Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 302/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 157/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für die Teilnahme an einem ambulanten Schulungsprogramm Optifast® 52 zur Gewichtsreduktion.
Der 1963 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger beantragte mit Schreiben vom 20. Februar 2012 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Teilnahme an einem Optifast® 52-Schulungsprogramm zur Gewichtsreduzierung. Bei dem Optifast® 52-Programm wird initial eine niedrig kalorische Formuladiät (LCD, ca. 850 kcal/d)) über einen Zeitraum von zwölf Wochen eingesetzt. Diese ist Teil eines intensiven multiprofessionellen Coaching-Programms zur Lebensstiländerung über zwölf Monate. Das Programm wurde für Personen mit einem Body Mass Index (BMI) &8805; 30 kg/m² und Komorbiditäten entwickelt. Dem Antrag beigefügt waren Arztberichte der Fachärztin für Innere Medizin E. (Capio MVZ Mathilden-Hospital Büdingen) vom 6. September 2011, des Prof. Dr. F. (Universitätsklinikum Heidelberg, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine, Visceral- und Transplantationschirurgie) vom 7. Februar 2012 und des Prof. Dr. G. (Universitätsklinikum Heidelberg, Medizinische Klinik, Abteilung Innere Medizin 1 und Klinische Chemie - Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel) vom 9. Februar 2012, wonach bei dem Kläger unter anderem eine Adipositas permagna mit einem BMI von 44,2 kg/m², ein Narbenbruch im Sinne eines Gitterbruches bei Zustand nach multiplen Operationen und Sigmateilresektion bei Sigmadivertikulitis und eine arterielle Hypertonie bestehen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 9. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012 die beantragte Kostenübernahme ab. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie im Wesentlichen aus, das Optifast® 52-Programm genüge nicht den Anforderungen an eine Maßnahme der Patientenschulung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Nach der Sozialmedizinischen Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast 52" vom Mai 2005 [richtig: 2006] und der Sozialmedizinischen Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast® 52" Nachbewertung – vom April 2007 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Versorgungsstrukturen" (SEG 3) der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung)-Gemeinschaft seien die erforderlichen Qualitätskriterien nicht erfüllt und eine langfristige Wirksamkeit nicht nachgewiesen. Es mangele zudem an einer klinisch-ökonomischen Untersuchung der Effizienz des Programms. Für die medizinisch indizierte Gewichtsreduktion bei Adipositas stünden alternative Behandlungsmaßnahmen (diätische Therapie, Bewegungstherapie, Psychotherapie) aus dem Leistungsspektrum der Beklagten zur Verfügung.
Hiergegen hat der Kläger am 21. Mai 2012 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Er trägt vor, eine kurzfristige Reduzierung seines krankheitsbedingt gestiegenen Gewichts zu benötigen, um operiert werden zu können. Das Optifast® 52-Programm sei wirksam und ermögliche eine schnelle Gewichtsreduzierung. Er verweist auf die im Verwaltungsverfahren eingereichten, die Teilnahme an einem Programm zur Gewichtsreduktion (z. B. Optifast) befürwortenden ärztlichen Berichte des Capio MVZ Mathilden-Hospitals Büdingen (Fachärztin für Innere Medizin E.) vom 6. September 2011 und der Klinik für Allgemeine, Visceral- und Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg (Prof. Dr. F.) vom 7. Februar 2012. Ergänzend hat er einen Arztbericht des Krankenhauses Sachsenhausen&406;Frankfurt am Main (Internist, Endokrinologe und Diabetologe Prof. Dr. H.) vom 5. November 2012 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Teilnahme an einem Optifast® 52-Programm zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den Gründen des Widerspruchsbescheides für zutreffend. Vorgelegt hat die Beklagte die Sozialmedizinische Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast 52" vom Mai 2006, die Sozialmedizinische Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast® 52" – Nachbewertung – vom April 2007 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Versorgungsstrukturen" (SEG 3) der MDK-Gemeinschaft und die Konzeptbewertung des Adipositas-Schulungsprogramms "Optifast® 52" vom 24. September 2012 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Leistungsbeurteilung/Teilhabe" (SEG 1) des MDK. Ergänzend trägt sie vor, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung nur dann bestehe, wenn die Behandlung an der Krankheit selbst ansetze. Soweit bei dem Kläger Adipositas-assoziierte Begleiterkrankungen bestünden, resultiere daraus somit kein Anspruch auf Kostenübernahme für die Teilnahme am Optifast-Programm, sondern auf Krankenbehandlung nach Maßgabe von § 27 SGB V.
Das Gericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. J. vom 1. Oktober 2012 eingeholt, dem weitere medizinische Unterlagen beigefügt waren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die Teilnahme an einem Optifast® 52-Programm. Ein Anspruch auf ein Optifast® 52-Programm besteht mangels eines wissenschaftlichen Nachweises ihrer Wirksamkeit weder als ärztliche Behandlung nach § 27 SGB V (hierzu unter 1.) noch als ergänzende Leistung zur Rehabilitation nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (hierzu unter 2.).
1. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Liegen diese Voraussetzungen vor, umfasst die Krankenbehandlung eine notwendige ärztliche Behandlung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V. Die Leistungspflicht der Krankenkasse setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine "Krankheit" voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (vgl. Bundessozialgericht (BSG) -, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R – SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 = BSGE 100, 119-124 m. w. N., insbesondere zu Fällen beanspruchter Operationen zur Verkleinerung oder zur Vergrößerung der weiblichen Brust). Diese Begriffsdefinition umfasst die Behandlungsbedürftigkeit des Körperzustandes; der regelwidrige Körperzustand allein reicht für die Annahme einer Krankheit nicht aus.
In der Medizin selber ist umstritten, ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukommt. Die Adipositas ist gemäß der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO) eine chronische Krankheit mit eingeschränkter Lebensqualität und hohem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko, die eine langfristige Betreuung erfordert. Eine Adipositas liegt nach der WHO-Definition ab einem BMI von 30 kg/m² vor. In der evidenzbasierten, interdisziplinären Leitlinie der Qualität S 3 zur "Prävention und Therapie der Adipositas" Version April 2014 der Deutsche Adipositas-Gesellschaft e. V., Deutsche Diabetes-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (Adipositas-Leitlinie vom April 2014, http://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/050-001l S3 Adipositas Prävention Therapie 2014-11.pdf, recherchiert am 23. März 2015) wird die Adipositas als chronische Krankheit mit eingeschränkter Lebensqualität und hohem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko mit erforderlicher langfristiger Betreuung beschrieben. Einigkeit besteht aber darüber, dass bei starkem Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI )=30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen, wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinalen Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates und bösartigen Neubildungen, besteht (vgl. Despres et al, Treatment of obesity, in: British Medical Journal 2001, 716; Wechsler et al, Therapie der Adipositas, in: DÄ 1996, A-2214 mit weiterführender Diskussion in: DÄ 1997, A-600 ff). Ob dabei das krankhaft erhöhte Körpergewicht ein Risikofaktor für das Erleiden anderer schwerwiegender Erkrankungen oder "lediglich" ein Promotor oder Risikofaktor für die Entstehung weiterer Risikofaktoren ist (so Martin, DÄ 1997, A-601), ist für die rechtliche Bewertung ohne Belang. Eine Therapieindikation besteht erst recht, wenn im konkreten Fall bereits Folgeerkrankungen aufgetreten sind, wie dies die behandelnden Ärzte bei dem Kläger festgestellt haben. Erfordert die Adipositas eine ärztliche Behandlung, so belegt das zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 – B 1 KR 1/02 R – SozR 4-2500 § 137c Nr. 1 = BSGE 90, 289-295, RdNr. 11).
Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der Adipositas des Klägers um eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Denn die Adipositas des Klägers ist krankhaft und behandlungsbedürftig. Nach dem Arztbericht des Krankenhauses Sachsenhausen&406;Frankfurt am Main (Internist, Endokrinologe und Diabetologe Prof. Dr. H.) vom 17. April 2012 betrug im März 2012 der BMI des Klägers 45,5 kg/m² (131 kg bei einer Köpergröße vom 173 cm). Dies entspricht der Gewichtsklassifikation Adipositas Grad III. Nach der evidenzbasierten, interdisziplinären Leitlinie der Qualität S 3 zur "Prävention und Therapie der Adipositas" Version April 2014 der Deutsche Adipositas-Gesellschaft e. V., Deutsche Diabetes-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (Adipositas-Leitlinie vom April 2014, http://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/050-001l S3 Adipositas Prävention Therapie 2014-11.pdf, recherchiert am 23. März 2015) besteht damit für den Kläger ein sehr hohes Risiko für Folgeerkrankungen des Übergewichts (Seite 15 Punkt 2.1) und folglich eine Indikation für eine Behandlung (Seite 37 Punkt 5.1). Nach dem Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. J. vom 1. Oktober 2012 liegen bei dem Kläger neben der Adipositas Grad III als Begleiterkrankungen eine arterielle Hypertonie (135-160/100-115 mmHg), ein Diabetes mellitus Typ II, ein Metabolisches Syndrom und Herzrhythmusstörungen vor.
Die Behandlung von krankhaftem Übergewicht dient der langfristigen Senkung des Körpergewichts verbunden mit einer Verbesserung Adipositas-assoziierter Risikofaktoren, Reduzierung von Adipositas-assoziierten Krankheiten, Verminderung des Risikos für vorzeitige Sterblichkeit, Arbeitsunfähigkeit und vorzeitiger Berentung sowie Steigerung der Lebensqualität (Adipositas-Leitlinie Seite 38 Punkt 5.2). Dies erfordert eine mehrschichtige und längere Behandlung, die nach der Adipositas-Leitlinie eine Kombination aus Basis-, Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowohl in der Phase der Gewichtsreduktion als auch während der langfristigen Gewichtsstabilisierung umfassen sollte sowie gegebenenfalls einer medikamentösen Therapie (Seite 42 ff. Punkt 5.4).
Das Klagebegehren auf Kostenübernahme scheitert jedoch daran, dass es sich bei dem Optifast® 52-Programm nicht um eine geeignete und in ihrer Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesene Methode zur Behandlung einer krankhaften Adipositas handelt. Es entspricht nicht den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne der §§ 11, 27, 2 und 12 SGB V und ist damit nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkasse.
Die von dem Kläger begehrte Behandlung, die Teilnahme am Optifast® 52-Programm verfolgt nicht den Zweck der Krankenbehandlung. Das Optifast® 52-Programm versteht sich als interdisziplinäres Adipositas-Therapieprogramm. Als Zielkriterien sind danach eine drastische Gewichtsabnahme, eine dauerhafte Gewichtsstabilisierung sowie eine Verbesserung der Lebensqualität definiert. Dies soll durch Änderung des Ernährungsverhaltens und Bewegungsverhaltens erreicht werden. Durchgeführt wird das Programm ambulant unter "professioneller Aufsicht" von einem Team aus "kompetenten Ärzten, Ernährungsfachkräften, Krankenschwestern, Krankenpflegern, Bewegungstherapeuten sowie Verhaltenstherapeuten" (https://www.optifast.de/home/OptifastZentren/Hessen/Frankfurt1/default.htm?showEntry=%7b613BEEC3-7EA0-462A-99C5-1154A22F2F06%7d).
Das Optifast® 52-Programm des Optifast-Zentrums Frankfurt I am Krankenhaus Sachsenhausen besteht aus: • der Fastenphase: 12-wöchiges modifiziertes Fasten unter Einnahme der Nahrung Optifast®-800 mit wöchentlicher Vorstellung beim Arzt und dem Besuch von Gruppensitzungen; • der Umstellphase: 6-wöchige Umstellung von der Ernährung mit der Optifast®-800 Nahrung auf normale Kost mit verminderten Vorstellungen beim Arzt sowie wöchentlichen Gruppensitzungen und Bewegungstherapie; • der Stabilisierungs- und Intensivierungsphase: innerhalb von 33 Wochen soll das erreichte Gewicht stabilisiert werden mit fortgesetzten wöchentlichen Besuchen von Gruppensitzungen und verminderter medizinischer Betreuung und Bewegungstherapie.
Eine Vorbereitungsphase mit ärztlicher und psychologischer Eingangsuntersuchung ist nicht vorgesehen. Das Optifast® 52-Programm hat auch weder die Behandlung von Begleiterkrankungen oder Risikofaktoren von Übergewicht zum Ziel, noch werden diese tatsächlich behandelt. Zweck des Optifast®52 -Programms ist alleine die Beseitigung der ernährungsbedingten Übergewichtigkeit. Das Optifast-Zentrum übernimmt nämlich keine Haftung dafür, dass dieser gewünschte Erfolg eintritt. Nicht wesentlich ist, dass durch die durch das Optifast® 52-Programm bezweckte Gewichtsabnahme mittelbar eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes eintritt. Eine solche Änderung ist als gesundheitsbewusste Lebensführung der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuordnen (§ 1 Satz 2 SGB V).
Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die notwendig, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Die Feststellung, dass eine ambulante vertragsärztliche Behandlung dem geforderten Versorgungsstandard entspricht, obliegt nach dem Gesetz nicht dem behandelnden Arzt oder der einzelnen Krankenkasse und von dem Sonderfall eines "Systemversagens" abgesehen auch nicht den Gerichten, sondern dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Dies ergibt sich aus § 135 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit der Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung – MVV-RL). Danach dürfen neue Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen unter anderem über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch im Vergleich zu bereits zulasten der Krankenkassen erbrachten Methoden nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) sowie über die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der Methoden zu sichern (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), abgegeben hat. Dadurch wird nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 5. Juli 1995 - 1 RK 6/95; Urteile vom 16 September 1997 - 1 RK 28/95 - SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4, 1 RK 17/95, 1 RK 30/95, 1 RK 32/95, 1 RK 14/96; Urteil vom 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R - SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 14 = BSGE 56, 54 – 66; Urteil vom 19. Februar 2002 - B 1 KR 16/00R - SozR 3 – 2500 § 92 Nr. 12; Urteil vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 18/01 R - SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 1; Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 4 - Tomudex; Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R – SozR 4 – 2500 § 27 Nr. 12 – Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie) der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen verbindlich festgelegt.
Unter Zugrundelegung dieser, auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bundesverfassungsgericht )BVerfG(, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164 - immunbiologische Therapie) Rahmenbedingungen ergibt sich für das Optifast® 52-Programm Folgendes:
Bei dem Optifast® 52-Programm handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne vom § 92 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 135 SGB V. Dabei ist das Merkmal "neu" ein krankenversicherungsrechtlich auszufüllender Rechtsbegriff. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R – SozR 4-2500 § 27 Nr. 10; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R – SozR 4 – 2500 § 13 Nr. 19 m. w. N.) ist eine ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethode "neu", wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist. Dies ist hier der Fall. Das Optifast® 52-Programm ist nicht als ärztliche Leistung mit einer Gebührenziffer in den EBM-Ä aufgenommen und daher von den zugelassenen Vertragsärzten nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abrechenbar.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6. Dezember 2005, 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 28) ist es dem Gesetzgeber von Verfassungswegen nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen.
Das hier streitgegenständliche Optifast® 52-Programm ist eine "neue" Behandlungsmethode, für die es an der erforderlichen positiven Empfehlung des GBA fehlt. Der GBA hat bislang keine positive Empfehlung für die Behandlung mittels Optifast® 52-Programm abgegeben, sodass der Kläger auch keinen Anspruch gegenüber der Beklagten hat, ihm diese Leistung zur Verfügung zu stellen. Mangels Empfehlung seitens des GBA in der einschlägigen MVV-RL darf die von dem Kläger begehrte Behandlung mit dem Optifast® 52-Programm von der Beklagten als Sachleistung nicht gewährt werden.
Einen Anspruch auf Kostenübernahme kann der Kläger auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines sogenannten "Systemversagens" herleiten. Ein Anspruch auf Kostenübernahme kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Ist die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode darauf zurückzuführen, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird, kann ein Kostenübernahmeanspruch des Versicherten ausnahmsweise in Betracht kommen. Das präventive Verbot in § 135 Abs. 1 SGB V dient allein der Qualitätssicherung; nur soweit es dieser Zweck erfordert, ist der Ausschluss ungeprüfter und nicht anerkannter Heilmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Wird dagegen die Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert und kann deshalb eine für die Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden, widerspricht das dem Auftrag des Gesetzes. Eine sich daraus ergebende Versorgungslücke muss zugunsten des Versicherten mithilfe des § 13 Abs. 3 SGB V geschlossen werden (BSG, Urteil vom 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R - SozR 3-2500 § 135 Nr. 14). Nur im Fall einer derartigen Untätigkeit des GBA ist für das Vorliegen einer Versorgungslücke zu prüfen, ob sich "die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachweisen lässt und gegen die Qualität der Methode keine durchgreifenden Bedenken bestehen" (BSG, Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 28/95 - SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54).
In Anwendung dieser Grundsätze kann vorliegend von einer Versorgungslücke hinsichtlich des Optifast® 52-Programms nicht ausgegangen werden. Die fehlende Aussage zu dem Optifast® 52-Programm in der MVV-RL ist nicht Folge eines Systemmangels. Maßgebend ist insoweit die Sachlage zum Zeitpunkt der Behandlung. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nichts dafür ersichtlich, dass vom GBA trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen eine Entscheidung willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen unterlassen oder unterblieben ist.
Ein Antragsverfahren ist ausweislich der Internetseite des GBA (www.g-ba.de) nach wie vor nicht anhängig (recherchiert am 23. März 2015). Hinweise darauf, dass der GBA die Einleitung eines Verfahrens zum Optifast® 52-Programm aus willkürlichen oder sachfremden Gründen blockiert oder verzögert, liegen der Kammer nicht vor und werden auch von dem Kläger nicht vorgetragen. Die Kammer hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem GBA wissenschaftliche Studien der Evidenzklasse I (vgl. zu den Maßstäben BSG, Urteil vom 01. März 2011 - B 1 KR 7/10 R – SozR 4-2500 § 35 Nr. 5 = BSGE 107, 261-287; BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 10/07 R - SozR 4-2500 § 139 Nr. 4 = BSGE 104, 95-108) vorliegen, die erkennen lassen würden, dass es sich bei der streitbefangenen Behandlung um eine Methode handelt, die die gesetzlich für die vertragsärztliche Versorgung vorgegebenen Kriterien eines nachgewiesenen diagnostischen oder therapeutischen Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit erfüllen würde.
Des Weiteren fehlt nach der Sozialmedizinischen Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast 52" vom Mai 2006, der Sozialmedizinischen Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast® 52" - Nachbewertung - vom April 2007 der sozialmedizinischen Expertengruppe "Versorgungsstrukturen" (SEG 3) der MDK-Gemeinschaft und der Konzeptbewertung des Adipositas-Schulungsprogramms "Optifast® 52" vom 24. September 2012 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Leistungsbeurteilung/Teilhabe" (SEG 1) des MDK der wissenschaftliche Nachweis der Qualität und Wirksamkeit des Optifast® 52-Programms einschließlich des Formula-Produktes Optifast®-800 entsprechend dem für die gesetzliche Krankenversicherung in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. In der letztgenannten Stellungnahme heißt es hierzu zusammenfassend, dass unter Berücksichtigung der Kriterien der Evidenz-basierten Medizin derzeit weder eine ausreichende Wirkung oder Wirksamkeit noch ein Nutzen des Optifast® 52-Programms als belegt angesehen werden könne.
2. Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Teilnahme an dem Optifast®-52 Programm als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, weil die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.
§ 43 Abs. 1 Nr 2 SGB V regelt, dass die Krankenkasse neben den Leistungen, die nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 Neuntes Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) sowie nach §§ 53 und 54 SGB IX als ergänzende Leistungen zu erbringen sind, wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke erbringen, wenn sie zuletzt Krankenbehandlung geleistet hat oder leistet. Die Patientenschulungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V setzen das Vorliegen einer chronischen Erkrankung voraus. Eine Erkrankung ist chronisch, wenn sie sich mit der Folge des ständigen Vorhandenseins oder regelmäßigen Eintritts von Erscheinungsformen dauerhaft verfestigt hat. Anders als bei ergänzenden Leistungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V muss die Schulung nicht der Sicherung des Erfolgs einer anderweitigen rehabilitativen Hauptleistung dienen, sondern kann als isolierte rehabilitative Maßnahme selbstständig erbracht werden.
Diese besonderen Leistungsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil aus den oben dargelegten Gründen nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin weder eine ausreichende Wirkung oder Wirksamkeit noch ein Nutzen des Schulungsprogramms Optifast® 52 als belegt angesehen werden kann. Mit den Voraussetzungen "wirksame und effiziente" betont das Gesetz die in §§ 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 und 12 Abs. 1 SGB V geregelten allgemeinen Grundsätze der gesetzlichen Krankenversicherung.
Darüber hinaus fehlt es auch bereits an einer vertragsärztlichen Verordnung von ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 5 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für die Teilnahme an einem ambulanten Schulungsprogramm Optifast® 52 zur Gewichtsreduktion.
Der 1963 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger beantragte mit Schreiben vom 20. Februar 2012 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Teilnahme an einem Optifast® 52-Schulungsprogramm zur Gewichtsreduzierung. Bei dem Optifast® 52-Programm wird initial eine niedrig kalorische Formuladiät (LCD, ca. 850 kcal/d)) über einen Zeitraum von zwölf Wochen eingesetzt. Diese ist Teil eines intensiven multiprofessionellen Coaching-Programms zur Lebensstiländerung über zwölf Monate. Das Programm wurde für Personen mit einem Body Mass Index (BMI) &8805; 30 kg/m² und Komorbiditäten entwickelt. Dem Antrag beigefügt waren Arztberichte der Fachärztin für Innere Medizin E. (Capio MVZ Mathilden-Hospital Büdingen) vom 6. September 2011, des Prof. Dr. F. (Universitätsklinikum Heidelberg, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine, Visceral- und Transplantationschirurgie) vom 7. Februar 2012 und des Prof. Dr. G. (Universitätsklinikum Heidelberg, Medizinische Klinik, Abteilung Innere Medizin 1 und Klinische Chemie - Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel) vom 9. Februar 2012, wonach bei dem Kläger unter anderem eine Adipositas permagna mit einem BMI von 44,2 kg/m², ein Narbenbruch im Sinne eines Gitterbruches bei Zustand nach multiplen Operationen und Sigmateilresektion bei Sigmadivertikulitis und eine arterielle Hypertonie bestehen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 9. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012 die beantragte Kostenübernahme ab. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie im Wesentlichen aus, das Optifast® 52-Programm genüge nicht den Anforderungen an eine Maßnahme der Patientenschulung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Nach der Sozialmedizinischen Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast 52" vom Mai 2005 [richtig: 2006] und der Sozialmedizinischen Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast® 52" Nachbewertung – vom April 2007 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Versorgungsstrukturen" (SEG 3) der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung)-Gemeinschaft seien die erforderlichen Qualitätskriterien nicht erfüllt und eine langfristige Wirksamkeit nicht nachgewiesen. Es mangele zudem an einer klinisch-ökonomischen Untersuchung der Effizienz des Programms. Für die medizinisch indizierte Gewichtsreduktion bei Adipositas stünden alternative Behandlungsmaßnahmen (diätische Therapie, Bewegungstherapie, Psychotherapie) aus dem Leistungsspektrum der Beklagten zur Verfügung.
Hiergegen hat der Kläger am 21. Mai 2012 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Er trägt vor, eine kurzfristige Reduzierung seines krankheitsbedingt gestiegenen Gewichts zu benötigen, um operiert werden zu können. Das Optifast® 52-Programm sei wirksam und ermögliche eine schnelle Gewichtsreduzierung. Er verweist auf die im Verwaltungsverfahren eingereichten, die Teilnahme an einem Programm zur Gewichtsreduktion (z. B. Optifast) befürwortenden ärztlichen Berichte des Capio MVZ Mathilden-Hospitals Büdingen (Fachärztin für Innere Medizin E.) vom 6. September 2011 und der Klinik für Allgemeine, Visceral- und Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg (Prof. Dr. F.) vom 7. Februar 2012. Ergänzend hat er einen Arztbericht des Krankenhauses Sachsenhausen&406;Frankfurt am Main (Internist, Endokrinologe und Diabetologe Prof. Dr. H.) vom 5. November 2012 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Teilnahme an einem Optifast® 52-Programm zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den Gründen des Widerspruchsbescheides für zutreffend. Vorgelegt hat die Beklagte die Sozialmedizinische Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast 52" vom Mai 2006, die Sozialmedizinische Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast® 52" – Nachbewertung – vom April 2007 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Versorgungsstrukturen" (SEG 3) der MDK-Gemeinschaft und die Konzeptbewertung des Adipositas-Schulungsprogramms "Optifast® 52" vom 24. September 2012 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Leistungsbeurteilung/Teilhabe" (SEG 1) des MDK. Ergänzend trägt sie vor, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung nur dann bestehe, wenn die Behandlung an der Krankheit selbst ansetze. Soweit bei dem Kläger Adipositas-assoziierte Begleiterkrankungen bestünden, resultiere daraus somit kein Anspruch auf Kostenübernahme für die Teilnahme am Optifast-Programm, sondern auf Krankenbehandlung nach Maßgabe von § 27 SGB V.
Das Gericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. J. vom 1. Oktober 2012 eingeholt, dem weitere medizinische Unterlagen beigefügt waren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die Teilnahme an einem Optifast® 52-Programm. Ein Anspruch auf ein Optifast® 52-Programm besteht mangels eines wissenschaftlichen Nachweises ihrer Wirksamkeit weder als ärztliche Behandlung nach § 27 SGB V (hierzu unter 1.) noch als ergänzende Leistung zur Rehabilitation nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (hierzu unter 2.).
1. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Liegen diese Voraussetzungen vor, umfasst die Krankenbehandlung eine notwendige ärztliche Behandlung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V. Die Leistungspflicht der Krankenkasse setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine "Krankheit" voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (vgl. Bundessozialgericht (BSG) -, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R – SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 = BSGE 100, 119-124 m. w. N., insbesondere zu Fällen beanspruchter Operationen zur Verkleinerung oder zur Vergrößerung der weiblichen Brust). Diese Begriffsdefinition umfasst die Behandlungsbedürftigkeit des Körperzustandes; der regelwidrige Körperzustand allein reicht für die Annahme einer Krankheit nicht aus.
In der Medizin selber ist umstritten, ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukommt. Die Adipositas ist gemäß der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO) eine chronische Krankheit mit eingeschränkter Lebensqualität und hohem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko, die eine langfristige Betreuung erfordert. Eine Adipositas liegt nach der WHO-Definition ab einem BMI von 30 kg/m² vor. In der evidenzbasierten, interdisziplinären Leitlinie der Qualität S 3 zur "Prävention und Therapie der Adipositas" Version April 2014 der Deutsche Adipositas-Gesellschaft e. V., Deutsche Diabetes-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (Adipositas-Leitlinie vom April 2014, http://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/050-001l S3 Adipositas Prävention Therapie 2014-11.pdf, recherchiert am 23. März 2015) wird die Adipositas als chronische Krankheit mit eingeschränkter Lebensqualität und hohem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko mit erforderlicher langfristiger Betreuung beschrieben. Einigkeit besteht aber darüber, dass bei starkem Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI )=30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen, wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinalen Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates und bösartigen Neubildungen, besteht (vgl. Despres et al, Treatment of obesity, in: British Medical Journal 2001, 716; Wechsler et al, Therapie der Adipositas, in: DÄ 1996, A-2214 mit weiterführender Diskussion in: DÄ 1997, A-600 ff). Ob dabei das krankhaft erhöhte Körpergewicht ein Risikofaktor für das Erleiden anderer schwerwiegender Erkrankungen oder "lediglich" ein Promotor oder Risikofaktor für die Entstehung weiterer Risikofaktoren ist (so Martin, DÄ 1997, A-601), ist für die rechtliche Bewertung ohne Belang. Eine Therapieindikation besteht erst recht, wenn im konkreten Fall bereits Folgeerkrankungen aufgetreten sind, wie dies die behandelnden Ärzte bei dem Kläger festgestellt haben. Erfordert die Adipositas eine ärztliche Behandlung, so belegt das zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 – B 1 KR 1/02 R – SozR 4-2500 § 137c Nr. 1 = BSGE 90, 289-295, RdNr. 11).
Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der Adipositas des Klägers um eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Denn die Adipositas des Klägers ist krankhaft und behandlungsbedürftig. Nach dem Arztbericht des Krankenhauses Sachsenhausen&406;Frankfurt am Main (Internist, Endokrinologe und Diabetologe Prof. Dr. H.) vom 17. April 2012 betrug im März 2012 der BMI des Klägers 45,5 kg/m² (131 kg bei einer Köpergröße vom 173 cm). Dies entspricht der Gewichtsklassifikation Adipositas Grad III. Nach der evidenzbasierten, interdisziplinären Leitlinie der Qualität S 3 zur "Prävention und Therapie der Adipositas" Version April 2014 der Deutsche Adipositas-Gesellschaft e. V., Deutsche Diabetes-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (Adipositas-Leitlinie vom April 2014, http://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/050-001l S3 Adipositas Prävention Therapie 2014-11.pdf, recherchiert am 23. März 2015) besteht damit für den Kläger ein sehr hohes Risiko für Folgeerkrankungen des Übergewichts (Seite 15 Punkt 2.1) und folglich eine Indikation für eine Behandlung (Seite 37 Punkt 5.1). Nach dem Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. J. vom 1. Oktober 2012 liegen bei dem Kläger neben der Adipositas Grad III als Begleiterkrankungen eine arterielle Hypertonie (135-160/100-115 mmHg), ein Diabetes mellitus Typ II, ein Metabolisches Syndrom und Herzrhythmusstörungen vor.
Die Behandlung von krankhaftem Übergewicht dient der langfristigen Senkung des Körpergewichts verbunden mit einer Verbesserung Adipositas-assoziierter Risikofaktoren, Reduzierung von Adipositas-assoziierten Krankheiten, Verminderung des Risikos für vorzeitige Sterblichkeit, Arbeitsunfähigkeit und vorzeitiger Berentung sowie Steigerung der Lebensqualität (Adipositas-Leitlinie Seite 38 Punkt 5.2). Dies erfordert eine mehrschichtige und längere Behandlung, die nach der Adipositas-Leitlinie eine Kombination aus Basis-, Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowohl in der Phase der Gewichtsreduktion als auch während der langfristigen Gewichtsstabilisierung umfassen sollte sowie gegebenenfalls einer medikamentösen Therapie (Seite 42 ff. Punkt 5.4).
Das Klagebegehren auf Kostenübernahme scheitert jedoch daran, dass es sich bei dem Optifast® 52-Programm nicht um eine geeignete und in ihrer Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesene Methode zur Behandlung einer krankhaften Adipositas handelt. Es entspricht nicht den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne der §§ 11, 27, 2 und 12 SGB V und ist damit nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkasse.
Die von dem Kläger begehrte Behandlung, die Teilnahme am Optifast® 52-Programm verfolgt nicht den Zweck der Krankenbehandlung. Das Optifast® 52-Programm versteht sich als interdisziplinäres Adipositas-Therapieprogramm. Als Zielkriterien sind danach eine drastische Gewichtsabnahme, eine dauerhafte Gewichtsstabilisierung sowie eine Verbesserung der Lebensqualität definiert. Dies soll durch Änderung des Ernährungsverhaltens und Bewegungsverhaltens erreicht werden. Durchgeführt wird das Programm ambulant unter "professioneller Aufsicht" von einem Team aus "kompetenten Ärzten, Ernährungsfachkräften, Krankenschwestern, Krankenpflegern, Bewegungstherapeuten sowie Verhaltenstherapeuten" (https://www.optifast.de/home/OptifastZentren/Hessen/Frankfurt1/default.htm?showEntry=%7b613BEEC3-7EA0-462A-99C5-1154A22F2F06%7d).
Das Optifast® 52-Programm des Optifast-Zentrums Frankfurt I am Krankenhaus Sachsenhausen besteht aus: • der Fastenphase: 12-wöchiges modifiziertes Fasten unter Einnahme der Nahrung Optifast®-800 mit wöchentlicher Vorstellung beim Arzt und dem Besuch von Gruppensitzungen; • der Umstellphase: 6-wöchige Umstellung von der Ernährung mit der Optifast®-800 Nahrung auf normale Kost mit verminderten Vorstellungen beim Arzt sowie wöchentlichen Gruppensitzungen und Bewegungstherapie; • der Stabilisierungs- und Intensivierungsphase: innerhalb von 33 Wochen soll das erreichte Gewicht stabilisiert werden mit fortgesetzten wöchentlichen Besuchen von Gruppensitzungen und verminderter medizinischer Betreuung und Bewegungstherapie.
Eine Vorbereitungsphase mit ärztlicher und psychologischer Eingangsuntersuchung ist nicht vorgesehen. Das Optifast® 52-Programm hat auch weder die Behandlung von Begleiterkrankungen oder Risikofaktoren von Übergewicht zum Ziel, noch werden diese tatsächlich behandelt. Zweck des Optifast®52 -Programms ist alleine die Beseitigung der ernährungsbedingten Übergewichtigkeit. Das Optifast-Zentrum übernimmt nämlich keine Haftung dafür, dass dieser gewünschte Erfolg eintritt. Nicht wesentlich ist, dass durch die durch das Optifast® 52-Programm bezweckte Gewichtsabnahme mittelbar eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes eintritt. Eine solche Änderung ist als gesundheitsbewusste Lebensführung der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuordnen (§ 1 Satz 2 SGB V).
Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die notwendig, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Die Feststellung, dass eine ambulante vertragsärztliche Behandlung dem geforderten Versorgungsstandard entspricht, obliegt nach dem Gesetz nicht dem behandelnden Arzt oder der einzelnen Krankenkasse und von dem Sonderfall eines "Systemversagens" abgesehen auch nicht den Gerichten, sondern dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Dies ergibt sich aus § 135 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit der Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung – MVV-RL). Danach dürfen neue Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen unter anderem über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch im Vergleich zu bereits zulasten der Krankenkassen erbrachten Methoden nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) sowie über die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der Methoden zu sichern (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), abgegeben hat. Dadurch wird nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 5. Juli 1995 - 1 RK 6/95; Urteile vom 16 September 1997 - 1 RK 28/95 - SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4, 1 RK 17/95, 1 RK 30/95, 1 RK 32/95, 1 RK 14/96; Urteil vom 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R - SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 14 = BSGE 56, 54 – 66; Urteil vom 19. Februar 2002 - B 1 KR 16/00R - SozR 3 – 2500 § 92 Nr. 12; Urteil vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 18/01 R - SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 1; Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 4 - Tomudex; Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R – SozR 4 – 2500 § 27 Nr. 12 – Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie) der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen verbindlich festgelegt.
Unter Zugrundelegung dieser, auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bundesverfassungsgericht )BVerfG(, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164 - immunbiologische Therapie) Rahmenbedingungen ergibt sich für das Optifast® 52-Programm Folgendes:
Bei dem Optifast® 52-Programm handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne vom § 92 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 135 SGB V. Dabei ist das Merkmal "neu" ein krankenversicherungsrechtlich auszufüllender Rechtsbegriff. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R – SozR 4-2500 § 27 Nr. 10; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R – SozR 4 – 2500 § 13 Nr. 19 m. w. N.) ist eine ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethode "neu", wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist. Dies ist hier der Fall. Das Optifast® 52-Programm ist nicht als ärztliche Leistung mit einer Gebührenziffer in den EBM-Ä aufgenommen und daher von den zugelassenen Vertragsärzten nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abrechenbar.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6. Dezember 2005, 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 28) ist es dem Gesetzgeber von Verfassungswegen nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen.
Das hier streitgegenständliche Optifast® 52-Programm ist eine "neue" Behandlungsmethode, für die es an der erforderlichen positiven Empfehlung des GBA fehlt. Der GBA hat bislang keine positive Empfehlung für die Behandlung mittels Optifast® 52-Programm abgegeben, sodass der Kläger auch keinen Anspruch gegenüber der Beklagten hat, ihm diese Leistung zur Verfügung zu stellen. Mangels Empfehlung seitens des GBA in der einschlägigen MVV-RL darf die von dem Kläger begehrte Behandlung mit dem Optifast® 52-Programm von der Beklagten als Sachleistung nicht gewährt werden.
Einen Anspruch auf Kostenübernahme kann der Kläger auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines sogenannten "Systemversagens" herleiten. Ein Anspruch auf Kostenübernahme kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Ist die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode darauf zurückzuführen, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird, kann ein Kostenübernahmeanspruch des Versicherten ausnahmsweise in Betracht kommen. Das präventive Verbot in § 135 Abs. 1 SGB V dient allein der Qualitätssicherung; nur soweit es dieser Zweck erfordert, ist der Ausschluss ungeprüfter und nicht anerkannter Heilmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Wird dagegen die Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert und kann deshalb eine für die Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden, widerspricht das dem Auftrag des Gesetzes. Eine sich daraus ergebende Versorgungslücke muss zugunsten des Versicherten mithilfe des § 13 Abs. 3 SGB V geschlossen werden (BSG, Urteil vom 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R - SozR 3-2500 § 135 Nr. 14). Nur im Fall einer derartigen Untätigkeit des GBA ist für das Vorliegen einer Versorgungslücke zu prüfen, ob sich "die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachweisen lässt und gegen die Qualität der Methode keine durchgreifenden Bedenken bestehen" (BSG, Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 28/95 - SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54).
In Anwendung dieser Grundsätze kann vorliegend von einer Versorgungslücke hinsichtlich des Optifast® 52-Programms nicht ausgegangen werden. Die fehlende Aussage zu dem Optifast® 52-Programm in der MVV-RL ist nicht Folge eines Systemmangels. Maßgebend ist insoweit die Sachlage zum Zeitpunkt der Behandlung. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nichts dafür ersichtlich, dass vom GBA trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen eine Entscheidung willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen unterlassen oder unterblieben ist.
Ein Antragsverfahren ist ausweislich der Internetseite des GBA (www.g-ba.de) nach wie vor nicht anhängig (recherchiert am 23. März 2015). Hinweise darauf, dass der GBA die Einleitung eines Verfahrens zum Optifast® 52-Programm aus willkürlichen oder sachfremden Gründen blockiert oder verzögert, liegen der Kammer nicht vor und werden auch von dem Kläger nicht vorgetragen. Die Kammer hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem GBA wissenschaftliche Studien der Evidenzklasse I (vgl. zu den Maßstäben BSG, Urteil vom 01. März 2011 - B 1 KR 7/10 R – SozR 4-2500 § 35 Nr. 5 = BSGE 107, 261-287; BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 10/07 R - SozR 4-2500 § 139 Nr. 4 = BSGE 104, 95-108) vorliegen, die erkennen lassen würden, dass es sich bei der streitbefangenen Behandlung um eine Methode handelt, die die gesetzlich für die vertragsärztliche Versorgung vorgegebenen Kriterien eines nachgewiesenen diagnostischen oder therapeutischen Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit erfüllen würde.
Des Weiteren fehlt nach der Sozialmedizinischen Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast 52" vom Mai 2006, der Sozialmedizinischen Stellungnahme zum Schulungsprogramm "Optifast® 52" - Nachbewertung - vom April 2007 der sozialmedizinischen Expertengruppe "Versorgungsstrukturen" (SEG 3) der MDK-Gemeinschaft und der Konzeptbewertung des Adipositas-Schulungsprogramms "Optifast® 52" vom 24. September 2012 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Leistungsbeurteilung/Teilhabe" (SEG 1) des MDK der wissenschaftliche Nachweis der Qualität und Wirksamkeit des Optifast® 52-Programms einschließlich des Formula-Produktes Optifast®-800 entsprechend dem für die gesetzliche Krankenversicherung in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. In der letztgenannten Stellungnahme heißt es hierzu zusammenfassend, dass unter Berücksichtigung der Kriterien der Evidenz-basierten Medizin derzeit weder eine ausreichende Wirkung oder Wirksamkeit noch ein Nutzen des Optifast® 52-Programms als belegt angesehen werden könne.
2. Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Teilnahme an dem Optifast®-52 Programm als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, weil die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.
§ 43 Abs. 1 Nr 2 SGB V regelt, dass die Krankenkasse neben den Leistungen, die nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 Neuntes Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) sowie nach §§ 53 und 54 SGB IX als ergänzende Leistungen zu erbringen sind, wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke erbringen, wenn sie zuletzt Krankenbehandlung geleistet hat oder leistet. Die Patientenschulungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V setzen das Vorliegen einer chronischen Erkrankung voraus. Eine Erkrankung ist chronisch, wenn sie sich mit der Folge des ständigen Vorhandenseins oder regelmäßigen Eintritts von Erscheinungsformen dauerhaft verfestigt hat. Anders als bei ergänzenden Leistungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V muss die Schulung nicht der Sicherung des Erfolgs einer anderweitigen rehabilitativen Hauptleistung dienen, sondern kann als isolierte rehabilitative Maßnahme selbstständig erbracht werden.
Diese besonderen Leistungsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil aus den oben dargelegten Gründen nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin weder eine ausreichende Wirkung oder Wirksamkeit noch ein Nutzen des Schulungsprogramms Optifast® 52 als belegt angesehen werden kann. Mit den Voraussetzungen "wirksame und effiziente" betont das Gesetz die in §§ 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 und 12 Abs. 1 SGB V geregelten allgemeinen Grundsätze der gesetzlichen Krankenversicherung.
Darüber hinaus fehlt es auch bereits an einer vertragsärztlichen Verordnung von ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 5 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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