L 10 U 672/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 4194/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 672/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.02.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt nur noch die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2115 (fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; nachfolgend BK 2115).

Die am 1962 geborene Klägerin ist Berufsmusikerin, spielt seit 1985 professionell Bratsche und war langjährig als Solobratscherin beschäftigt. In der Zeit von September 1989 bis Juli 1990 war sie beim S.-Sinfonieorchester als Praktikantin angestellt (Bl. 17a LSG-Akte). Von September 1990 (Bl. 51 VA) bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 15.09.2008 war sie als Solobratscherin beim S. Opernorchester tätig (Bl. 54, 193 ff. VA). Die wöchentliche Spiel- bzw. Übezeit betrug 55 bis 70 Wochenstunden (Bl. 54 VA). Seit Sommer 2013 ist sie in Teilzeit (50%) als Tutti-Bratscherin, d.h. nicht mehr in der exponierten Soloposition, tätig (s. Angaben der Klägerin Bl. 93 SG-Akte, s.auch Bl. 144 f. SG-Akte).

Seit dem Jahr 1996 leidet die Klägerin an Beschwerden im Schulter- und Halswirbelsäulenbereich. Im selben Jahr wurde auch ein Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert. Ihren eigenen Angaben nach trat zu Beginn des Jahres 1998 ein unwillkürliches Zittern des rechten Armes auf, das zu einer erhöhten Muskelspannung führte (Bl. 93 SG-Akte). Im Januar 2008 durchgeführte radiologische Untersuchungen u.a. der Halswirbelsäule (HWS) und rechten Schulter zeigten diskrete Nucleus-pulposus-Prolapse in Höhe HWK 4/5 und 5/6 ohne Nachweis einer spinalen Stenosierung oder relevanten Einengung der Neuroforamina (Bl. 135 VA) und eine Teilruptur der Supraspinatussehne sowie eine gering aktivierte Acromioclaviculargelenksarthrose, eine geringe Tendinitis der langen Bizepssehne sowie eine Flüssigkeitsansammlung um die Subscapularissehne (Bl. 136 VA). MRT-Untersuchungen von HWS und rechter Schulter von September 2008 erbrachten eine Osteochondrose C5/6 mit geringer breitbasiger Retrospondylose und geringer breitbasiger Protrusion, minimale mediale Protrusionen bei C3/4 und C4/5, Uncovertebralarthrosen und Facettengelenksdegenerationen mit einer rechts betonten Foraminalverschmälerung C5/6 und einer leichten Foraminalverschmälerung bds. C4/5 (Bl. 157 f. VA) sowie ein tiefstehendes Acromion und zusätzliche Exostose mit konsekutivem Impingementsyndrom und chronischer Tendinose der Supraspinatus-, geringer auch der Infraspinatussehne, eine assoziierte Bursitis subcoracoidea, einen kleinen begleitenden Gelenkerguss und eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung im Sehnenfach der langen Bicepssehne (Bl. 161 VA). Am 04.07.2008 stellte sich die Klägerin erstmals im Zentrum für Musikermedizin des Universitätsklinikums Freiburg bei der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Prof. Dr. S. vor (Bl. 152 ff. VA). Diese diagnostizierte ein Schmerzsyndrom des Nackens und der rechten Schulter mit Ausstrahlung in den rechten Arm. Die Klägerin berichtete ihr über starke Schmerzen im Nacken- und rechten Schulterbereich mit Ausstrahlung in den rechten Arm. Beim Bratschespielen führten die Beschwerden zu ruckartigen Bewegungen beim Streichen im rechten Bogenarm.

Im August 2008 stellte sich die Klägerin beim Leitenden Oberarzt der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums M.Prof. Dr. B.vor (Bl. 155 f. VA). Hier berichtete die Klägerin zum einen von bereits lange anhaltenden Schmerzen im Bereich des Nackens, der rechten Schulter und des rechten Armes mit Ausstrahlung in den rechten Daumen, zum anderen von ruckartigen Bewegungen während des Bratschespiels beim Spiel langsamer Passagen jeweils beim Abstrich. Prof. Dr. B. führte eine Oberflächen-EMG-Ableitung von M. triceps, M. biceps, M. extensor digitorum und M. flexor digitorum superficialis während der Streichbewegungen beim Bratschespiel durch und beschrieb einen in allen Muskeln mit identischer Frequenz bei ca. 7 Hz dokumentierten Tremor. Eine eindeutige dystone Komponente sah er nicht und diagnostizierte ein aktionsspezifisches Tremorsyndrom des rechten Armes und ein pseudoradikuläres Schmerzsyndrom der rechten oberen Extremität (Bl. 155 f. VA).

Auf Grund seiner Untersuchung im September 2008 bestätigte der Facharzt für Neurologie Prof. Dr. A. - Spezialambulanz des Instituts für Musikphysiologie und Musiker-Medizin der Hochschule für Musik und Theater H.- den von Prof. Dr. B. beschriebenen 7-Hz-Tremor im rechten Oberarm, führte jedoch aus, dass die Störung auch in der Pantomime vorhanden sei, so dass nicht von einem aufgabenspezifischen Tremor auszugehen sei (Arztbrief von Oktober 2008, Bl. 166 VA). Außerdem diagnostizierte er chronische Verspannungsschmerzen im Bereich der Schulter-Nackenregion (Bl. 165 VA).

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. B. diagnostizierte im Oktober 2009 einen beginnenden Haltetremor der rechten Hand, "offensichtlich" essentieller/familiärer Genese mit möglichen psychosomatischen und insbesondere möglichen orthopädischen Komponenten (seitens der stattgehabten Schulteroperation und des leichten, nicht operationspflichtigen Karpaltunnelsyndroms - KTS - rechts), "offensichtlich" besonders manifestiert durch die spezifische habituelle Überlastung (beim Cellospiel; gemeint: Bratschespiel, Bl. 174 VA). In seiner nervenärztlichen Stellungnahme von April 2011 diagnostizierte Dr. Dr. B. einen chronifizierten Tremor des rechten Armes bei dringendem V.a. Berufserkrankung (spezifische langjährige Überlastung durch die Bogenführung des rechten Armes beim Bratschenspiel) sowie eine spezifische sekundäre, ebenfalls chronifizierte Auftrittsphobie und sekundäre reaktive Depression (Bl. 175 VA).

Im November 2008 wurde bei der Klägerin in der Arcus Sportklinik P. auf Grund eines Impingementsyndroms und einer ausgeprägten Bursitis subacromialis jeweils der rechten Schulter eine Arthroskopie und Bursoskopie der Schulter sowie eine endoskopisch subacromiale Dekompression und Bursektomie rechts vorgenommen (Bl. 132 f. VA).

Im Februar 2011 zeigte Prof. Dr. S. bei der Beklagten das Vorliegen einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) an (Bl. 1 ff. VA). Die Klägerin leide an einem beim Bogenspiel auftretenden Tremorsyndrom des rechten Arms, chronischen Schmerzen und Verspannungen im Bereich des Nackens und der rechten Schulter mit Ausstrahlung in den rechten Arm sowie einer Angstsymptomatik im Rahmen einer realbedingten Auftrittsangst. Aus musikermedizinischer Sicht sei "klar" davon auszugehen, dass die geschilderten Beschwerden sowie das vorliegende Krankheitsbild in ursächlichem Zusammenhang mit der jahrelangen Berufstätigkeit der Klägerin als Bratscherin stünden. Die Erkrankungen verunmöglichten nun die Berufsausübung.

Im April 2011 beantragte die Klägerin u.a., die bei ihr vorliegenden Erkrankungen als Berufskrankheiten im Sinne der BKV anzuerkennen (Bl. 42 ff. VA). In dem Fragebogen der Beklagten gab die Klägerin an, seit Juli 2007 an Schmerzen der rechten Schulter, Nackenschmerzen und einer Bewegungsstörung des rechten Armes zu leiden. Es sei ein Engpasssyndrom der rechten Schulter und des Oberarms sowie ein HWS-Syndrom festgestellt worden (Bl. 47 VA). Seit dem 15.09.2008 sei sie arbeitsunfähig (Bl. 47 VA).

Die Beklagte leitete daraufhin ein Verfahren zur Ermittlung des Vorliegens einer BK ein und zog Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin bei (Bl. 62 ff. VA).

Im Oktober 2011 gelangte der Präventionsdienst der Beklagten nach einer Arbeitsplatzbegehung zu der Einschätzung, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2101 (Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) und eine BK 2106 (Druckschädigung der Nerven) vorlägen (Bl. 257/RS VA).

Die Beklagte holte ein Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. D. ein (Bl. 307 ff. VA). Er diagnostizierte nach Untersuchung der Klägerin einen nicht aufgabenspezifischen fokalen Tremor im rechten Bogenarm, chronische Verspannungsschmerzen im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur sowie der Extensorengruppe am rechten Unterarm (Bl. 322 VA). Sichere Hinweise für eine darüber hinausgehende fokale Dystonie hätten sich nicht ergeben (Bl. 323 VA). Die Erkrankung sei in der Anlage zur BKV nicht als BK bezeichnet (Bl. 322 VA). Aus neurologischer Sicht komme eine Entschädigung wie bei einer BK in Betracht (Bl. 323 VA). Die Erkrankung stehe mit Wahrscheinlichkeit in ursächlichem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Solo-Bratscherin im Sinne der Entstehung (Bl. 323 VA).

Daraufhin holte die Beklagte im November 2012 eine beratungsärztliche Stellungnahme bei dem Facharzt für Arbeitsmedizin Prof. Dr. Dr. K. ein (Bl. 470 ff. VA). Darin führte er u.a. aus, dass das Tremorsyndrom auf einer familiären Disposition und einem degenerativen Impingement- sowie einem degenerativen Cervicobrachialsyndrom basiere. Abschließend kam er zu dem Ergebnis, dass weder ein begründeter Verdacht auf das Vorliegen einer BK 2101, 2105, 2106 und 2109, noch die erforderlichen Kriterien zur Anerkennung einer Wie-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII vorlägen (Bl. 487 VA).

Mit Bescheid vom 28.02.2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2101, 2105, 2106 und 2109 sowie die Anerkennung einer Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch (Bl. 515 VA) wies die Beklagte nach Einholung einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. Dr. K. (Bl. 532 ff. VA), in der er an seiner bereits im November 2012 geäußerten Auffassung festhielt, mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2013 (Bl. 4 ff. SG-Akte) zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.11.2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der sie zunächst (u.a.) die Anerkennung der bei ihr vorliegenden "Erkrankungen der oberen Extremitäten" als BK 2101 und 2105 sowie als Wie-BK begehrt hat. Das SG hat daraufhin ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage bei Prof. Dr. Dr. K. hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen der BK 2101 eingeholt. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG ein Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. A. (Bl. 83 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 01.12.2014) sowie bei dem Facharzt u.a. für Chirurgie und Handchirurgie und Zentrumsleiter sowie Chefarzt des Zentrums für Unfallchirurgie, Orthopädie und Handchirurgie des Klinikums W. Prof. Dr. B. (Bl. 123 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 22.12.2015) eingeholt.

Prof. Dr. A. hat eine schmerzhafte Schultersteife rechts mit kernspintomographisch nachgewiesener Verengung des subacromialen Raumes und chronischem belastungsabhängigen Schmerzsyndrom sowie einen aktionsspezifischen fokalen Tremor des rechten Armes, den er höchstwahrscheinlich als sekundären fokalen Tremor nach chronischem Schmerzsyndrom und Gelenksbeweglichkeitseinschränkung eingestuft hat, diagnostiziert (Bl. 96, 100 f. SG-Akte). Während er die medizinischen Voraussetzungen zur Bejahung der BK 2101 und 2105 verneint hat, hat er ausgeführt, dass die chronischen Schmerzen mit den folgenden degenerativen Veränderungen im Bereich des rechten Schultergelenks durch die massive biomechanische Belastung der rechten Schulter in dem Beruf als Geigerin und Bratscherin entstanden seien und daher wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen seien. Es gebe eine "klare" kausale Kette, die die besondere Belastung des rechten Schultergelenkes erkläre. Der fokale Tremor stelle eine mittelbare Folge des chronischen Schmerzsyndroms dar und sei daher ebenfalls nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen (Bl. 101 SG-Akte).

Prof. Dr. B. hat auf orthopädisch-traumatologischem Fachgebiet einen Restzustand nach schmerzhafter Schultersteife rechts mit endgradiger Bewegungsreduktion in Abduktion, Elevation, Außen- und Innenrotation, einen Zustand nach subacromialer Dekompression und Bursektomie rechts 2008 ohne wesentliche Arthrosebildung in der Folge diagnostiziert sowie - unter Hinweis auf das Gutachten des Prof. Dr. A. - auf neurologischem Fachgebiet einen aktionsspezifischen fokalen Tremor des rechten Armes infolge berufsspezifischer Überlastung bei chronischem Schmerzsyndrom und temporär höhergradiger, jetzt endgradiger Gelenksbeweglichkeitsreduktion angenommen (Bl. 147 SG-Akte). Die Erkrankungen der Klägerin seien mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden. Allerdings lägen die medizinischen Voraussetzungen zur Bejahung der BK 2101 und 2105 aktuell nicht vor, wohl aber die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII, weil eine neue BK ("Fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität") empfohlen worden sei (vgl. Bl. 149 f. SG-Akte).

Nach Veröffentlichung der wissenschaftlichen Begründung zur Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales - Fokale Dystonie - über die Aufnahme einer BK "Fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität" ("Bek. d. BMAS v. 1.7.2016 - Iva 4-45222 - Fokale Dystonie", GMBl. 2016, S. 666 ff. = Bl. 186 ff. SG-Akte, künftig nur zitiert als "Empfehlungen" nach der amtlichen Bekanntmachung) hat Prof. Dr. A. in einer ergänzenden Stellungnahme von Februar 2017 u.a. bestätigt, dass bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom mit nachfolgenden degenerativen Veränderungen im Bereich des rechten Schultergelenkes durch die biomechanische Belastung der rechten Schulter in dem Beruf als Geigerin und Bratscherin vorliege, in deren Folge es zu dem fokalen Tremor des rechten Armes gekommen sei (Bl. 213 SG-Akte).

Mit Urteil vom 10.02.2017 hat das SG die Klage, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die Aufhebung des Bescheides vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2013 und die Verurteilung der Beklagten, die an der rechten oberen Extremität vorliegende fokale Dystonie wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen, beschränkt worden ist, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die bei der Klägerin vorliegende Tremor-Erkrankung nicht die in der Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats - Fokale Dystonie - genannten Anerkennungsvoraussetzungen erfülle, da diese ausschließlich eine Erkrankung der Basalganglien und somit des zentralen Nervensystems erfassten. Die Empfehlungen würden als Musikerdystonie ausdrücklich nur schmerzlos zum Funktionsverlust führende Schädigungen des zentralen Nervensystems und gerade nicht Erkrankungen auf Grund mechanischer Überbeanspruchung erfassen. Eine beruflich bedingte Schädigung des zentralen Nervensystems sei jedoch nicht nachgewiesen. Prof. Dr. A. und Prof. Dr. B. seien ebenso wie zuvor Prof. Dr. Dr. D. davon ausgegangen, dass der bei der Klägerin bestehende Tremor sekundär als Folge der Schulterbeschwerden der Klägerin und der damit einhergehenden Schmerzerkrankung entstanden sei.

Gegen das ihr am 16.02.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.02.2017 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, mit der sie (zunächst) ihr aufrechterhaltenes Begehren aus dem erstinstanzlichen Verfahren weiterverfolgt hat. Bei ihr liege das nach den Empfehlungen vorausgesetzte eigenständige Krankheitsbild der Musikerdystonie vor. Sowohl Prof. Dr. A. als auch Prof. Dr. B. und Prof. Dr. S. seien übereinstimmend der Auffassung, dass ihr Tremor als aktionsspezifisch anzusehen und damit berufsbedingt sei. Auch Prof. Dr. Dr. K. habe dies nicht ausgeschlossen. Die bei ihr bestehende fokale Dystonie sei nicht auf mechanische Überbeanspruchung zurückzuführen. Aus den Attesten des Dr. K. von Juni 2017 (Bl. 23 LSG-Akte) und September 2018 (Bl. 33 LSG-Akte) ergebe sich, dass das Auftreten des aktionsspezifischen Tremors nicht im Zusammenhang mit den vorher bestehenden schmerzhaften degenerativen Erkrankungen der Halswirbelsäule und des rechten Schultergelenks zu sehen seien. Die Erkrankungen stünden vielmehr nebeneinander und bedingten sich nicht. Auch ergebe sich aus der Stellungnahme des Prof. Dr. A. von April 2017 (Bl. 21 f. LSG-Akte), dass die Diagnose des tätigkeitsspezifischen fokalen Tremors mit Intentionskomponente im Bereich des rechten Arms sowie der Zustand nach langjährigem Schmerzsyndrom nebeneinander stünden. Zwar sei gleichzeitig zu Beginn der Erkrankung der fokalen Dystonie bei ihr ein ausgeprägtes chronisches Schmerzsyndrom vorhanden gewesen, dieses sei jedoch nicht die Ursache für das Auftreten der musikerspezifischen fokalen Dystonie.

Durch Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b der Vierten Verordnung zur Änderung der BKV vom 10.07.2017 (BGBl. I S. 2299) ist in die Anlage 1 zur BKV die BK 2115 (fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität) aufgenommen worden.

Die Klägerin beantragt nunmehr (s. Bl. 48 LSG-Akte),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.02.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2013 zu verurteilen, die bei ihr an der oberen rechten Extremität vorliegende fokale Dystonie als eine Berufskrankheit nach Nr. 2115 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückweisen.

Bei der Klägerin liege ein sekundärer Tremor als Folge des Schulterleidens bzw. der chronischen Schmerzerkrankung vor. Nach den Empfehlungen - die schon das SG im Rahmen seiner Prüfung zutreffend berücksichtigt habe - begründe dies keine BK 2115, da nur schmerzlos zum Funktionsverlust führende Schädigungen des zentralen Nervensystems umfasst seien. Aus den im Berufungsverfahren vorgelegten Äußerungen des Prof. Dr. A. und Dr. K. folge nichts Abweichendes.

Der Senat hat die von Dr. K. geführte Patientenakte der Klägerin beigezogen (s. Anlagenheft zu Bl. 35 LSG-Akte).

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nur noch - dies ergibt sich aus dem im Berufungsverfahren von der Klägerseite zuletzt schriftsätzlich formulierten Antrag (Bl. 48 LSG-Akte) - die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten, bei ihr eine fokale Dystonie an der oberen rechten Extremität "als eine Berufskrankheit nach Nr. 2115 der Anlage 1 zur BKV" (= fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität) anzuerkennen. Hierüber entschied die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.02.2013 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2013 der Sache nach (u.a.) zum Vorliegen einer entsprechenden Wie-BK (vgl. § 9 Abs. 2 SGB VII). Eine fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität ist allerdings zwischenzeitlich - während des Rechtsmittelverfahrens - mit der Vierten Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.07.2017 (BGBl. I S. 2299) vom Verordnungsgeber mit Wirkung zum 01.08.2017 als BK 2115 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden, wobei das SG im angefochtenen Urteil die wissenschaftliche Begründung zur BK 2115 seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Eine zeitliche Begrenzung der rückwirkenden Anerkennung bereits bestehender Erkrankungsfälle erfolgte bei Einfügung der BK 2115 nicht (vgl. § 6 Abs. 1 BKV in der seit dem 01.08.2017 geltenden Fassung; s. auch BR-Drs. 410/17, S. 8 f.). Auf Grund dieser Sachlage lässt der Senat dahinstehen, ob das von der Klägerin zuletzt mit ihrer Berufung artikulierte (prozessuale) Begehren (s.o.) zulässig ist. Denn jedenfalls ist der Nachweis, dass bei der Klägerin eine fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems i.S.d. der BK 2115 vorliegt, nicht erbracht, sodass eine entsprechende Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung dieser BK aus sachlich-rechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 2115 der Anlage 1 zur BKV fokale Dystonien als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Gesundheitsschaden geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können; sie müssen daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 20.12.2016, B 2 U 16/15 R, zitiert - wie alle höchstrichterliche Rechtsprechung- nach juris). Nur hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sowie der schädigenden Einwirkung und dem Gesundheitsschaden genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O.; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 mit weiteren Ausführungen zur Begründung); hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90).

Die BK 2115 setzt das Vorliegen einer fokalen Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität voraus.

Der Terminus "fokale Dystonie" bezeichnet - unter Zugrundelegung der Empfehlungen, die den durch Studien, Fallserien und einem systematischen Review der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur belegten aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft für eine aufgabenspezifische fokale Dystonie bei langjährig Musizierenden wiedergeben (vgl. Empfehlungen Nr. 1, S. 666) -(allgemein) eine einzelne Körperteile betreffende Bewegungsstörung, die durch länger anhaltende unwillkürliche Kontraktionen der quergestreiften Muskulatur gekennzeichnet ist (Empfehlungen Nr. 8.1, S. 678). Die Diagnose einer Dystonie erfolgt klinisch nach dem vorherrschenden Symptom, also einer länger andauernden Verkrampfung einer oder mehrerer Extremitäten, die mit Funktionsverlust oder -einschränkung einhergeht. Als Begleiterscheinung kann der sog. dystone Tremor beobachtet werden, ein feinschlägiger, niederfrequenter Aktionstremor, der sich vor allem bei Bewegung verstärkt (Empfehlungen Nr. 8.2, S. 678), wobei zur Bestätigung der klinischen Untersuchung eine EMG-Untersuchung veranlasst werden kann, die eine Kontraktion von Agonist und Antagonist zeigt (Empfehlungen Nr. 8.2, S. 679).

Die BK 2115 setzt indes schon nach ihrem Wortlaut nicht nur die Diagnose einer fokalen Dystonie voraus, sondern diese muss namentlich (gerade) "als Erkrankung des zentralen Nervensystems" gesichert sein (vgl. Empfehlungen Nr. 10, S. 684, sowie Nr. 8.5.3, S. 683). Damit ist - ausweislich der Empfehlungen (Nr. 8.4, S. 679, auch zum Nachfolgenden) - (allein) die sog. Musikerdystonie gemeint, bei der es sich um eine Sonderform der fokalen Dystonie des Erwachsenenalters, nämlich um eine aufgabenspezifische Dystonie handelt. Diese äußert sich primär hoch selektiv ausschließlich bei der Ausübung des Instrumentenspiels. Die Symptome beginnen meist mit einer Ungeschicklichkeit der betroffenen Extremität, manifestieren sich dann beim Ausüben der bestimmten Tätigkeit und können sich im Verlauf auch auf andere Tätigkeiten ausweiten und sogar im Ruhezustand auftreten. Die Musikerdystonie ist gekennzeichnet durch einen zunächst schmerzlosen Verlust der Koordinationsfähigkeit an einer Extremität und tritt initial nur beim Musizieren auf. Relevant für die Entstehung dieser Erkrankung ist das langjährige, repetitive und intensive Musizieren auf professionellem Niveau. Die fokale, aufgabenspezifische Dystonie des Musikers ist mithin eine Erkrankung der Basalganglien und damit des zentralen Nervensystems (Empfehlungen Nr. 8.5.3, S. 683, Nr. 8.6, S. 684), also eine neurologische Erkrankung (Empfehlungen Nr. 8.5.1, S. 682). Sie ist - so die Empfehlungen (Nr. 8.5.3, S. 683) - klar namentlich von muskuloskelettalen und peripher-neurologischen Erkrankungen bei Musikern, die durch mechanische Überbeanspruchung verursacht werden können (sog. "overuse syndrom"), abzugrenzen. Das "overuse syndrom" ist durch das frühzeitige Auftreten von Schmerzen gekennzeichnet, das bei den Dystonien gar nicht oder erst später durch die Fehlstellung der Extremität auftritt (Empfehlungen a.a.O.). Die fokale Dystonie des professionellen Instrumentalmusikers ist ein eigenständiges Krankheitsbild. Sie kann zwar von anderen Bewegungsstörungen, z.B. Tremor, begleitet werden und auch familiär gehäuft auftreten, sie ist jedoch nicht Teil eines übergeordneten Syndroms (Empfehlungen Nr. 6, S. 676). Von der Musikerdystonie als primärer Dystonie sind somit die sekundären Dystonien abzugrenzen, bei denen dystone Symptome im Rahmen einer Grunderkrankung auftreten (Empfehlungen Nr. 8.1, S. 678).

Nach diesen Maßstäben kann sich der Senat - wie auch bereits das SG im Rahmen seiner Prüfung einer entsprechenden Wie-BK - nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin eine fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems im dargelegten Sinne der BK 2115 vorliegt.

Der Senat zweifelt nicht daran, dass die Klägerin an einem Tremorsyndrom im Bereich der rechten oberen Extremität leidet. Dieses ist sowohl von den nach § 109 SGG bestellten Sachverständigen Prof. Dr. A. (Bl. 101 SG-Akte) und Prof. Dr. B. (Bl. 147 SG-Akte), als auch dem Gutachter Prof. Dr. Dr. D. (Bl. 322 VA) und den die Klägerin behandelnden Ärzten Prof. Dr. S. (Bl. 1 VA), Prof. Dr. B.(Bl. 155 VA) und Dr. Dr. B. (Bl. 174 VA) diagnostiziert worden.

Indes ist damit noch nicht der Nachweis erbracht, dass es sich bei den bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen im Bereich der oberen rechten Extremität um eine fokale Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems im oben dargelegten Sinne handelt. Dies haben weder die gerichtlichen Sachverständigen noch der Gutachter Prof. Dr. Dr. D. nachvollziehbar dargelegt; auch aus den Äußerungen der behandelnden Ärzte der Klägerin lässt sich Derartiges nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Überzeugungskraft ableiten.

In seinem Arztbrief von Oktober 2008 (Bl. 165 VA) hat Prof. Dr. A. bei der Klägerin ausdrücklich einen - wegen Vorhandenseins der Tremorstörung auch in der Pantomime - nicht aufgabespezifischen Tremor des rechten Armes bei chronischen Verspannungsschmerzen im Bereich der Schulter-Nacken-Region beschrieben, was der Annahme einer fokalen Dystonie i.S.d. BK 2115 entsprechend der obigen Ausführungen entgegensteht.

Aus seinem späteren Sachverständigengutachten lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Bei der dortigen neurologischen Untersuchung der Klägerin hat sich im Bereich der Motorik ein grobschlächtiger, irregulärer und durch bewusste Kontrolle unterdrückbarer Tremor in der rechten Hand als Halte- und Intentionstremor gezeigt (Bl. 95 SG-Akte). Andere Tremorformen sind nicht nachweisbar, der übrige neurologische Befund im Bereich der Hirnnerven, der Muskeleigenreflexe, der Sensibilität und der Koordination ist unauffällig gewesen. Eine Erkrankung der Basalganglien hat der Sachverständige nicht beschrieben, sondern ist auf der Grundlage einer schmerzhaften Schultersteife rechts mit kernspintomographisch nachgewiesener Verengung des subakromialen Raumes sowie eines belastungsabhängigen Schmerzsyndroms von einem aktionsspezifischen fokalen Tremor des rechten Armes ausgegangen, den er "mit höchster Wahrscheinlichkeit" sekundär auf das chronische Schmerzsyndrom und die Gelenksbeweglichkeitseinschränkung zurückgeführt hat (Bl. 96 und 100 f. SG-Akte). In seiner zusammenfassenden Beurteilung hat er nochmals ausgeführt, dass die Klägerin seit 1990 zunehmend belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der Schulter-Nackenregion rechtsbetont entwickelt hat und in der Folge ein unwillkürliches Zittern des rechten Armes beim Bogenstreichen entstanden ist, welches er als sekundäre Folge der chronischen Schmerzerkrankung und somit als mittelbar berufsbedingte Erkrankung eingestuft hat (Bl. 97 SG-Akte). Als ursprüngliche Ursache des Tremors hat er ausdrücklich Verspannungen und Schmerzen bezeichnet (Bl. 100 SG-Akte). Diese Einschätzung hat er auch in seiner ergänzenden Stellungnahme von Februar 2017 bestätigt (Bl. 213 SG-Akte). Ob das Tremorsyndrom (mittelbar) auf die berufliche Tätigkeit der Klägerin als Bratscherin zurückzuführen ist, ist vorliegend jedoch irrelevant, da dies nicht die Feststellung einer fokalen Dystonie i.S.d. BK 2115 (dazu oben) ersetzt. Eine solche Feststellung vermag der Senat in Ansehung des Arztbriefes von Oktober 2008 und auf Grund des Gutachtens des Prof. Dr. A. aber nicht zu treffen, weil sich daraus eine fokale, aufgabenspezifische (primäre) Musikerdystonie mit Erkrankung der Basalganglien und damit des zentralen Nervensystems gerade nicht überzeugend ableiten lässt.

Soweit Prof. Dr. A. in seinem Schreiben an die Klägerin von April 2017 (Bl. 21 f. LSG-Akte) nunmehr von einer "Sonderform der fokalen Musikerdystonie (fokaler Bogentremor)" bzw. von einem "aufgabenspezifischen Bogentremor" ausgegangen ist, hat er auch insoweit (weiterhin) eine Erkrankung der Basalganglien bei der Klägerin nicht beschrieben und sich auch nicht nachvollziehbar mit seinen Ausführungen im Gutachten und im Arztbrief von Oktober 2008 auseinandergesetzt, obgleich er einen (zwischenzeitlich) "eher gebesserten" Zustand angenommen hat. Nicht nachvollziehbar ist auch, dass er nunmehr die chronische Schmerzsymptomatik als (lediglich) "zu Beginn der Erkrankung ausgeprägt vorhanden" bzw. den Tremor dadurch "nur" verstärkt bezeichnet hat, obgleich er noch in seinem Gutachten von Mitte 2015 - wie oben dargelegt - auf das chronische Schmerzsyndrom in Verbindung mit der Schultersteife maßgeblich und richtungweisend abgestellt hat. Sein erneuter Hinweis, der Tremor der Klägerin sei "in jedem Fall" beruflich bedingt, hilft - wie ebenfalls oben bereits dargelegt - vorliegend nicht weiter.

Aus dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. B. lässt sich für das Begehren der Klägerin ebenfalls nichts Günstiges herleiten. Der Sachverständige hat auf seinem Fachgebiet einen Restzustand nach schmerzhafter Schultersteife rechts mit endgradiger Bewegungsreduktion in Abduktion, Elevation, Außen- und Innenrotation sowie einen Zustand nach subacromialer Dekompression und Bursektomie rechts 2008 ohne wesentliche Arthrosebildung diagnostiziert. Soweit er auf neurologischem Fachgebiet diagnostisch einen "aktionsspezifischen fokalen Tremor des rechten Armes infolge von berufsspezifischer Überlastung bei chronischem Schmerzsyndrom" angenommen hat, hat er diesbezüglich namentlich auf das - für ihn insoweit fachfremde - Gutachten des Prof. Dr. A. Bezug genommen (s. Bl. 124, 145 SG-Akte), sodass hier auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann. Nur am Rande merkt der Senat an, dass Prof. Dr. B. bei seiner grobneurologischen Untersuchung der Klägerin keine Hinweise auf neurologische Ausfälle gefunden hat (Bl. 133 SG-Akte).

Auch aus dem bereits im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten des Prof. Dr. Dr. D. lassen sich die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2115 nicht ableiten. Prof. Dr. Dr. D. konnte bereits - wie auch Prof. Dr. A. in seinem oben genannten Arztbrief - einen aufgabenspezifischen Tremor nicht feststellen und diagnostizierte im Gegenteil einen nicht aufgabenspezifischen fokalen Tremor im rechten Bogenarm und chronische Verspannungsschmerzen im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur sowie der Extensorengruppe am rechten Unterarm (Bl. 322 VA). Sichere Hinweise auf eine über das Tremorsyndrom hinausgehende fokale Dystonie vermochte er gerade nicht zu sehen (Bl. 323 VA).

Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus den Äußerungen bzw. beigezogenen Unterlagen der die Klägerin behandelnden Ärzte.

Prof. Dr. S. diagnostizierte im Juli 2008 ein Schmerzsyndrom des Nackens und der rechten Schulter mit Ausstrahlung in den rechten Arm (Bl. 152 VA). Ihr gegenüber berichtete die Klägerin anamnestisch über starke Schmerzen im Nacken- und rechten Schulterbereich mit Ausstrahlung in den rechten Arm, was beim Bratschespielen zu ruckartigen Bewegungen beim Streichen im rechten Bogenarm führe (Bl. 152 VA). Im Februar 2011 diagnostizierte Prof. Dr. S. ein beim Bogenspiel des rechten Arms auftretendes Tremorsyndrom, chronische Schmerzen und Verspannungen im Bereich des Nackens und der rechten Schulter mit Ausstrahlung in den rechten Arm sowie eine Angstsymptomatik im Rahmen einer realbedingten Auftrittsangst (Bl. 1 VA). Das Symptombild wurde im Vergleich zur Untersuchung im Juli 2008 als unverändert beschrieben. Einen unabhängig von den Schulter- und Nackenschmerzen bestehenden, als Erkrankung des zentralen Nervensystems zu erfassenden Tremor im Sinne einer aufgabenspezifischen primären fokalen Dystonie nach der BK 2115 lässt sich diesen Berichten nicht entnehmen.

Prof. Dr. B. diagnostizierte ausweislich seines Arztbriefes von August 2008 zwar ein aktionsspezifisches Tremorsyndrom des rechten Armes, gleichzeitig jedoch auch ein pseudoradikuläres Schmerzsyndrom der rechten oberen Extremität (Bl. 155 VA). Die durchgeführte Oberflächen-EMG-Ableitung zeigte zudem eine reziproke Aktivierung in Oberarmbeuger und -strecker sowie Unterarmbeuger und -strecker, sodass keine Cokontraktionen resultierten und auch keine eindeutige dystone Komponente entstand (Bl. 155 VA).

Auch dieser Bericht ist mithin nicht geeignet, dem Senat die erforderliche Überzeugungskraft zu vermitteln, dass bei der Klägerin eine fokale Dystonie i.S.d. BK 2115 nachgewiesen ist. Nur am Rande merkt der Senat an, dass Prof. Dr. A. in seinem Arztbrief von Oktober 2008 (s.o.) gerade auf den Arztbrief des Prof. Dr. B. Bezug nahm und im Anschluss daran - wie dargelegt - einen nicht aufgabenspezifischen fokalen Tremor diagnostizierte. Ein entsprechender Nachweis ergibt sich auch nicht aus dem Arztbrief des Dr. Dr. B. (Bl. 173 f. VA), der bei der Klägerin im Oktober 2009 einen beginnenden Haltetremor der rechten Hand, "offensichtlich" essentieller/familiärer Genese mit möglichen psychosomatischen und insbesondere möglichen orthopädischen Komponenten (seitens der stattgehabten Schulteroperation und des leichten, nicht operationspflichtigen KTS rechts) diagnostizierte, "offensichtlich" besonders manifestiert durch die spezifische habituelle Überlastung (Bl. 174 VA). Nämliches gilt hinsichtlich seiner "nervenfachärztlichen Stellungnahme" von April 2011 (Bl. 175 VA), in der er im Hinblick auf den Tremor lediglich den Verdacht auf eine "Berufserkrankung" bei spezifischer langjähriger Überlastung durch die Bogenführung des rechten Armes beim Bratschespiel äußerte.

Schließlich rechtfertigen auch die im Berufungsverfahren vorgelegten "Atteste" des Allgemeinmediziners Dr. K. (Bl. 23, 33 LSG-Akte) keine andere Beurteilung. Zum einen hat er keine entsprechenden objektiv-klinischen, neurologischen Befunde mitgeteilt, die auf eine Erkrankung der Basalganglien und damit des zentralen Nervensystems hindeuten würden - und solche ergeben sich auch nicht aus der bei ihm beigezogenen Patientenakte (soweit dort die vorstehend dargestellten ärztlichen Äußerungen enthalten sind, hat diese der Senat oben bereits gewürdigt) - zum anderen ist schon nicht ersichtlich, dass Dr. K. über eine besondere Kompetenz auf neurologischem Fachgebiet verfügt. Wie bereits auf der Grundlage der Empfehlungen (Nr. 8.5.1, S. 682) dargelegt, steht vorliegend ein neurologisches Krankheitsbild zur Prüfung. Insoweit hat Dr. K. in seinem Übersendungsschreiben (Bl. 35 LSG-Akte) auch eingeräumt, dass die "Diagnose einer fokalen Dystonie" auswärts fachärztlich gestellt worden sei. Unabhängig davon genügt die Diagnose einer (bloßen) fokalen Dystonie gerade nicht zur Anerkennung einer BK 2115, wenn sie sich nicht als Erkrankung des zentralen Nervensystems im oben dargelegten Sinne darstellt; ebenso wenig genügt die pauschale Angabe des Dr. Küstermann, die Klägerin habe "unter Symptomen, wie sie bei Bratschistinnen in typischer Weise zu beobachten seien" gelitten.

Unter Zugrundelegung all dessen kann sich die Klägerin mithin nicht mit Erfolg auf die Einschätzung der genannten Ärzte berufen. Ob ihre Funktionsstörungen als "berufsbedingt" anzusehen sind, ist gerade nicht hinreichend für die Annahme der allein noch streitigen BK 2115 (s.o.).

Soweit sie mit ihrem Rechtsmittel noch (pauschal) gemeint hat (vgl. Bl. 18 LSG-Akte), Prof. Dr. Dr. K. habe in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage von November 2012 nicht ausgeschlossen, dass die bei ihr bestehenden Störungen als aktionsspezifisches Tremorsyndrom einzuordnen seien (vgl. Bl. 485 VA), ist dies bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil Prof. Dr. Dr. K. die Annahme einer Wie-BK auf der Grundlage eines Tremorsyndroms gerade explizit verneinte (s. Bl. 486, 487 VA). Unabhängig davon erschließt sich dem Senat nicht, welcher zusätzliche Erkenntnisgewinn aus seiner Stellungnahme (nach Aktenlage) in Ansehung der später stattgehabten Begutachtungen durch Prof. Dr. A. und Prof. Dr. B. und der Einfügung der in Rede stehenden Listen-BK folgen sollte.

Soweit die Klägerseite schließlich noch (wiederum nur pauschal) auf die Ausführungen in den Empfehlungen (dort Nr. 8.5.3, S. 683) zur (abstrakten) Diskussion der Entstehung einer fokalen Handdystonie, auch im Zusammenhang mit der Bedeutung von Umweltfaktoren für die Pathogenese der fokalen Dystonie bzw. einer Interdependenz zwischen lokalen Beschwerden und einer späteren Entwicklung einer fokalen Dystonie, verwiesen hat (vgl. Bl. 19 LSG-Akte), ändert dies nichts daran, dass das Krankheitsbild einer fokalen Dystonie als Erkrankung des zentralen Nervensystems bei Instrumentalmusikern durch feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität i.S.d. BK 2115 bei der Klägerin entsprechend der obigen Ausführungen gerade nicht nachgewiesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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