L 4 R 1223/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 925/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1223/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die richterliche Auflage für einen Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG zur Vorlage eines geeigneten Nachweises, dass der benannte Arzt zur Erstellung des Gutachtens innerhalb einer bestimmten Frist bereit sei, findet im Gesetz keine Stütze. Wird der benannte Arzt später wegen fehlender Bereitschaft zur fristgemäßen Erstellung als Sachverständiger entpflichtet, ist das Antragsrecht nach § 109 Abs. 1 SGG nicht deswegen verbraucht. Ein neuer Antrag kann im Regelfall nicht nach § 109 Abs. 2 SGG wegen grober Nachlässigkeit abgelehnt werden, weil der Antragsteller gegen die gerichtliche Auflage verstoßen habe.
2. Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach (den Beteiligten nicht zuvor mitgeteilter) Entpflichtung eines bereits nach § 109 Abs. 1 SGG bestellten Sachverständigen ohne (erneute) Anhörungsmitteilung an die Beteiligten führt zu einer fehlerhaften Besetzung der Kammer.
3. Schon allein die Einholung eines weiteren Gutachtens stellt eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG dar (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 5. Juni 2019 – L 17 U 340/18; LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 9. März 2017 – L 13 SB 273/16 – und vom 14. Januar 2016 – L 27 R 824/15; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile 27. August 2014 – L 5 U 6/14 – und vom 13. Mai 2014 – L 3 VE 4/13).
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31. März 2020 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Mannheim zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1965 in der Türkei geborene Klägerin war nach ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland 1984 zunächst ab dem Juni 1994 versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt übte sie ab 2005 eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft in einer Schule (fünf Tage pro Woche, zwei Stunden täglich) mit jährlicher Unterbrechung im August eines Jahres aus. Ab dem 1. Juni 2012 bestand in dieser weiterhin geringfügigen Tätigkeit Versicherungspflicht. Diese Beschäftigung endete im Mai 2014. Danach sind im Versicherungsverlauf keine rentenrechtlichen Zeiten mehr gespeichert.

Einen ersten Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 10. Juni 2013 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2013 mangels Erwerbsminderung ab. Den am 17. September 2013 gestellten Antrag der Klägerin auf Überprüfung dieses Bescheides lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2014 ab. Die hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 17 R 2291/14, später S 17 R 1395/16) wies dieses nach Durchführung von medizinischen Ermittlungen mit Urteil vom 27. September 2016 ab, da die Klägerin nicht erwerbsgemindert sei. Das SG hatte neben sachverständigen Zeugenauskünften behandelnder Ärzte von Amts wegen das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. vom 19. Mai 2015 (chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Dysthymia; leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt acht Stunden täglich zumutbar) sowie auf Kostenrisiko der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie G. vom 6. Mai 2016 (chronische therapieresistente rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren; Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden täglich) eingeholt. Die gegen das klageabweisende Urteil eingelegte Berufung (L 10 R 3823/16) wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 11. Mai 2017 zurück, da die Klägerin nicht erwerbsgemindert sei.

Am 13. Juni 2017 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung führte sie auch eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes sowie die Zuerkennung des Pflegegrades 2 (Überleitungsbescheid der Pflegekasse vom 2. Dezember 2016) an und legte mehrere Arztbriefe ihrer behandelnden Ärzte seit 2013 vor. Seit 2014 sei sie wegen orthopädischer und psychischer Beschwerden erwerbsgemindert.

In Auswertung der vorgelegten und weiterer beigezogener medizinischer Unterlagen gelangte Dr. K. in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 8. November 2017 zu der Einschätzung, dass die Klägerin bei Beachtung qualitativer Ausschlüsse weiterhin in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Somit sei auch bis März 2015 keine Einschränkung zu erkennen. Mit Bescheid vom 9. November 2017 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin erfülle nicht mehr die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung. Denn innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor der Stellung des Rentenantrags habe die Klägerin nicht die erforderlichen 36, sondern nur 23 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Des Weiteren erfülle sie nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen auch nicht die medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, sie könne aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr mindestens drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein. Ferner seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Sie sei während der versicherungsfreien Zeit seit 1. Juni 2014 durchweg arbeitsunfähig gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 29. März 2018 Klage beim SG (S 7 R 925/18). Zur Begründung wiederholte sie ihr bisheriges Vorbringen.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die angefochtenen Bescheide entgegen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nur erfüllt, wenn die Erwerbsminderung bis zum 31. März 2015 eingetreten sei. Gestützt auf eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. L: vom 14. August 2019 ergäben sich aus den Auskünften der behandelnden Ärzte keine hinreichenden Zweifel an der bisher vertretenen Leistungseinschätzung.

Das SG befragte zunächst schriftlich die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. Schu.-Schö. gab an, die Klägerin nicht wegen mindestens sechs Monate bestehenden Beschwerden oder anhaltenden Beeinträchtigungen der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit behandelt zu haben; er könne keine Aussage zum Leistungsvermögen der Klägerin treffen (Auskunft vom 23. Oktober 2018). Internist, Pneumologe und Allergologe Dr. F. berichtete über eine zweimalige Vorstellung der Klägerin wegen anhaltender Hustenbeschwerden. Lungenfunktionsprüfung und Oxymetrie hätten keine Einschränkungen gezeigt (Auskunft vom 23. Oktober 2018). Orthopäde Dr. Schi. beschrieb unter dem 14. November 2018 eine durchgehende Behandlung der Klägerin seit 2014 in hoher Frequenz mit ca. 50 Konsultationen und weiteren Behandlungsterminen in der physikalischen Abteilung. Als Diagnosen nannte er eine Lumboischialgie rechts mit Claudicatio spinalis bei absoluter Spinalkanalstenose LWK 4/5, eine Cervikobrachialgie rechts mit ausgeprägten degenerativen Veränderungen HWK 4-7 mit relativer Spinalkanalstenose, Gon- und Coxarthrose beidseits, Knick-Senk-Spreizfuß beidseits, Hallux valgus beidseits sowie Fußwurzelarthrose rechts. Die Beschwerden an der Halswirbelsäule (HWS) seien seit 2009, die an der Lendenwirbelsäule (LWS) seit 2001 progredient, letztere in ausgeprägter Form seit 2017 mit einer Einschränkung der Gehstrecke auf ca. 500 m. Die Arbeitsfähigkeit der Klägerin liege seit Oktober 2017 unter drei Stunden täglich. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seien von ihr nicht verlangt worden. Facharzt für Neurologie Dr. Schw. gab in seiner Auskunft vom 13. November 2018 an, die Klägerin sei zunächst in der nun von ihm übernommenen Praxis, dann von einer türkisch sprechenden Ärztin im Psychiatrischen Zentrum N. (PZN) und seit 2018 von ihm behandelt worden. Im Vordergrund stehe die depressive Symptomatik mit den hiermit verbundenen psychischen Beeinträchtigungen, die seit Jahren bestünden. Eine durchgreifende Veränderung der Symptomatik und der Leistungseinschränkung habe nicht erreicht werden können. Die Klägerin sei jedenfalls seit Anfang 2018 nicht mehr in der Lage, eine leichte Tätigkeit mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Über den Zustand zuvor könne er keine Aussage treffen; allerdings werde im – vorgelegten – Arztbrief des PZN vom 24. Juni 2016 nach einem Suizidversuch eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome diagnostiziert. Der hausärztliche behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. N. sah die wesentlichen Einschränkungen auf den Fachgebieten der Neurologie und Psychiatrie sowie Orthopädie und (Auskunft vom 22. November 2018) legte zahlreiche Arztbriefe unterschiedlicher Fachrichtungen vor.

Eine vom SG am 1. Februar 2019 angeordnete orthopädische Begutachtung durch Dr. W. wurde nicht durchgeführt, nachdem die Klägerin den Begutachtungstermin nicht wahrgenommen hatte.

Das SG bestellte sodann Dr. P., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, zum gerichtlichen Sachverständigen. Dieser beschrieb in seinem aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin am 12. November 2019 unter dem 22. November 2019 erstatteten Gutachten als Diagnosen ein myogenes Reizsyndrom der HWS ohne Funktionseinschränkung und radikuläre Ausfälle bei degenerativen Veränderungen im unteren Drittel der HWS, ein myogenes Reizsyndrom der LWS ohne Funktionseinschränkung und radikuläre Ausfälle bei degenerativen Veränderungen insbesondere der knöchernen Strukturen (Spondylose/Spondylarthtrose) ohne wesentliche Bandscheibenschäden, eine Periarthritis humeroscapularis beider Schultern ohne Funktionseinschränkung bei initialer Arthrose des Schultergelenks und Impingementsituation links, eine Epikondylopathie beider Ellenbogen ohne Funktionseinschränkung, Coxarthrose Grad III rechts, Grad II links mit leichter Funktionseinschränkung rechts, eine Gonarthrose Grad I-II rechts, Grad II-III links ohne Funktionseinschränkung, Knick-Senk-Spreizfußdeformierung mit Hallux valgus-Bildung links stärker als rechts, Karpaltunnelsyndrom rechts und Sulcus-ulnaris-Syndrom links. Leichte Tätigkeiten mit einem gelegentlichen Wechsel der Arbeitshaltungen seien der Klägerin noch sechs Stunden täglich möglich. Zu vermeiden seien schwere und durchgängig mittelschwere körperliche Arbeiten, Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, ständige Überkopfarbeiten, Tätigkeiten mit häufigem Drehen und/oder Wenden des Rumpfes sowie mit Bücken und Arbeiten in kniender und/oder hockender Position, auf Leitern, mit häufiger Nässe- und/oder Kältebelastung. Aufgrund der nichtorthopädischen Gesundheitsstörungen seien Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtschichtarbeiten, Tätigkeiten an schnell laufenden Maschinen, mit besonderer geistiger Beanspruchung oder erhöhter Verantwortung nicht mehr möglich. Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Die Fortsetzung der Tätigkeit als Reinigungskraft auch im Umfange von zwei Stunden täglich sei der Klägerin ab Januar 2018 nicht mehr möglich.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 wies der Kammervorsitzende des SG unter Übersendung des Gutachtens von Dr. P. den Prozessbevollmächtigten der Klägerin daraufhin, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt seien. Da sich eine relevante Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin nicht belegen lassen dürfte, werde die Rücknahme der Klage angeregt. Gleichzeitig setzte er für den Fall der Stellung eines Antrags auf Begutachtung nach § 109 SGG eine Frist bis zum 10. Januar 2020, innerhalb derer der als Sachverständiger zu hörende Arzt benannt, die Kostenverpflichtungserklärung vorgelegt, der Kostenvorschuss eingezahlt und ein "geeigneter Nachweis (schriftliche Erklärung des Gutachters, Mitteilung des Ergebnisses einer telefonischen Anfrage bei dem Gutachter)" des benannten Arztes vorgelegt werden müssten, "dass der Arzt zur Erstellung des Gutachtens innerhalb von drei Monaten bereit" sei. Bei nicht (vollständiger) Erfüllung der gerichtlichen Auflagen werde "eine Begutachtung nicht durchgeführt". Ein verspätet gestellter Antrag könne nach § 109 Abs. 2 SGG abgelehnt werden. Gleichzeitig wies er auf die Absicht hin, nach § 105 SGG ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Eine Entscheidung werde nicht vor dem 13. Januar 2020 ergehen. Das Schreiben wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 5. Dezember 2019 zugestellt.

Am 10. Januar 2020 stellte die Klägerin "Antrag nach § 109 SGG" und beantragte, die Frist für die Zahlung des Kostenvorschusses, die Benennung des Sachverständigen und die Vorlage der Einverständniserklärung bis zum 17. Februar 2020 zu verlängern. Die Zahlung der um Übernahme des Kostenvorschusses gebetenen Rechtsschutzversicherung sei noch nicht eingegangen. Die beantragte Verlängerung wurde durch gerichtliche Verfügung vom 21. Januar 2020 gewährt. Am 17. Februar 2020 benannte die Klägerin Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. als Sachverständigen. Die telefonische Rücksprache der Geschäftsstelle des Prozessbevollmächtigten mit Dr. B. habe ergeben, dass dieser grundsätzlich bereit sei, das Gutachten zu erstellen. Die Überweisung des Kostenvorschusses sei erfolgt.

Unter dem 5. März 2020 bestellte das SG Dr. B. zum gerichtlichen Sachverständigen und beauftragte diesen mit der Erstellung eines Gutachtens bis zum 5. Juni 2020. Im Anschluss hieran meldete sich Dr. B. zu einem nicht dokumentierten Zeitpunkt telefonisch beim Kammervorsitzenden, der hierüber einen Aktenvermerk mit folgendem Inhalt fertigte (Bl. 174 der SG-Akten, Rückseite): "ruft an und teilt mit GAAuftrag wegen Arbeitsbelastung nicht erstellen zu können; iÜ hatte ihn KL gar nicht vorab kontaktiert teile mit, er möge die Akten zurück- und schriftliche Erklärung abgeben". Über das Telefonat und dessen Inhalt wurden die Beteiligten zunächst nicht in Kenntnis gesetzt.

Mit Schreiben vom 12. März 2020 (Eingang beim SG am 16. März 2020) bat Dr. B., "wie telefonisch besprochen", ihn vom Gutachtensauftrag zu entbinden. Gegenwärtig sei es ihm wegen starker Arbeitsüberlastung und aus "den genannten familiären Gründen" nicht möglich, das Gutachten "in einer für Sie akzeptablen Zeit zu erstatten". Auch dieses Schreiben erhielten die Beteiligten zunächst nicht zur Kenntnis.

Ohne erneute Anhörung der Beteiligten wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 31. März 2020 die Klage ab. Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG bei Dr. B. sei nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen. Das Einholen eines Gutachtens bei Dr. B. verzögere die Erledigung des Rechtsstreits, denn es, das SG, könnte nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den anvisierten Gerichtsbescheid entscheiden. Dies beruhe auf grober Nachlässigkeit der Klägerin. Eine solche grobe Nachlässigkeit sei anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und nicht getan werde, was jedem einleuchten müsse. Bei einem Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG müsse gewährleistet sein, dass der benannte Sachverständige innerhalb angemessener Zeit das Gutachten erstellen werde. Nur dann könne das Gericht seiner sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ergebenden Verpflichtung nachkommen, innerhalb angemessener Frist eine Sachentscheidung zu treffen. Insoweit hätten die Gerichte auch bei einem Gutachten nach § 109 SGG die Pflicht, solche Gutachten zügig und effizient einzuholen. Die Klägerin habe diese für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Ihr sei seit dem Zugang der gerichtlichen Aufforderung vom 2. Dezember 2019 bekannt, dass für das beantragte Gutachten nach § 109 SGG unter anderem die schriftliche oder mündliche Bestätigung des als Sachverständigen benannten Dr. B. erforderlich sei, er werde das Gutachten binnen drei Monaten erstellen (Bereiterklärung). Eine solche Bestätigung sei im Hinblick auf die zuvor genannte Pflicht der Gerichte erforderlich (Verweis auf Senatsurteil vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – und Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 23. März 2017 – S 1 SB 2687/16 – beide juris). Dieser Anforderung sei die Klägerin nur unzureichend nachgekommen. Es falle in die Risikosphäre der Klägerin, dass der Wahlgutachter auf eine angeblich telefonische Bereiterklärung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang gegenüber dem Gericht erklärt habe, eine Begutachtung wegen Arbeitsüberlastung nicht vornehmen zu können. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen, gestützt insbesondere auf die Einschätzungen von Dr. P., nicht vor. Die Klägerin sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, sondern in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Leistungseinschränkungen zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. In neurologisch-psychiatrischer Hinsicht schließe sich das Gericht den Ausführungen des LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 11. Mai 2017 und des SG Mannheim im Urteil vom 27. September 2016 an, die aufgrund des Gutachtens von Dr. Sch. nachvollziehbar ausgeführt hätten, dass die bei der Klägerin bestehende chronische Schmerzstörung und Dysthymia mit Blick auf die Befunde und anamnestischen Angaben der Klägerin eine rentenrelevante Einschränkung ihres Leistungsvermögens nicht begründen könnten. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes in neurologisch-psychiatrischer Hinsicht von Rentenrelevanz sei nicht zu bejahen. So sprächen bereits die nur niederfrequente fachärztliche Behandlung, die von Dr. Schw. mitgeteilten Befunde und die gegenüber Dr. P. erfolgten anamnestischen Angaben der Klägerin zum Tagesablauf und Freizeitverhalten unabhängig von der Frage der nicht ausgeschöpften Behandlungsmethoden auf nervenärztlichem Gebiet gegen belangvolle neurologisch-psychiatrische Erkrankungen. Mit der Zustellung des Gerichtsbescheides übersandte das SG den Beteiligten auch den Aktenvermerk über das Telefonat mit Dr. B. sowie dessen Schreiben vom 12. März 2020.

Am 7. April 2020 legte die Klägerin gegen den Gerichtsbescheid beim SG Berufung beim LSG Baden-Württemberg ein. Der Gerichtsbescheid beruhe auf einem wesentlichen Verfahrensmangel. Das SG habe den Antrag auf Begutachtung durch Dr. B. ohne vorherige Anhörung und zu Unrecht abgelehnt sowie für sie, die Klägerin, überraschend ohne weitere Begutachtung durch Gerichtsbescheid entschieden. Es habe es nicht einmal für erforderlich erachtet, ihr vor Erlass des Gerichtsbescheids die Stellungnahme von Dr. B. vom 12. März 2020 zu überlassen und Gelegenheit zu geben, hierauf zu reagieren. Diese sei bei ihrem Prozessbevollmächtigten erst gemeinsam mit dem Gerichtsbescheid am 6. April 2020 eingegangen. Die Benennung von Dr. B. als zu hörenden Sachverständigen sei nach telefonischer Rücksprache der Geschäftsstelle ihres Prozessbevollmächtigten mit dem Büro des Sachverständigen erfolgt. Dabei habe dieses keinen Hinweis gegeben, dass es wegen starker Arbeitsüberlastung und aus familiären Gründen nicht möglich sei, das Gutachten innerhalb der dreimonatigen Frist zu erstellen. Ohnehin stelle die Erstattung von medizinischen Sachverständigengutachten innerhalb von drei Monaten eher die Ausnahme dar. In den ersten Monaten nach Bekanntwerden der Corona-Pandemie – wie hier – und der damit verbundenen Einschränkungen hätten die beauftragten Sachverständigen ohnehin in der Regel angegeben, dass eine persönliche Untersuchung nicht möglich sei. Mittlerweile sei zwar bekannt, dass Dr. B. auch aus familiären Gründen wohl überhaupt keine Gutachten mehr erstelle. Das SG habe ihr, der Klägerin, aber nicht die Möglichkeit gegeben, hierauf zu reagieren, sei es durch Aufforderung, den Sachverständigen aufgrund der zunächst erteilten Bereitschaftserklärung per Zwangsmittel zur Erstellung des Gutachtens zu veranlassen, oder – zweckmäßiger – einen anderen Arzt zu benennen. Von einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits könne keine Rede sei, zumal das SG Dr. B. selbst eine Frist bis zum 5. Juni 2020 gesetzt habe. Zum Zeitpunkt der Benennung von Dr. B. sei eine Terminierung des Rechtsstreits noch nicht erfolgt gewesen. Eine Verspätung der Antragstellung aus grober Nachlässigkeit oder Verschleppungsabsicht habe nicht vorgelegen. Das SG habe inhaltlich aber nur auf die Versäumung einer angeblich gesetzten Frist abgestellt, ohne die weiteren Voraussetzungen festzustellen. Der Verfahrensmangel sei auch wesentlich, weil die Entscheidung des SG auf ihm beruhen könne. Hätte das SG dem Antrag entsprochen, hätte es entgegen seiner getroffenen Entscheidung im Wege der Beweiswürdigung zu dem Ergebnis kommen können, dass eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin vorliege. Der vorliegende Verfahrensmangel mache eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme erforderlich. Hierfür genüge allein die Einholung des weiteren Gutachtens (Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg vom 9. März 2017 – L 13 SB 273/16 – und Bayer. LSG, Urteil vom 12. Juli 2017 – L 17 U 208/17 – beide juris). Zudem ziehe ein solches Gutachten erfahrungsgemäß weitere Stellungnahmen der Beteiligten nach sich und mache häufig auch eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme des zunächst von Amts wegen gehörten ärztlichen Sachverständigen erforderlich. In Abwägung des Interesses an einer möglichst schnellen Sachentscheidung einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits sei es vorliegend angezeigt, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Der Klägerin entstehe durch die Zurückverweisung kein wesentlich zeitlicher Nachteil. Der Rechtsstreit sei aus den genannten Gründen nicht entscheidungsreif. Zudem rüge sie, die Klägerin, gerade, dass sich das SG ohne Angabe von überzeugenden Gründen über ihr Recht nach § 109 SGG hinweggesetzt habe. Der Rechtsstreit sei einer anderen Kammer des SG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung vorzulegen. Mit einer Sachentscheidung durch das Berufungsgericht sei die Klägerin ebenfalls einverstanden. Da nun bekannt sei, dass Dr. B. gegenwärtig überhaupt keine Gutachten mehr annehme, benenne sie als Sachverständigen nach §109 SGG Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. J. Schr.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31. März 2020 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Mannheim zurückzuverweisen, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2018 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Juni 2017 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Gerichtsakten im Verfahren L 10 R 3823/16 sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Denn die Klägerin begehrt laufende Rentenleistungen für mehr als ein Jahr.

2. Die Berufung der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheids vom 31. März 2020 und einer Zurückverweisung der Sache an das SG begründet. Die in der Berufungsbegründung angesprochene Zurückverweisung an eine andere Kammer des SG ist ausweislich des durch die rechtskundig vertretene Klägerin formulierten Berufungsantrags nicht Gegenstand des verfolgten Begehrens. Ohnehin ist eine Zurückverweisung an eine andere Kammer des SG bereits nach dem Wortlaut des § 159 SGG nicht vorgesehen (K. in: Meyer-Ladewig/K./Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 159 Rn. 5e).

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

a) Das Verfahren vor dem SG leidet an Verfahrensmängeln.

Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift. Erfasst sind Fehler auf dem Weg zum Urteil, grundsätzlich nicht Fehler der Entscheidung selbst (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/K./Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 160 Rn. 16a; Binder in: HKK-SGG, 6. Aufl. 2021, § 159 Rn. 7).

aa) Das SG hat das Recht der Klägerin auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG (zu § 109 SGG als Sonderregelung zu § 103 Satz 2 SGG für das Recht der Beweiserhebung durch Sachverständige siehe Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. April 2010 – B 1/3 KR 22/08 R – juris, Rn. 16) nicht beachtet.

(1) Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt (Satz 2).

Die Klägerin hatte am 17. Februar 2020 innerhalb der vom SG gesetzten, verlängerten und an diesem Tag endenden Frist einen Antrag nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG gestellt, mit Dr. B. einen konkreten Arzt als Sachverständigen benannt, die Kostenverpflichtungserklärung übersandt sowie den angeforderten Kostenvorschuss eingezahlt.

Der benannte Arzt stellte kein ungeeignetes Beweismittel dar. Als Arzt für Neurologie und Psychiatrie verfügte er über die notwendige Kompetenz, um die von der Klägerin auf diesem Fachgebiet behaupteten Gesundheitsstörungen erheben und beurteilen zu können. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 17. Februar 2020, der Bestellung als Sachverständigen am 5. März 2020 und der – undatierten und formlos vorgenommenen (zur Notwendigkeit eines entsprechenden Entpflichtungsbeschlusses: § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 408 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung [ZPO]; s. auch Zimmermann, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 408 Rn. 3) – Entpflichtung (spätestens am 12. März 2020; vgl. Schreiben von Dr. B. von diesem Tag) bestand bei Dr. B. noch generell die Bereitschaft, gerichtliche Sachverständigengutachten zu erstatten. Aus dem Aktenvermerk des Kammervorsitzenden über das Telefonat mit Dr. B. ergibt sich lediglich, dass dieser das Gutachten "wegen Arbeitsüberlastung" nicht erstellen könne. In seinem Schreiben vom 12. März 2020 teilte Dr. B. mit, es sei ihm "gegenwärtig" wegen starker Arbeitsüberlastung und aus "den genannten familiären Gründen" nicht möglich, das Gutachten "in einer für Sie akzeptablen Zeit" zu erstatten. Ein generelles Unvermögen, das Gutachten zu erstatten, lag somit nicht vor. Ob ein benannter Arzt bereits dann ein ungeeignetes Beweismittel darstellt, wenn er nicht in der Lage ist, das Gutachten innerhalb einer "angemessenen Frist" zu erstatten (Roller, in: HK-SGG, 6. Aufl. 2021, § 109 Rn. 10; a.A. K., a.a.O., § 109 Rn. 5b: lediglich in Extremfällen, z.B. bei einer Zeitdauer von mehreren Jahren), kann vorliegend offenbleiben. Das Gesetz sieht eine solche Einschränkung in § 109 SGG nicht vor. Eine Grenze kann sich aus der Verpflichtung des Gerichts zu einer Sachentscheidung innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 EMRK) ergeben (vgl. K., a.a.O.). Jedenfalls ist die "angemessene Frist" großzügig zu bestimmen und bei Anträgen nach § 109 SGG nicht auf drei Monate begrenzt (Roller, a.a.O. sowie § 118 Rn. 32 m.w.N.). Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass die Erstattung des Gutachtens durch Dr. B. zum Zeitpunkt der Antragstellung und noch bei der Entpflichtung nicht innerhalb einer großzügig bemessenen Frist in diesem Sinne hätte erstattet werden können. Weder im Aktenvermerk des Kammervorsitzenden noch im Schreiben von Dr. B. vom 12. März 2020 ist die voraussichtliche Dauer konkret benannt worden. Aus letzterem ("in einer für Sie akzeptablen Zeit") kann im Zusammenhang mit der einzig benannten Frist im Gutachtensauftrag (5. Juni 2020) lediglich entnommen werden, dass eine Fertigstellung des Gutachtens innerhalb von drei Monaten nicht als möglich angesehen wurde. Dies rechtfertigt es nach den dargestellten Maßstäben nicht, den benannten Arzt als ungeeignetes Beweismittel anzusehen.

Der Sachverständigenbeweis war vorliegend auch nicht per se ungeeignet, etwa im Hinblick auf die zum Zeitpunkt des Rentenantrags nicht erfüllten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Drei-Fünftel-Belegung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Denn diese knüpfen nicht an den Zeitpunkt des Rentenantrags, sondern an den Eintritt der Erwerbsminderung an. Dieser ist aber gerade auch dem Beweis durch ein medizinisches Sachverständigengutachten zugänglich. Das SG ist selbst hiervon ausgegangen. So hat es seinerseits ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

Weitere Anforderungen knüpft § 109 Abs. 1 SGG an den Antrag nicht. Die vom SG in der richterlichen Verfügung vom 2. Dezember 2019 aufgenommene Verpflichtung zur Vorlage eines "geeigneten Nachweises", dass der benannte Arzt zur Erstellung des Gutachtens "innerhalb von drei Monaten bereit" sei, findet im Gesetz keine Stütze (ebenso K., a.a.O., Rn. 11; a.A. Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 20. April 2017 – S 1 U 3641/16 - juris, Rn. 47; Roller, a.a.O., § 109 Rn. 10). Es kann vorliegend offenbleiben, ob wegen der aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Verpflichtung der Gerichte, auch bei einem Gutachten nach § 109 SGG eine zügige und effiziente Verfahrensgestaltung sicherzustellen (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR], Urteil vom 25. März 2010 – 901/05 – juris, Rn. 57), anderes gilt, wenn sich zuvor einer oder mehrere andere vom Antragsteller gewählte Ärzte zur Gutachtenserstattung nicht in der Lage gesehen hatten (so Senatsurteil vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – juris, Rn. 34; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 13. Juli 2017 – L 6 U 1375/16 – und vom 20. Juni 2017 – L 13 R 1325/16 – beide n.v.; Roller, a.a.O., Rn. 10; a.A. K., a.a.O., Rn. 11). Denn vorliegend handelte es sich bei der Benennung von Dr. B. um den ersten Antrag der Klägerin. Sie hatte nicht bereits zuvor einen anderen Arzt benannt, der sich zur Gutachtenserstattung nicht in der Lage gesehen hätte. Im Übrigen sah das SG selbst die von ihm aufgestellten Bedingungen als erfüllt an. Denn es lehnte den Antrag nicht ab, sondern bestellte Dr. B. zunächst mit Verfügung vom 5. März 2020 zum gerichtlichen Sachverständigen.

(2) Das SG hat den Antrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 SGG zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(a) Das SG hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, der Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Dr. B. sei nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen gewesen. Das Einholen eines Gutachtens bei Dr. B. verzögere die Erledigung des Rechtsstreits. Dies beruhe auf grober Nachlässigkeit der Klägerin. Damit vermengt das SG die beiden Tatbestandsvoraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG. Die grobe Nachlässigkeit bezieht sich nicht auf die Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits, sondern auf das Tatbestandsmerkmal, dass der Antrag nicht früher vorgebracht wurde. Der Antrag auf gutachterliche Anhörung von Dr. B. wurde aber nicht verspätet in diesem Sinne gestellt, sondern innerhalb der hierfür vom SG gesetzten und verlängerten Frist. Davon ging das SG selbst im Verfahren aus. Denn es bestellte Dr. B. auf diesen Antrag hin mit gerichtlicher Verfügung vom 5. März 2020 zum gerichtlichen Sachverständigen. Vielmehr hat es diesen erst nachträglich – formlos – entpflichtet (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 408 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Nach der Entpflichtung hielt die Klägerin jedoch an ihrem Antragsrecht nach § 109 Abs. 1 SGG fest. Dies hat sie im Berufungsverfahren auch ausdrücklich klargestellt. Das SG ging erkennbar selbst davon aus, da es in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides die Ablehnung eines solchen Antrags begründete. Ohne abzuklären, ob die Klägerin nach der Entpflichtung von Dr. B. diesen (erneut) oder einen anderen Arzt benennen wolle, bezog das SG diese Ablehnung auf eine Benennung von Dr. B. Soweit dies auf die ursprüngliche Benennung von Dr. B. zielen sollte, lagen mangels Verspätung der Antragstellung bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 109 Abs. 2 SGG nicht vor.

(b) Eine Ablehnung eines neuen Antrags unter (erneuter) Benennung von Dr. B. oder eines anderen Arztes kann nicht auf § 109 Abs. 2 SGG gestützt werden. Denn ein solcher Antrag war weder verbraucht noch wurde er in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht.

Das Antragsrecht ist nicht verbraucht, wenn der zunächst benannte Sachverständige die Begutachtung wegen Überlastung abgelehnt hat; der Antragsteller hat das Recht, einen anderen Sachverständigen zu benennen, bei dem solche gravierende Zeitengpässe nicht vorliegen (K., a.a.O., Rn. 5b und 10b; a.A. Roller, a.a.O., Rn. 10). Die Benennung eines solchen (anderen) Arztes ist vorliegend weder in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, noch aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden. Hinweise auf eine Verschleppungsabsicht bestehen nicht. Auch das SG ist nicht von einer solchen ausgegangen. Eine grobe Nachlässigkeit liegt ebenfalls nicht vor. Verspätung aus grober Nachlässigkeit ist gegeben, wenn jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist, d.h. wenn nicht getan wurde, was jedem einleuchten muss. Der Beteiligte muss sich das Verhalten seines Vertreters zurechnen lassen (§ 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO; K., a.a.O., Rn 11 m.w.N.). Grobe Nachlässigkeit liegt insbesondere nicht deshalb vor, weil es der Antragsteller trotz Aufforderung des Gerichts versäumt hatte, vor der Benennung des Arztes dessen Bereitschaft zur Gutachtenserstattung innerhalb angemessener Zeit abzuklären (K., a.a.O., Rn. 11; a.A. Roller, a.a.O., Rn. 19). Denn vorliegend fehlte es, wie oben ausgeführt, bereits an einer rechtlichen Grundlage für die entsprechende Aufforderung des SG vom 2. Dezember 2019. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin oder ihrem Prozessbevollmächtigten bereits vor der Kenntnis von der Entpflichtung von Dr. B. bekannt war, dass dieser zu einer Erstellung des Gutachtens in "akzeptabler Frist" nicht in der Lage war, liegen nicht vor.

Selbst wenn man die entsprechende Aufforderung des SG als geeignet ansähe, bei Verstoß gegen sie eine grobe Nachlässigkeit auszulösen, tragen die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides die Ablehnung des Antrags nicht. Soweit das SG in den Entscheidungsgründen ausführt, dieser Anforderung sei die Klägerin nur unzureichend nachgekommen, hat es weder konkretisiert, worin der Mangel bestanden habe, noch Feststellungen dazu getroffen. Sollte es Zweifel an der tatsächlichen Nachfrage der Klägerin beim benannten Arzt gehabt haben ("angeblich telefonische Bereiterklärung"), hätte es zu diesem vorwerfbaren Verhalten Beweis erheben müssen. Wenn es annimmt, es falle in die Risikosphäre der Klägerin, dass der Wahlgutachter auf eine Bereiterklärung in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang gegenüber dem Gericht erkläre, eine Begutachtung wegen Arbeitsüberlastung nicht vornehmen zu können, vermag dies eine grobe Nachlässigkeit nicht zu begründen. Ergibt eine Nachfrage des Antragstellers beim in Aussicht genommenen Arzt, dass dieser bereit und in der Lage ist, das Gutachten innerhalb von drei Monaten zu erstellen, hat er das ihm Mögliche getan, auch wenn der Arzt später hiervon wieder abrückt. Die Zuordnung einer Risikosphäre besagt nichts über die Sorgfalt einer Prozessführung. Im Übrigen ließ das SG selbst in der gerichtlichen Verfügung vom 2. Dezember 2019 die "Mitteilung des Ergebnisses einer telefonischen Anfrage bei dem Gutachter" ausreichen.

bb) Das SG hat das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz [GG]).

(1) Nach der speziellen Ausformung durch § 62 Halbsatz 1 SGG ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren. Dies beinhaltet das Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung. Das Gericht muss den Beteiligten von Amts wegen die Möglichkeit geben, sich zu äußern. Das Urteil (oder der Gerichtsbescheid) darf nicht auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, die bisher nicht erörtert worden sind, wenn dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (K., a.a.O., § 62 Rn. 6 f., 8 f. m.w.N.).

Das SG hat die Beteiligten und damit auch die Klägerin vor der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht über die Mitteilung von Dr. B., das Gutachten nicht in einer für das SG "akzeptablen" Frist erstatten zu können, und die hierauf gestützte Entpflichtung des Sachverständigen in Kenntnis gesetzt. Erst mit der Zustellung des Gerichtsbescheides übersandte es den Beteiligten den Aktenvermerk über das Telefonat mit Dr. B. sowie dessen Schreiben vom 12. März 2020. Die Klägerin hatte keine Möglichkeit, sich hierzu zu äußern. So macht die Klägerin im Berufungsverfahren zu Recht geltend, sie hätte einwenden können, dass der – bereits bestellte – Sachverständige vom SG zur Erstattung anzuhalten gewesen sei oder ein neuer Sachverständiger hätte benannt werden können, wie sie es nun auch getan hat. Auch nach Rechtsauffassung des SG wäre eine Anhörung nötig gewesen, da die Klägerin die Zusage des Sachverständigen behauptete, Dr. B. dies zumindest nach dem Inhalt des Aktenvermerks in Abrede stellte und das SG offenbar Zweifel hegte (s.o.).

(2) Das SG hat die Klägerin nicht zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG sind die Beteiligten vor einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu hören. Das Gericht muss den Beteiligten mitteilen, dass es eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid in Betracht zieht und dass sich die Beteiligten dazu äußern können (Anhörungsmitteilung). Wesentlich ist, dass die Beteiligten erkennen können, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden möchte, damit sie darauf reagieren können. Wegen des Verbots von Überraschungsentscheidungen muss es auf Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, die bisher im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erörtert worden sind (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/K./Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 105 Rn. 10). Eine Anhörungsmitteilung ist in der Regel nur einmal erforderlich. Einer nochmaligen Mitteilung bedarf es aber, wenn sich die Prozesssituation wesentlich geändert hat. Das Gericht muss dann die Anhörungsmitteilung wiederholen und über das unverändert beabsichtigte Verfahren unterrichten (B. Schmidt, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.).

Die (einzige) Anhörungsmitteilung des SG vom 2. Dezember 2019 genügte diesen Anforderungen nicht mehr. Denn zum Zeitpunkt der tatsächlichen Entscheidung durch Gerichtsbescheid vom 31. März 2020 lag eine im Vergleich zur Anhörungsmitteilung wesentlich veränderte Prozesssituation vor. Nach dieser Anhörungsmitteilung hatte die Klägerin den Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG gestellt, dem das SG auch zunächst stattgegeben hatte, und der Sachverständige war danach wieder entpflichtet worden. Damit traten weitere für den Rechtsstreit relevante Rechtsfragen auf, nämlich das Recht zur Benennung eines neuen Arztes, der mögliche Verbrauch dieses Rechts bzw. die Voraussetzungen einer Ablehnung nach § 109 Abs. 2 SGG, die das SG in den Entscheidungsgründen auch behandelte. Mangels Information über die Entpflichtung des bereits bestellten Sachverständigen und im Hinblick auf die diesem ursprünglich gesetzte Frist bis zum 5. Juni 2020 konnte die Klägerin überhaupt nicht damit rechnen, dass auch zum damaligen Zeitpunkt durch Gerichtsbescheid entschieden werden könnte. Sie konnte weder inhaltlich zu den vom SG angenommenen Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG Stellung nehmen noch zur Entscheidungsform des Gerichtsbescheids. Ihr war damit der – in der Berufung auch tatsächlich vorgebrachte – Einwand abgeschnitten, dass die Voraussetzungen einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid mangels Sachverhaltsklärung (dazu unten) nicht gegeben seien.

cc) Die Entscheidung des SG leidet an einem weiteren Verfahrensmangel. Denn es war bei der Entscheidung über die Klage nicht ordnungsgemäß besetzt.

Das SG hat durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen von § 105 Abs. 1 SGG für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vorgelegen haben. Dadurch hat es der Klägerin entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihren gesetzlichen Richter, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 125 SGG), entzogen. Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens vom Amts wegen zu beachten ist. Die Kompetenz, hiervon abweichend allein zu entscheiden, setzt voraus, dass die Voraussetzung des § 105 Abs. 1 SGG erfüllt sind, weil es sich insoweit auch um eine Ausnahme der Grundregelung des § 124 Abs. 1 SGG handelt, wonach das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13. Mai 2014 – L 3 VE 4/13 – juris, Rn. 44 f. m.w.N.).

Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid darf nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nur ergehen, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. An letzterem fehlt es vorliegend. Der Sachverhalt ist noch nicht geklärt, da der Beweisantrag der Klägerin (Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 Abs. 1 SGG) aus den oben genannten Gründen noch offen ist. An diesem Antrag hat die Klägerin nach ihrem Vorbringen im Berufungsverfahren ausdrücklich festgehalten und einen neuen Arzt benannt. Des Weiteren liegen wegen der fehlenden, aber notwendigen erneuten (zweiten) Anhörung die Voraussetzungen einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vor. Dies führt ebenfalls zur unvorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (K., a.a.O., § 153 Rn. 23 zum Verstoß gegen § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG m.w.N.; BSG, Beschlüsse vom 17. November 2015 – B 1 KR 65/15 B – juris, Rn. 8 und vom 24. Februar 2016 – B 13 R 341/15 B – juris, Rn. 6).

b) Die genannten Verfahrensmängel sind wesentlich i.S.d. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG.

Wesentlich ist der Mangel, wenn das Urteil (oder der Gerichtsbescheid) des SG auf ihm beruhen kann. Bei der Beurteilung ist auf die Rechtsansicht des SG abzustellen; es liegt also kein Verfahrensfehler vor, wenn das SG Ermittlungen unterlassen hat, auf die es nach seiner Rechtsauffassung zum materiellen Recht nicht ankam. Bei Verfahrensfehlern, die absolute Revisionsgründe sind (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 547 ZPO), beruht das Urteil stets auf dem Verfahrensmangel (K., a.a.O., § 159 Rn. 3a m.w.N.).

aa) Der Verstoß gegen das Recht der Klägerin aus § 109 Abs. 1 SGG ist wesentlich. Denn das SG unterließ die Ermittlungen nicht aufgrund seiner Rechtsauffassung zum materiellen Recht, sondern wegen fehlerhafter Anwendung der Verfahrensnorm des § 109 SGG selbst (zur unberechtigten Ablehnung eines Antrags nach § 109 SGG als wesentlichem Verfahrensmangel bereits BSG, Urteil vom 21. Januar 1960 – 8 RV 1277/58 – juris, Rn. 12 ff.). Hätte das SG dem Antrag der Klägerin entsprochen, hätte es entgegen seiner getroffenen Entscheidung im Wege der Beweiswürdigung zu dem Ergebnis kommen können, dass eine Erwerbsminderung der Klägerin vorliegt und bereits zu einem Zeitpunkt eingetreten war, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt waren. Die Klägerin hat die Nichtbeachtung ihres Rechts nach § 109 SGG auch ausdrücklich gerügt.

bb) Auch die Anhörungsmängel sind wesentlich. Denn die Klägerin hätte einen anderen Arzt nach § 109 Abs. 1 SGG benennen können. Dem hätte das SG aus den oben genannten Gründen nachkommen müssen. Damit hätte die Klägerin erfolgreich geltend machen können, dass die Voraussetzungen einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid mangels Klärung des Sachverhaltes nicht vorliegen.

cc) Die fehlerhafte Besetzung der Kammer allein mit dem Vorsitzenden wegen fehlender Anhörung zum Gerichtsbescheid und des Fehlens der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG stellen einen absoluten Revisionsgrund i.S.d. § 547 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar (K., a.a.O., § 12 Rn. 12; BSG, Beschlüsse vom 17. November 2015 – B 1 KR 65/15 B – juris, Rn. 8 und vom 24. Februar 2016 – B 13 R 341/15 B – juris, Rn. 6; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13. Mai 2014 – L 3 VE 4/13 – juris, Rn. 44).

c) Die Mängel machen eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG erforderlich. Dies ist gegeben, wenn sie einen erheblichen Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln erfordert (vgl. BT-Drucks. 17/6764, S. 27, zu Art. 8 Nr. 8). Davon ist auszugehen, wenn weitere Ermittlungen in der Form der Einholung zumindest einer gutachterlichen Stellungnahme geboten ist. Denn schon mit der Einholung eines solchen (ergänzenden) Gutachtens ist typischerweise der Einsatz erheblicher sachlicher und mit Blick auf die Auswertung und Bewertung auch erheblicher personeller Mittel verbunden. Zudem kann dies ggf. auch weitere Ermittlungen nach sich ziehen (Bayer. LSG, Urteile vom 5. Juni 2019 – L 17 U 340/18 – juris, Rn. 31 und 12. Oktober 2017 – L 17 U 208/17 – juris, Rn. 27; LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 9. März 2017 – L 13 SB 273/16 – juris, Rn. 21 und vom 14. Januar 2016 – L 27 R 824/15 – juris, Rn. 14; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile 27. August 2014 – L 5 U 6/14 – juris, Rn. 82 und vom 13. Mai 2014 – L 3 VE 4/13 – juris, Rn. 49; Binder, a.a.O., § 159 Rn. 7; a.A. K., a.a.O., § 159 Rn. 4; Adolf, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand Juli 2017, § 159 Rn. 21).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn auf den aufrecht erhaltenen Antrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 SGG ist der von ihr benannte Arzt gutachterlich zu hören. Führt dies zur Annahme einer Erwerbsminderung sind wegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegebenenfalls weitere Ermittlungen zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung oder im Hinblick auf eine Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraums nach § 43 Abs. 4 SGB VI zu einer Arbeitsunfähigkeit seit Juni 2014 notwendig. Dass dies nach der Rechtsauffassung des SG von Bedeutung war, zeigt sich schon daran, dass es die als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte danach befragte. Allerdings vernahm es gerade auf psychiatrischem Fachgebiet nur den die Klägerin ab 2018 behandelnden Arzt, nicht die von diesem angegebene, zuvor behandelnde Ärztin im PZN. Eigene gutachterliche Ermittlungen zur psychiatrischen Situation hat das SG nicht durchgeführt.

d) Ob bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eine Zurückverweisung erfolgt, steht im Ermessen des Berufungsgerichts. Dieses muss abwägen zwischen den Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits. Dabei ist auch der Ausnahmecharakter der Vorschrift zu berücksichtigen (BSG, Beschluss vom 14. Februar 2006 – B 9a SB 22/05 B – juris, Rn. 7; K., a.a.O., § 159 Rn. 5, 5b).

In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Instanz andererseits hält es der Senat vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Berufung der Klägerin erst seit April 2020 in der Berufungsinstanz anhängig ist. Die Begründung und damit auch die Formulierung des Zurückverweisungsbegehrens erfolgte erst im Juli 2020. Der Klägerin entsteht durch die Zurückverweisung somit kein wesentlicher zeitlicher Nachteil. Auch ist der Rechtsstreit aus den genannten Gründen nicht entscheidungsreif. Zudem kann nicht außer Acht bleiben, dass die Klägerin die Nichtbeachtung ihres Rechts nach § 109 SGG erstinstanzlich wegen des Verstoßes gegen das Recht auf rechtliches Gehör noch nicht rügen konnte und die Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu Recht gerügt hat. Der Verlust einer Instanz wirkt daher besonders schwer. Die Klägerin hat die Zurückverweisung ausdrücklich beantragt; die Beklagte hat keine Einwendungen erhoben.

e) Aufgrund des Erfolgs des Hauptantrags ist über den Hilfsantrag nicht mehr zu befinden.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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