S 11 SF 41/20 PG

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 SF 41/20 PG
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung gegen die Feststellung der Gebührenschuld betreffend die Streitsache S 11 BK 17/20 ER wird zurückgewiesen. Es bleibt der Höhe der bislang festge-stellten Gebührenschuld von 75,00 EUR. Der weitergehende Antrag des Erinnerungsgegners wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen die Erhebung einer hälftigen Pauschgebühr für das Verfahren S 11 BK 17/20 ER. In jenem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte die seinerzeitige Antragstellerin Leistungen nach § 6b Bundeskindergeldgesetz (BKGG) von der seinerzeitigen Antragsgegnerin, der Erinnerungsführerin im hiesigen Verfahren. Mit Beschluss vom 10.09.2020 wurde der Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Der Kostenbeamte des Sozialgerichts Aachen erteilte der Erinnerungsführerin einen Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite nach § 189 SGG. Für das Verfahren S 11 BK 17/20 ER wurde vom Kostenbeamten eine hälftige Pauschgebühr in Höhe von 75,00 EUR in Ansatz gebracht.

Gegen den Auszug aus dem Gebührenverzeichnis vom 06.10.2020 hat die Erinnerungsführerin Einwendungen erhoben. Sie sei gemäß § 64 Abs. 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) von der Gebührenpflicht befreit. Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Unter dem 25.11.2020 hat der Erinnerungsgegner beantragt, den Auszug aus dem Verzeichnis der Gebührenrechtsstreite teilweise abzuändern und die Pauschgebühr mit 150,00 EUR festzustellen sowie die Erinnerung im Übrigen zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verfahrensakte S 11 BK 17/20 ER Bezug genommen.

II. Die Erinnerung der Erinnerungsführerin ist zulässig, der Antrag auf Festsetzung einer höheren Pauschgebühr durch den Erinnerungsgegner demgegenüber unzulässig.

Nach dem Wortlaut des § 184 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben "Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören ( ) für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten". Die Gebühren für die Streitsachen werden gemäß § 189 Abs. 1 Satz 1 SGG in einem Verzeichnis zusammengestellt. Die Mitteilung des Auszugs gilt als Feststellung der Gebührenschuld, § 189 Abs. 1 Satz 2 SGG. Der Auszug als solcher ist ein Justizverwaltungsakt (vgl. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, § 189 Rn. 2a). Gegen diese Feststel-lung kann gemäß § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG binnen eines Monats nach Mitteilung das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

Die Feststellung ist Sache der Gerichtverwaltung, die insoweit Weisungen an den Urkundsbeamten in seiner Funktion als Kostenbeamter aussprechen kann (Hartmut Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. Stand: 31.03.2020, § 189 SGG Rn. 32).

Der Erinnerungsgegner, konkret der Bezirksrevisor, hat die Möglichkeit, vor einer ent-sprechenden Festsetzung der Pauschgebühr Einfluss auf die Entscheidung des Kostenbeamten zu nehmen. In der Vergangenheit hat er dies – in entsprechender Anwendung von § 35 Abs. 2 KostVfG - auch getan und durch entsprechende landesweite Verfügung bei Entscheidungen über Pauschgebühren um Übersendung der entsprechenden maßgeblichen Streit- und Nebenakten gebeten. Diese entsprechende Verfügung galt im hier maßgeblichen Zeitraum nicht mehr.

Schon der Wortlaut des § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG legt die Annahme der Möglichkeit einer eigenständigen Erinnerung durch die Staatskasse nicht nahe. Die Anrufung des Gerichts kann binnen eines Monats "nach Mitteilung" erfolgen. Die Mitteilung erfolgt aber an den Pauschgebührenschuldner. Eine Mitteilung an den Vertreter der Staatskasse ist weder vorgesehen noch sinnvoll, schließlich wurde die Mitteilung durch den Kostenbeamten, als – insoweit weisungsgebunden – für die Staatskasse Handelnder (s.o.) erstellt. Entgegen der wohl herrschenden Auffassung, deren Ansicht nach Auffassung der Kammer indes nicht überzeugend begründet wird, scheidet damit eine eigenständige Erinnerung durch die Staatskasse als Erinnerungsgegner aus (vgl. in diesem Zusammenhang auch LSG Niedersachsen Beschluss vom 29.03.1960 – L 4 S 73/59, wonach einer Erinnerung durch die Staatskasse bereits entgegensteht, dass dieser nach § 69 SGG keine Stellung als Beteiligter zukommt und in anderen Gebührenverfahren etwaige eigenständige Rechtsbehelfe ausdrücklich als solche auch für die Staatskasse normiert sind).

Der Annahme der Möglichkeit der Einlegung einer Anschlusserinnerung steht zudem nach hiesiger Auffassung entgegen, dass es insoweit an einem entsprechenden Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Demjenigen, der die grundsätzliche Möglichkeit hat, auf den Erlass eines entsprechenden Justizverwaltungsakts Einfluss zu nehmen, dies aber nicht tut, fehlt in einem diesen Bescheid nachfolgenden gerichtlichen Erinnerungsverfahren unabhängig von der Tatsache, dass es der Staatskasse im Hinblick auf die Vielzahl der Pauschgebührenfestsetzungen im Land, nur schwerlich möglich sein dürfte, alle tatsächlich von Amts wegen zu prüfen – aus rechtsdogmatischen Gründen das entsprechende Rechtsschutzbedürfnis für eine Anschlusserinnerung (so zutreffend auch Zeihe, SGG, 189 Rn. 9b, m.w.N.).

Unabhängig davon ist freilich zu klären, ob die Kammer nicht im Hinblick auf die Formulierung des § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG befugt wäre, die Pauschgebühr höher festzusetzen, als dies durch den Kostenbeamten erfolgt ist. Dem steht indes nach herrschender Auffassung das Verbot der reformatio in peius im Erinnerungsverfahren entgegen.

Die Erinnerung der Erinnerungsführerin ist aber unbegründet. Eine Befreiung von der Pauschgebühr ist grundsätzlich gemäß § 184 Abs. 2 SGG i.V.m. § 2 Abs. 3 (Gerichtskostengesetz) GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X für die Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge möglich. Dies gilt freilich nur in Fällen in denen um die entsprechende Eigenschaft der Behörde in den entsprechenden Verfahren geht. Vorliegend war streitgegenständlich ein behaupteter Anspruch nach § 6b BKGG. Es handelt sich hier nicht um eine Materie der Grundsicherung für Arbeitssuchende oder der Sozialhilfe, sondern um eine solche des Rechts des Kinderzuschlags nach dem BKGG. Die hier maßgebliche Regelung des § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. IS 1706) in das SGB X eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte hiermit geregelt werden, dass auch die Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II von den Gerichtskosten bei den Sozialgerichten befreit sind (BT-Drs. 16/1410, S. 33). Zuständig für Leistungen nach § 6b BKGG sind aber nicht die Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II sondern grundsätzlich nach § 7 BKGG die Bundesagentur für Arbeit bzw. vorliegend gemäß § 13 Abs. 4 BKGG i.V.m. der Satzung über die Durchführung der Aufga-ben nach § 6b des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der vom 22.08.2011 die Stadt B., vertreten durch die Oberbürgermeisterin. Eine Kostenprivilegierung scheidet aus diesem Grund aus. Soweit der Kostenbeamte hier von einer Gebührenschuld in Höhe von 75,00 EUR ausgegangen ist, beruht dies auf der wörtlichen Anwendung des § 186 Satz 1 SGG. Danach ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte, wenn eine Sache nicht durch Urteil erledigt wird. Bei einem Beschluss nach §86b Abs. 2 Satz 2 SGG (sog. "Regelungsanordnung") handelt es sich evident nicht um ein "Urteil". Es findet – anders als etwa im Fall des Gerichtsbescheides nach § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG im Fall einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG – auch keine normative Gleichstellung mit einem Urteil statt. Der Wortlaut der Norm spricht mithin für die Auffassung des Kostenbeamten, im Falle eines Beschlusses nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG von einer Ermäßigung der Pauschgebühr auszugehen. Es wird aber – worauf der Erinnerungsgegner in seiner Stellungnahme hinweist - in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zunehmend die Auffassung vertreten, die Pauschgebühr werde gem. § 184 SGG nicht auf die Hälfte ermäßigt, wenn ein Verfahren im Einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss endet (vgl. Bayerisches LSG v. 07.05.2019 - L 12 SF 152/19 E - juris Rn. 11 f.; siehe auch LSG Thüringen v. 19.12.2018 - L 1 SF 1289/18 E - juris Rn. 13 ff.; LSG Thüringen v. 17.06.2019 - L 1 SF 434/19 E - juris Rn. 13; LSG Hessen v. 10.10.2019 - L 2 SF 45/19 E - juris Rn. 13 ff., alles zitiert nach Hartmut Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. (Stand: 31.03.2020), § 186 SGG, Rn. 18.1; so auch Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, § 186 Rn. 2 a.E.; Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 186 Rn. 4; Jungeblut BeckOK Sozialrecht, (Stand: 01.09.2020), § 186 Rn. 4). Normativ zwingend ist diese Auffassung, die mit Sinn und Zweck der Vorschrift argumentiert, allerdings nicht und wird auch nicht allseits geteilt (vgl. etwa Thüringer Landessozialgericht. Beschluss vom 08.05.2000 – L 6 SF 477/99 = juris Rn. 21; Krauß in beck-online.GROSSKOMMENTAR [Hrsg.] Roos/Wahrendorf, (Stand: 01.09.2019), § 186 Rn. 17). Auch wenn nach Auffassung der Kammer durchaus gute Argumente für die erstgenannte Auffassung sprechen, sieht sich die Kammer, vor dem Hintergrund des oben genannten sog. "Verböserungsverbot" daran gehindert, im vorliegenden Fall die Pauschgebühr in voller Höhe von 150,00 EUR festzustellen. Der Beschluss ist gemäß § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG endgültig und somit unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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