L 6 R 283/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 31 R 36/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 283/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. August 2017 abgeändert: Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2010 wird nur insoweit aufgehoben, als er die Klägerin zu einer über den Betrag von 102,26 EUR hinausgehenden Erstattung verpflichtet.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu acht Neuntel in beiden Instanzen.

IV. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung überzahlter Rentenleistungen in Höhe von 961,68 EUR streitig.

Die Klägerin ist die Tochter der 1933 geborenen Versicherten E. E. (geb. F.), die von der Beklagten zuletzt Regelaltersrente aus eigener Versicherung und Witwenrente aus der Versicherung des G. E. erhielt. Beide Renten wurden auf das Konto der Versicherten Nr. xxx1 bei der H-Stadter Sparkasse überwiesen.

Ausweislich der aktenkundigen griechischen Sterbeurkunde verstarb die Versicherte am xx. Dezember 2009 in Griechenland, wovon die Beklagte am 4. Januar 2010 telefonisch unterrichtet wurde. Für die Monate Januar bis März 2010 zahlte die Beklagte Rentenleistungen (Altersrente) von insgesamt 1.486,38 EUR auf das Konto der Versicherten (Zahlungseingänge am 30. Dezember 2009, 29. Januar 2010 und 26. Februar 2010 in Höhe von jeweils 495,46 EUR). Die Witwenrente für Januar 2010 in Höhe von 519,06 EUR ging am 30. Dezember 2009 auf dem Konto der Versicherten ein. Auf das entsprechende Rückforderungsersuchen teilte die H-Stadter Sparkasse am 17. März 2010 unter Auflistung der Kontobewegungen in der Zeit vom 30. Dezember 2009 bis 1. März 2010 mit, für eine komplette Rückzahlung reiche das Guthaben nicht aus. Es stehe lediglich ein Betrag in Höhe von 992,12 EUR zur Verfügung. Diesen Betrag überwies die H-Stadter Sparkasse an die Beklagte zurück. Aus den aufgelisteten Kontobewegungen ergaben sich unter anderem Abhebungen am Geldautomaten mit der Karte der Versicherten in Höhe von 505,00 EUR am 4. Januar 2010 und 405,00 EUR am 5. Januar 2010. Im Übrigen teilte die H-Stadter Sparkasse mit, verfügungsberechtigt über das Konto sei die Klägerin. Aufgrund der überzahlten Witwenrente hatte der Renten-Service der Deutschen Post AG bereits im Januar 2010 ein Rückforderungsersuchen an die H-Stadter Sparkasse gerichtet, das diese mit Datum vom 22. Januar 2010 dahingehend beantwortete, die Kontodeckung reiche nicht aus und es könne lediglich ein Betrag von 40,91 EUR zurückgezahlt werden. Über kontoverfügungsberechtigte Personen machte die H-Stadter Sparkasse keine Angaben.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2010 forderte die Beklagte die Klägerin zur Erstattung eines Betrages von 961,68 EUR auf und teilte mit, die Rente sei bis zum 31. März 2010 gezahlt worden, obwohl diese zum 31. Dezember 2009 hätte wegfallen müssen. An Versichertenrente sei ein Gesamtbetrag von 1.486,38 EUR geleistet worden. Abzüglich des zurückgeflossenen Betrages von 992,12 EUR sowie abzüglich der Beitragsanteile zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Höhe von 4,20 EUR und 1,04 EUR verbleibe ein Betrag von 489,02 EUR. Die Witwenrente sei für den Monat Januar 2010 in Höhe von 519,06 EUR überzahlt worden. Abzüglich eines zurückgeflossenen Betrages von 40,91 EUR sowie der Beitragsanteile zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Höhe von 4,40 EUR und 1,09 EUR ergebe sich ein Erstattungsbetrag von 472,66 EUR. Zusammen mit der überzahlten Versichertenrente errechne sich ein Gesamtbetrag von 961,68 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte gestützt auf § 118 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) aus, nach den getroffenen Feststellungen habe die Klägerin die überzahlten Rentenbeträge in Empfang genommen bzw. über sie verfügt.

Einen gleichlautenden Bescheid erließ die Beklagte gegenüber der Klägerin unter dem 6. Juli 2010. Zur Begründung verwies sie erneut darauf, die Klägerin habe die überzahlten Rentenbeträge in Empfang genommen bzw. über sie verfügt. Außerdem sei sie Erbin der Verstorbenen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch am 14. Juli 2010 und machte geltend, sie weise die Erstattungsforderung zurück und erkläre eidesstattlich, dass sie den geforderten Betrag nicht in Empfang genommen habe. Sie habe keinerlei Zugang und Berechtigung bzw. Kontovollmacht gehabt, dieses Geld vom Konto ihrer verstorbenen Mutter abzuheben. Außerdem sei das Geld in Griechenland von der Bank abgehoben worden und zu dieser Zeit habe sie sich nicht dort aufgehalten. Vielmehr habe ihr in Griechenland wohnender Stiefbruder, J. E., den Betrag von 961,68 EUR von der Bank abgehoben. Die Beklagte möge sich an ihn wenden.

Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 26. Juli 2010 mit, sie werde sich nunmehr zunächst an Herrn J. E. wenden. Sofern dieser die Schuld begleiche, entfalle ihre Erstattungspflicht. Nach Anhörung mit Schreiben vom selben Tag forderte die Beklagte mit nachfolgendem Bescheid vom 22. September 2010 den Bruder der Klägerin zur Zahlung des Betrages von 961,68 EUR auf. Dieser verwies mit Schreiben vom 28. September 2010 darauf, es liege ein Missverständnis vor. Er habe nicht gewusst, dass seine Mutter die Rente im Voraus erhalten habe, sonst hätte er die Überzahlung nicht in Empfang genommen. Er sei selbstverständlich bereit, den Betrag von 961,68 EUR zurückzuzahlen. Dies sei ihm allerdings aktuell finanziell nicht möglich, da er ohne Einkommen sei. Die Beklagte forderte daraufhin Herrn J. E. mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 auf, einen angemessenen Ratenzahlungsvorschlag zu unterbreiten. Hierauf antwortete Herr E. mit Schreiben vom 19. Oktober 2010 dahingehend, er sei arbeitslos und habe auch sonst kein Einkommen, sodass er keinen Ratenzahlungsvorschlag unterbreiten könne.

Durch Widerspruchsbescheid 17. Dezember 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Rente habe der Versicherten nur bis zum Ablauf des Kalendermonats Dezember 2009 zugestanden. Gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI seien unter anderem Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen hätten, als Verfügende dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung verpflichtet. Nach der Aktenlage sei eindeutig, dass die Klägerin verfügungsberechtigt über das Konto der verstorbenen Versicherten gewesen sei. Sie habe als Verfügende zugelassen, dass von einem Geldausgabeautomaten mit der Karte ihrer Mutter abgehoben worden sei. Dementsprechend sei sie zur Erstattung verpflichtet. Darüber hinaus sei die Klägerin Erbin, zumindest habe sie keine Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorgehe, dass sie keine Erbin sei. Dies habe sie auch nicht geltend gemacht. Als Erbin hafte sie als Gesamtschuldnerin. Rechtsgrundlage für die Pflicht zur Erstattung sei § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), wonach unter anderem § 45 SGB X entsprechend gelte. In Anwendung von § 45 Abs. 2 SGB X könne sich die Klägerin nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, da dem Erben regelmäßig bekannt sei, dass mit dem Tod des Rentners für den Folgemonat kein Rentenanspruch mehr bestehe und dass die ohne Rechtsgrund erfolgte Rentenzahlung zurückgefordert werde. Im Rahmen des begrenzt auszuübenden Ermessens sei berücksichtigt worden, dass die Klägerin den überzahlten Betrag nicht in Empfang genommen habe, der Bruder angegeben habe, dass er nicht in der Lage sei, den überzahlten Betrag zurückzuzahlen, die Klägerin sowohl als Verfügende wie auch als Erbin gesamtschuldnerisch zur Rückzahlung verpflichtet sei und es der Versichertengemeinschaft nicht zuzumuten sei, für den überzahlten Betrag zu haften. Aus allem ergebe sich, dass die Klägerin verpflichtet sei, den Betrag von 961,68 EUR zu erstatten.

Mit der am 13. Januar 2011 zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage hat sich die Klägerin erneut gegen die Erstattungsforderung gewandt und ausgeführt, die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt, dass sie über die streitgegenständlichen Beträge nicht verfügt habe. Dementsprechend komme ein Anspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI nicht in Betracht. Auch eine Erbenhaftung bestehe nicht, denn die streitgegenständlichen Beträge fielen nicht in die Erbschaft und könnten deshalb auch nicht von dem Erben zurückgefordert werden. Es hätten auch keine Überzahlungen zu Lebzeiten der Versicherten bestanden, sodass entsprechende Rückforderungsansprüche nicht hätten vererbt werden können. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sie zu keinem Zeitpunkt verfügungsberechtigt gewesen sei. Insoweit müsse auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestellt werden. Danach habe die Bankvollmacht nur dem Zweck gedient, von einem Sparbuch im ausdrücklichen Auftrag der Versicherten gelegentlich Gelder abzuheben, um diese dann auf das Girokonto einzuzahlen, damit die Versicherte hierüber habe verfügen können. Etwaige Verfügungen auf dem Girokonto habe sie zu keinem Zeitpunkt vornehmen dürfen. Insoweit seien die Verhältnisse im Innenverhältnis zwischen der Versicherten und ihr maßgeblich und nicht der Umfang der Vollmacht gegenüber der kontoführenden Bank. Auf Nachfrage des Sozialgerichts teilte die Klägerin mit, sie habe am Todestag durch einen Anruf aus Griechenland erfahren, dass ihre dort wohnende Mutter verstorben sei. Über deren finanzielle Belange sei ihr nichts bekannt gewesen. Die Bankgeschäfte habe ihr Bruder, J. E., der ebenfalls Mitglied der Erbengemeinschaft sei, getätigt. Eine Erbenhaftung komme nicht in Betracht, hierbei berief sich die Klägerin auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 (B 5 R 25/13 R).

Demgegenüber hat die Beklagte unter Bezugnahme auf den rechtlichen Hinweis des Sozialgerichts vom 1. Februar 2016 ihre Auffassung verteidigt, dass die Klägerin auch als Erbin hafte, wie sich dies aus § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI ergebe. Dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 komme über den Einzelfall hinaus keine Wirkung zu. Die darin vertretene Auffassung widerspreche dem Willen des Gesetzgebers. Im Übrigen hat sie an ihrer Auffassung festgehalten, dass die Klägerin auch als Verfügungsberechtigte gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI hafte, weil sie sich nicht darauf hätte verlassen dürfen, dass ihr Bruder die Angelegenheiten ordnungsgemäß regele. Aufgrund ihrer Verfügungsberechtigung hätte sie selbst dafür Sorge tragen müssen, dass gegebenenfalls nach dem Tod zu Unrecht eingegangene Leistungen zurückgezahlt werden könnten.

Das Sozialgericht hat durch Gerichtsbescheid vom 8. August 2017 der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2010 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, soweit die Beklagte die Klägerin nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI als Verfügende in Anspruch genommen habe, weil sie die Verfügung durch ihren Bruder zugelassen habe und sie verfügungsberechtigt über das Konto gewesen sei, sei dem nicht zu folgen. Die Klägerin habe nicht aktiv selbst über die überzahlte Rente verfügt. Eine Haftung aus dem Zulassen eines banküblichen Geschäfts erfordere ein pflichtwidriges Unterlassen. Erforderlich seien gebotene, aber pflichtwidrig unterlassene Handlungen, durch die Verfügungen Dritter über das Konto hätten verhindert werden können, wie zum Beispiel im Falle der Sperrung des Kontos. Ein derartiges pflichtwidriges Verhalten der Klägerin liege jedoch nicht vor. Die Beklagte habe keine Anhaltspunkte vorgetragen und aus der Akte seien solche auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin sich nicht auf eine Regelung der Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze durch ihren Bruder hätte verlassen dürfen. Vielmehr habe für die Klägerin keinerlei Anlass zur Besorgnis bestanden, dass der Bruder von der überzahlten Rente Geld abheben werde. Dementsprechend könne die nicht erfolgte Sperrung des Kontos auch nicht als pflichtwidriges Unterlassen angesehen werden. Eine Erbenhaftung entfalle ebenfalls, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf das Urteil vom 3. April 2014 a.a.O.) Leistungen nur von demjenigen zurückgefordert werden könnten, der sie zu Unrecht erhalten habe. Hier habe nicht die Klägerin, sondern deren Bruder die überzahlten Rentenleistungen erhalten.

Gegen den der Beklagten am 9. August 2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich ihre am 16. August 2017 zum Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass ein Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin aufgrund von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI bestehe, weil sie insoweit als Verfügende anzusehen sei. Die Klägerin sei über das Bankkonto, auf das die überzahlten Rentenleistungen geflossen seien, verfügungsberechtigt gewesen. Auch wenn sie die überzahlten Rentenleistungen nicht erhalten habe, sei sie doch als Verfügende im Sinne dieser gesetzlichen Vorschrift anzusehen. Soweit dies allein noch nicht für eine Inanspruchnahme ausreiche, müsse jedoch berücksichtigt werden, dass die Klägerin durch pflichtwidriges Unterlassen bewirkt habe, dass Gelder vom Bankkonto abgeflossen seien. Die Ausführungen des Sozialgerichts, es habe keinen begründeten Anlass gegeben, sich um das Bankkonto zu kümmern, überzeugten nicht, auch wenn der Bruder als vertrauenswürdig anzusehen sei. Aus der Auskunft der H-Stadter Sparkasse vom 17. März 2010 ergebe sich, dass noch nach dem Todeszeitpunkt der Verstorbenen, am xx. Dezember 2009, ein Dauerauftrag zu Lasten des Kontos ausgeführt worden sei, welchen die Klägerin höchstpersönlich in Auftrag gegeben habe. Sie habe mithin Zugriffsmöglichkeiten auf das Konto gehabt und diese auch genutzt, sodass der Klägerin ihre besondere Verantwortlichkeit für das Konto klar gewesen sein müsse. Deshalb habe sie sich nicht auf ihren Bruder verlassen dürfen.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. August 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, für eine von der Beklagten geltend gemachte besondere Verantwortlichkeit für das Konto sei eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Es ergebe sich aus den Verwaltungsakten auch nicht, dass sie nach dem Todeszeitpunkt einen Dauerauftrag eingerichtet habe.

Demgegenüber repliziert die Beklagte, aus der Auskunft der Bank ergebe sich eindeutig, dass aufgrund eines von der Klägerin veranlassten Dauerauftrags Gelder vom Bankkonto abgeflossen seien. Es sei ohne Bedeutung, wann dieser Dauerauftrag errichtet worden sei. Indem die Klägerin ihn nicht storniert habe, habe sie den Abfluss von Rentenzahlungen bewirkt, die nicht mehr zugestanden hätte und es liege das Zulassen eines banküblichen Zahlungsgeschäfts im Sinne von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI vor.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft der H-Stadter Sparkasse vom 18. Februar 2020 nebst Kontounterlagen und -auszügen betreffend das Girokonto Nr. xxx1 sowie das Sparkonto Nr. xxx2. Aus der Auskunft ergibt sich, dass bei der Sparkasse hinsichtlich des Girokontos eine Verfügungsberechtigung (allein) der Klägerin über den Tod hinaus und hinsichtlich des Sparkontos eine Verfügungsberechtigung sowohl der Klägerin als auch des Herrn J. E. jeweils über den Tod hinaus in den Unterlagen vermerkt ist. Zu der Verfügungsberechtigung über das Girokonto hat die Sparkasse das entsprechende Dokument, unterschrieben von der Versicherten und der Klägerin am 5. Mai 1993, in Kopie vorgelegt. Ebenso hat sie ein Dokument "Dauerauftrag-Änderung" vom 20. Juli 2001 in Kopie vorgelegt, das einen monatlichen Überweisungsauftrag in i.H.v. 200,00 DM zu Lasten des Kontos Nr. xxx3 und zu Gunsten des Kontos Nr. xxx2 ausweist. Unterschrieben ist das Formular von der Versicherten selbst.

Die Beteiligten haben hierzu widerstreitend mit Schriftsätzen vom 20. April 2020 und 19. Mai 2020 (Beklagte) sowie vom 14. Mai 2020 (Klägerin) vorgetragen, auf deren Inhalt verwiesen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) sowie form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, aber überwiegend unbegründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. August 2017 ist lediglich zu beanstanden, soweit es auf die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 SGG den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2010 (§ 95 SGG) gänzlich aufgehoben hat. Denn die Klägerin ist verpflichtet, der Beklagten einen Betrag von 102,26 EUR zu erstatten. Soweit die Erstattungsforderung hierüber hinausgeht, ist der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI. Erstattungsansprüche wie den hier streitigen hat der Rentenversicherungsträger gemäß § 118 Abs. 4 S. 2 SGB VI durch Verwaltungsakt geltend zu machen, wie dies durch die zum 29. Juni 2002 erfolgte Gesetzesänderung klargestellt worden ist.

Der Bescheid vom 6. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2010 ist materiell (teilweise) rechtswidrig. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Klägerin auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 SGB VI zur Erstattung von überzahlten Rentenleistungen in Höhe von 961,68 EUR heranzuziehen. Vielmehr beschränkt sich ihr Erstattungsanspruch auf 102,26 EUR.

Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind gemäß § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI trägt dabei dem öffentlichen Interesse Rechnung, dass Rentenzahlungen, die von Dritten zu Unrecht empfangen oder über die Dritte gegenüber dem Rentenversicherungsträger zu Unrecht verfügt haben, von dem Empfänger oder Verfügenden zurückerstattet werden (vgl. Pflüger in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand: 30. Juni 2020, § 118 Rn. 39). Dieser Gesetzeszweck gebietet grundsätzlich eine möglichst weitgehende Auslegung der Begriffe "Empfänger" und "Verfügender" im Sinne von § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI.

Auch daran gemessen sind vorliegend die Voraussetzungen des § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI überwiegend nicht erfüllt und die Erstattungspflicht beschränkt sich auf den tenorierten Betrag von 102,26 EUR. Die Rentenleistungen (Altersrente und Witwenrente), die nach dem Tod der Versicherten am 28. Dezember 2019 deren Girokonto gutgeschrieben wurden (Buchungstage der Altersrente in Höhe von jeweils 495,46 EUR am 30. Dezember 2009, 29. Januar 2010 und 26. Februar 2010 sowie der Witwenrente in Höhe von 519,06 EUR am 30. Dezember 2009, gesamt 2.005,44 EUR), sind zwar zu Unrecht erbracht worden, weil der Rentenbezug der Versicherten infolge ihres Todes zum xx. Dezember 2009 endete (§ 102 Abs. 5 SGB VI) und die Beklagte daher für die Monate ab Januar 2010 vorschüssig (vgl. § 272a Abs. 1 S. 1 SGB VI) keine Alters- und Witwenrente mehr zu zahlen gehabt hätte. Unter Berücksichtigung der erfolgten Rückbuchungen in Höhe von 992,12 EUR und 40,91 EUR sowie unter Abzug der Beitragsanteile zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung verblieb ein zu Unrecht erbrachter Betrag von 961,68 EUR, der vorliegend streitig ist.

Die Klägerin ist jedoch nicht zur Erstattung über den Betrag von 102,26 EUR hinaus verpflichtet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Klägerin zunächst nicht als Verfügende im Sinne des § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI angesehen werden. Die Voraussetzungen, dass der Betreffende Verfügender im Sinne dieser Vorschrift ist, müssen im Vollbeweis vorliegen (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Dezember 2015, L 8 R 935/11). Verfügende sind Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (§ 118 Abs. 4 S. 1 HS. 2 SGB VI), was mehr als nur die Verfügungsberechtigung über das Konto voraussetzt. Der Verfügende muss dem Geldinstitut gegenüber wirksam zu Lasten des Kontos verfügt, also Rechtsgeschäfte vorgenommen (oder zugelassen) haben, die unmittelbar darauf gerichtet waren, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben. In Betracht kommt insofern jeder berechtigte Dritte, jedoch auch der Rentner vor seinem Ableben und der Kontoinhaber, der den Kontostand unter einen der überzahlten Rentenleistung entsprechenden Betrag gesenkt hat, so dass im Zeitpunkt der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers kein ausreichendes Guthaben vorhanden war (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2012, B 13 R 105/11 R m.w.N.). Davon ausgehend ist der Vortrag der Beklagten durch die Beweiserhebung des Senats widerlegt, die Klägerin habe einen Dauerauftrag veranlasst, der zum Abfluss entsprechender Gelder von dem Konto geführt habe. Gemeint ist der Dauerauftrag, aufgrund dessen monatlich 102,26 EUR von dem Girokonto xxx1 auf das Sparkonto der Versicherten xxx2 gebucht worden sind, zuletzt am xx. Dezember 2009, mithin zwei Tage nach dem Tod der Versicherten. Die von der H Stadter Sparkasse beigezogenen Kontounterlagen weisen aus, dass der Dauerauftrag von der verstorbenen Versicherten selbst am 20. Juli 2001 errichtet bzw. geändert worden ist. Das entsprechende Formular ist von der Versicherten selbst unterschrieben und erstreckt sich auf eine Belastung des Kontos xxx1 (Girokonto) mit monatlich 200,00 DM zu Gunsten des Kontos xxx2 (Sparkonto). Dieser Betrag ergibt umgerechnet in Euro 102,26 EUR, die seither und letztmals am xx. Dezember 2009 umgebucht worden sind. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin gerade nicht Verfügende dieses Dauerauftrags (gewesen) ist. Ebenfalls steht fest, dass die Angabe der H-Stadter Sparkasse in der "Antwort zum Rückforderungsersuchen" (Bl. 196 der Verwaltungsakte) unzutreffend ist: "102,26 xx.xx. 2009 Dauerauftrag E. E. Kto. xxx2 BLZ xxx4, verfügt von diesem Konto durch Frau A. A. ". Insoweit kommt der Ablichtung des Originaldokuments der höhere Beweiswert zu als die im Antwortformular an die Beklagte offensichtlich unzutreffend gemachten Angaben. Mithin beruhen alle diesbezüglichen Kontoabflüsse auf einem Dauerauftrag, den die Versicherte selbst gezeichnet hat, so dass sie auch insoweit die Verfügende war.

Eine Haftung der Klägerin für den nach dem Tod der Versicherten im Rahmen des Dauerauftrags abgeflossen Betrag von 102,26 EUR kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Zulassens eines banküblichen Zahlungsgeschäfts in Betracht (Anwendung von § 118 Abs. 4 S. 1 HS. 2 Alt. 2 SGB VI). Denn für die Haftung für den Erstattungsanspruch reicht die alleinige Verfügungsberechtigung über das Konto nicht aus. Vielmehr muss hinzukommen, dass der Inhaber der Kontovollmacht pflichtwidrig und vorwerfbar das bankübliche Zahlungsgeschäft zugelassen bzw. unterlassen hat, es zu unterbinden (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012, a.a.O.; ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. November 2018, L 3 R 716/17). Daran mangelt es hier. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Versicherte am xx. Dezember 2009 in Griechenland verstorben und der zum Abfluss von 102,26 EUR führende Dauerauftrag (letztmals) am xx. Dezember 2009 und damit gerade zwei Tage später ausgeführt worden ist. Die Klägerin ist zwar noch am xx. Dezember 2009 telefonisch von dem Tod ihrer Mutter unterrichtet worden, ihr kann jedoch nicht als Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden, dass sie den Dauerauftrag nicht am Todestag oder am Tag danach, am xx. Dezember 2009, storniert hat. Es liegt auf der Hand, dass ab Erhalt der Todesnachricht mit Priorität eine Fülle von Aufgaben und Formalitäten von ihr (und ihrem Bruder) zu erledigen waren, so dass die Annahme eines vorwerfbaren Unterlassens im Hinblick darauf, dass der Dauerauftrag nicht in den verbliebenen zwei Tagen vor der Ausführung am xx. Dezember 2009 storniert worden ist, gänzlich abwegig wäre.

Weiter kommt eine Haftung der Klägerin aufgrund der in Griechenland am Geldautomaten vorgenommenen Bargeldabhebungen in Höhe von 505,00 EUR am 4. Januar 2010 und 405,00 EUR am 5. Januar 2010 zu Lasten des Girokontos xxx1 nicht in Betracht. Die Abhebungen (mit der Girokarte der Versicherten) hat der Bruder der Klägerin, J. E., vorgenommen, was dieser mit Schreiben an die Beklagte vom 28. September 2010 (Bl. 219 der Verwaltungsakte) sinngemäß bestätigt hat und auch zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Unmittelbar Verfügender ist damit Herr J. E. Der Senat vermag der Auffassung der Beklagten nicht beizutreten, auch die Klägerin sei insoweit Verfügende, weil sie die Bargeldabhebungen als Verfügungsberechtigte über das Konto zugelassen habe (ebenfalls Anwendung von § 118 Abs. 4 S. 1 HS. 2 Alt. 2 SGB VI). Soweit die Klägerin dem zunächst entgegengehalten hat, sie sei im Innenverhältnis gar nicht verfügungsberechtigt gewesen und die Bankvollmacht habe nur dem Zweck gedient, von einem Sparbuch im ausdrücklichen Auftrag der Versicherten gelegentlich Geld abzuheben, um dieses auf das Girokonto einzuzahlen (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., wonach die Pflicht zur Abwendung von Abbuchungen nach dem Ableben des Rentenbezieher nicht besteht, sofern die Verfügungsmacht über das Konto im Innenverhältnis darauf begrenzt war, für den Rentenbezieher zu dessen Lebzeiten Geldbeträge abzuheben), kann dies dahinstehen. Denn, wie ausgeführt, reicht für die Haftung für den Erstattungsanspruch allein die Verfügungsberechtigung über das Konto nicht aus und es muss ein pflichtwidriges und vorwerfbares Unterlassen hinzukommen. Hiervon ist auch das Sozialgericht zutreffend ausgegangen. Ebenso zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin sich nicht auf eine Regelung der Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze durch ihren Bruder habe verlassen dürfen, seien nicht vorhanden. Insoweit hat weder die Beklagte Gegenteiliges vorgetragen noch ist für den Senat ersichtlich, dass für die Klägerin begründeter Anlass zu der Annahme bestanden hat, ihr Bruder werde rechtswidrigen Zugriff auf das Konto bzw. die überzahlte Rente nehmen, so dass eine Sperrung des Kontos hätte geboten sein können. Auch die Beklagte hat die Vertrauenswürdigkeit des Bruders der Klägerin, J. E., nicht in Zweifel gezogen. Damit hat es im Ergebnis dabei zu verbleiben, dass der Klägerin kein pflichtwidriges Zulassen der beiden genannten Bargeldabhebungen vorgeworfen und sie insoweit auch nicht als Verfügende im Sinne der gesetzlichen Vorschrift angesehen werden kann.

Eine Haftung der Klägerin für den geltend gemachten Erstattungsanspruch als Verfügende ergibt sich auch nicht daraus, dass sie im Rahmen ihrer Verfügungsberechtigung von dem Sparkonto xxx2 am 11. Januar 2010 220,00 EUR abgehoben hat. Hierauf kommt es – im Rahmen der Prüfung, ob die Klägerin als Verfügende anzusehen ist – bereits deshalb nicht an, weil nach dem Wortlaut des § 118 Abs. 4 S. 1 HS. 2 SGB VI nur Verfügungen zu Lasten "des Kontos" für die Erstattungspflicht relevant sind und insoweit dasjenige Konto gemeint ist, auf das die Rentenleistungen eingezahlt worden sind. Dies trifft auf das Sparkonto der Versicherten gerade nicht zu (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 1999, L 8 V 2498/98, wonach sich in Anwendung von § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI der Anspruch des Leistungsträgers gegen das Geldinstitut auf Rücküberweisung einer laufenden Geldleistung aus einem Guthaben nicht auf andere Konten des verstorbenen Leistungsberechtigten bei diesem Geldinstitut erstreckt).

Die Abhebung von dem Sparkonto am 11. Januar 2010 ist jedoch von Bedeutung für die Eigenschaft der Klägerin als Empfängerin gemäß § 118 Abs. 4 S. 1 HS. 1 Alt. 2 SGB VI (eine Haftung gemäß § 118 Abs. 4 S. 1 HS. 1 Alt. 1 SGB VI kommt von vornherein nicht in Betracht). Zwar ist höchstrichterlich bereits geklärt, dass der Erbe eines verstorbenen Versicherten, der infolge des Erbfalls neuer Kontoinhaber wird, nicht als Empfänger haftet (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O.). Vorliegend kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin und ihr (Stief-) Bruder Erben der Versicherten sind und insoweit eine Erbengemeinschaft bilden, was die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. Februar 2016 gegenüber dem Sozialgericht bestätigt hat. Der Umstand, dass die Klägerin (neben ihrem Bruder) aufgrund des Erbfalls auch Inhaberin des Sparkontos geworden ist, auf das durch den genannten Dauerauftrag am 30. Dezember 2009 von dem Girokonto 102,26 EUR transferiert worden sind, macht sie noch nicht zur Empfängerin dieses Betrages (bzw. anteiligen Betrages entsprechend ihrem erbrechtlichen Anteil). Wie das Bundesozialgericht mit der genannten Entscheidung ausgeführt hat, soll für Geldleistungsempfänger nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI nur dann die "verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung" gelten, wenn sie an den Vermögensverschiebungen auf dem Konto des Versicherten zumindest mittelbar beteiligt gewesen sind. Die ererbte Kontoinhaberschaft allein reicht hierfür aber nicht aus. Eine mittelbare Beteiligung in diesem Sinne kann z.B. bejaht werden für den Vermieter der Wohnung des verstorbenen Versicherten, der aufgrund des Mietvertrages und eines Dauerauftrages Mietzahlungen von dem Konto des Versicherten erhalten hat. Vergleichbar mittelbar beteiligt ist der Erbe, der wie hier über eine ererbte Kontoinhaberschaft bezogen auf ein weiteres Konto des Versicherten verfügt, auf das Geldleistungen von dem maßgeblichen Girokonto transferiert worden sind, nicht. Vorliegend kann jedoch nicht übersehen werden, dass die Klägerin ausweislich der von der H-Stadter Sparkasse vorgelegten Kontounterlagen am 11. Januar 2010 eine Barabhebung von dem Sparkonto in Höhe von 220,00 EUR vorgenommen hat. Der Guthabensaldo belief sich danach noch auf 3,54 EUR, so dass das Sparkonto damit nahezu vollständig entwertet und faktisch aufgelöst worden ist. Die formale Löschung des Kontos ist dann auch im August 2010 erfolgt. Da zwischen dem Zufluss der 102,26 EUR am 30. Dezember 2009 und der Abhebung der 220,00 EUR am 11. Januar 2010 keine nennenswerten Kontobewegungen stattgefunden haben (ausgenommen von der Buchung eines Guthabenbetrages von 3,05 EUR am 30. Dezember 2009, bei dem es sich offensichtlich um eine Zinsgutschrift handelt), waren in dem abgehobenen Betrag von 220,00 EUR die in Rede stehenden 102,26 EUR wirtschaftlich enthalten. Der Senat sieht es deshalb als gerechtfertigt an, die Klägerin wie eine Geldleistungsempfängerin zu behandeln, die an dem Geldtransfer zumindest mittelbar beteiligt war. Mithin haftet sie für die per Dauerauftrag auf das Sparkonto weitergeleiteten 102,26 EUR als Empfängerin gemäß § 118 Abs. 4 S. 1 HS. 1 Alt. 2 SGB VI. Im Übrigen kommt eine Haftung des Bruders der Klägerin demgegenüber nicht in Betracht, weil es an einer vergleichbaren mittelbaren Beteiligung fehlt. Insoweit ist er neben der Klägerin im Wege des Erbfalls lediglich (Mit-) Inhaber des Sparkontos geworden, ohne dass er hiervon eine Abhebung vorgenommen hat. Dementsprechend verbleibt es ihm gegenüber dabei, dass allein die ererbte Kontoinhaberschaft für eine Haftung als Empfänger nicht ausreicht. Mithin besteht vorliegend keine Mehrheit von Empfängern, so dass auch nicht relevant ist, dass mehrere Empfänger nicht als Gesamtschuldner haften, sondern nur mit dem Betrag, den sie jeweils empfangen haben (so Pflüger in: jurisPK-SGB VI, a.a.O. Rn. 151 m.w.N.).

Letztlich ist eine Haftung der Klägerin über den Betrag von 102,26 EUR hinaus als Erbin in Anwendung von § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI ausgeschlossen, so dass auch offenbleiben kann, ob sich die Erbschaft für die Klägerin nach deutschem oder griechischem Recht regelt. Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden (Urteil vom 3. April 2014, B 5 R 25/13 R unter Verweis auf BSG, Urteil vom 22. April 1987, 10 RKg 16/85), dass zu Unrecht erbrachte Rentenzahlungen nur von demjenigen Erben zurückgefordert werden können, der sie auch erhalten hat. Dies ergibt sich daraus, dass § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI ausdrücklich auf § 50 SGB X verweist. Die Erstattungspflicht gemäß § 50 SGB X (sowohl nach Abs. 1 als auch Abs. 2) erstreckt sich auf "erbrachte" Leistungen und setzt damit den Zufluss der zurückgeforderten Leistung voraus (Steinwedel in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB X, Stand Juli 2020, § 50 Rn. 14 m.w.N.). Ein solcher Zufluss zu Gunsten der Klägerin mit entsprechendem Abfluss auf dem für die Rentenzahlungen maßgeblichen Girokonto hat jedoch nicht, jedenfalls nicht über die erwähnten 102,26 Euro hinaus stattgefunden und wird auch von der Beklagten nicht behauptet. Soweit diese im Übrigen die Auffassung vertreten hat, dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 komme über den Einzelfall hinaus keine Wirkung zu und es widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, findet dies keine Stütze in den Gesetzesmaterialien. Vielmehr ist darin klargestellt worden, dass Rückforderungsansprüche gegen die Erben, die nicht über die Rentenzahlung verfügt haben und deshalb nicht nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI haften, nach den allgemeinen Regelungen des SGB X geltend gemacht werden können (BT-Drucks. 13/3150, Seite 42). Daraus sowie aus dem ausdrücklichen Verweis auf § 50 SGB X in § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI folgt, dass für einen Rückforderungsanspruch nicht nur Vertrauensgesichtspunkte gelten, sondern dieser voraussetzt, dass tatsächlich Leistungen zugeflossen sind (so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Oktober 2017, L 10 R 2599/17). Ein solcher Zufluss hat (abgesehen von den im Wege der Barabhebung empfangenen 102,26 EUR) jedoch nicht stattgefunden. Im Übrigen sind nur diejenigen Zuflüsse relevant, die von dem Konto erfolgt sind, auf das die Rentenleistungen erbracht worden sind. Darauf, dass die Klägerin von dem Sparkonto am 11. Januar 2010 220,00 EUR und damit einen Betrag abgehoben hat, der die genannten 102,26 EUR übersteigt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten nur zu einem geringen Teil Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und orientiert sich am Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache. Danach hat die Beklagte acht Neuntel der Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Kostenentscheidung auf der Grundlage von § 193 SGG scheidet hingegen aus, weil weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Die Klägerin kann insbesondere nicht als Sonderrechtsnachfolgerin der verstorbenen Versicherten im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 1 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) angesehen werden. Insoweit haben die Klägerin und die Versicherte nicht gemeinsam in einem Haushalt gelebt, vielmehr lebte die Versicherte zuletzt in Griechenland und ist auch dort verstorben. Zudem ist ein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin von der Versicherten wesentlich unterhalten worden ist, nicht ersichtlich. Die Klägerin streitet mit der Beklagten im Übrigen auch nicht über fällige Rentenansprüche.

Die Festsetzung des Streitwerts gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) bleibt – nach Anhörung der Prozessbeteiligten – einem gesonderten Beschluss vorbehalten.

Die Revision war für die Klägerin zuzulassen, weil über die von dem Senat vorgenommene Erweiterung des Haftungsrahmens in Anwendung von § 118 Abs. 4 S. 1 HS. 1 Alt. 2 SGB VI und bezogen auf die Empfängerstellung bei Abhebung von einem Konto, auf das die Rentenleistung (teilweise) weitergeleitet worden war, höchstrichterlich, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden ist. Der Senat bejaht insoweit grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Demgegenüber war die Zulassung der Revision für die Beklagte nicht geboten, weil in Bezug auf die Zurückweisung der Berufung im Übrigen lediglich höchstrichterlich bereits geklärtes Recht angewendet worden ist.
Rechtskraft
Aus
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