S 20 AS 3691/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AS 3691/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 659/20
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Handelt es sich bei einem Konzept um die Nachbesserung eines für unschlüssig erklärten Konzepts, so kann das Ursprungskonzept für die Beurteilung des nachgessserten Konzepts ergänzend herangezogen werden; dies ergibt sich aus dem Charakter einer Nachbesserung.

Die Vergleichsraumbildung ist fehlerhaft, wenn sie zu einer Ghettobildung führt.
Bemerkung
Angelegenheiten nach dem SGB II (AS)
Kosten der Umnterkunft und Heizung
schlüssiges Konzept imLandkreis Harz
Der Bescheid des Beklagten vom 04.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 01.12.2017, 18.01.2018, 24.08.2018, 12.09.2018 wird dahingehend abgeändert, dass der Beklagte der Klägerin weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von jeweils 60,90 EUR monatlich für die Monate September 2017 bis Dezember 2017 und Februar 2018 bis Juli 2018, in Höhe von 12,77 EUR für den Monat Januar 2018 und in Höhe von 56,40 EUR für den Monat August 2018 zu gewähren hat.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (KDU) für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 31.08.2018.

Die am ... 1956 geborene, alleinlebende Klägerin bewohnte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine seit dem 01.10.2014 von ihr angemietete 58 m² große mittels Gas beheizte Erdgeschoßwohnung in Ballenstedt in einem Haus mit einer Gesamtgebäudefläche von 230 m². Die Warmwasseraufbereitung erfolgt zentral. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum betrug die Bruttokaltmiete monatlich 328,40 EUR, die Heizkosten zunächst bis zum 30.11.2017 monatlich 58 EUR, ab dem 01.01.2018 55 EUR monatlich. Im Monat Dezember 2017 wurde vom Gasversorger der Klägerin eine Heizkostengutschrift i.H.v. 48,13 EUR mit dem für Dezember 2017 zu zahlenden Abschlag i.H.v. 55 EUR verrechnet.

Mit Kostensenkungsaufforderung vom 24.02.2017 wies der Beklagte darauf hin, dass die seiner Meinung nach angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung überschritten seien. Die angemessene Bruttokaltmiete betrage 267,50 EUR monatlich. Die Klägerin erhielt Gelegenheit, bis spätestens 20.04.2017 ihre Bemühungen zur Kostensenkung nachzuweisen; nach Ablauf der Frist werde der Beklagte nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung übernehmen. Mit weiterem Schreiben vom 13.06.2017 teilte der Beklagte mit, er werde ab dem 01.09.2017 nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft gewähren.

Mit Bescheid des Beklagten vom 04.09.2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 01.12.2017, 18.01.2018, 24.08.2018 und 12.09.2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 31.08.2018. Hierbei wurde für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 31.07.2018 eine Bruttokaltmiete i.H.v. 267,50 EUR monatlich und für den Monat August 2018 eine Bruttokaltmiete i.H.v. 272 EUR berücksichtigt. Die Heizkosten wurden in jeweils monatlich tatsächlicher Höhe berücksichtigt.

Bereits am 14.09.2017 hatte die Klägerin gegen den Bescheid vom 04.09.2017 Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2017 zurücküberwiesen worden war.

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer am 07.12.2017 erhobenen Klage, mit der sie geltend macht, die Kosten der Unterkunft und Heizung seien vollständig zu übernehmen. Das von dem Beklagten angewandte KDU-Konzept sei unschlüssig.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Jobcenter unter Änderung des Bescheides vom 04.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2017 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu bewilligen und zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat sich für seine Entscheidung zunächst auf ein im Jahre 2016 erstelltes und im Jahr 2018 fortgeschriebenes KDU-Konzept gestützt. Dieses wurde im Jahre 2020 nachgebessert, worauf sich der Beklagte nunmehr stützt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, das dem Gericht vorliegende KDU-Konzept 2016 mit der Fortschreibung 2018 und das dem Gericht vorliegende für diese Zeiträume nachgebesserte Konzept aus dem Jahr 2020, sowie die Verwaltungsakten des Beklagten, die zur Entscheidungsfindung vorlagen, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als nicht die vollständigen Kosten der Unterkunft bewilligt wurden.

Die Klägerin hat - unter Berücksichtigung der im Dezember 2017 vom Gasversorger vorgenommenen Verrechnung des Heizkostenguthabens - Anspruch auf Übernahme ihrer Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe.

Die Klägerin gehörte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zum Kreis der hilfebedürftigen Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II.

Gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Bedarf übersteigen, diese als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Demgemäß ist zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen. Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hoch hält, muss es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (BSG vom 30.01.2019, B 14 AS 12/18 R, Rn. 17 mwN).

Eine Kostensenkungsaufforderung ist gegenüber der Klägerin bereits mit Schreiben vom 24.07.2017 iVm dem Schreiben vom 13.06.2017 ergangen; dass diese nicht wirksam wäre, ist nicht ersichtlich (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 31.01.2018, L 5 AS 201/17, Rn. 37 f).

In der Folgezeit wurden bei der Leistungsberechnung lediglich die abgesenkten KDU berücksichtigt.

Bei der Bestimmung der angemessenen KDU hat der Beklagte zu Recht auf eine Wohnfläche von 50 m² für den Einpersonenhaushalt abgestellt, denn zur Bestimmung der angemessenen Größe ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen zurückzugreifen (LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 40). Die Wohnfläche der von der Klägerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bewohnten Wohnung überschreitet die Größe von 50 m².

Jedoch hat der Beklagte die KDU zu Unrecht abgesenkt, denn eine Unangemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II kann vorliegend nicht festgestellt werden.

Denn eine Größenüberschreitung allein führt nicht zur Unangemessenheit der KDU, da die Höhe des Mietzinses gleichwohl angemessen sein kann. Zur Prüfung der Angemessenheit ist es erforderlich, die Referenzmiete oder die Angemessenheitsobergrenze zu bestimmen.

Bei dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (BSG, a.a.O., Rn 18 mwN). Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe, und damit auch die Angemessenheit nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II durch die Verwaltung ist grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar (a.a.O., Rn 20 mwN).

Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen, wobei zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen ist. Weiter müssen die Unterkunftsbedarfe als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (BSG vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 mwN, BSG vom 30.01.2019, B 14 AS 12/18 R, Rn. 21 ff mwN).

Die hierbei von Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (BSG vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16).

Schlüssig ist ein Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (vgl BSG vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R, Rn. 20):

- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung zB welche Art von Wohnungen

- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit) Differenzierung nach Wohnungsgröße)

- Angaben über dem Beobachtungszeitraum

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung/Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel

- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten

- Validität der Datenerhebung

- Einhaltung anerkannter mathematisch statistischer Grundsätze der Datenauswertung

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB. Spannenoberwert oder Kappungsgrenze).

Hierbei ist zunächst die Bestimmung des Vergleichsraumes zu prüfen.

Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist, innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt. Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSGvom 30.01.2019, B 14 AS 12/18 R, Rn 24 mwN).

Nach der auch für schlüssige Konzepte im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II entsprechend anzuwendenden gesetzgeberischen Vorgabe in § 22b Abs 1 Satz 4 SGB II bildet das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters zunächst einen Vergleichsraum, der indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen sein kann, für die jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmt werden können. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen, sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveau in Betracht (a.a.O., Rn 25). Die Unterteilung eines Landkreises in mehrere Vergleichsräume erfordert eine eingehende Würdigung verschiedener Faktoren, die dem Jobcenter aufgrund der Methodenvielfalt vorbehalten und durchgehend für jeden Vergleichsraum gleichermaßen vorzunehmen ist (a.a.O., Rn. 35).

Die im vom Beklagten zugrunde gelegten Konzept des Landkreises Harz erfolgte Vergleichsraumbildung ist fehlerhaft.

Für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum hat der Beklagte zunächst das Konzept des Landkreises Harz zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vom Juli 2016, bzw. ab August 2018 die hiervon ausgehend erfolgte Fortschreibung zugrunde gelegt.

Dieses Konzept wurde nach den Entscheidungen des BSG vom 30.01.2019 sodann nachgebessert, so dass der Beklagte nunmehr in seiner Entscheidung den Korrekturbericht des Landkreises Harz zum Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Landkreis Harz 2016 sowie dessen Fortschreibung 2018 vom Februar 2020 zugrunde legt.

Prüfungsmaßstab ist hinsichtlich der Schlussfolgerungen vorliegend der Korrekturbericht vom Februar 2020, wobei, da es sich gerade nicht um eine Neuerstellung, sondern um eine Nachbesserung des ursprünglichen Konzepts aus dem Jahre 2016 handelt, dieses ebenfalls ergänzend heranzuziehen ist.

In seiner Entscheidung vom 30.01.2019 (B 14 AS 12/18 R, Rn. 41) hat das BSG die Möglichkeit der Nachbesserung eines fehlerhaften Konzepts ausdrücklich als zulässig erachtet.

Bei dem Korrekturbericht vom Februar 2020 handelt es sich um eine Nachbesserung des Konzepts aus dem Jahr 2016, und nicht um eine Neuerstellung, deren Rückschreibung unzulässig wäre (siehe hierzu BSG vom 30.01.2019, B 14 AS 11/18 R).

Ein neu erstelltes Konzept und nicht lediglich eine Nachbesserung liegt dann vor, wenn eine im Ansatz vollständig andere Herangehensweise gewählt wird (LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.03.2019, L 11 AS 1334/15 Rn. 55).

Bei der Frage der Abgrenzung zwischen Nachbesserung und Neuerstellung eines Konzepts geht das Gericht davon aus, dass nach den Entscheidungen des BSG vom 30.01.2019 (B 14 AS 11/18 R Rn. 34 und B 14 AS 24/18 R Rn. 39) für das BSG offenkundig maßgeblich ist, dass die im "nachgebesserten" Konzept zugrunde gelegten Daten bereits erhoben waren und vorlagen.

Dies war vorliegend der Fall (siehe Bericht vom Februar 2020 Bl. 14 oben).

In dem somit zur Prüfung heranzuziehenden nachgebesserten Konzept vom Februar 2020 ist der Zuständigkeitsbereich des Beklagten, der Landkreis Harz, in 3 Vergleichsräume aufgeteilt worden.

Hierbei ist von den nach dem Landesentwicklungsplan für das Bundesland Sachsen-Anhalt 2010 vorhandenen Mittelzentren Wernigerode, Quedlinburg und Halberstadt ausgegangen und die anhand der Mittelzentren vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung gebildete Mittelbereiche zugrunde gelegt worden(Bericht vom Februar 2020, Bl. 7, 8).

Der Vergleichsraum Wernigerode umfasst die Gemeinde Nordharz und die Städte Blankenburg, Ilsenburg, Oberharz am Brocken und Wernigerode.

Der Vergleichsraum Halberstadt umfasst die Gemeinde Huy, die Städte Halberstadt und Osterwieck und die Verwaltungsgemeinschaft Vorharz.

Der Vergleichsraum Quedlinburg umfasst die Städte Ballenstedt, Falkenstein/Harz, Harzgerode, Quedlinburg und Thale.

Diese Vergleichsraumbildung entspricht nicht dem Grundsatz der Zusammenfassung eines insgesamt homogenen Lebens- und Wohnbereiches. Insbesondere birgt die Bildung vorgenannter Vergleichsräume die nach der Rechtsprechung des BSG zum schlüssigen Konzepte gerade zu vermeidende Gefahr der Gettobildung, da Gemeinden mit sehr unterschiedlichen Wohnungsmärkten zu einem Vergleichsraum zusammengefasst worden sind.

Im Bericht vom Juli 2016 zum Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft das, wie oben erläutert, aufgrund der Qualität des Berichts vom Februar 2020 als Nachbesserung zu diesem Konzept weiter ergänzend heranzuziehen ist, hat der Konzeptersteller erkannt, dass Landkreise in aller Regel keinen einheitlichen Wohnungsmarkt darstellen, sondern zumeist mehrere, verschiedene Märkte umfassen (siehe Bericht 2016, Bl. 13).

Dies trifft auch auf den Landkreis Harz zu, der insgesamt sehr uneinheitlich strukturiert ist (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2018, L 5 AS 201/17 Rn. 58).

Die Zusammenfassung sehr unterschiedlicher Wohnungsmärkte zu einem Vergleichsraum führt aufgrund der Festlegung einheitlicher Angemessenheitsgrenzen dazu, dass Leistungsempfänger nach dem SGB II Wohnungen lediglich in den räumlichen Bereichen, in denen es innerhalb des Vergleichsraumes ein niedriges Preisniveau gibt, anmieten können. Dies führt jedoch zu der Bildung von Ghettos.

Dieses Problem ist im Konzept 2016 auch für den Landkreis Harz erkannt worden. Im Bericht 2016 heißt es hierzu auf Seite 14: "Bei der Zusammenfassung sehr verschiedener Märkte zu einem Vergleichsraum ergibt sich das Problem, dass bei Zusammenfassung von "teuren" und "günstigen" Kommunen keine Wohnungen im "teuren" Bereich angemietet werden könnten; in den "günstigen" Kommunen müssten hingegen Mieten akzeptiert und gezahlt werden, die nicht dem preislich unteren Wohnungsmarktsegment entsprechen. Eine Nivellierung preislich sehr unterschiedlicher Märkte beschleunigt darüber hinaus die soziale Segregation".

Diesem Problem sollte im Konzept 2016 durch die Bildung von Clustern, in denen diejenigen Kommunen zusammengefasst werden, die sich strukturell am ähnlichsten sind, entgegengetreten werden (siehe Konzept 2016 Seite 13,14).

Zwar hat das BSG in seiner Entscheidung vom 30.01.2019 (B 14 AS 12/18 R) die Unzulässigkeit der Clusterbildung festgestellt, jedoch lässt sich aus der Zuordnung der einzelnen Kommunen, die nach der Nachbesserung 2020 nunmehr zu einem Vergleichsraum gehören, zu den einzelnen Clustern (Mietkategorien) das jeweilige Preisniveau der Kommune erkennen.

Das Konzept 2016 enthält die Mietkategorien 1-5.

Die nach dem nachgebesserten Konzept 2018 zum Vergleichsraum Wernigerode gehörenden Kommunen gehörten zu 4 unterschiedlich Kategorien: Nordharz = 2, Blankenburg = 1, Ilsenburg = 5, Oberharz am Brocken = 4 und Wernigerode = 5.

Die nach dem nachgebesserten Konzept 2018 zum Vergleichsraum Halberstadt gehörenden Kommunen gehörten zu 2 unterschiedlichen Kategorien: Huy = 2, Halberstadt = 3, Osterwieck = 2 und die Verwaltungsgemeinschaft Vorharz = 3.

Die nach dem nachgebesserten Konzept 2018 zum Vergleichsraum Quedlinburg gehörenden Kommunen gehörten zu 3 unterschiedlichen Kategorien: Ballenstedt = 1, Falkenstein/Harz = 2, Harzgerode = 4, Quedlinburg = 3 und Thale = 1.

Die Grenzwerte für die Angemessenheit der Bruttokaltmiete unterschieden sich nach dem Konzept 2016 zwischen den einzelnen Mietkategorien für einen Einpersonenhaushalt um 32,50 EUR (siehe Bericht 2016, S. 42).

Wenn nunmehr im nachgebesserten Konzept 2018 Kommunen, die ursprünglich zur günstigsten Mietkategorie gehörten, mit Kommunen, die ursprünglich zur teuersten Mietkategorie gehörten, in einem Vergleichsraum zusammengefasst werden, führt dies dazu, dass es eine Verdrängung von SGB II-Empfängern aus den Bereichen mit höheren Preisniveau in die Bereiche mit niedrigerem Preisniveau gibt.

Zwar ist zu berücksichtigen, dass eine vollkommene Gleichheit sämtlicher Mieten in einem Vergleichsraum nicht realistisch ist.

Hinsichtlich der Differenz zwischen den Wohnungsmärkten der einzelnen Kommunen ist jedoch festzustellen, dass hierbei ein Maß vorliegt, welches gerade vor dem Hintergrund der beschränkten finanziellen Mitteln von SGB II-Empfängern erheblich ist und somit zur Verdrängung von SGB II-Empfängern aus bestimmten (teureren) Kommunen führt.

Dies zeigt sich beispielhaft schon daran, dass für den nach dem Bericht 2020 gebildeten Vergleichsraum Quedlinburg lediglich die Kommunen Ballenstedt und Thale nach den im Konzept 2016 gebildeten Mietkategorien ein Mietpreisniveau haben, dass unter der für den Vergleichsraum Quedlinburg nach der Nachbesserung 2020 angenommenen angemessenen Bruttokaltmiete i.H.v. 271 EUR liegt, während die übrigen 3 zum Vergleichsraum gehörenden Kommunen ein höheres Mietpreisniveau haben.

Es ist aus der Nachbesserung 2020 zum Konzept 2016 auch nicht erkennbar, dass und wie dem erkannten Problem der drohenden Ghettobildung bei Zusammenfassung von Kommunen mit sehr verschiedenen Wohnungsmärkten zu einem Vergleichsraum entgegengewirkt werden soll.

Eine eigene Vergleichsraumbildung hat das Gericht nicht vorzunehmen (BSG vom 30.01.2019, B 14 AS 12/18, Rn. 33).

Aufgrund der Fehlerhaftigkeit der vorgenommenen Vergleichsraumbildung liegt kein schlüssiges Konzept vor.

Da im vorliegenden Fall die Angemessenheitsgrenzen nicht durch ein schlüssiges Konzept festgelegt worden sind, hat der Beklagte die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen, wobei sich zwar grundsätzlich eine Deckelung durch die Tabelle zu § 12 WoGG zuzüglich Sicherheitszuschlag ergibt (BSG vom 22.03.2012, B4 AS 16/11 R, Rn. 20), die vorliegend jedoch nicht zum Tragen kommt, da sich die tatsächlichen KDU der Klägerin unterhalb dieser Grenze bewegen.

Hieraus ergibt sich für die verfahrensgegenständlichen Monate September 2017 bis Februar 2017 und Februar 2018 bis Juli 2018 die Nachzahlung des monatlichen Differenzbetrages i.H.v. 60,90 EUR, für den Monat August 2018 die Nachzahlung des Differenzbetrages i.H.v. 56,40 EUR und für Januar 2018 die unter Berücksichtigung des Heizkostenguthabens gemäß § 22 Abs. 3 SGB II bestehende Differenz i.H.v. 12,77 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Gericht hat gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Berufung zugelassen.

Die Frage, ob der Beklagte seine Leistungsbewilligung nach § 22 SGB II auf ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stützt, hat grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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