S 8 U 30/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 30/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 107/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 9/20 BH
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine Gesprächsnotiz über ein Telefonat mit dem Jobcenter vom 8. März 2007 zu löschen.

Die 1968 geborene Klägerin erlitt am 25. November 2002 auf dem Heimweg von ihrer beruflichen Tätigkeit als Buchhalterin (als Fußgängerin) einen Verkehrsunfall. Hierbei trug sie multiple Verletzungen davon.

Mit Schreiben vom 7. März 2007 beantragte sie auf Grund der Folgen des Unfalls unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen die Zahlung von Verletztengeld für die Zeit vom 16. Februar bis 13. April 2007. Daraufhin wandte sich die zuständige Sachbearbeiterin der Beklagten am 8. März 2007 telefonisch an das Jobcenter A-Stadt. Über das Gespräch nahm die Sachbearbeiterin eine Gesprächsnotiz auf, die sich auf Blatt 468 der Verwaltungsakte befindet. Aus dieser geht hervor, dass der zuständige Mitarbeiter des Jobcenters, Herr C., auf Befragen mitgeteilt hat, die Klägerin beziehe derzeit weder "Alg I" noch "Alg II"; sie habe aber vom 17. Januar 2006 bis 31. Juli 2006 "Alg II" erhalten.

Mit Bescheid vom 3. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2009 lehnte die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld für die Zeit vom 16. Februar bis 13 April 2007 ab, weil bei der Klägerin keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit seit Erleiden des Arbeitsunfalles bestanden habe, so dass es sich ab dem 16. Februar 2007 allenfalls um eine Wiedererkrankung handeln könne. Nach §§ 48, 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Siebter Band (SGB VII) dürfe bei einer Wiedererkrankung Verletztengeld nur gewährt werden, wenn vor dem Wiedererkrankungszeitpunkt eine der in § 45 Abs. 1 SGB VII genannten Leistungen bezogen worden sei. Trotz mehrfacher Aufforderung habe die Klägerin einen entsprechenden Leistungsbezug nicht nachgewiesen, sodass sie auch keinen Anspruch auf Verletztengeld habe. Die hiergegen bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage wies das Gericht durch Gerichtsbescheid vom 30. Dezember 2009 – S 8 U 66/09 – ab.

Auf eine entsprechende Anfrage des Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 22. Oktober 2009 teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 4. November 2009 mit, die Datenerhebung bei dem Jobcenter sei zulässig gewesen. Die Kenntnis, ob die Klägerin Arbeitslosengeld II bezogen habe, sei für die Erfüllung der Aufgabe der Leistungserbringung erforderlich gewesen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII i.V.m. § 67 a SGB X). Die Klägerin habe mit Schreiben vom 7. März 2007 Verletztengeld für den Zeitraum vom 16. Februar bis 13. April 2007 auf der Basis ihres zum Unfallereignis bezogenen Gehalts beantragt. Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztengeld sei ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I oder II unmittelbar vor dem 16. Februar 2007 gewesen. Zwar seien Sozialdaten vor allem beim Betroffenen zu erheben. Die Klägerin sei für die Verwaltung jedoch telefonisch nicht erreichbar und beantworte schriftliche Fragen nicht. Da die Klägerin auch vor dem März 2007 wiederholt Fragen der Beklagten unbeantwortet gelassen habe, sei man davon ausgegangen, die Klägerin reagiere auch auf die Frage nach einem Bezug von Arbeitslosengeld nicht. Dies habe sich in der Folgezeit dann auch bestätigt. Dafür, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Klägerin beeinträchtigt würden, hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen. Man habe das Datum über den Bezug von Arbeitslosengeld benötigt, um die Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztengeld bei Wiedererkrankung zu prüfen. Dies habe zu Gunsten der Klägerin sehr schnell geklärt werden können. Daher habe man sich telefonisch direkt an das Jobcenter gewandt.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2009 (1086) forderte die Klägerin die Beklagte auf, Blatt 468 der Verwaltungsakte zu löschen. Die Auskunft des Jobcenters sei wahrheitswidrig. Richtig sei, dass sie zu keinem Zeitpunkt Leistungen nach dem Arbeitslosengeld II erhalten habe. Sie weise nochmals daraufhin, dass die Beklagte zukünftig sämtliche Daten schriftlich ausschließlich bei ihr anfordern und dazu ihr berechtigtes Interesse darlegen müsse.

Mit formlosem Bescheid vom 8. Januar 2010 teilte die Beklagte mit, dass ein Löschungsanspruch nach § 84 Abs. 2 SGB X nicht bestehe, weil die Datenerhebung beim Jobcenter zulässig gewesen sei; diese sei für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich gewesen. Auch eine sonstige Rechtsgrundlage, die einen Löschungsanspruch begründen könne, sei nicht ersichtlich. Die Angabe der Klägerin, die Auskunft des Jobcenters sei unrichtig gewesen lasse sich derzeit weder bestätigen noch widerlegen. Daher halte man an dieser Stelle fest, dass die Sachlage insoweit momentan ungeklärt sei (Zweifelsvermerk).

Mit Widerspruchsschreiben vom 9. Januar 2010 (1093) beanstandete die Klägerin, die Datenerhebung beim Jobcenter Rhein-Main sei nicht zulässig gewesen. Die Beklagte habe nicht zuvor versucht bei ihr selbst die Daten zu erheben und auch nicht nachgewiesen, dass die Datenerhebung zur Erfüllung ihres gesetzmäßigen Auftrages notwendig sei. Im Übrigen sei der Löschungseintrag berechtigt, da unrichtige Daten von der Beklagten gespeichert würden. Dies lasse sich zum Beispiel durch die Zahlungsnachweise des Jobcenters Rhein-Main belegen. Ein solcher Zahlungsnachweis liege nicht vor und sei von der Beklagten zur Überprüfung der telefonischen Auskunft auch nicht angefordert worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2010 (1117) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 8. Januar 2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für eine Löschung nach § 84 Abs. 2 SGB X lägen nicht vor. Die telefonische Datenerhebung beim Jobcenter sei zulässig gewesen und entspreche dem gesetzlichen Beschleunigungsgebot. Sie sei auf der Grundlage des § 67 a SGB X zur Erfüllung einer Aufgabe der Beklagten nach dem SGB VII (Prüfung eines Anspruchs auf Verletztengeld) erfolgt. Eine Datenerhebung bei der Klägerin selbst habe einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, da die Klägerin für die Beklagte telefonisch nicht erreichbar sei und schriftliche Fragen schon vor dem 8. März 2007 wiederholt nicht beantwortet habe. Die zulässig beim Jobcenter erhobenen Daten müssten in den Akten verbleiben, da diese auch in Zukunft noch von Belang sein könnten, wenn in den laufenden Klageverfahren Ansprüche auf Geldleistungen bejaht werden sollten. Eine sonstige Rechtsgrundlage, die einen Löschungsanspruch begründen könne, sei nicht ersichtlich. Eine Löschung sei im Übrigen auch sinnlos, weil der Inhalt der Telefonnotiz an mehreren anderen Stellen (beispielsweise in den Schreiben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 22. Oktober 2009) wiedergegeben werde. Der Inhalt der Telefonnotiz würde sich damit jedem Leser der Unfallakte auch nach einer Entfernung der Telefonnotiz erschließen. Statt der von der Klägerin beantragten Löschung der Daten sei ein Zweifelsvermerk in die Akte aufgenommen worden.

Hiergegen richtet sich die am 10. Februar 2010 erhobene Klage.

Während des Klageverfahrens wies das Landessozialgericht mit Urteil vom 1. November 2011 – L 3 U 35/10 – die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 30. Dezember 2009 – S 8 U 66/09 – zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus: "Es kam daher entscheidend darauf an, ob die Klägerin Arbeitseinkommen oder Arbeitsentgelt bzw. Sozialleistungen im Sinne des § 45 Abs. 1 Ziffer 2 SGB VII in der Zeit vor der Wiedererkrankung im Februar 2007 bezogen hatte. Hierzu wurde die Klägerin von der Beklagten mehrfach befragt, ohne dass sie den Bezug derartiger Leistungen nachweisen konnte. Sie hat auf eine erneute Befragung im Senatstermin diesen Umstand letztlich bestätigt mit der Bemerkung an: "Wo nichts ist kann man aber auch nichts nachweisen". Im Senatstermin hat die Klägerin zum Verfahren L 3 U 89/09 NZB dargelegt, dass ihr im Jahr 2010 eine Rente wegen Erwerbsminderung rückwirkend ab dem Monat Oktober 2005 zuerkannt worden ist, was indessen keine für die Klägerin günstige Entscheidung rechtfertigt. Denn eine Rente dieser Art stellt keine im Rahmen des § 45 Abs. 1 Ziffer 2 SGB VII beachtliche Sozialleistung dar, deren Verlust durch Gewährung von Verletztengeld auszugleichen wäre. Da ein durch die Wiedererkrankung eingetretener Einkommensverlust der Klägerin nicht feststellbar ist, war ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Verletztengeld für den gesamten streitigen Zeitraum vom 16. Februar bis zum 25. Mai 2007 zu verneinen und die Berufung gegen den zutreffenden erstinstanzlichen Gerichtsbescheid zurückzuweisen."

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 8. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2010 zu verurteilen, die Gesprächsnotiz vom 8. März 2007 (Blatt 468 der Verwaltungsakte) zu löschen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält an ihren Bescheiden fest.

Die Beteiligten sind zuletzt mit gerichtlicher Verfügung vom 23. Januar 2012 darauf hingewiesen worden, dass die Kammer beabsichtigt über den vorliegenden Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte über den vorliegenden Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG vorliegen und die Beteiligten hierzu gehört worden sind.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Beklagte hat es mit ihrem Bescheid vom 8. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2010 zu Recht abgelehnt, die Gesprächsnotiz über ein Telefonat mit dem Jobcenter Rhein-Main vom 8. März 2007 (Blatt 468 der Verwaltungsakte) aus der Akte zu entfernen und wegen der ungeklärten Sachlage festgehalten, dass die Sachlage momentan ungeklärt ist.

Nach § 84 Abs. 1 SGB X sind Sozialdaten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Wird die Richtigkeit von Sozialdaten von dem Betroffenen bestritten und lässt sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der Daten feststellen, bewirkt dies keine Sperrung, soweit es um die Erfüllung sozialer Aufgaben geht; die ungeklärte Sachlage ist in geeigneter Weise festzuhalten. Die bestrittenen Daten dürfen nur mit einem Hinweis hierauf genutzt und übermittelt werden.

Demgegenüber sind Sozialdaten nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Speichern ist gem. § 67 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 SGB X das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Sozialdaten auf einem Datenträger zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung. Unter Erfassen ist das schriftliche Fixieren der Daten zu verstehen. Aufnehmen bedeutet in erster Linie das Fixieren der Daten mit Aufnahmetechniken wie z.B. Karteikarte, Magnetband, Film, Video, Tonband. Das ausdrückliche Aufführen des "Aufbewahrens" verdeutlicht, dass auch das bloße Aufbewahren anderweitig fixierter Daten – z.B. in einer Akte – den Tatbestand des Speicherns erfüllt (Bieresborn, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 67 SGB X Rn. 24). Nach § 67 c Abs. 1 Satz 1 SGB X ist das Speichern von Sozialdaten zulässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden gesetzlichen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist und es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind.

Soweit die Klägerin die Richtigkeit der Angaben des Jobcenter-Mitarbeiters beanstandet, hat die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid völlig zu Recht lediglich einen Zweifelsvermerk festgehalten und keine Löschung des Telefonvermerks vorgenommen. Denn unrichtige Sozialdaten sind entweder zu berichtigen oder es ist die ungeklärte Sachlage in geeigneter Weise festzuhalten, § 84 Abs. 1 SGB X.

Ein Anspruch auf Löschung des Telefonvermerks nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X stand der Klägerin nicht zu, weil die Speicherung der Angaben des Jobcenter-Mitarbeiters in dem Telefonvermerk zulässig war. Denn Voraussetzung für einen Anspruch auf Verletztengeld war gerade, ob die Klägerin einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I oder II unmittelbar vor dem 16. Februar 2007 hatte. Die Kammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen an dieser Stelle vollinhaltlich Bezug auf die – jeweils im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen - Ausführungen der Beklagten in ihrem Schreiben vom 4. November 2009 an den Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie auf die Ausführungen des 3. Senats des Hessischen Landessozialgerichts in seinem Urteil vom 1. November 2011 – L 3 U 35/10 – und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Zum Zwecke der Bearbeitung des Antrags der Klägerin auf Gewährung von Verletztengeld vom 7. März 2007 wurden die Angaben des Mitarbeiters des Jobcenters auch erfasst.

Da das Erfassen der Angaben des Mitarbeiters des Jobcenters zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der Beklagten liegenden gesetzlichen Aufgaben erforderlich und für die Zwecke erfolgt war, mithin zulässig ist, konnte die Klägerin eine Löschung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht verlangen.

Soweit die Klägerin ihr Löschungsbegehren darüber hinaus auch darauf stützt, dass die Daten bei ihr persönlich hätten erhoben werden müssen, gebietet dies keine andere Sicht der Dinge. Mit dieser Begründung kann ein Löschungsbegehren nicht auf § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X gestützt werden. Die Vorschrift umfasst angesichts ihres insoweit klaren Wortlauts nur Fälle einer unzulässigen Speicherung.

Denkbar wäre allein ein Anspruch aus § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) analog bzw. aufgrund des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs. Ob diese Anspruchsgrundlagen neben § 84 SGB X Anwendung finden, wurde bisher offen gelassen (Bieresborn, a.aO., § 84 SGB X Rn. 2 unter Hinweis auf: BSG, Urteil vom 21. März 2006, SozR 4–1300 § 84 Nr 1 Rn 26 = NZS 2007, 166 f). Die Beantwortung dieser Frage kann die Kammer im vorliegenden Rechtsstreit ebenfalls offen lassen, da die Voraussetzungen solcher Ansprüche nicht gegeben sind.

Nach den genannten Rechtsgrundlagen käme eine Entfernung des Telefonvermerks aus den Verwaltungsakten der Beklagten allenfalls dann in Betracht, wenn die darin festgehaltenen Angaben des Mitarbeiters des Jobcenters - wie die Klägerin behauptet - nicht ordnungsgemäß erhoben worden wären. Diese ist jedoch nicht der Fall.

Nach § 67a SGB X ist das Erheben von Sozialdaten zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Denn Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin auf Verletztengeld war, ob die Klägerin einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I oder II unmittelbar vor dem 16. Februar 2007 hatte.

Die Beklagte hat mit ihrer telefonischen Anfrage bei dem Jobcenter auch nicht gegen § 67a Abs. 2 SGB X verstoßen. Zwar sind gem. Satz 1 der Vorschrift die Sozialdaten grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben. Allerdings dürfen Sozialdaten gem. § 67 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB X auch ohne Mitwirkung des Betroffenen bei den in § 35 des Ersten Buches oder in § 69 Abs. 2 genannten Stellen erhoben werden, wenn

a) diese zur Übermittlung der Daten an die erhebende Stelle befugt sind, b) die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und c) keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zunächst war das Jobcenter zur Übermittlung der Daten befugt gem. §§ 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 a), 67 d Abs. 1 i.V.m. § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X. Danach ist eine Übermittlung von Sozialdaten u.a. zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach diesem Gesetzbuch oder einer solchen Aufgabe des Dritten, an den die Daten übermittelt werden, wenn er eine in § 35 des Ersten Buches genannte Stelle ist. Die dritte Alternative des § 69 Abs. 1 Nr. 1 erlaubt damit die Übermittlung von Sozialdaten an andere Leistungsträger, soweit sie erforderlich ist, damit der empfangende Leistungsträger eine ihm im Sozialgesetzbuch zugewiesene Aufgabe erfüllen kann (Bieresborn, a.a.O., § 69 Rn. 10). Dies war hier der Fall, da die Beklagte die Angaben des Jobcenters benötigte um über den Verletztengeldanspruch der Klägerin zu entscheiden.

Ferner hätte die Erhebung der Daten bei der Klägerin einen unverhältnismäßigen Aufwand nach Nr. 1 b) bedeutet. Rechtsgrund ist das öffentliche Interesse an einem effektiven und kostengerechten Verwaltungsvollzug. Hinzukommen muss nach Nr. 1 c), dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden. Es muss eine Abwägung stattfinden zwischen dem Interesse der öffentlichen Stelle an der Erhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen und dessen möglicherweise entgegenstehenden Interessen (Bieresborn, a.a.O., § 67a SGB X, Rn. 8 m.w.N.). Unumstritten dürfte aber jedenfalls sein, dass bei der notwendigen Überprüfung von Angaben der Antragsteller und bei der Schließung von Lücken in diesen Angaben in aller Regel von einem solchen unverhältnismäßigen Aufwand auszugehen und deshalb eine Anfrage bei anderen Leistungsträgern gerechtfertigt ist (Bieresborn, a.a.O., § 67a SGB X, Rn. 8 m.w.N.).

Nach dieser Maßgabe durfte die Beklagte das Jobcenter direkt befragen. Denn für die Gewährung des Verletztengeldes ist insbesondere die Kenntnis des Zeitraumes des Bezuges von Arbeitsentgeld bzw. Sozialleistungen im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sowie deren Höhe erforderlich. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin auf eine ganze Reihe von Schreiben der Beklagten nicht geantwortet hat, musste bei der Beklagten der Eindruck entstehen, dass die Klägerin keine Bereitschaft habe konstruktiv an dem Verwaltungsverfahren mitzuwirken. Selbst wenn die Klägerin Angaben gemacht hätte, wären diese Angaben nochmals bei dem Jobcenter zu überprüfen gewesen. Gegenüber diesem Interesse der Beklagten an der Erhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen hat die Klägerin keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen vorgetragen; solche sind auch nicht ersichtlich. Insgesamt durfte eine Abwägung damit zugunsten einer direkten Anfrage bei dem Jobcenter ausfallen.

Da die Datenerhebung mithin rechtmäßig war, kam auch kein Anspruch aus § 1004 BGB analog und auch kein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht.

Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Frage, ob die Daten inhaltlich richtig sind für einen Löschungsanspruch unerheblich ist, vgl. § 84 Abs. 1 SGB X. Daher musste sich die Kammer auch nicht gedrängt sehen, den zuständigen Mitarbeiter des Jobcenters Rhein-Main, Herrn C., als Zeugen zu vernehmen.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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