L 5 KR 161/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 11 KR 129/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 161/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.05.2003 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Verzugszinsen.

Die Beklagte hatte vorprozessual die Bezahlung der ihr für die stationäre Behandlung einer Versicherten in der von dem Kläger getragenen I-Klinik I in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 5.864,99 Euro (Rechnung vom 31.12.2001) abgelehnt. Nach vergeblicher Zahlungsaufforderung hatte der Kläger am 05.08.2002 Klage erhoben und neben dem Rechnungsbetrag Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 21.01.2002 gefordert. Den Zinsanspruch hat er damit begründet, dass nach dem einschlägigen Landesvertrag die Forderung spätestens am 19.01.2002 fällig geworden und ab dem 21.01.2002 zu verzinsen sei. Zwar werde im Vertrag ein Zinssatz von 2 % über dem Basiszinssatz, der an die Stelle des im Vertrag genannten Diskontsatzes der Deutschen Bundesbank getreten sei, festgelegt. Da der Vertrag aber gleichzeitig auf die Verzugsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), darunter die Zinsregelung des § 288 BGB verweise, sei er dahingehend auszulegen, dass seit der Neufassung des § 288 BGB nunmehr der dort genannte Zinssatz von 5 % über dem Basiszinssatz gelte. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien des Landesvertrages eine Verzinsung der Hauptforderung gewünscht hätten, die über den früheren gesetzlichen Verzugszinssatz von 4 % hinausgehe. Zumindest solle aber der gesetzliche Zinssatz als Mindestzinssatz geschuldet werden.

Die Beklagte hat nach Klageerhebung die Hauptforderung anerkannt und am 12.09.2002 beglichen. Der Zinsforderung hat sie widersprochen, weil ihr kein Verschulden an der verspäteten Zahlung vorzuwerfen und außerdem erst am 14.02.2002 eine Mahnung erfolgt sei. Zudem könnten allenfalls Zinsen in Höhe der vertraglichen Regelung gefordert werden. Die von dem Kläger vertretene Vertragsauslegung, dass seit der Neufassung des § 288 BGB der höhere Zinssatz dieser Vorschrift anzuwenden sei, sei nicht möglich. Nach den bei Vertragsschluss geltenden Zinssätzen habe der gesetzliche Zinssatz etwa die gleiche Höhe gehabt wie der vertraglich vereinbarte Zinssatz. Von daher müsse davon ausgegangen werden, dass die Vertragsparteien keinen Strafzins vereinbart hätten, sondern eine an der wirtschaftlichen Lage orientierte flexible Zinsbestimmung hätten treffen wollen.

Mit Urteil vom 30.05.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung von 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus der Hauptforderung für die Zeit vom 21.01.2002 bis 12.09.2002 verurteilt. Einen weitergehenden Zinsanspruch hat es verneint, da die Annahme, die Vertragspartner hätten den gesetzlichen Zinssatz als Mindestzinssatz festlegen wollen, die Grenzen einer noch zulässigen Vertragsauslegung überschreite. Aus der Verweisung auf die Verzugsvorschriften des BGB ergebe sich nichts anderes, denn diese Verweisung sei schon damals mißglückt gewesen und habe keine rechtliche Bedeutung gehabt.

Mit der vom Sozialgericht zugelassenen Berufung fordert der Kläger weiter eine Verzinsung in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz. Er hält an seiner Argumentation fest, dass sich aus der Verweisung des Landesvertrages auf die Verzugsregeln des BGB eine Anpassung des vereinbarten Zinssatzes an die allgemeinen Verzugszinssätze des § 288 BGB n.F ergebe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.05.2003 zu ändern und die Beklagte zur Zahlung von weiteren Zinsen in Höhe von 3 % aus einem Betrag von 5.864,99 Euro für den Zeitraum vom 21.01.2002 bis 12.09.2002 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die kraft Zulassung statthafte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch sonst zulässige Berufung ist nicht begründet, denn dem Kläger steht über die zuerkannten Zinsen hinaus kein weitergehender Zinsanspruch zu. Da die Beklagte die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen hingenommen hat, ist nur noch über deren Höhe zu entscheiden.

Für den Anspruch des Klägers auf Vergütung der vom 08.06. bis 19.07.2002 durchgeführten Krankenhausbehandlung galt der nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit Wirkung vom 01.01.1997 geschlossene Landesvertrag - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - (im Folgenden: LV), der am 08.04.2003 gekündigt worden ist. Dieser sah zur Zahlungsweise in § 15 Abs. 1 Satz 1 vor, dass Rechnungen innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang zu begleichen waren, wobei sich nach Satz 3 der Fälligkeitstag auf den nächstfolgenden Arbeitstag verschob, wenn dieser ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag war. Satz 4 lautete: "Bei Überschreitung des Zahlungsziels kann das Krankenhaus nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 2 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag verlangen."

Als Bezugsgröße sind an die Stelle des Diskontsatzes zunächst ab 01.01.1999 der Basiszinssatz nach Maßgabe des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 9.6.1998((DÜG) BGBl. I, 1242) und mit Wirkung vom 04.04.2002 durch Art. 4 § 2 Versicherungskapitalanlagen-Bewertungsgesetz vom 26.3.2002 (BGBl. I, 1219) der Basiszinssatz nach § 247 BGB getreten. Unabhängig von dieser gesetzlichen Änderung der Bezugsgröße ist aber in dem LV die Zinshöhe eindeutig festgelegt. Diese mag vor dem Hintergrund der später erfolgten Änderung des gesetzlichen Zinssatzes in § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB, der seit dem 01.01.2002 in Abs. 1 einen Zinssatz von 5 % über dem Basiszinssatz und in Abs. 2 bei gewerblichen Rechtsgeschäften sogar einen Zinssatz von 8 % über dem Basiszinssatz vorsieht, nicht mehr angemessen gewesen sein.

Gleichwohl ist es nicht möglich, im Wege der vom Kläger vertretenen "ergänzenden Vertragsauslegeung" zur Anwendung des Zinssatzes des § 288 Abs. 1 BGB n.F. zu kommen (wobei ohnehin angesichts der gesetzlichen Regelung die Anwendung des § 288 Abs. 2 BGB n.F. näher liegen würde).

Die Vertragspartner haben eine eindeutige Regelung getroffen, mit der sie von dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden starren gesetzlichen Verzugszinssatz von 4 % abgewichen sind. Der Diskontsatz betrug bei Vertragsschluss 2,5 % (Diskont- und Lombardsätze der Deutschen Bundesbank, unter http.//www.wowi.de/finanzen/zinsentwicklung/leitzinsen bundesb ank.htm), so dass der vertragliche Zinssatz nur um 0,5 % über dem gesetzlichen Zinssatz lag. Selbst wenn es das Ziel der Vertragspartner gewesen sein sollte, von den schon damals als unangemessen niedrig bezeichneten gesetzlichen Verzugszinsen (s. etwa Palandt-Heinrichs, BGB, 56. Aufl., 1997, § 288 Rdn. 2) abzuweichen, haben die Vertragsparteien zum einen nur eine sehr moderat über dem damaligen gesetzlichen Zinssatz liegende Zinshöhe festgelegt und zum anderen mit der Regelung sogar hingenommen, dass sie auch zu einem unter dem gesetzlichen Verzugszinssatz liegenden Zinssatz führen konnte. Dies war in der Zeit von Mai bis Dezember 1999 tatsächlich der Fall, denn in dieser Zeit betrug der Basiszinssatz 1,95 % (Zeitreihe SU 0114 der Deutschen Bundesbank, unter http.//www.bundesbank.de/statistik/statistik zeitreihen/php). Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die vertragliche Regelung nur darauf hindeutet, dass die Vertragsparteien eine von der (damals) starren Regelung des BSG unabhängige, an der wirtschaftlichen Entwicklung orientierte flexible Verzinsung hätten festlegen wollen, die sie offenbar für angemessen gehalten hatten. Auf keinen Fall kann der Regelung etwas dafür entnommen werden, dass zumindest der gesetzliche Zinssatz geschuldet werden sollte.

Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Regelung, dass Verzugszinsen "nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs. 1 BGB" verlangt werden konnten. Mit Recht hat das Sozialgericht diese Formulierung in Satz 4 als mißglückt bezeichnet, denn die Verweisung auf die Vorschriften des BGB ist weitgehend inhaltsleer und ergibt keinen sinnvollen Regelungsgehalt. Die Verweisung auf § 288 Abs. 1 BGB a.F. läuft leer: Der in dessen Satz 1 geregelte Zinssatz von 4 % sollte gerade nicht gelten; auch die weitergehende Forderung nach Satz 2 konnte kaum eingreifen, da nicht ersichtlich ist, auf welcher Rechtsgrundlage außerhalb des LV das Krankenhaus einen höheren Zinsanspruch gegen eine Krankenkasse erlangt haben könnte. Auch die Verweisung auf § 284 BGB a.F. hatte keine rechtliche Bedeutung. Die Fälligkeit der Forderung und der Beginn der Verzinsung waren im Vertrag eindeutig geregelt. Wäre, wie es § 284 Abs. 1 BGB a.F. vorsah, für den Verzug (und damit für den Zinsbeginn) eine Mahnung erforderlich gewesen (§ 284 Abs. 2 BGB a.F. konnte nicht eingreifen, weil für die Zahlung keine Zeit nach dem Kalender bestimmt war; die bloße Berechenbarkeit nach dem Kalender ab Zugang der Rechnung reichte nicht, vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O. § 284 Rdn. 22), hätte die Verzinsung nie nach der vertraglichen Regelung beginnen können, weil nach § 284 Abs. 1 BGB a.F. die Mahnung nach Fälligkeit zu erfolgen hatte. Vor dem Hintergrund, dass der in der Zeit vom 01.01.1992 bis 31.12.1996 geltende LV in § 17 Abs. 4 vorgesehen hatte, dass Zinsen nach Mahnung nach der in der Pflegesatzvereinbarung getroffenen Regelung gefordert werden konnten - wobei Satz 2 ausdrücklich vorsah, dass auf die Mahnung verzichtet werden könne, wenn dies in der Pflegesatzvereinbarung festgelegt werde - kann die in § 15 Abs. 1 Satz 4 LV getroffene Regelung des Zinsbeginns nur als (konkludenter) Verzicht auf eine Mahnung angesehen werden. Die Argumentation des Klägers in diesem Punkt ist auch widersprüchlich, wenn er einerseits eine Mahnung für den Zinsbeginn nicht für erforderlich hält, gleichwohl aber die Verweisung auf die Neufassung des § 288 BGB beziehen möchte. Somit war auch die Verweisung auf § 284 BGB a.F. verfehlt. Allenfalls die Bezugnahme des § 285 BGB a.F. mochte sinnvoll sein, als ein Verschulden für die Verzögerung der Leistung gefordert wurde (wobei allerdings im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern kaum Fallkonstellationen denkbar sind, in denen das Verschulden der Krankenkasse an einer verzögerten Zahlung entfallen würde).

Soweit die Krankenhäuser angesichts des Umstandes, dass schon seit dem 01.05.2000 die Zinshöhe in § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (Fassung vom 01.05.2000 bis 31.12.2001) 5 % über dem Basiszinssatz betrug, die vertragliche Zinsregelung als unangemessen niedrig angesehen haben sollten, hätte es ihnen freigestanden, nach § 59 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Zukunft eine Anpassung des Vertrages zu verlangen. Eine entsprechende Forderung der Krankenhäuser ist aber, wie dem Antwortschreiben der Krankenhausgesellschaft NRW vom 22.10.2004 auf die Anfrage des Gerichts vom 06.10.2004 zu entnehmen ist, offensichtlich nie erhoben worden. Dem Senat ist auch aus keinem Verfahren bekannt, dass die Krankenhäuser schon zum damaligen Zeitpunkt höhere als die vertraglich vereinbarten Zinsen gefordert haben. Auch dieser Umstand spricht dagegen, dass die Vertragsparteien den Willen hatten, Verzugszinsen zumindest in Höhe der gesetzlichen Verzugszinsen festzulegen.

Ebensowenig lässt sich der geltend gemachte Zinsanspruch auf § 69 Satz 3 SGB V i.V.m. § 291 BGB stützen, denn diese zivilrechtliche Regelung über Prozesszinsen ist nicht anwendbar. Der Gesetzgeber hat mit § 69 SGB V lediglich klarstellen wollen, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern, also auch zu den Krankenhäusern, ausschließlich dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind (s. dazu Engelmann, NZS 2000, 213, 219; Boecken, NZS 2000, 269, 271). Soweit § 69 Satz 3 SGB V die ergänzende Heranziehung der Vorschriften des BGB vorsieht, ist Voraussetzung, dass dies mit den Vorgaben des SGB V vereinbar ist (s. a. BT-Drucksache 14/1245, S. 68). Sinn und Zweck dieser Regelung schließen eine generelle Anwendung der Regeln des BGB in allen Fällen, in denen das SGB V keine ausdrückliche (andere) Regelung trifft, aus; vielmehr ist zu fragen, ob die Anwendung der Vorschriften des Zivilrechts mit der öffentlich-rechtlichen Ausrichtung der Leistungsbeziehungen vereinbar ist (s.a. zur Anwendung des § 69 Satz 3 SGB V Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V - (Stand: 01. Juni 2004), § 39 Rdn. 383). Insofern ist zu berücksichtigen, dass im öffentlichen Recht eine Verzinsung von Geldleistungen nur bei ausdrücklicher gesetzlicher oder vertraglicher Regelung zu erfolgen hat (BSG SozR 1300 § 61 Nr. 1; LSG Hessen, Urteil vom 26.05.2003 - L 1 KR 1527/99 -) und dass im Bereich der Krankenhausbehandlung § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V den Vertragsparteien u.a. die Regelung der Abrechnung der Entgelte zuweist. Wenn sie in diesem Zusammenhang eine klare vertragliche Regelung mit einer bestimmten Zinshöhe getroffen haben, kann diese nicht, nachdem die bei Vertragsschluss geltenden gesetzlichen Bestimmungen sich hinsichtlich der Zinshöhe zugunsten der einen Seite geändert haben, durch Anwendung einer Vorschrift unterlaufen werden, die hinsichtlich der Zinshöhe wiederum auf § 288 Abs. 1, 2 BGB n.F. verweist, der - wie dargelegt - im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien gerade nicht angewendet werden kann.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, denn die Entscheidung betrifft die Anwendung nicht revisiblen Landesrechts (das zudem nicht mehr gilt) und hat auch ansonsten keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.
Rechtskraft
Aus
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