S 60 KR 2374/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
60
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 60 KR 2374/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 17.524,61 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Rückforderung der gesamten Vergütung einer Krankenhausbehandlung im Hinblick auf die Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Bauchaortenaneurysma des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Die Beklagte betreibt ein gemäß § 108 SGB V zugelassenes, in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH praktizierendes Plankrankenhaus.

In der Zeit vom 30.01.2017 bis 07.02.2017 wurde im Krankenhaus der Beklagten der bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte Patient Bernd P. (geboren am 06.04.19xx, im Folgenden Versicherter) wegen Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems vollstationär behandelt, wobei bei ihm wegen eines Aneurysmas der Aorta abdominalis am 31.01.2017 endovaskulär eine Stent-Prothese eingesetzt wurde.

Die Klägerin vergütete die Rechnung der Beklagten vom 14.03.2017auf der Grundlage der DRG F08B am 26.03.2018. Ein Prüfverfahren leitete sie nicht ein.

Am 30.07.2019 führten Dres. med. M.-S. und F. des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) auf der Grundlage einer Begehung vom 16.07.2019 ein Nachweisverfahren zur Erfüllung der Voraussetzungen der Richtlinie QBAA-RL des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung bei der Indikation Bauchaortenaneurysma (QBAA-RL) für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser durch (Gutachten, Bl. 6/14 der Verwaltungsakte). Zur Labormedizin und Blutbank der Beklagten führt das Gutachten aus, dass das Haus der Beklagten am Standort in W. zwar über ein Labor und eine Blutbank verfüge. Die verantwortlichen Chefärzte seien indes am St. W. S. in E.-R. tätig und das Labor erbringe Leistungen sowohl für den Standort M. Hospital in W. als auch für den Standort St. W. in E.-R. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein für zwei Standorte zuständiges Labor von einem Chefarzt neben seiner leitenden Funktion als Chefarzt an einem anderen Standort fachlich geleitet und geführt werden könne und das Labor jederzeit und sofort für die Versorgung einsatzbereit sein könne, wenn eine ärztliche Leitung nicht gewährleistet sei. Überdies sei bei der Beklagten lediglich eine medizinisch-technische Assistentin im Bereitschaftsdienst tätig und es werde kein Transfusionsmediziner vorgehalten, weshalb es an einer jederzeitigen und sofortigen Einsatzbereitschaft der Transfusionsmedizin fehle.

Ihren Widerspruch vom 23.10.2019 gegen das Strukturgutachten begründete die Beklagte damit, dass die Aufgabe eines ärztlichen Laborleiters die Organisation des Personaleinsatzes und der Arbeitsvorbereitung, die Steuerung und Anwendung der Betriebsmittel sowie die Qualitätssicherung- und Prüfung umfasse. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb für die Laborleitung ein höherer als achtstündiger Bedarf gesehen werde. Das Labor sei jederzeit und sofort einsatzbereit, da ein 24-Stunden-Bereitschaftsdienst mit einer Medizinisch-technischen Assistentin bestünde; die jederzeitige Einsatzbereitschaft eines Labormediziners sei durch die Qualitätsrichtlinien gerade nicht gefordert. Nicht der Laborleiter, sondern der veranlassende Arztbefunde die Laborproben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2019 (Bl. 9/10 der Gerichtsakte) wies Dr. G. des MDK den Widerspruch zurück. Aus der allgemeinen Lebenserfahrung sei nicht nachvollziehbar, dass für das wichtige Qualitätsmanagement im Labor, für die die Leitung essentiell sei, acht Stunden wöchentlich ausreichten. Überdies betrage die wöchentliche Arbeitszeit des Stellvertreters null Stunden, sodass die Sicherstellung der Stellvertretung bei Abwesenheit des Laborleiters nicht gegeben sei.

Die Klägerin hat am 17.12.2019 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben. Sie habe einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, da diese die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Satz 1 Qualitätssicherungs-Richtlinie (QBAA-RL) nicht erfülle. Die Beklagte verfüge nicht über eine jederzeit und sofort für die Versorgung einsatzbereite Labormedizin und Blutbank. Diese befänden sich zwar am Standort in Wesel; es würden indes Leistungen für den Standort M. Hospital in W. als auch den Standort St. W. S. in E.-R. erbracht und das Stundenkontingent von lediglich acht Stunden des Chefarztes in E.-R. für die Leitung am Standort in W. sei nicht ausreichend, ebenso wie die Vertretung mit 0 Stunden pro Woche unzureichend sei. Überdies sei für die Blutbank lediglich eine medizinisch-technische Assistentin im Bereitschaftsdienst und kein Transfusionsmediziner. Die in den Richtlinien des GBA festgelegten Qualitätssicherungsvoraussetzungen seien äquivalent mit den Strukturvoraussetzungen eines OPS zu betrachten und als strukturelle Abrechnungsvoraussetzungen zu sehen, welche unabhängig vom einzelnen Behandlungsfall aufgrund der allgemeinen Organisation und Dienststruktur des Krankenhauses zu beurteilen seien, ohne dass es einer Einschaltung des MDK in jedem Einzelfall bedürfte. Die Sachverhaltsermittlung bzgl. der Strukturmerkmale respektive Qualitätsvoraussetzungen sei dem Regime des § 275 Absatz 1c SGB V gerade entzogen. Sie verweist auf die Entscheidung des BSG vom 18.07.2013 – B 3 KR 25/12 R –. Die Beklagte trage die Beweislast für das Vorliegen der Strukturvoraussetzungen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 17.524,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.12.2019 zu zahlen.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die QBAA-RL verlange lediglich, dass die Laborleistungen jederzeit und sofort für die Versorgung einsatzbereit sein müssen. Die Richtlinie lege in keiner Weise fest, ob und wie die Laborleitung zu erfolgen habe. Die ärztliche Leitung des Labors sei jederzeit ebenso wie Facharztstandard gewährleistet. Soweit im Arbeitsvertrag des Vertretungsarztes 0 Stunden angegeben werde, bedeute dies lediglich, dass kein festes Stundenkontingent vorgesehen sei; der Vertretungsarzt sei lediglich für Urlaubsvertretungen eingestellt und stehe lediglich bei Vertretungsbedarf zur Verfügung. Soweit die Klägerin in rechtlicher Hinsicht meine, die Rechtsprechung des Bundessozialgericht für Strukturmerkmale sei auch auf die in den Richtlinien des GBA festgelegten Qualitätssicherungsvoraussetzungen anzuwenden, so entbehre dieser Rechtsansicht einer gesetzlichen Grundlage.

Mit richterlichem Hinweis vom 23.06.2020 (Bl. 26/27 der Gerichtakte) hat die Vorsitzende auf das Urteil der Kammer vom 17.06.2020 – S 60 KR 566/19 –, juris hingewiesen und im Hinblick auf die anhängige Berufung das Ruhen des Verfahrens angeregt. Nach dem die Beteiligten sich mit einem Ruhen des Verfahrens einverstanden erklärten, hat die Vorsitzende die Beteiligten mit Verfügung vom 06.10.2020 auf die Rechtskraft des genannten Urteils infolge der Rücknahme der Berufung durch die Krankenkasse hingewiesen und die Ladung verfügt.

Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.11.2020 vorgetragen, dass die Rechtssache S 60 KR 566/19 auf den streitgegenständlichen Behandlungsfall nicht anwendbar sei, da es in diesem Sachverhalt um die Einhaltung der strukturellen Mindestanforderungen eines OPS-Codes ging, wohingegen es vorliegend um die Einhaltung der Voraussetzungen einer G-BA-Richtlinie gehe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig. Denn bei der Klage einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus auf Erstattung von Behandlungskosten eines Versicherten handelt es sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakte nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 13.11.2013 – B 3 KR 33/12 R –, SozR 4-5562 § 9 Nr. 5).

II. Die Klage ist indes unbegründet. Die Klägerin hat keinen Rückforderungsanspruch auf Zahlung von 17.524,61 EUR zuzüglich Zinsen aus öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch analog § 812 BGB. Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nach § 812 BGB analog setzt unter anderem voraus, dass die Beklagte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (vgl. vgl. u.a. BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R –, Rn. 11).

Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Beklagte hat die Zahlung der Rechnung aus dem Behandlungsfall des Bernd P. in der Zeit vom 30.01.2017 bis zum 07.02.2017 nicht ohne rechtlichen Grund erbracht. Vielmehr hat die Klägerin einen entstandenen Vergütungsanspruch der Beklagten erfüllt.

Der Vergütungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin ist aufgrund der durchgeführten stationären Behandlung entstanden, da die stationäre Behandlung die Erfüllung des Anspruchs der Versicherten auf die erforderliche Behandlung aus § 39 Abs. 1 SGB V gegenüber der Klägerin durch die Beklagte darstellt. Die Inanspruchnahme der nach § 39 Abs. 1 SGB V erforderlichen Leistung durch die Versicherte in einem für die Versorgung zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) führt nach § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V zu einer Zahlungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse.

Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass es sich bei der Behandlung des Versicherten Bernd P. im Krankenhaus der Beklagten nicht um eine nicht erforderliche Behandlung im Rechtsinne gehandelt hat. Denn zum einen ist der Klägerin der Einwand einer nicht erforderlichen Behandlung infolge der Nichteinleitung eines Prüfverfahrens verwehrt (1.). Jedenfalls war es der Beklagten verwehrt, als Sanktion für den von ihr behaupteten Verstoß gegen normative Vorgaben der QBAA-RL den Vergütungsanspruch in vollem Umfang entfallen zu lassen (2.). Überdies erfüllt die Beklagte zur Überzeugung der Kammer die Anforderungen an Organisation und Infrastruktur der QBAA-RL (3.).

1. Indem die Klägerin es unterlassen hat, eine MDK-Prüfung im Verhältnis zur Beklagten einzuleiten oder die Rechnungskürzung innerhalb der Frist zur Einleitung eines Prüfverfahrens anzuzeigen, ist eine Präklusionswirkung in Hinblick auf mögliche medizinische Einwendungen, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots, eingetreten (vgl. zu § 275 Absatz 1c: SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2019 – S 15 KR 6688/18 –, juris, Rn.18; SG Duisburg, Gerichtsbescheid vom 04.05.2020 – S 60 KR 2844/18 –, juris, Rn. 19).

Gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen. Nach § 275 Abs. 1c Satz 1 und 2 SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 eine Prüfung nach Absatz 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen.

Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der Prüfung der Vorschriften der QBAA-RL als außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts um Vorgaben des Qualitätsgebots (§ 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Absatz 1 SGB V) (BSG, Urt. v. 19.04.2016 – B 1 KR 28/15 R –, juris, Rn. 14) und mithin um Gegenstände des Prüfverfahrens nach § 275 SGB V. Denn im Fall, dass ein Krankenhaus die zwingenden normativen Vorgaben der QBAA-RL nicht erfüllt, handelt es sich um eine ungeeignete Versorgung, die nicht erforderlich ist, weshalb das Krankenhaus hierfür keine Vergütung beanspruchen darf (vgl. BSG, Urt. v. 19.04.2016 – B 1 KR 28/15 R –, juris, Rn. 14). Bei der Frage der medizinischen Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung, der Frage nach einer primären Fehlbelegung, handelt es sich indes zur Überzeugung der Kammer um einen klassischen Prüfungsgegenstand des Prüfverfahrens, den § 4 Satz 2 der Prüfverfahrensverordnung sogar in seinem ersten Spiegelstrich aufzählt.

Anders als die Klägerin meint, handelt es sich bei den in den Richtlinien des GBA festgelegten Qualitätssicherungsvoraussetzungen nicht um äquivalent den Strukturmerkmalen des OPS zu betrachtenden Anforderungen, die als Strukturvorgaben der sechswöchigen Frist des § 275 Absatz 1c Satz 2 SGB V entzogen sind.

Im Hinblick auf die Strukturmerkmale eines OPS ging der nicht mehr für die Krankenhausvergütungsstreitigkeiten zuständige 3. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 18.07.2013 – B 3 KR 25/12 R –, Rn. 21, davon aus, dass die Versäumnis der Frist zur Einleitung einer MDK-Prüfung Einwendungen gegen strukturelle Abrechnungsvoraussetzungen des OPS 8-980 nicht ausschließe. Denn es handele sich nicht um eine medizinische Sachfrage des konkreten Einzelfalles, zu deren Klärung der MDK eingeschalten werden müsse, sondern um eine solche die aufgrund der allgemeinen Organisation und Dienststruktur des Krankenhauses zu beurteilen sei (so SG Düsseldorf, Urt. v. 27.01.2015 – S 11 KR 1238/11 –, Rn. 25, juris, bestätigt durch LSG NRW, Urt. v. 08.12.2016 – L 5 KR 11/15 – und BSG, Urt. v. 16.11.2017 – B 1 KR 11/17 B –, juris; vgl. auch LSG, Urt. v. 10.07.2019 – L 10 KR 538/15 –). Vorliegend handelt es sich indes nicht – worauf der Klägervertreter zu Recht hingewiesen hat – um Strukturvorgaben, die in der amtlichen Klassifikation zum Verschlüsseln von Operationen, Prozeduren und allgemein medizinischen Maßnahmen enthalten sind, sondern um Anforderungen, die in einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung enthalten sind.

Zwar sind auch diese – insoweit durchaus vergleichbar mit den Strukturmerkmalen des OPS – aufgrund der allgemeinen Organisations- und Dienststruktur des Krankenhauses zu beurteilen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 28/15 R –, juris, Rn. 14 zudem die Vorschriften der QBAA-RL als zwingende Qualitätsvorgaben bezeichnet und ausgeführt, dass die rechtmäßige elektive Versorgung von Patienten mit offen chirurgisch oder endovaskulär behandlungsbedürftigen Bauchaortenaneurysma davon abhänge, dass diese in Einrichtungen erfolge, die die in §§ 4 und 5 QBAA-RL festgelegten Anforderungen erfülle. Im den der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt war indes innerhalb der Frist zur Einleitung des Prüfverfahrens eine Rechnungskürzung im Hinblick auf den maßgeblichen OPS-Kode und gerade nicht im Hinblick auf die Kürzung der Vergütung des gesamten Krankenhausaufenthaltes auf Null wie vorliegend für einen zwei Jahre zurückliegenden Behandlungsfall vorgenommen worden. Zur Überzeugung der Kammer ist in der Gesamtschau mit den Regelungen der Prüfverfahrensverordnungen, die eine beschleunigte und rechtssichere Abwicklung der Krankenhausvergütungsfälle sicherstellen will und im Hinblick auf den klassischen Prüfgegenstand der primären Fehlbelegung bei einer behaupteten Nichterfüllung der organisatorischen Anforderungen der QBAA-RL, zu fordern, dass die Beanstandung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Behandlung unter Hinweis auf die Ergebnisse des Nachweisverfahrens innerhalb der Frist zur Einleitung des Prüfverfahrens erfolgt. Erfolgt dies wie vorliegend nicht, ist der Klägerin der medizinische Einwand einer fehlenden Qualität und Wirtschaftlichkeit und mithin fehlenden Erforderlichkeit der Behandlung im Sinne einer primären Fehlbelegung verwehrt. Die Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG wird insoweit eingeschränkt. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber die behördliche Sachverhaltsermittlung durch die bereichsspezifische Sonderregelung in § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V unter ein besonderes Beschleunigungsgebot gestellt hat (BSG, Urt. v. 16.05.2012, – B 3 KR 14/11 R –, Rn. 26, juris). Die gesetzliche Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V ist zudem Ausdruck der besonderen Verantwortungsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen im Rahmen ihres Auftrags zur stationären Versorgung der Versicherten. Sie soll eine schnelle Abwicklung und Abrechnung der großen Zahl der Behandlungsfälle ermöglichen und das Vertrauen der Beteiligten auf den Abschluss der Leistungsabrechnung schützen. Mit diesem Schutzzweck wäre es unvereinbar, wenn anstelle des nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zur Prüfung berufenen, wegen Ablaufs der Sechs-Wochen-Frist aber nicht mehr befugten MDK nunmehr die Sozialgerichte an dessen Stelle erstmals den von einer Krankenkasse aufgeworfenen medizinischen Zweifelsfragen nachgehen und in aller Regel umfangreich Beweis erheben müssten. Sie würden hierdurch nachhaltig in die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen eingreifen und im vorgerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässige Einzelfallprüfungen im Sozialgerichtsprozess durchführen, obwohl der Gesetzgeber mit der Einführung von § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V bewusst derartige Einzelfallprüfungen beschränken und stattdessen die Stichprobenprüfung nach § 17c Abs. 2 KHG aufwerten wollte (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, – B 3 KR 14/11 R –, Rn. 28, juris). Die von den Vertragsparteien und auch vom Gesetzgeber beabsichtigte Beschleunigung des Verfahrens würde konterkariert, wenn diesen die Möglichkeit eröffnet würde, nach nicht fristgerechter Einleitung eines Prüfverfahrens oder Beanstandung von Strukturmerkmalen medizinische Einwendungen im Gerichtsverfahren zu plausibilisieren. Dies würde die Beschleunigungsmaxime ad absurdum führen (SG Duisburg, Urteil vom 08. Oktober 2019 – S 60 KR 158/18 –, Rn. 34, juris). Für diese Auffassung spricht überdies der die Prüfung von Strukturmerkmalen (wohl im Sinne der OPS) regelnde § 275d Absatz 4 Satz 1 SGB V, der durch das MDK-Reformgesetz eingefügt wurde und bestimmt, dass Krankenhäuser, die die strukturellen Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht erfüllen, die Leistungen für die Zukunft nicht mehr vereinbaren und nicht mehr abrechnen dürfen. Die Nichterfüllung von Voraussetzungen an Organisation und Dienststrukturen soll sich mithin nur für die Vergütung der Leistungen in Zukunft, nicht indes für in der Vergangenheit erbrachte auswirken. Auch das Nachweisverfahren nach § 6 QBAA-RL erfolgt im Rahmen der jährlichen Pflegesatzvereinbarung und ist zur Überzeugung der Kammer allein auf die Vergütung der Leistung in der Zukunft gerichtet, für die die Frist zur Beanstandung medizinischer Einwendungen noch nicht abgelaufen ist.

2. Jedenfalls durfte die Klägerin als Sanktion für die von ihr behaupteten Qualitätsmängel nicht den Wegfall der gesamten Vergütung für den stationären Krankenhausaufenthalt des Versicherten Bernd Peters vom 30.01.2017 bis 07.02.2017 im Hause der Beklagten vorsehen, weil es hierfür einer Rechtsgrundlage ermangelt.

Bei der am 30.07.2019 durchgeführten Begehung im Hause der Beklagten handelte es sich um das in § 6 der QBAA-RL vorgesehene Nachweisverfahren über die Erfüllung der personellen und fachlichen Anforderungen sowie an die Organisation und Infrastruktur nach §§ 4 und 5 QBAA-RL durch die Beklagte, mit dem Ziel der Ausstellung einer Konformitätserklärung im Rahmen der jährlichen Pflegesatzverhandlungen. Die Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen regelt § 137 SGB V in Verbindung mit der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Richtlinie zur Förderung der Qualität und zu Folgen der Nichteinhaltung sowie zur Durchsetzung von Qualitätsanforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 137 Absatz 1 SGB V vom 18.04.2019 (Qualitätsförderungs- und Durchsetzungs-Richtlinie, im Folgenden QFD-Richtlinie).

Der Gemeinsame Bundesausschuss wird hiernach ermächtigt, "neben Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung bei der Qualitätsverbesserung je nach Art und Schwere von Verstößen gegen wesentliche Qualitätsanforderungen angemessene Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen. 3Solche Maßnahmen können insbesondere sein

1. Vergütungsabschläge,

2. der Wegfall des Vergütungsanspruchs für Leistungen, bei denen Mindestanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nicht erfüllt sind,

3. die Information Dritter über die Verstöße,

4. die einrichtungsbezogene Veröffentlichung von Informationen zur Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen.

4Die Maßnahmen sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden. 5Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft die Festlegungen nach den Sätzen 1 bis 4 und zu den Stellen, denen die Durchsetzung der Maßnahmen obliegt, in grundsätzlicher Weise in einer Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 13. 6Die Festlegungen nach Satz 5 sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss in einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen zu konkretisieren. 7Bei wiederholten oder besonders schwerwiegenden Verstößen kann er von dem nach Satz 1 vorgegebenen gestuften Verfahren abweichen."

Die QFD-RL bestimmt in § 2 Absatz 5 Satz 1, dass die konkrete Anwendung von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen in den jeweiligen Richtlinien, die auch die jeweiligen Qualitätsanforderungen regeln, themenspezifisch zu konkretisieren sind. Nach § 5 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 ist bei der Nichterfüllung von Mindestanforderungen nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V, der Wegfall des Vergütungsanspruchs festzulegen.

Trotz letzter Änderung am 14.05.2020 regelt die QBAA-RL den Wegfall eines Vergütungsanspruchs bislang nicht. Die QFD-RL normiert in § 2 Absatz 5 Satz 1 für diesen Fall, dass die bisher geltenden Folgen weiter Anwendung finden. Soweit das Urteil des BSG vom 19.04.2016 – B 1 KR 28/15 R –, juris, den Krankenhausvergütungsanspruch bereits zuvor von der Einhaltung der zwingenden Voraussetzungen der QBAA-RL abhängig gemacht hat, bezog sich dies nicht auf die Vergütung des Krankenhausaufenthaltes an sich, sondern lediglich auf den zu kodierenden OPS 5-384.74 (siehe insbesondere Rn. 25 BSG, Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 28/15 R –, juris). Der Entfall des gesamten Vergütungsanspruchs für einen mehr als zwei Jahre in der Vergangenheit liegenden Behandlungsfall dürfte zur Überzeugung der Kammer auch vor dem Hintergrund des Gebots die Maßnahmen verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden nach § 137 Absatz 1 Satz 4 SGB V unangemessen sein. Denn zunächst erfolgt nach § 6 Absatz 1 QBAA-RL das Nachweisverfahren im Rahmen der jährlichen Pflegesatzvereinbarungen, beabsichtigt also im Wesentlichen eine Regelung für die Zukunft. Wie bereits ausgeführt, führt überdies nach § 275d Absatz 4 Satz 1 SGB V die Nichterfüllung von Strukturvoraussetzungen im Rahmen der durch das MDK-Reformgesetz eingefügten Strukturprüfung lediglich zu einem Verbot der Erbringung und Abrechnung entsprechender Leistungen für die Zukunft. Dies muss erst recht für die durch § 275d Absatz 4 Satz 1 SGB V ungeregelten Qualitätssicherungsanforderungen nach den Qualitätssicherungsrichtlinien des G-BA gelten, für die die nach § 137 SGB V geforderte Regelung von Sanktionen in den jeweiligen Qualitätssicherungsrichtlinien noch nicht getroffene wurde. Auch im der BSG-Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt war das Konformitätsgutachten des MDK im gleichen Monat wie der Behandlungsfall im März 2010 erstellt worden, weshalb eher noch Rückschlüsse auf den Ist-Zustand zum Zeitpunkt der Behandlung des Versicherten möglich sind, also im vorliegenden zwei Jahre zurückliegenden Behandlungsfall.

Weiter macht die Klägerin keine Einwände gegen die jederzeitige und sofortige Verfügbarkeit der Labormedizin und Transfusionsmedizin an sich geltend, die durch einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst am Standort der Beklagten sichergestellt ist, sondern die nicht ausreichende Stundenzahl des Leiters des Labors. Deshalb dürfte – wie sogleich auszuführen sein wird – zweifelhaft sein, ob die QBAA-RL Anforderungen an die Leitung des Labors und die Transfusionsmedizin stellt und es sich damit nach dem eng auszulegenden Wortlaut der Qualitätssicherungsrichtlinien überhaupt um einen Verstoß gegen eine Mindestanforderung nach § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V handelt. Jedenfalls wäre infolge der nicht direkt tangierten jederzeitigen und sofortigen Verfügbarkeit ein Entfall des kompletten Vergütungsanspruchs für die stationäre Krankenhausbehandlung unverhältnismäßig, insbesondere da anders als in der bereits in Bezug genommenen BSG-Entscheidung nicht die fachliche Qualifikation an sich, sondern nur das für die Überwachung des Labors erforderliche Stundenkontingent im Rahmen des Nachweisverfahrens zur Konformitätsbewertung beanstandet wurde und – anders als in dem vom BSG entschiedenen Sachverhalt – nicht nur ein teilweiser Entfall der Vergütung für den OPS-Code im Sinne eines auf der ersten Stufe vorzusehenden Vergütungsabschlages, sondern ein vollständigen Entfall der Vergütung geltend gemacht wird, der erst auf der zweiten Stufe des gestuften Verfahrens nach § 137 SGB V vorgesehen ist.

3. Selbst wenn man vorliegend nicht von einem Einwendungsausschluss und einer prinzipiellen Berechtigung zur nachträglichen Kürzung des Vergütungsanspruchs auf Null ausgeht sowie die im "Strukturgutachten" enthaltenen Tatsachen als wahr unterstellt, besteht zur Überzeugung der Kammer kein Erstattungsanspruch der Klägerin.

§ 5 Absatz 2 Satz 1 QBAA-RL lautet:

"Die nachfolgenden Einrichtungen müssen jederzeit und sofort für die Versorgung einsatzbereit sein [ ] Labormedizin bzw. klinisch-chemisches Labor, Sicherstellung der Transfusionsmedizin".

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beklagte an ihrem Standort in W. über ein Labor und eine Blutbank verfügt, für das sich eine medizinisch-technische Angestellte im 24-h-Bereitschaftsdienst befindet und das durch den ärztlichen Leiter Dr. Fischer-Kahle verantwortet wird.

Besondere Anforderungen an die Leitung oder Stellvertretung des Labors oder der Transfusionsmedizin sind in der QBAA-RL nicht geregelt und dies obschon an anderer Stelle der QBAA-RL sehr präzise Vorgaben an die ärztliche Anwesenheit und Stationsleitung gemacht werden. So fordert § 4 Absatz 1 Satz 1 QBAA-RL nur für die fachlich leitende Ärztin oder den fachlich leitenden Arzt des für die stationäre Versorgung mit Patientinnen und Patienten mit offen-chirurgisch oder endovaskulär behandlungsbedürftigem Bauchaortenaneurysma, dass diese gerade diesem Krankenhaus angehören müssen. Für die Leitung des Labors oder der Transfusionsmedizin fehlt es indes gerade an einer entsprechenden Regelung, weshalb es zur Überzeugung der Kammer nicht zu beanstanden ist, dass der Leiter des Labors Dr. F.-K. nicht dem M. Hospital in W., sondern dem St. W. S. in E.-R. angehört. Nur die Leitung der Station, nicht etwa aber des Labors oder der Blutbank hat nach § 4 Absatz 3 Satz 6 QBAA-RL einen Leitungslehrgang zu absolvieren. Anders als in anderen Qualitätsrichtlinien finden sich in der QBAA-RL weder Vorgaben für den erforderlichen Umfang der Leitungstätigkeit, noch Anforderungen an den Stellvertreter. Nur die Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene, QFR-RL schreibt in ihrem I. 1.1 Absatz 1 eine "hauptamtliche" Tätigkeit vor. Auch Vorgaben für den ärztlichen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaftsdienst finden sich weder für das Labor noch die Transfusionsmedizin – anders als z. B. in § 4 Absatz 2 QBAA-RL für den gefäßchirurgischen Bereitschaftsdienst –. Im Hinblick auf den eng auszulegenden Wortlaut der Mindestanforderungen dürfte daher die 24-stündige Bereitschaft einer MTA bei ärztlicher Leitungsverantwortung – wie unstreitig gegeben – ausreichen, um eine jederzeitige und sofortige Einsatzbereitschaft der Labor- und Transfusionsmedizin bei ärztlicher Gesamtverantwortung des Dr. F.-K. zu gewährleisten. Dem MDK ist dabei durchaus zuzugeben, dass die Zuständigkeit des Labors für beide Standorte am M. Hospital in W. und am St. W. S. E.-R. und die maximale Wochenstundenzahl von acht neben seiner leitenden Funktion als Chefarzt einer internistischen Abteilung eher knapp bemessen erscheint. Infolge der fehlenden ausdrücklichen Vorgaben in der QBAA-RL dürfte es sich um einen Punkt handeln, der im Rahmen der Konformitätsbewertung durchaus adressierbar ist, nicht indes in verhältnismäßiger Weise den gesamten Vergütungsanspruch des Krankenhauses entfallen lässt.

4. Die unbegründete Klage war folglich abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Absatz 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

IV. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63, § 52 Absatz 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Mit der Klage hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch i.H.v. 17.524,61 EUR geltend gemacht; Zinsen sind als Nebenforderung nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen (§ 43 Absatz 1 GKG).
Rechtskraft
Aus
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