S 12 KA 669/17 WA

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 669/17 WA
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Insb. dann, wenn die aktuelle Einkommensentwicklung stark von dem der Beitragsklasse entsprechenden Honorarumsatz abweicht, ist von einem „begründeten Einzelfall“ i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 6 GEHV in der ab 01.07.2012 geltenden Fassung auszugehen. Soweit die KV Hessen in ihrer Ermessensrichtlinie gemäß Vorstandsbeschluss vom 11.03.2013 anstelle des Vor-Vorjahres auf das Vorjahr für die Erfassung des Umsatzes des Vertragsarztes abstellt, ist dies nicht zu beanstanden.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 2.508,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung der EHV-Beitragsklasse 3 und des EHV-Beitrags in Höhe von 1.181,00 EUR je Quartal, was einem Jahresbetrag von 4.724,00 EUR entspricht, anstatt der EHV-Beitragsklasse 2 nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten (GEHV) für das Beitragsjahr 2012/2013.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Seit 01.10.2010 führt er mit der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. C. A. eine Berufsausübungsgemeinschaft.

Die Beklagte stufte den Kläger mit Bescheid vom 31.08.2012 für den Zeitraum 01.07.2012 bis 30.06.2013 in die Beitragsklasse 4 ein und setzte danach den Beitrag je Quartal auf 2.508,00 EUR, was einem Jahresbetrag von 10.032,00 EUR entspricht, fest. Hierbei ging sie von folgenden Eckdaten aus:
Gesamthonorar 2010 in EUR 27.950,11
Durchschnittshonorar 2010 in EUR 205.389,02
Anteil am Durchschnittshonorar 13,61 %
Ermittelte Beitragsklasse 4

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06.10.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, es zeichne sich ein Missverhältnis zwischen der Zahl der Einzahler zu der der Empfänger ab. Dies führe zu einer Überforderung der Einzahler. Die EHV-Reform sei in dieser Form nicht akzeptabel. Er sei auch fehlerhaft in die Beitragsklasse eingestuft worden. Er habe im gesamten Jahr 2010 ein Honorar von 27.950 EUR erwirtschaftet und sei deshalb keinesfalls in die Beitragsklasse 4 einzustufen. Frau Dr. C. A. habe zwar im Jahr 2010 ein Honorar von 182.855 EUR erwirtschaftet, das ab dem Quartal IV/10 gemeinschaftlich erwirtschaftete Honorar bewege sich jedoch bis heute deutlich unter dem angenommenen Durchschnittshonorar pro Arzt.

Die Beklagte wertete das Widerspruchsschreiben vom 06.10.2012 als Antrag auf Änderung der Beitragsklasse.

Die Beklagte änderte mit Bescheid vom 04.10.2013 die Einstufung in die Beitragsklasse 3 ab. Sie habe als Ausgangswert das Jahr 2011 herangezogen, da der Kläger erstmals seit 01.10.2010 vertragsärztlich tätig sei. Als Vergleichsgröße bleibe das Durchschnittshonorar aus dem Vorvorjahr (2010) bestehen. Sie setzte danach den Beitrag je Quartal auf 1.181,00 EUR, was einem Jahresbetrag von 4.724,00 EUR entspricht, fest. Hierbei ging sie von folgenden Eckdaten aus:
Gesamthonorar 2010 in EUR 106.360,02
Durchschnittshonorar 2010 in EUR 205.389,02
Anteil am Durchschnittshonorar 51,78 %
Ermittelte Beitragsklasse 3

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 03.11.2013 Widerspruch ein. Er trug vor, für das Folgejahr habe ihn die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2013 in die Beitragsklasse 2 eingeordnet. Es sei ihm nicht nachvollziehbar, weshalb er dann in die Beitragsklasse 3 eingeordnet worden sei, obwohl sich das zugrunde gelegte Gesamthonorar nicht verändert habe.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2014 beide Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine Reform der EHV sei angesichts einer wachsenden Anzahl von EHV-Empfängern und einer gleichzeitig abnehmenden Anzahl von Einzahlern erforderlich geworden. Mit der aktuellen Neufassung habe sie u. a. ein Beitragsklassenmodell eingeführt. Jeder aktive Vertragsarzt werde danach in eine der neun Beitragsklassen eingestuft. Grundlage für die Einstufungen in die jeweilige Beitragsklasse bilde das prozentuale Verhältnis des arztindividuellen Honorars zum Durchschnittshonorar aller aktiven Vertragsärzte (Beitragszahler). Das Honorar des Klägers im für den Beitrag jetzt maßgeblichen Jahr 2011 betrage 106.360,02 EUR, was die Beklagte quartalsmäßig darstellte. Das Durchschnittshonorar für das Beitragsjahr 2012/2013 betrage 205.389,02 EUR, sein Anteil 51,78 %, so dass er in die Beitragsklasse 3 einzustufen sei. Für das Beitragsjahr 2013/2014 betrage das Durchschnittshonorar 214.537,75 EUR und sei mithin der Anteil des Klägers am Durchschnittshonorar geringer (49,58 %), weshalb die Einstufung in die Beitragsklasse 2 erfolgt sei. Im Übrigen sei die EHV-Reform nicht zu beanstanden.

Hiergegen hat der Kläger am 10.03.2014 die Klage zum Az.: S 12 KA 134/14 erhoben. Auf Antrag der Beteiligten hat die Kammer das Verfahren mit Beschluss vom 10.02.2015 zum Ruhen gebracht. Sie hat auf Antrag des Klägers das Verfahren am 28.12.2017 wieder aufgerufen.

Der Kläger trägt vor, er habe im Jahr 2011 ein Honorar in Höhe von 106.360,02 EUR erwirtschaftet. § 3 Abs. 2 Satz 5 GEHV gebe dem Vorstand der Beklagten nicht die Befugnis, Zahlen aus verschiedenen Jahren miteinander zu vergleichen. Für das Vorgehen der Beklagten fehle es an einer Rechtsgrundlage. Es sei rechtswidrig, als Grundlage für das Durchschnittshonorar das Jahr 2010 zu nehmen, für sein Einkommen aber das Jahr 2011. Beide Größen müssten demselben Jahr entspringen. § 3 Abs. 2 Satz 5 GEHV gebe dem Vorstand der Beklagten nicht die Befugnis, Zahlen aus verschiedenen Jahren miteinander zu vergleichen. § 3 Abs. 2 Satz 5 GEHV sehe dies nicht vor. Die Frage der unterschiedlichen Bezugsjahre werde vom Bundessozialgericht bisher nicht behandelt.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 31.08.2012 und den Bescheid vom 04.10.2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn für die Quartale III/12 bis II/13 in die Beitragsklasse 2 einzustufen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie erläutert ihre Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung in der Neufassung. Die Annahme des Honorars aus dem Jahr 2011 stelle schon eine Bestwertregelung dar. Bei Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit habe die Einstufung in Beitragsklasse 4 zu erfolgen. In § 3 Abs. 1 Satz 1 sei ausdrücklich geregelt, dass Grundlage der Beitragsfestsetzung das Honorar im Vorvorjahr sei. Der Beitrag beziehe sich gem. § 3 Abs. 3 Satz 2 bzw. § 10 Abs. 3 GEHV auf die jährliche Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Die Bezugsgröße sei aber das Durchschnittsentgelt in der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr. Die Auffassung des Klägers würde zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung führen. Für das Beitragsjahr 2012/2013 betrage der Beitrag in Beitragsklasse 2 1.254 EUR, im Beitragsjahr 2013/2014 aber 1.288 EUR pro Quartal. Das Bundessozialgericht habe die Beitragsklassensystematik als solche nicht beanstandet. Lediglich die fehlende Berücksichtigung von (weit) überdurchschnittlichen Kostenanteilen führe zur Unanwendbarkeit von § 3 Abs. 1 Satz 1 GEHV. Diesbezüglich fehle es aber an einer Beschwer des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 25.11.2020 angehört. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt der Streitsache nicht zu. Die Entscheidung lässt sich ohne weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ableiten. Es bedarf nicht in jeder einzelnen Verästelung von Rechtsfragen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung. Eine weitere Anhörung war entbehrlich. Die Kammer hat bereits mit den Verfügungen vom 12.09.2018, 26.10.2018 und 08.06.2020 auf die Rechtslage hingewiesen.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 31.08.2012 und der Bescheid vom 04.10.2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2014 sind rechtmäßig und waren nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, ihn für die Quartale III/12 bis II/13 in die Beitragsklasse 2 einzustufen. Die Klage war daher abzuweisen.

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zur EHV ist § 3 Abs. 1 Satz 1 der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung, die die Beklagte durch Beschluss ihrer Vertreterversammlung in den Sitzungen vom 10.03.2012 und 12.05.2012 mit Wirkung zum 01.07.2012 neu gefasst hat (im Folgenden: GEHV). Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der GEHV ist § 8 des hessischen Landesgesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen i. d. F. d. Änderungsgesetzes vom 14.12.2009, GVBl. 2009, Teil I, 662, in Kraft getreten am 23.12.2009 (KVHG) i. V. m. Art. 4 § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) vom 17.08.1955 (BGBl I 513). Nach Art. 4 § 1 Abs. 2 GKAR bleiben landesrechtliche Regelungen über die Altersversorgung der Kassenärzte unberührt. Diese Vorschrift schützt die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits bestehenden Versorgungseinrichtungen von Kassen-(heute: Vertrags-)Ärzten. Diese Vorschrift ist ebenfalls verfassungsgemäß (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 19.02.2014 - B 6 KA 10/13 R - juris Rdnr. 22 ff.; ausführlich BSG, Urt. v. 16.07.2008 - B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 43, juris Rdnr. 20 bis 64; die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde von BVerfG, 1. Senat, 2. Kammer, Beschl. v. 15.06.2009 - 1 BvR 3289/08 - nicht zur Entscheidung angenommen; s. a. die Verfassungsbeschwerde gegen die Parallelentscheidung BSG, Urt. v. 16.07.2008 - B 6 KA 39/07 R - juris, die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde von BVerfG, 1. Senat, 2. Kammer, Beschl. v. 15.06.2009 - 1 BvR 3290/08 - ebf. nicht zur Entscheidung angenommen, zitiert nach den Angaben zu den BSG-Entscheidungen in juris). Das Bundessozialgericht hat jüngst nochmals für diese Vorläuferfassung entschieden, dass § 8 KVHG i. V. m. Art. 4 § 1 Abs. 2 GKAR verfassungsgemäß ist, insbesondere eine hinreichend präzise Ermächtigungsgrundlage für den Satzungsgeber enthält, im Rahmen der betroffenen grundrechtlichen Gewährleistungen von Art 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG einerseits und Art. 14 Abs. 1 GG andererseits Regelungen zu treffen. Die Vorschriften bilden nicht nur mit hinreichender Bestimmtheit eine Grundlage für ein umlagefinanziertes Versorgungssystem, sondern auch für die Anpassung der EHV an sich ändernde Verhältnisse im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts hat sich gezeigt, dass die Beklagte auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigungen auf (auch) grundlegende Änderungen in der Versorgungsstruktur in Bezug auf die EHV sachgerecht zu reagieren imstande ist. Das betrifft sowohl die 1991 erfolgte Erweiterung der EHV auf Honorare, die für die Behandlung von Versicherten der Ersatzkassen über die KÄV verteilt worden sind, als auch die Entscheidung, die Psychologischen Psychotherapeuten nicht in die EHV einzubeziehen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 19.02.2014 - B 6 KA 8/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 80, juris Rdnr. 30 ff.).

Auch die Neufassung des § 8 KVHG ist eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage. Die Neufassung war erforderlich geworden, um die Einbeziehung der Honorare aus Selektivverträgen, die hier nicht in Streit steht, zu gewährleisten.

Von daher war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, auch im strittigen Zeitraum den Kläger zur EHV heranzuziehen.

Das Bundessozialgericht hat mittlerweile entschieden, dass die Beitragsklasseneinteilung nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt und dass bei der Festsetzung des Durchschnittshonorars besondere Kostenanteile der vertragsärztlichen Leistungen zu berücksichtigen sind, was aber nicht Fachärzte für Allgemeinmedizin betrifft (vgl. BSG, Urt. v. 11.12.2019 - B 6 KA 9/19 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 23 (vorgesehen), juris Rdnr. 17 ff.).

Von daher ist gültige Rechtsgrundlage für die hier strittige Erhebung der EHV-Beiträge § 3 GEHV "Beiträge und Beitragsklassen", der wie folgt lautet:

(1) Die EHV wird finanziert durch Beiträge der aktiven Vertragsärzte, die vom Honorar einbehalten werden. Die Höhe des zu leistenden Beitrags ist abhängig von dem erzielten Honorar aus ärztlicher Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung im Vorvorjahr des Beitragsjahres, das heißt aller für das herangezogene Kalenderjahr durch die KV Hessen vergüteten ärztlichen Honorare sowie der Honorare aus Selektivverträgen, die in dem entsprechenden Jahr zugeflossen sind. Soweit das über die KV Hessen abgerechnete Honorar des jeweiligen Vertragsarztes im Quartal nicht ausreichend ist, um den Beitrag durch Honorareinbehalt vollständig zu bedienen, ist er verpflichtet, den nicht verrechenbaren Betrag unverzüglich nach Erhalt eines entsprechenden Zahlungsbescheides an die KV Hessen zu zahlen.
(2) Es werden insgesamt neun Beitragsklassen festgelegt. Anhand des Durchschnittshonorars aller aktiven Vertragsärzte (Beitragszahler) bestimmt sich die Beitragsklasse 4, die den Regelbeitrag festlegt. Beitragszahler, die ein unterdurchschnittliches Honorar erzielen, zahlen einen ermäßigten Beitrag der Beitragsklassen 1 bis 3; Beitragszahler mit überdurchschnittlichem Honorar werden den Beitragsklassen 5 bis 9 zugeordnet. Die konkrete Zuordnung des Beitragszahlers zur Beitragsklasse erfolgt über das prozentuale Verhältnis des Arzthonorars zum Durchschnittshonorar. Soweit für einen Beitragszahler wegen Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit noch kein Vergleichshonorar vorliegt, erfolgt die Einstufung in Beitragsklasse 4. Dies gilt nicht, wenn der Beitragszahler eine Vertragsarztpraxis übernimmt; in diesem Fall wird das Arzthonorar des ehemaligen Praxisinhabers für die Bestimmung der Beitragsklasse herangezogen. In begründeten Einzelfällen kann der Vorstand auf Antrag des Beitragszahlers bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises entscheiden, dass die Eingruppierung in eine andere Beitragsklasse erfolgt. Über die eingegangenen Anträge und die hierzu getroffenen Entscheidungen berichtet der Vorstand dem Beratenden Fachausschuss EHV regelmäßig.
(3) Im Einzelnen bestimmt sich der ab 1. Juli 2012 zu zahlende Beitrag nach § 10 Abs. 3. Der Betrag in Spalte 4 verändert sich jeweils zum 1. Juli eines Jahres in dem Verhältnis, in dem sich die Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV für das jeweilige Jahr gegenüber dem Vorjahr verändert hat. Kommen §§ 5 und/oder 6 zur Anwendung, verändern sich auch die Werte in § 10 Abs. 3 Spalte 3. Der Vorstand hat die Tabelle nach § 10 Abs. 3 bis zum Ende des Monats Juni für die folgenden 12 Kalendermonate neu festzusetzen und zu veröffentlichen. Dies gilt auch, wenn sich die Beitragsklassen nicht verändern.
(4) Der Beitrag ist auf volle Eurobeträge festzusetzen. Soweit die Festsetzungen in § 10 Abs. 3 Spalte 3 zu abweichenden Eurobeträgen führen, ist eine Aufrundung auf den nächsten vollen Eurobetrag vorzunehmen.
(5) Der Nachweis über die erzielten Honorare für ärztliche Leistungen, die nicht direkt über die KV Hessen abgerechnet worden sind, erfolgt durch eine Bescheinigung eines Angehörenden der steuerberatenden Berufe. Sachkosten, die nicht innerhalb der Gebührenordnungspositionen des EBM abgegolten sind oder Kapitel 40 entsprechen, sowie Medikamentenkosten oder Erstattungen für Heil-/Hilfsmittel sind abzuziehen. Soweit ein Nachweis über die erzielten ärztlichen Honorare einschließlich von solchen, die nicht direkt über die KV Hessen abgerechnet worden sind, nicht vorgelegt wird, erfolgt eine Einstufung in die Beitragsklasse 9. Eine Einstufung in die Beitragsklasse 9 erfolgt auch, wenn Angaben nicht plausibel oder vollständig sind. Gegen diese Einstufung ist binnen eines Monats gegenüber der KV Hessen Widerspruch unter Vorlage der vollständigen Unterlagen zulässig. Die Vollständigkeit ist an Eides statt zu erklären. Als vollständig gelten Unterlagen nur, wenn aus ihnen abschließend erkennbar ist, dass es sich bei den angegebenen Vergütungen um alle Vergütungen aus Sonderverträgen handelt.
(6) Für den Fall des Bezugs von Leistungen der EHV nach Erreichen der Regelaltersgrenze unter weiterer Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 lit. b), ist dieser Vertragsarzt weiterhin zur Beitragszahlung in Höhe der zutreffenden Beitragsklasse verpflichtet.

Nach § 10 Abs. 3 GEHV betragen die erstmalig festzusetzenden Beiträge zum Stichtag 1. Juli 2012 in Euro: Beitrags-klasse % Anteil am Durchschnittsho-norar Beitrag je Quartal (in Prozent der jährlichen Bezugsgröße i.S. § 18 Abs. 1 SGB IV) Beitrag je Quartal (in Euro) (Spalte 1) (Spalte 2) (Spalte 3) (Spalte 4)
1 0 (= 25 2,0450 % 627
2 ) 25 (=50 4,0900 % 1.254
3 ) 50 (= 75 6,1350 % 1.881
4 ) 75 (= 100 8,1800 % 2.508
5 ) 100 (= 125 10,2250 % 3.135
6 ) 125 (= 150 12,2701 % 3.762
7 ) 150 (= 175 14,3151 % 4.389
8 ) 175 (= 200 16,3601 % 5.016
9 ) 200 (= 18,4051 % 5.643

Ausgehend hiervon hat die Beklagte auf der Grundlage der dem Kläger zuzurechnenden Honoraranteile die Beitragsklasse 3 im Ergebnis zutreffend festgesetzt.

Liegt wegen Neuaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit noch kein Vergleichshonorar vor, erfolgt die Einstufung in Beitragsklasse 4 (§ 3 Abs. 2 Satz 5 GEHV). Für den Kläger lag noch kein Vergleichshonorar für das gesamte Jahr vor, sondern nur für das Quartal IV/10. Von daher war der Kläger der Beitragsklasse 4 zuzuordnen.

In begründeten Einzelfällen kann der Vorstand auf Antrag des Beitragszahlers bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises entscheiden, dass die Eingruppierung in eine andere Beitragsklasse erfolgt (§ 3 Abs. 2 Satz 6 GEHV). Hierbei handelt es sich um eine Ermessensvorschrift.

Insb. dann, wenn die aktuelle Einkommensentwicklung stark von dem der Beitragsklasse entsprechenden Honorarumsatz abweicht, ist von einem "begründeten Einzelfall" auszugehen, was die Beklagte nicht verkannt hat. Soweit die Beklagte in ihrer Ermessensrichtlinie gemäß Vorstandsbeschluss vom 11.03.2013 anstelle des Vor-Vorjahres auf das Vorjahr für die Erfassung des Umsatzes des Vertragsarztes abstellt, ist dies nicht zu beanstanden. Die Beitragsklassenfestsetzung beruht auf vergangenen Honorarzeiträumen, um eine Beitragsfestsetzung zu Beginn des Beitragszeitraums zu ermöglichen. Insofern liegt es nahe, statt auf das Vor-Vorjahr auf das Vorjahr abzustellen, das insoweit die aktuelle Leistungsfähigkeit stärker wiederspiegelt. Jedenfalls ist dies mit Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift vereinbar.

Für das Durchschnittseinkommen ist aber, da die Berechnungsgrößen vorliegen, weiterhin auf das Vor-Vorjahr abzustellen. Lediglich dann, wenn zwischen aktuellem Einkommen und der Berechnungsgröße erhebliche Diskrepanzen bestehen, kann eine andere Einstufung erforderlich sein, was beim Kläger aber nicht der Fall ist.

Soweit der Kläger letztlich auf die unterschiedliche Beitragserhebung für den hier streitbefangenen Zeitraum und das Folgejahr hinweist, obwohl für beide Zeiträume der gleiche Honorarumsatz, nämlich der für das Jahr 2011 zugrunde gelegt wurde, so beruht dies weniger am unterschiedlichen Durchschnittseinkommen als Bezugsgröße, als vielmehr an der Größe der seinerzeit geltenden Beitragsklassen. Das Bundessozialgericht, das mit dem LSG Hessen darin keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sieht, räumt insofern aber ein, dass die Verwendung von Beitragsklassen zur Ermittlung der Beiträge der Ärzte für die EHV zu Härten führen kann, insbesondere wenn die Grenze zur jeweils nächst höheren Beitragsklasse nur knapp überschritten wird (vgl. BSG, Urt. v. 11.12.2019 - B 6 KA 9/19 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 23 (vorgesehen), juris Rdnr. 22), was vorliegend der Fall ist. Das Bundessozialgericht sah jedoch keine Veranlassung, dies zu beanstanden. Aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung ist dem zu folgen.

Nach allem war die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertsetzung erfolgte durch Beschluss.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Auszugehen war von der Differenz zwischen Beitragsklasse 3 und Beitragsklasse 2. Dies ergab den festgesetzten Wert.
Rechtskraft
Aus
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