforderungen der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG genannten Nutzen-/Risiko-Verhältnisses ein. Die klinische Bewertung muss gemäß einem definierten und methodisch einwandfreien Verfahren erfolgen und gegebenenfalls einschlägige harmonisierte Normen berücksichtigen (§ 19 Abs. 1 MPG). Letztlich stellt dies auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede.

(3) Das begehrte Hilfsmittel ist nach summarischer Prüfung wirtschaftlich. Der Senat vermag nicht ausreichend sicher festzustellen, dass ein gleichwertiges, aber günstigeres Hilfsmittel zur Verfügung steht. Ein Stehständer ermöglicht zwar eine Vertikalisierung, aber kein fremdkraftbetriebenes Beintraining. Er würde daher nur dann eine ausreichende Versorgung darstellen, wenn das Beintraining in anderer Position durch ein anderes – weiteres – Hilfsmittel ermöglicht wird. Nach der Beschreibung der fremdkraftbetriebenen Beintrainer im Hilfsmittelverzeichnis sind diese nicht für ein Training im Stehen gedacht, sondern ausschließlich im Sitzen oder Liegen. Eine zeitgleiche Anwendung von Stehständer und fremdkraftbetriebenem Beintrainer wurde auch seitens des MDK nicht vorgeschlagen. Ein Training im Sitzen ist beim Antragsteller nicht möglich. Dies entnimmt der Senat insbesondere der anschaulichen Darstellung von Prof. Dr. M. im Entlassbericht vom 1. März 2017. Danach gelang der dort durchgeführte Versuch einer Mobilisation mit einem Motomed-Gerät nicht befriedigend. Wegen der fehlenden Fähigkeit zum selbständigen Sitzen hatte der Antragsteller deutliche Probleme, eine sinnvolle und geeignete Sitzposition zu halten. Er zeigte starke Ausweichbewegungen in der gesamten Wirbelsäule, die weder aktiv noch passiv zu korrigieren waren. Auch seitens des MDK war zuletzt nur noch Beintraining im Liegen angeführt worden (Motomed letto 2). Der Antragsteller hat u.a. geltend gemacht, dass die vom MDK vorgeschlagenen Hilfsmittel (Stehständer, Motomed letto 2) schon mangels Schienenführung für die Beine für eine Mobilisation nicht geeignet seien. Dies erscheint zunächst plausibel, da aufgrund der Bewegungsstörung nicht nur Kniebeugekontrakturen beidseits, sondern auch eine Fußfehlstellung im Sinne schwererer Knick-Senk-Spreiz-Füße beidseits, eine Fehlhaltung der Wirbelsäule sowie eine Hüftdysplasie links mit Minderüberdachung des Femurkopfes vorliegen. Dies entnimmt der Senat bereits dem Entlassbericht von Prof. Dr. M. vom 30. September 2015 sowie den Aussagen von Dr. S. und Dr. J. vom 22. und 24. Januar 2019. Bereits im Entlassbericht vom 1. März 2017 wies Prof. Dr. M. darauf hin, dass es bei der Steh- und Kräftigungstherapie notwendig ist, den Antragsteller bei der Mobilisation geführt zu halten. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller über ein Liegefahrrad verfügt. Anders als der Beintrainer dient dieses nicht dem täglichen Training. Dies bestätigte zuletzt Dr. S. in ihrer Stellungnahme vom 22. Januar 2019, die dessen Einsatz daher auch nicht als ausreichend ansah. Eine eingehende Stellungnahme des MDK hierzu und insbesondere zu der vom Antragsteller angeführten Gefahr einer weitergehenden Hüftschädigung bei Verwendung des Motomed letto 2 liegt nicht vor. Dr. J. nahm in seiner Stellungnahme vom 24. Januar 2019 nach dem im dortigen Krankenhaus unternommenen Versuch mit einem Motomed-Gerät an, dass keine – kostengünstigeren – Hilfsmittel zur Verfügung stehen, um die Therapieziele zu erreichen. Der Antragsteller hat mithin für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausreichend glaubhaft gemacht, dass gleichgeeignete, aber kostengünstigere Hilfsmittel in seinem Fall nicht vorliegen. Auch hier ist die eingehende Klärung gegebenenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Dass allein die gewährte Physiotherapie ausreiche, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, wird auch seitens des MDK nicht angenommen.

4. Ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit liegt vor. Dem Antragsteller ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar. Ohne adäquate Hilfsmittelversorgung besteht insbesondere die Gefahr einer weiteren Progredienz der Muskelkontrakturen sowie einer weiteren Kraftminderung und damit die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Antragstellers. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden Aussagen von Dr. S. und Dr. J. vom 22. und 24. Januar 2019. Dies wird letztlich auch vom MDK nicht in Frage gestellt. Zwar ist das Hauptsacheverfahren beim SG bereits anhängig. Im Hinblick auf das lange Verwaltungs- und Vorverfahren sowie nach dem Vorstehenden zu erwartende Ermittlungen im Gerichtsverfahren ist dem Antragsteller ein weiteres Zuwarten angesichts der drohenden Nachteile nicht zuzumuten.

5. Einer weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache ist durch die Befristung zu begegnen. Durch diese ist es auch möglich, eventuellen Ermittlungsergebnissen im Hauptsacheverfahren adäquat und zeitnah Rechnung zu tragen. Des Weiteren bleibt es der Antragsgegnerin überlassen, wie sie die Versorgung des Antragstellers mit dem begehrten Hilfsmittel sicherstellt. Auf diese Weise kann sie unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Erwägungen zwischen einer Anschaffung und einer Miete des Hilfsmittels wählen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Antragsteller trotz der vorgenommenen Befristung mit seinem Begehren im Wesentlichen Erfolg hatte, so dass die vollständige Kostentragung durch die Antragsgegnerin gerechtfertigt ist.

7. Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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