L 3 R 305/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 33 R 1524/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 305/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2018 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rentenversicherungspflicht des Klägers als selbstständig Tätiger nach § 2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ab dem 01.09.2013.

Der Kläger ist im Jahr 1984 geboren. Er ist nach eigenen Angaben Diplom-Sportwissenschaftler und aktuell im Bereich Personal Athletic Training und Gesundheitsmanagement tätig, zudem seit Oktober 2007 als Übungsleiter/Trainer von Volleyballgruppen des Sportvereins X e.V. (zukünftig: Sportverein). Nach eigenen Angaben besitzt der Kläger seit Mai 2011 die A-Lizenz des Deutschen Volleyball-Verbandes.

Aktenkundig ist ein Vertrag vom 12.12.2013 ("Nebenberuflicher Trainer/Übungsleiter") zwischen dem Kläger und dem Sportverein. Ausweislich § 1 Abs 1 des Vertrages übernimmt der Kläger ab dem 01.09.2013 die Gruppe Volleyball Herren I, Damen I und die weibliche Jugend U 18. Ausweislich § 3 Abs 1 des Vertrages erhält der Kläger für seine Tätigkeit monatlich 340 EUR (Seniorenbereich) und monatlich 180 EUR (Jugendbereich). Gemäß § 3 Abs 5 Satz 1 des Vertrages wird der Kläger darauf hingewiesen, dass die Sozialversicherungsträger selbstständige Übungsleiter und Trainer, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, als rentenversicherungspflichtige Selbstständige im Sinne von § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI einordnen.

Am 16.04.2015 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung bei dem Sportverein durch. Aktenkundig sind Buchungen des Sportvereins an den Kläger von monatlich 1040 EUR (Januar 2014, Februar 2014, April 2014, Mai 2014, Juni 2014 und Dezember 2014), 1171,70 EUR (März 2014), 1160,30 EUR (Juli 2014), 1430 EUR (August 2014), 1246,90 EUR (Oktober 2014) und 1580 EUR (November 2014).

Mit Bescheid vom 08.07.2015 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 01.09.2013 nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI und die Verpflichtung zur Zahlung von Pflichtbeiträgen fest. Der Kläger sei als selbstständig tätiger Lehrer und Erzieher rentenversicherungspflichtig. Mit Bescheid vom 14.09.2015 regelte die Beklagte, dass der Kläger an die Beklagte einen Betrag iHv 7315,83 EUR zu zahlen habe (Gesamtforderung aus Zeiten der Versicherungspflicht als selbstständig Tätiger im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.09.2015).

Mit Schreiben vom 11.09.2015 (Posteingang bei der Beklagten am 16.09.2015) übersandte der Kläger einen Businessplan vom 21.08.2013 und andere Unterlagen an die Beklagte und bat um Prüfung, ob er überhaupt verpflichtet sei, Pflichtbeiträge ab dem 01.09.2013 zu zahlen. Mit Schreiben vom 07.10.2015 wies die Beklagte nochmals auf die Versicherungspflicht des Klägers hin und bot die Möglichkeit einer Ratenzahlung an.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 05.11.2015 (Eingang am 06.11.2015) "Widerspruch gegen Ihren Bescheid vom 07.10.2015" ein. Die Beklagte verwies darauf, dass ein Widerspruch nicht möglich sei, da es sich bei dem Schreiben vom 07.10.2015 nicht um einen Bescheid gehandelt habe. Mit Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 22.01.2016 (Eingang am 25.01.2016) verwies dieser darauf, dass der Kläger um Überprüfung gebeten habe (Schreiben vom 11.09.2015), was als Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.09.2015 gewertet werden könnte. Jedenfalls habe hier eine Aufklärungs- und Beratungspflicht der Beklagten bestanden. Das Schreiben des Klägers vom 11.09.2015 sei als Widerspruch anzusehen, hilfsweise werde um erneute Überprüfung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gebeten. Inhaltlich stütze sich die Klägerseite auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 23.04.2015 - B 5 RE 23/14 R -, BSGE 118, 294-301, SozR 4-2600 § 2 Nr 20).

Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 18.02.2016 darauf hin, dass die Rechtsmittelfrist bezogen auf den Bescheid vom 08.07.2015 bereits abgelaufen gewesen sei und der Bescheid vom 14.09.2015 als Forderungsbescheid anzusehen sei, dessen Zustellung erst nach dem Schreiben des Klägers vom 11.09.2015 erfolgt sei, so dass das Schreiben des Klägers vom 11.09.2015 auch hier nicht als Widerspruch angesehen werden könne. Der Inhalt des Schreibens werde als Überprüfungsantrag gewertet. Inhaltlich sei die Tätigkeit des Klägers als (be-)lehrend zu bewerten.

Mit Bescheid vom 09.06.2016 teilte die Beklagte dem Kläger, der zwischenzeitlich eine "Beschreibung meiner aktuellen Verträge und Tätigkeiten (Stand Februar 2016)" übersandt hatte, mit, dass dem Überprüfungsantrag bezogen auf die Feststellung der Rentenversicherungspflicht mit Bescheid vom 08.07.2015 nicht entsprochen werden könne. Die Feststellung der Versicherungspflicht als Trainer im Sportverein sei korrekt.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Die Tätigkeit eines Trainers einer Mannschaft in einer der höchsten Klassen der Disziplin dürfte eher von der Beratung als von der Lehre geprägt sein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2016 (Zugang laut Klägerbevollmächtigtem am 18.10.2016) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beklagte hob hierbei hervor, dass die Versicherungspflicht allein aufgrund der Tätigkeit für den Sportverein festgestellt worden sei und verwies ausdrücklich auf die Begründung im Bescheid vom 09.06.2016.

Hiergegen hat der Kläger am 16.11.2016 Klage erhoben. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folge, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Eigenschaft als Lehrer im Sinne des § 2 SGB VI nicht gegeben seien. Die Tätigkeit eines Trainers in einem Sportverein habe schwerpunktmäßig mit der Beratung der einzelnen Spieler und weniger mit der Lehre zu tun, weil (insbesondere in den Fällen, in denen die Sportvereine in den höchsten Klassen spielten) die Spieler ihr Handwerk bereits beherrschten und sie im Einzelfall auf das bevorstehende Spiel sehr konkret und individuell vorbereitet würden. Dabei würde nicht übersehen, dass die Tätigkeit eines Trainers auch Lehrinhalte beinhalte, indem er Spielzüge etwa einübe. Die Tätigkeit eines Trainers einer Mannschaft in einer der höchsten Klassen der Disziplin dürfte aber eher von der Beratung als von der Lehre geprägt sein.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat beantragt,
den Bescheid vom 09.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 aufzuheben und auf den Überprüfungsantrag vom 11.09.2015 den Bescheid vom 08.07.2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger wegen seiner Tätigkeit für den Sportverein ab dem 01.09.2013 nicht der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI unterliege.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat auf ihre bisherigen Ausführungen verwiesen. Das Vermitteln des Wissens an die Gruppe und somit die Lehrtätigkeit stehe im Vordergrund. Lehrer übertrügen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen auf ihre Schüler, wobei sie den Unterrichtsstoff grundsätzlich nicht spezifisch auf die Person und den Kontext des Lernenden zusammenschnitten, im Gegensatz zum Berater, der regelmäßig auf individuelle Probleme des jeweils Ratsuchenden konkret helfend eingehe. Bereits der geschlossene Vertrag vom 12.12.2013 weise unter § 3 Abs 5 auf eine Versicherungspflicht als Übungsleiter hin.

Das Sozialgericht hat in der öffentlichen Sitzung vom 00.00.2018 S T (Vorstand des Sportvereins) als Zeugin gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 00.00.2018 mitsamt Anlage verwiesen. Ausweislich der Niederschrift vom 00.00.2018 gibt der Kläger an, seit September 2016 bei dem Sportverein (nur noch) als Minijober tätig zu sein. 30 % der gesamten Arbeitszeit für den Sportverein mache die Organisation des Spielsystems, der Halle, Kommunikation mit Verband und Verein aus. Soweit er die U-18 Mädchenmannschaft zweimal pro Woche anderthalb Stunden trainiert habe, sei er in dieser Tätigkeit mehr als Lehrer aufgetreten. Die Herren I- und Damen I-Mannschaften habe er auch zweimal pro Woche anderthalb Stunden trainiert. Diesen Mannschaften (Kader: ca. 12-18 Teilnehmer) habe er nicht Regeln und auch nicht das Spielsystem erklärt. Hier sei es darum gegangen, den Einzelnen zu korrigieren und bestimmte Übungsformen einzutrainieren. Insgesamt mache bei den Erwachsenen 80 % Einzelkorrekturen (teils auch nach Videoanalyse) aus und nur 20 % Arbeit mit der ganzen Gruppe. Er betreibe Training auch aufgrund seiner Lizenz auf höchstem Niveau. Auch hinsichtlich der Aussagen des Klägers wird insoweit auf die Niederschrift vom 00.00.2018 verwiesen.

Mit Urteil vom 00.00.2018 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Im Tenor hat es den Bescheid vom 09.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 aufgehoben, auf den Überprüfungsantrag vom 11.09.2015 hin den Bescheid vom 08.07.2015 aufgehoben, zudem festgestellt, dass der Kläger wegen seiner Tätigkeit für den Sportverein ab dem 01.09.2013 nicht der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI unterliegt. Die zulässige Klage sei begründet. Der zu überprüfenden Bescheid vom 08.07.2015 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger sei nicht bereits als Lehrer oder Erzieher tätig. Die Lehrertätigkeit sei abzugrenzen von der nicht rentenversicherungspflichtigen selbstständigen Beratertätigkeit. Die Vernehmung des Klägers im Termin habe ergeben, dass dieser nicht überwiegend als Lehrer für den Sportverein tätig sei. Zum einen habe der Kläger darauf hingewiesen, dass 30 % seiner ganzen Arbeitszeit daraus bestehe, organisationsähnliche Tätigkeiten wahrzunehmen. Hinsichtlich der übrigen Arbeitszeit habe der Kläger überzeugend dargelegt, dass das Training der Erwachsenenmannschaften zu 80 % aus Einzelkorrekturen bestehe. Während in der Mädchenmannschaft noch der Ausgleich von Wissens- und Kompetenzdifferenzen für sich im Vordergrund stehe und damit eher eine lehrende Tätigkeit stattfinde, sei dies bei den leistungsstarken vom Kläger trainierten Erwachsenmannschaften nicht mehr der Fall. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers habe auf der Öffnung konkreter Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Anwendungszweck, nämlich der Ausschöpfung konkreter eigener Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten der Spieler zu dem Zweck, sie bei dem Spielbetrieb anzuwenden, gelegen. Soweit dabei auch neue Erkenntnisse an die Spieler vermittelt worden seien, sei dies begleitend geschehen.

Gegen dieses ihr am 23.04.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.05.2018 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts handele es sich bei der Trainertätigkeit des Klägers nicht um eine Beratertätigkeit, sondern um eine Tätigkeit als Lehrer. Der Begriff des Lehrers sei entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch im weiten Sinne zu verstehen und umfasse jede Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten. Werde Wissen an eine Gruppe von Teilnehmern vermittelt, so spreche dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eher für eine Lehrertätigkeit, während sich Berater eher mit den spezifischen Problemen von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen befassten. Vorliegend handele es sich bei Volleyball um einen Mannschaftssport. Der Kläger sei auch für den Erfolg oder Misserfolg der Mannschaft verantwortlich gewesen. Auch spreche der wöchentliche zeitliche Aufwand gegen eine individuelle Beratertätigkeit. Ausgehend von den Angaben des Klägers ergebe sich pro Spielerin/Spieler ein individuelles Einzeltraining von 8-12 Minuten pro Woche. Entgegen der Annahme des Sozialgerichts stehe so das Training des Teams im Vordergrund. Maßgeblich spreche auch § 3 Abs 5 des Vertrages vom 12.12.2013 - hierauf sei das Sozialgericht nicht eingegangen - für das Vorliegen von Versicherungspflicht als selbstständiger Lehrer.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.04.2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger macht sich die Ausführungen des Sozialgerichts zu eigen. Die Beratung und das individuelle Coaching der Sportlerinnen und Sportler, aber auch von Spielverläufen und Spielstrategien sei weit davon entfernt, als Lehrertätigkeit gewertet werden zu können. Es finde kein Unterricht im Wortsinn des § 2 SGB VI statt und keine allgemeine Wissensvermittlung. Eher nach Art einer Unternehmensberatung, Strategieplanung oder auch Persönlichkeitsbildung werde eine Entwicklung angestoßen und eine Analyse und Begleitung gewährt. Zudem nutze der Kläger psychologische wie auch betriebswirtschaftliche Fähigkeiten und erbringe Beratungsdienstleistungen. Der Kläger verstehe unter der Trainertätigkeit und Coaching eben jene Tätigkeiten, die auch Psychotherapeuten, Sozialpsychologen, Sportmediziner, Analytiker, Unternehmensberater, Persönlichkeitsberater etwa ausübten. Der Kläger vermittle auch nicht schwerpunktmäßig Fähigkeiten, sondern forme und verändere psychische und physische Eigenschaften der Kunden. Die Überlegungen der Beklagten über den Minutenumfang, welcher für jede Spielerin/jeden Spieler durchschnittlich zur Verfügung stehe, seien fehlgeleitet, da nicht jede Spielerin/jeder Spieler wöchentlich einen identischen Verbesserungsbedarf bzw. Beratungsbedarf habe. Zudem entspreche die Mannschaftsstärke von 12-18 nicht der Spielstärke bzw. Aufstellung. Der Kläger könne etwa eine bestimmte Position/Aufgabe ausarbeiten lassen, was aber nicht bedeute, dass alle anderen Mannschaftsmitglieder so lange untätig zu bleiben hätten. Ein guter Trainer könne hier durchaus parallel mehrere Beobachtungen machen, Strategien entwickeln und Hinweise geben. Aufgrund der von Laien vielfach unterschätzten großen Bedeutung der Spieltaktik beim Volleyball und des diffizilen Reglements sei die Trainertätigkeit eher die eines umfassenden Managers, Coaches, Beraters als die eines "Vortuners".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und das Urteil des Sozialgerichts abzuändern.

Die Klage ist ausgehend von dem geltend gemachten Zugang des Widerspruchsbescheides am 18.10.2016 fristgemäß erhoben worden und auch im Übrigen zulässig, aber - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts - unbegründet. Der im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ergangene Bescheid der Beklagten vom 09.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger kann die Rücknahme des Bescheides vom 08.07.2015 nicht beanspruchen, weil dieser Bescheid nicht materiell rechtswidrig ist (zum Prüfungsmaßstab vgl BSG Urteil vom 03.05.2018 - B 11 AL 3/17 R -, SozR 4-1300 § 44 Nr 37 - juris Rn 18 ff).

I.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 08.07.2015 ist § 44 Abs 1 SGB X. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

II.

Der Bescheid vom 08.07.2015 war nicht rechtswidrig im Sinne von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. Zu Recht wird in dem Bescheid vom 08.07.2015 die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 01.09.2013 nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI und die Verpflichtung zur Zahlung von Pflichtbeiträgen festgestellt.

1. Nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI sind selbständig tätige Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, versicherungspflichtig.

2. Der Kläger ist demnach versicherungspflichtig. Bei dem Kläger handelt es sich um einen selbstständig tätigen Lehrer, der im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Insbesondere handelt es sich bei dem Kläger um einen "Lehrer" im Sinne des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Der Senat nimmt hierbei Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (nachfolgend BSG Urteil vom 23.04.2015 - B 5 RE 23/14 R -, BSGE 118, 294-301, SozR 4-2600 § 2 Nr 20 - juris Rn 14 ff; siehe auch BSG Urteil vom 27.09.2007 - B 12 R 12/06 R -, juris Rn 11 f; BSG Urteil vom 22.06.2005 - B 12 RA 6/04 R -, SozR 4-2600 § 2 Nr 1 - juris Rn 12 ff): "Hinsichtlich der Versicherungspflicht von Lehrern in der gesetzlichen Rentenversicherung ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt, dass Lehrer durch Erteilung von theoretischem oder praktischem Unterricht anderen Allgemeinbildung oder spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fertigkeiten vermitteln (BSG Urteil vom 12.10.2000 - B 12 RA 2/99 R - SozR 3-2600 § 2 Nr 5), gleich auf welchem Gebiet (Gürtner, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2013, § 2 RdNr 8). Dabei kann sozialversicherungsrechtlich bereits jede Anleitung zu einem gemeinsamen Tun genügen (vgl insofern zur Rentenversicherungspflicht von Aerobic-Trainern: BSG Urteile vom 22.6.2005 - B 12 RA 6/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 1 und B 12 RA 14/04 R - Juris sowie vom 27.9.2007 - B 12 R 12/06 R - USK 2007-66), selbst wenn sie keinerlei Gedächtnisspuren hinterlässt und das angeleitete gemeinsame Tun deshalb außerhalb des Unterrichts nicht reproduziert werden kann (BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 1 RdNr 22). Die erstrebte "Gemeinsamkeit" entsteht dabei aus der Vermittlung von Wissen und Kompetenzen des Lehrenden an einen Lernenden unabhängig von einem konkreten Anwendungsbezug. Im Übrigen hängt der weite Versicherungspflichttatbestand nicht von einer bestimmten Geisteshaltung oder Weltanschauung ab (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 2 S 9) und enthält weder Vorgaben zu den Lehrinhalten und Lernzielen, zum Niveau (BSG SozR 3-5425 § 1 Nr 4 S 17 mwN), zur Qualität, Methode und Form des Unterrichts (zB Ort, Zeit und Anzahl der Teilnehmer) noch zur Qualifikation des Lehrers oder zur Vorbildung seiner Schüler und erfordert keine Teilnahmepflicht oder Leistungskontrolle der Teilnehmer und kein Ausstellen von Zeugnissen oder Bescheinigungen (zum Ganzen: BSG Urteile vom 22.6.2005 - B 12 RA 14/04 R - Juris RdNr 11 und vom 12.12.2007 - B 12 KR 8/07 R - BSGE 99, 277 = SozR 4-2600 § 2 Nr 11, RdNr 13; Segebrecht in Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl 2013, § 2 RdNr 3; von Koch, BeckOK SGB VI, Stand: 1.3.2015, § 2 RdNr 4). Ungeachtet dieses weiten Verständnisses des konkreten Versicherungspflichttatbestandes unterwirft das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht etwa alle Erwerbstätigkeiten der Versicherungspflicht. Während dies in den Fällen der abhängigen Beschäftigung gegen Entgelt wie auch in den anderen Zweigen der Sozialversicherung grundsätzlich der Fall ist, beschränkt sich bei Selbständigen der zwangsweise Eingriff in ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) auf wenige, im Gesetz enumerativ aufgeführte Gruppen. Schon deshalb bedarf es auch unter Berücksichtigung der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers zur bestimmungsgemäßen Anwendung der öffentlich-rechtlichen Eingriffsnormen in § 2 SGB VI jeweils deren Abgrenzung von nicht mit der Rechtsfolge Versicherungspflicht verbundenen Tatbeständen und in jedem Einzelfall einer konkreten Feststellung eines nach der selektiven Vorgehensweise des Gesetzes Versicherungspflicht begründenden Sachverhalts. [ ] Vor diesem Hintergrund bedarf auch die vorliegend in Frage stehende Beratungstätigkeit der Abgrenzung. Zwar basiert letztlich auch sie auf einer vorhandenen Wissens- und Kompetenzdifferenz. Anders als die Lehrtätigkeit, die wesentlich auf eine Wissensvermittlung für eine unbestimmte Vielzahl unbestimmter Anwendungssituationen geprägt ist, liegt ihr Schwerpunkt nach den bindenden Feststellungen des LSG gerade auf der Eröffnung konkreter Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Anwendungszweck. Ein derartiges Verständnis, das Beratung und Lehre rechtlich wesentlich unterscheidet, liegt etwa auch § 2 Abs 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) vom 12.12.2007 (BGBl I 2840) zugrunde. Wo sich die Bereiche der Lehr- und Beratertätigkeit überlagern, müssen sie nach ihrem sachlichen Schwerpunkt getrennt werden: Während Lehrer eher generelles Wissen vermitteln, das die Lernenden aufnehmen und rezipieren sollen, gehen Berater regelmäßig auf individuelle Probleme des jeweils Ratsuchenden konkret helfend ein. Dafür analysieren Berater aufgrund ihrer fachspezifischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen typischerweise ein fachliches (Einzel-) Problem des Klienten, dem sie ihr Wissen zur Verfügung stellen und dem sie in helfender Absicht spezifische und eher individualisierte Ratschläge erteilen. Sie erarbeiten nach den Standards ihres jeweiligen Fachgebiets oftmals eine konkrete Lösung oder zeigen Handlungsoptionen auf, deren Vor- und Nachteile sie in aller Regel erläutern. Dabei ist normalerweise unerheblich, ob die Beratenen den Lösungsweg und die Gründe für die Handlungsempfehlung im Einzelnen nachvollziehen können. Ein begleitender Wissenstransfer ist daher von eher untergeordneter Bedeutung, während er bei der Lehrertätigkeit im Fokus steht und gerade intendiert ist. Denn Lehrer übertragen (im Idealfall) ihre Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen auf ihre "Schüler", wobei sie den Unterrichtsstoff grundsätzlich (Ausnahmen: Einzelunterricht/Schulung von Kleinstgruppen) nicht spezifisch auf die Person und den Kontext des Lernenden zuschneiden. Dagegen sind Beratungssituationen eher durch eine Nähe zur Lebenssituation des Klienten und dessen konkreten Problemen gekennzeichnet. Wird Wissen an eine Gruppe von Teilnehmern vermittelt, so spricht dies eher für eine Lehrertätigkeit, während sich Berater eher mit den spezifischen Problemen von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen befassen. Hauptmotiv für die Teilnahme an einer Beratung (und für die Befolgung eines etwaigen Ratschlags) ist daher die Aussicht auf eine erfolgreiche und gelingende Problemlösung, während der Antrieb zur Schulungsteilnahme primär im erhofften Wissens- und Erkenntnisgewinn liegt und eher auf den Erwerb eigener Problemlösungskompetenzen ausgerichtet ist."

3. Der sachliche Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers für den Sportverein liegt zur Überzeugung des Senats nach vorstehenden Kriterien auf der Lehrertätigkeit (und nicht der Beratertätigkeit) - die organisatorischen Aufgaben nehmen nach eigenen Aussagen des Klägers "lediglich" 30 % der Zeit ein:

Lehrer - ein weit zu verstehender Begriff - vermitteln nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welcher sich der Senat anschließt, anderen durch Erteilung von theoretischem oder praktischem Unterricht (Allgemeinbildung oder) spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fertigkeiten. So ist es hier bei der Tätigkeit des Klägers als Volleyballtrainer. Soweit der Kläger seine besondere Qualifikation und seine besonderen Trainingsmethoden hervorhebt, ist auf den Tatbestand des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI zu verweisen, welcher keinerlei Vorgaben zum Niveau, zur Qualität, Methode und Form des Unterrichts noch zur Qualifikation des Lehrers enthält (und auch keine Teilnahmepflicht oder Leistungskontrolle bzw. kein Ausstellen von Zeugnissen oder Bescheinigungen erfordert).

Der Kläger selbst gibt an, dass jedenfalls die Tätigkeit in der Jugendmannschaft als Lehrertätigkeit zu werten sei. Dem Senat erschließt sich nicht, warum dies dann bei der Tätigkeit in den Seniorenmannschaften nicht der Fall sein sollte. Denn anders als der Kläger vorgibt, handelt es sich bei der Bezirksliga/Bezirksklasse (Damen I) bzw. Oberliga (Herren I) keineswegs um die höchsten Ligen im Volleyball, sondern im Falle der Damen I sogar um die untersten Klassen. Unabhängig von der Frage, ob eine Wissensvermittlung nicht auch gegenüber Mitgliedern einer Bundesligamannschaft anzunehmen wäre (hier muss der Einzelne in die Mannschaft integriert und müssen Spielzüge etc. eingeübt werden), kann jedenfalls in der Oberliga bzw. Bezirksliga/Bezirksklasse - genauso wenig wie in Jugendmannschaften - von einem vollständigen Beherrschen der Sportart ausgegangen werden. Auch hier jedenfalls bleibt die Vermittlung von Wissen durch einen Lehrer, hier: den Kläger, notwendig. Soweit der Kläger das Vorliegen einer A-Lizenz betont, spricht dies doch gerade für eine Lehrertätigkeit, weil er dementsprechend viele Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fertigkeiten mitbringt, die er vermitteln kann. An dieser Wissensvermittlung hatte der Kläger ein großes Interesse, zumal er für alles allein verantwortlich war, so auch für die Ergebnisse und das Abschneiden im jeweiligen Ligabetrieb.

Die Lehrertätigkeit ist (anders als die Beratertätigkeit) auf eine Wissensvermittlung für eine unbestimmte Vielzahl unbestimmter Anwendungssituationen (wie sie sich auch bei einem Volleyballspiel ergeben) geprägt. Lehrer vermitteln eher generelles Wissen, dass die Lernenden aufnehmen und rezepieren sollen - Berater gehen regelmäßig auf individuelle Probleme des jeweils Ratsuchenden konkret helfend ein. Soweit der Kläger vorgibt, individuell einzelne Spielerinnen und Spieler zu beraten, wird auch aus den Aussagen des Klägers nicht deutlich, dass die Spielerinnen und Spieler einzeln bei ihm um Rat nachsuchen. Vielmehr ergibt sich für den Senat das Bild, dass der Kläger durchaus einzelnen Spielerinnen und Spielern individuelle Kenntnisse verschafft (was nicht zwingend dem Lehrerbegriff widerspricht, vgl. auch schon BSG Urteil vom 27.09.2007 - B 12 R 12/06 R -, juris Rn 11), dabei aber immer auch die Gruppe bzw. die übrigen Mitglieder der Mannschaft im Blick haben muss und auch anweist. Der Kläger führt selbst aus, dass er die am Training Teilnehmenden anweist, etwas Bestimmtes zu tun und dann individuell Verbesserungen vornimmt. Dieses widerspricht nicht der Definition eines Lehrers, vielmehr handelt es sich auch hier um die Anleitung zu einem gemeinsamen Tun. Für den Senat es ist daher nicht entscheidend, ob die Angaben des Klägers hier zutreffen, wonach seine Arbeit aus 80 % Einzelkorrekturen und nur 20 % Arbeit mit der ganzen Gruppe bestehe - danach verblieben dann durchschnittlich etwa 10 Minuten pro Woche, um den einzelnen Spielerinnen bzw. Spielern Kenntnisse zu vermitteln. Nach den Maßstäben des Bundessozialgerichts spricht eher für eine Lehrertätigkeit, wenn wie hier Wissen an eine Gruppe von Teilnehmern (wenn auch immer wieder mit individueller Korrektur und Kenntnisverschaffung) vermittelt wird. Antrieb und Hauptmotiv der Spielenden ist nicht die Aussicht auf eine erfolgreiche und gelingende Problemlösung (das Problem sieht oft der Trainer/Kläger, zumal mit A-Lizenz, nicht die/der Spielende, etwas anderes trägt auch der Kläger nicht vor), sondern primär ein erhoffter Wissens- und Erkenntnisgewinn und der Erwerb eigener Problemlösungen, um diese dann im Spiel anwenden zu können. Auch nach dem Vortrag des Klägers erscheint es nicht unerheblich, ob die Spielenden den Lösungsweg und die Gründe für die Handlungsempfehlung im Einzelfall nachvollziehen können - vielmehr scheint auch nach dem im Verfahren Gesagten der begleitende Wissenstransfer wie beim Lehrer intendiert. Soweit der Klägerbevollmächtigte auf die unterschätzte große Bedeutung der Spieltaktik beim Volleyball verweist, ist doch dies gerade Anhaltspunkt für den Lehrer, der die Taktik der Gruppe vermittelt - und im Übrigen (auch nach den Angaben des Klägers) Spielzüge etc. in der Gruppe einüben lässt.

Dass der Kläger Wissen an eine Gruppe vermittelt, wird etwa auch durch die Angaben im Businessplan vom 21.08.2013 belegt, den der Kläger im Verwaltungsverfahren an die Beklagte gesandt hat. Dort heißt es etwa unter Ziffer 3: "[ ] Generell ist der Bedarf an spezialisierten Athletiktrainern steigend, da die Bedeutung der athletischen Ausbildung im Hochleistungssport stetig wächst und die Disziplintrainer diesen Bereich nicht (mehr) adäquat abdecken können. Für die Vereine sind die qualifizierte Ausbildung, das Know-how sowie die Trainerpersönlichkeit für den Kauf entscheidend. Ich biete den Teams mit meiner Ausbildung und Expertise, meinem Wissen und meiner Persönlichkeit, eine Möglichkeit ihre Teams qualitativ zu verbessern. [ ]" Dies wird nicht entkräftet durch die "Beschreibung meiner aktuellen Verträge und Tätigkeiten (Stand Februar 2016)" des Klägers, in der dieser bezogen auf den Sportverein ausführt: "[ ] Im Training bin ich für die komplette sportartspezifische Ausbildung der Spieler und Spielerinnen, spricht/Taktik/Athletik/Persönlichkeit, verantwortlich. Das Training umfasst individuelle Inhalte, Kleingruppentraining sowie Mannschaftstraining. Darüber hinaus finden in regelmäßigen Abständen Einzelgespräche oder Besprechungen mit dem gesamten Team statt. [ ]".

Soweit der Kläger einen Vergleich ziehen will zur Unternehmensberatung, Strategieplanung und Persönlichkeitsbildung, wird doch gerade hieraus deutlich, dass der Kläger etwas ganz anderes macht. Noch offensichtlicher wird dies bei den ebenfalls vom Kläger angeführten beratenden Tätigkeiten als Psychotherapeut, Sozialpsychologe, Sportmediziner, Analytiker und Persönlichkeitsberater: Hier sieht sich die Person einer jeweils um Rat suchenden Personen oder Unternehmung gegenüber und kann individuell auf diese Person bzw. Unternehmung eingehen. Der Psychotherapeut muss aber nicht bildlich noch eine Vielzahl anderer Menschen parallel zu Übungsformen anhalten und den gemeinsamen Erfolg sicherstellen. Und anders als der Unternehmensberater macht sich der Kläger durch seine Tätigkeit nicht (irgendwann) bildlich überflüssig. Lediglich ergänzend sei angeführt, dass der Kläger sicherlich nicht als "Vorturner" anzusehen ist, aber eben als Sportlehrer.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

IV. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1, 2 SGG) sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.
Rechtskraft
Aus
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