L 19 AS 879/20 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 21 SF 191/19 E
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 879/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I. Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse.

Der Klägerin wurde im Verfahren S 21 (23) AS 385/08 Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet. Mit Urteil vom 13.12.2013 wies das Sozialgericht Düsseldorf die Klage rechtskräftig ab.

Mit Schreiben vom 18.12.2017, eingegangen bei Gericht am 20.12.2017, hat der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner Vergütung für das Verfahren S 21 (23) AS 385/08 aus der Staatskasse i.H. v. insgesamt 510,75 EUR beantragt. Er hat ausgeführt, dass die Zustellung des Urteils unter dem 08.01.2014 erfolgt sei. Der Zugang sei bei ihm am 13.01.2014 erfolgt. Innerhalb der Rechtsmittelfrist sei eine interne Abstimmung zwischen ihm und der Klägerin erfolgt, ob das Urteil mit der Berufung angegriffen werden solle oder nicht. Erst mit der Entscheidung, von der Einlegung eines Rechtsmittels abzusehen, sei die Angelegenheit in der Hauptsache beendet gewesen. Nach § 52 Abs. 5 S. 1 RVG beginne die Verjährungsfrist erst mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zu laufen.

Der Beschwerdegegner hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit Beschluss vom 12.06.2018 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Festsetzungsantrag abgelehnt.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt. Ergänzend hat er vorgetragen, dass für sozialgerichtliche Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstünden, nicht der Zeitpunkt der mündlichen Verkündung des Urteils bereits die Entstehung des Gebührenanspruchs nach sich ziehe und damit auch nicht die Verjährung in Gang setze. Das sozialgerichtliche Verfahren sei dadurch geprägt, dass Urteile zum Teil mündlich verkündet würden, häufig aber auch schriftlich. Werde das Urteil mündlich verkündet, werde häufig noch die folgende schriftliche Urteilsbegründung verwiesen. Die Rechtsmittelfrist beginne immer erst mit der Zustellung des schriftlichen Urteils. Dieser Umstand lege es nahe, im Sozialrecht als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Beendigung des Verfahrens die Zustellung des Urteils anzusehen. Hinzu komme, dass in diesem Verfahren in aller Regel Betragsrahmengebühren entständen, für deren Bemessung auch zeitlich nach der mündlichen Urteilsverkündung liegende anwaltliche Tätigkeiten noch Bedeutung haben könnte. Noch zur Vorinstanz gehörten die Besprechung des schriftlichen Urteils mit dem Mandanten, die Beratung, welche Rechtsmittel zulässig seien und ob diese eingelegt werden sollen. Dies führe dazu, dass sich die konkrete Gebührenhöhe zeitlich nach der mündlichen Urteilsverkündung noch verändern, nämlich erhöhen könne. Vorliegend sei nach Vorlage des schriftlichen Urteils und einer ausführlichen telefonischen Besprechung der Angelegenheit mit der Klägerin die Entscheidung getroffen worden, davon abzusehen, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

Durch Beschluss vom 20.04.2020 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Erinnerung zurückgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen. Dem Beschluss ist eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen, wonach gegen diesen Beschluss binnen eines Monats nach Bekanntgabe Beschwerde bei dem Sozialgericht Düsseldorf schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden könne. Die Beschwerdefrist sei auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werde.

Gegen den am 28.04.2020 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 27.05. 2020 Beschwerde beim Sozialgericht Düsseldorf eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter. Ergänzend weist er darauf hin, dass die Einrede der Verjährung nach den Ziffern 1.2.2 und 1.4.4 der AV des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen vom 30.6.2005 in der Fassung vom 08.11.2018 eine Ermessensentscheidung darstelle und die Einholung der Zustimmung des unmittelbar vorgesetzten Präsidenten voraussetze. Vorliegend sei weder die Ausübung des Ermessens ersichtlich noch die Einholung der erforderlichen Zustimmung.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Nach einem Hinweis des Senats vom 17.06.2020, abgesandt am 18.06.2020, auf die Verfristung der Beschwerde hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 07.07.2020, eingegangen bei Gericht am 07.07.2020, die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist beantragt. Die Rechtsmittelbelehrung unter dem Beschluss sei fehlerhaft gewesen. Die Rechtsmittelfrist sei von seinem Sekretariat entsprechend der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung notiert worden. Innerhalb der aufgrund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung notierten Frist sei das Rechtsmittel auch eingelegt worden. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung habe nach § 66 Abs. 2 SGG zur Folge, dass sich die Rechtsmittelfrist auf ein Jahr verlängere. Im Dezember 2016 sei die Akte von seinem Sekretariat unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verjährung von Honoraransprüchen geprüft und ausgehend vom Zustellungsdatum des schriftlichen Urteils weiter verfristet worden.

II.

Der Senat entscheidet durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§ 1 Abs. 3, 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 RVG), da die Sache keine besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtsache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

A. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde ist zwar nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1, 1 Abs. 3 RVG statthaft, aber verfristet. Denn die Beschwerde ist nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG beim Sozialgericht Düsseldorf eingelegt worden.

Der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf ist dem Beschwerdeführer laut Empfangsbekenntnis am 28.04.2020 zugestellt worden. Die Beschwerde ist außerhalb der Zwei-Wochen-Frist des §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG am 27.05.2020 beim Sozialgericht Düsseldorf eingegangen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Beschwerde nicht deswegen als fristgemäß anzusehen, weil in der Rechtsmittelbelehrung über die Beschwerdefrist falsch belehrt wurde. § 66 Abs. 2 S. 1 SGG, der bestimmt, dass, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs (noch) innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig ist, ist nicht anzuwenden. Nach § 1 Abs. 3 RVG gehen die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Insoweit ist auch § 33 Abs. 5 RVG vorrangig (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2019 - L 32 AS 2265/18 B ER PKH).

Nach §, 33 Abs. 5 RVG ist auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und er die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden (Sätze 1 bis 3). Eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung eröffnet danach keine verlängerte Frist von einem Jahr, sondern begründet lediglich die Vermutung des Fehlens von Verschulden.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht gewährt.

Dahinstehen kann, ob der Beschwerdeführer die Zwei-Wochen-Frist des §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 5 S. 1 RVG für den Wiedereinsetzungsantrag gewahrt hat. Jedenfalls ist kein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller ist nicht ohne sein Verschulden verhindert gewesen, die Frist einzuhalten.

Ein fehlendes Verschulden scheidet nicht deswegen aus, weil nach § 33 Abs. 5 S. 2 RVG ein solches vermutet wird, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung insbesondere fehlerhaft ist. Voraussetzung dafür ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung überhaupt für die Fristversäumnis ursächlich geworden ist (vgl. hierzu LSG Thüringen, Beschluss vom 30.07.2019 - L 1 SF 655/17 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2019 - L 32 AS 2265/18 B ER PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.08.2017 - L 6 AS 1636/16 B). An einer solchen Ursächlichkeit mangelt es in denjenigen Fällen, in denen der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis über seine Rechtsmittel keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf; dies ist bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten ebenso wie bei Behörden, die ein gerichtliches Verfahren in einem zugewiesenen Aufgabenkreis führen, regelmäßig der Fall (BGH, Beschluss vom 27.02.2013 - XII ZB 6/13). Zwar dürfen sich ein anwaltlich vertretener Beteiligter und selbst dessen Rechtsanwalt im Grundsatz auf die Richtigkeit einer Belehrung durch das Gericht verlassen. Allerdings muss von einem Rechtsanwalt, zu dessen Pflichten es gehört, seinen Mandanten zutreffend über die formellen Voraussetzungen des gegebenen Rechtsmittels zu belehren, erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat. An einem entschuldbaren Rechtsirrtum fehlt es hingegen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und sie deshalb - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte ( vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2019 - L 32 AS 2265/18 B ER PKH m.w.N.)

Vorliegend ist die vom Sozialgericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung beim Ausgangsgericht einzulegen. Die Einlegung der Beschwerde innerhalb eine Monats beim Ausgangsgericht oder dem Landessozialgericht wahrt die Frist nicht. Die sich aus der falschen Rechtsmittelbelehrung ergebende Vermutung sieht der Senat als widerlegt an. Denn bei dem Beschwerdeführer handelt e sich um einen in Kostenangelegenheiten versierten Rechtsanwalt, der vor den nordrhein-westfälischen Sozialgerichten regelmäßig auftritt und in einer Vielzahl von Verfahren im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet wird, so dass davon auszugehen ist, dass dem Beschwerdeführer die korrekte Frist von zwei Wochen bekannt ist. Der Beschwerdeführer erhebt seit Jahren - dem im RVG vorgesehenen Verfahren entsprechende - Beschwerden nach § 56 Abs. 2 RVG. Gründe für einen entschuldbaren Rechtsirrtum sind nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer bedurfte aufgrund seines Kenntnisstandes über seine Rechtsmittel keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung.

Der Beschwerdeführer hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumnis ohne eigenes Organisationsverschulden auf das Verschulden einer Hilfsperson zurückzuführen ist. Ob die zum Organisationsverschulden eines Rechtsanwalts entwickelten Grundsätze auch dann anwendbar sind, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt die Kostenfestsetzung nach dem RVG im Beschwerdeverfahren als Rechtsmittelführer selbst betreibt, kann offen bleiben. Sind sie nicht anwendbar, ist der Umstand, dass eine von dem Beschwerdeführer eingeschaltete Person eine falsche Frist notiert hat, ihm unmittelbar zuzurechnen. Sind sie anwendbar, weil der Beschwerdeführer Rechtsanwalt ist und bei Tätigwerden in eigenen Angelegenheiten so zu behandeln ist wie ein bevollmächtigter Rechtsanwalt, kann er sich nicht entlasten, da ein Organisationsverschulden besteht. Denn wenn ein Rechtsanwalt eine Prozessvertretung übernimmt, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner wesentlichen Aufgaben, der er seine besondere Sorgfalt widmen muss. Ist ihm dies selbst wegen Arbeitsüberlastung nicht möglich, muss er das Mandat ablehnen oder an einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt weiterleiten. Ein Rechtsanwalt kann sich im Rahmen der Fristenüberwachung durchaus auch bestimmter Hilfspersonen bedienen und tut dies üblicherweise auch. Ob allerdings die (inhaltliche) Überprüfung der Richtigkeit der in der Rechtsbehelfsbelehrung angegebenen Frist unter dem Blickwinkel eines Organisationsverschuldens überhaupt delegierbar ist, kann offenbleiben. Denn der Beschwerdeführer hat nach seinem Vortrag die inhaltliche Überprüfung nicht delegiert; sondern in seinem Büro wurden von den Hilfspersonen die Fristen aus der Rechtsmittelbelehrung übernommen. Die inhaltliche Überprüfung hat damit weiterhin in der Hand des Beschwerdeführers gelegen, der seinerseits eine Überprüfung aber nicht vorgenommen oder jedenfalls nicht sichergestellt hat, dass die richtige Frist notiert und überwacht wird (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 08.08.2017 - L 6 AS 1636/16 B).

B. Die Beschwerde ist auch unbegründet. Denn der Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers ist verjährt.

Die Verjährung des Vergütungsanspruches eines beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse aus § 45 RVG ist im RVG nicht geregelt. Sie richtet sich grundsätzlich nach den Verjährungsvorschriften des BGB und verjährt damit nach §§ 195, 199 BGB mit dem Ablauf des dritten Kalenderjahres, das dem Jahr, in dem der Vergütungsanspruch fällig geworden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2008 - II-8 WF - 30107; Mayer: in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 8 RVG Rn. 34 m.w.N.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 55 RVG Rn. 42; Hartung: in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 45 Rn. 70; Enders: in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 8 Rn. 42). § 52 Abs. 5 RVG ist - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - im sozialgerichtlichen Verfahren nicht einschlägig. Die Frist beginnt nach § 201 BGB mit dem Ablauf des Jahres in dem der Vergütungsanspruch nach § 8 Abs. 1 RVG fällig wird (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Toussaint: in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 20. Aufl. 2020, § 8 Rn. 31; Hartung, a.a.O., § 45 Rn. 71).

Die Vergütung wird nach § 8 Abs. 1 S. 2 2. Alt. RVG fällig, wenn der Rechtszug beendet ist. Gemeint ist der prozessuale Rechtszug, nicht der gebührenrechtliche Rechtszug (Enders, a.a.O., § 8 Rn. 26; Bischof: in Bischof/Jungbauer, RVG, 8. Aufl. 2018, § 8 Rn. 38). Der Prozess endet mit einer gerichtlichen Entscheidung, die die Instanz abschließt (vgl. Gierl: in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 8 RVG Rn. 40). Der Rechtszug ist i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG mit der Verkündung der Entscheidung und nicht erst mit ihrer Zustellung beendet. Mit der Verkündung der Entscheidung wird die Anwaltsvergütung bereits fällig (vgl. Mayer, a.a.O., § 8 RVG Rn. 17; Enders, a.a.O., § 8 Rn. 31).

Damit ist im vorliegenden Fall die Vergütung des Beschwerdeführers aus § 45 RVG mit Verkündung des Urteils am 13.12.2013 fällig geworden und hat die Verjährungsfrist am 01.01.2014 zu laufen begonnen. Die Vornahme von Abwicklungstätigkeiten nach § 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG sind für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Vergütung nicht entscheidend. Denn der gebührenrechtliche Rechtszug (§ 15 Abs. 2 S. 2 RVG) kann weitergehen als der prozessuale Rechtszug. Während der prozessuale Rechtszug, z.B. mit Ergehen des Urteils, endet, gehören zum gebührenrechtlichen Rechtszug auch noch weitere Abwicklungstätigkeiten, wie z.B. das Kostenfestsetzungsverfahren (Mayer, a.a.O., § 8 RVG Rn. 17; Toussaint, a.a.O., § 8 Rn. 20 m.w.N:, Enders; a.a.O., § 8 Rn. 26). Entscheidend für die Fälligkeit der Vergütung ist die prozessrechtliche Beendigung des Rechtstreits, nicht die gebührenrechtliche i.S.d. § 19 Abs. 1 RVG (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.07.1997 - 11 U 230/97; Göttlich/Mümmler, RVG, 7. Aufl. 2020, Stichwort Fälligkeit1.4).

Der Lauf der Verjährung des Vergütungsanspruchs ist bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils - ausgehend von der Angabe des Beschwerdeführers über die Zustellung des Urteils am 13.01.2014 - nach § 8 Abs. 2 S.1 RVG bis zum 13.02.2014 gehemmt gewesen. Denn nach § 8 Abs. 2 S. 1 RVG wird die Verjährung der Vergütung für eine Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem gerichtlichen Verfahren gehemmt, solange das Verfahren anhängig ist. Die Hemmung endet mit der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG (§ 8 Abs. 2 S. 2 RVG Toussaint; a.a.O., § 8 Rn. 37; Göttlich/Mümmler, a.a.O., Stichwort Fälligkeit 3.). Soweit der im § 8 Abs. 2 S. 1 RVG verwendete Begriff "anhängiges Verfahren" dahingehend ausgelegt wird, dass nicht nur auf die Anhängigkeit des Erkenntnisverfahrens sondern auch auf die Anhängigkeit von Nebenverfahren, z.B. von Kostenfestsetzungs-oder Streitwertfestsetzungsverfahren, abgestellt wird (Mayer, a.a.O., § 8 RVG Rn. 42; Enders, a.a.O. Rn. 48), ist ein solches Verfahren nach Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzliches Urteils am 13.02.2014 nicht mehr anhängig gewesen.

Eine Hemmung i.S.d. § 8 Abs. 2 RVG hemmt aber lediglich den Ablauf der Verjährungsfrist. Der Zeitraum, in dem das Verfahren noch anhängig ist, wird bei der Verjährungsfrist nicht mitgerechnet. Hemmung bedeutet nicht, dass die Verjährung erneut zu laufen beginnt. Der Beginn der Verjährungsfrist ändert sich nicht. Lediglich deren Ablauf wird nach hinten hinausgeschoben (Mayer, a.a.O., § 8 RVG Rn. 42; Enders, a.a.O., § 8 Rn. 47).

Damit ist die Verjährungsfrist vorliegend am 13.02.2017 abgelaufen gewesen. Der Kostenfestsetzungsantrag ist aber erst am 20.12.2017 bei Gericht eingegangen.

Die Staatskasse hat die Einrede der Verjährung erhoben. Der Erhebung der Verjährungseinrede steht auch nicht der Einwand unzulässige Rechtsauübung entgegen, § 242 BGB (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2008 - II-8 WF 301/07, OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.06.1992 - 4 WF 40/92).

Der Entscheidungsspielraum, der dem Schuldner durch § 214 Abs. 1 BGB eingeräumt ist, unterliegt nur in eingeschränktem Maße einer gerichtlichen Kontrolle. Durch den Erlass der AV des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30.06.2005 (560 - Z.20 - JMBl. NRW S. 181) in der Fassung bis zum 31.12.2018 hat sich das Land Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer gewissen Selbstbindung unterworfen, die es als willkürlich und damit als treuwidrig erscheinen lassen könnte, würde sie sich gerade gegenüber dem Beschwerdeführer nicht an die allgemein gesetzten eigenen Vorgaben halten. Unter Berücksichtigung von Ziff. II 4 dieser AV könnte sich die Verjährungseinrede danach als rechtsmißbräuchlich erweisen, wenn sie erhoben worden wäre, obwohl - der Anspruch zweifelsfrei begründet ist und - entweder die Verjährungsfrist erst verhältnismäßig kurze Zeit abgelaufen ist oder der Anspruchsberechtigte aus verständlichen Gründen (z.B. Schweben eines Rechtsmittels oder eines Parallelprozesses, längeres Ruhen des Verfahrens, Tod des Anwalts), die in einem Sachzusammenhang mit dem Erstattungsantrag stehen müssen, mit der Geltendmachung seines Anspruchs gewartet hat Die Voraussetzungen, die es nach Ziff. II 4 der AV in der Fassung bis zum 31.12.2018 regelmäßig erlauben, von der Erhebung der Verjährungseinrede abzusehen, sind im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Seiner Geltendmachung fast zehn Monate nach Ablauf der Verjährungsfrist steht aber die Annahme entgegen, dass "die Verjährungsfrist erst verhältnismäßig kurze Zeit abgelaufen ist". Denn insoweit sind nur Fristüberschreitungen von wenigen Tagen, allenfalls Wochen, nicht aber von Monaten beachtlich (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2008 - II-8 WF 301/07). Ebenfalls hat der Beschwerdeführer nicht "aus verständlichen Gründen, die in einem Sachzusammenhang mit dem Erstattungsantrag stehen" mit der Geltendmachung seines Anspruchs gewartet. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer, erst kurz vor Ablauf der von ihm unzutreffend ermittelten Verjährungsfrist, nämlich 10 Tage vorher, einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt, stellt kein verständlicher Grund dar, zumal nach seinen Angaben sein Sekretariat noch vor Ablauf der Verjährungsfrist zum 13.02.2017 mit der Angelegenheit befasst gewesen ist und zu diesem Zeitpunkt den Kostenantrag hätte stellen können. Die Entscheidung, mit Stellung eines Kostenfestsetzungsantrag bis kurz vor Ende der Verjährungsfrist abzuwarten, fällt in den Risikoreich eines Rechtsanwalts. Auch ist die nach den Vorgaben der AV erforderliche Zustimmung der Gerichtsleitung erteilt worden.

Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 S. 2 RVG).

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 S. 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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