Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 P 4284/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 48/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Sanktionszahlung nach § 18 Abs. 3b SGB XI ist für die Einhaltung der gesetzlichen Frist und das Ende des zu entschädigenden Zeitraums nicht die Absendung des Bescheides, sondern dessen Zugang beim Adressaten maßgeblich.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. August 2019 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 15. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2018 verurteilt, der Klägerin weitere 70,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Sanktionszahlung nach § 18 Abs. 3b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in Höhe von weiteren 1.050,00 EUR.
Die 1964 geborene, bei der Beklagten sozial pflegeversicherte Klägerin wurde ab Mai 2017 stationär, teils intensivmedizinisch wegen eines Guillain-Barré-Syndroms behandelt. Am 29. Juni 2017 wurde sie vom Krankenhaus in die Rehabilitation der Phase B verlegt.
Mit am selben Tag bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 28. September 2017 übersandte der Sozialdienst der Kliniken S. einen Antrag der Klägerin vom selben Tag auf Kombinationsleistungen der Pflegeversicherung (Sachleistung – ambulanter Pflegedienst – und Pflegegeld). Als private Pflegeperson wurde der Ehemann der Klägerin angegeben. Die im Antragsformular vorgesehene Rubrik "Meine Pflegeperson beabsichtigt Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz in Anspruch zu nehmen" war nicht angekreuzt. Im Begleitschreiben wies die Rehabilitationsklinik darauf hin, dass sich die Klägerin derzeit in stationärer neurologischer Rehabilitation der Phase C befinde und am 11. Oktober 2017 ins häusliche Umfeld entlassen werde. Aufgrund ihrer Erkrankung werde sie weiterhin auf pflegerische Hilfe angewiesen sein, weshalb sie anschließend durch einen ambulanten Pflegedienst und den Ehemann versorgt werde. Mit Schreiben vom 29. September 2017 ("Änderung der Pflegeleistung ab 29.09.2017"), Eingang bei der Beklagten am selben Tag, informierte der Sozialdienst der Rehabilitationsklinik die Beklagte darüber, dass die Pflege im häuslichen Umfeld nicht zusätzlich durch einen Pflegedienst erfolgen werde, sondern nur durch den Ehemann. Daher werde um "Änderung der Pflegeleistung von Kombinationsleistungen auf Pflegegeld ab dem 29. September 2017" gebeten.
Die Klägerin wurde am 11. Oktober 2017 aus der Rehabilitation ins häusliche Umfeld entlassen. Am 12. Oktober 2017 erteilte die Beklagte dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) den Auftrag zur Begutachtung im häuslichen Umfeld (Eingang dort am 13. Oktober 2017). Die Klägerin wurde hierüber unterrichtet. Am 1. Februar 2018 mahnte diese telefonisch bei der Beklagten die Begutachtung an. Auf telefonische Anfrage der Beklagten teilte der MDK mit, da derzeit sehr viele Gutachten zu bearbeiten seien, dauere es ca. drei bis vier Wochen.
Am 21. Februar 2018 erfolgte die Begutachtung im häuslichen Umfeld. Pflegefachkraft I. gelangte in ihrem Gutachten vom 22. Februar 2018 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin befristet für die Zeit vom 21. Februar bis 30. November 2018 die Voraussetzungen des Pflegegrades 1 erfülle (Summe der gewichteten Punkte 20,00). Zuvor sei es seit 17. Mai 2017 zu einer stetigen Verschlechterung des Zustandes gekommen, so dass nachvollziehbar vom damaligen Zeitpunkt an die Voraussetzungen des Pflegegrades 2 vorgelegen hätten.
Mit am selben Tag abgesandten Bescheid vom 5. März 2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach Pflegegrad 1 ab 21. Februar 2018 befristet bis zum 30. November 2018. Am 28. Mai 2018 bewilligte sie Leistungen nach Pflegegrad 1 bereits ab 18. September 2017 sowie mit Bewilligungsbescheiden vom 19. Juni 2018 Pflegegeld nach Pflegegrad 2 ab 29. September 2017 befristet bis 28. Februar 2018 (bei Ruhen des Leistungsanspruchs vom 29. September bis 10. Oktober 2017 wegen stationären Aufenthalts) und ab 1. März 2018 wiederum Leistungen nach Pflegegrad 1 befristet bis zum 30. November 2018.
Bereits mit Bescheid 15. März 2018 gewährte die Beklagte der Klägerin wegen verspäteter Bescheiderteilung einen Betrag in Höhe von 280,00 EUR. Bei der Berechnung legte sie einen Fristbeginn am 1. Januar 2018, ein Fristende am 5. Februar 2018 und ein Ende des zu entschädigenden Zeitraums am 5. März 2018 (Absendung des Bescheides) zugrunde.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, ihr stehe eine höhere Entschädigung zu, nämlich wöchentlich 70,00 EUR für die Zeit vom 11. Oktober 2017 bis 21. Februar 2018.
Mit Hinweisschreiben vom 16. Mai und 19. Juni 2018 erläuterte die Beklagte die Fristberechnung und wies insbesondere auf die Übergangsregelung nach § 142 SGB XI hin, wonach die Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 unbeachtlich sei, so dass die Frist erst ab 1. Januar 2018 zu berechnen sei. Dagegen wandte die Klägerin ein, angesichts der eindeutig zeitnahen Beauftragung des MDK (Eingang des Auftrags am 13. Oktober 2017) sei eine "Strafzahlung" bereits ab dem 13. Oktober 2017 berechtigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Durch die Übergangsregelung habe der Gesetzgeber die Bearbeitungsfristen des § 18 SGB XI bis zum 31. Dezember 2018 ausgesetzt. Ein von der Aussetzung nicht erfasster Eilantrag sei nicht gestellt worden. Es hätten auch keine Hinweise auf § 18 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB XI vorgelegen, dass zur Sicherstellung der ambulanten oder stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung erforderlich gewesen sei. Aus dem Schreiben der Kliniken S. vom 29. September 2017 gehe hervor, dass die häusliche Pflege durch den Ehemann sichergestellt gewesen sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 6. Dezember 2018 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie einen "Verspätungszuschlag" für die Zeit vom 20. Oktober 2017 bis 5. März 2018 unter Abzug der bereits gezahlten 280,00 EUR geltend machte. Sie sei am 11. Oktober 2017 rollstuhlpflichtig nach Hause entlassen worden. Trotz rechtzeitiger Antragstellung und mehreren Telefonaten mit der Beklagten und dem MDK sei die Begutachtung erst am 21. Februar 2018 erfolgt. Wegen der verspäteten Gutachtenserstellung und Bescheiderteilung habe für fünf Monate nach der Entlassung kein Einsatz der Sozialstation erfolgen können und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit Merkzeichen sei verzögert worden. Ihr Ehemann habe seine Berufstätigkeit reduziert, teilweise mehr als 50 % ohne Ausgleich. Ab ca. dem 3. November 2017 hätten dieser und teilweise die Tochter die Pflege übernommen. Der Widerspruchsbescheid beruhe auf einem falschen Sachverhalt, da bei ihr gemäß dem MDK-Gutachten vom 21. Februar 2018 ab dem 17. Mai 2017 Pflegegrad 2 vorgelegen habe. Dies sei mit Bescheid vom 19. Juni 2018 schließlich auch bewilligt worden. Daher gelte keine Befreiung nach § 18 SGB XI. Da eine Entlassung aus stationärer Rehabilitation erfolgt sei, gelte eine verkürzte Frist von einer Woche. Auch beginne die Frist am 1. Januar 2018 nicht neu. Hierzu verwies sie auf das auszugsweise beigelegte Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes an bundesunmittelbare Krankenkassen vom 28. März 2018 zur pauschalen Zusatzzahlung nach § 18 Abs. 3b SGB XI; auf Bl. 66/71 der SG-Akten wird insoweit Bezug genommen. Ihr stehe daher eine Strafzahlung in Höhe von 1.540,00 EUR (23 Wochen abzüglich einer Bearbeitungswoche) zu.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden entgegen. Da die gesetzlich vorgeschriebene Frist für die Bescheiderteilung aufgrund der Übergangsregelung in der Zeit vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2017 ausgesetzt gewesen sei, könne auch im Falle der Klägerin die Frist nicht vor dem 1. Januar 2018 beginnen. Welcher Pflegegrad bei dieser bestanden habe, sei daher nicht relevant.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. August 2019 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine weitere Sanktionszahlung über 280,00 EUR hinaus. Da die Fristenregelungen und die Sanktionszahlung nach § 18 Abs. 3b SGB XI nach dessen Satz 5 für die Zeit vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2017 keine Anwendung fänden, beginne die maßgebliche Frist am 1. Januar 2018. Ob bei der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme mindestens Pflegegrad 2 bestanden habe, sei nicht relevant. Bei Feststellung des Pflegegrads 2 gelte nämlich gemäß § 18 Abs. 3b Satz 2 SGB XI generell die Fristen- und Sanktionsregelung des Satzes 1 gerade nicht, so dass der Klägerin noch nicht einmal die bereits gewährten 280,00 EUR zuständen. Außerdem bestehe keine Zahlungspflicht, wenn die Verzögerung von der Beklagten nicht zu vertreten sei. Ein Vertretenmüssen der Pflegekasse (auch der Fristüberschreitungen des MDK oder des Gutachters) sei regelmäßig anzunehmen, wenn entweder diese die Anträge nicht unverzüglich weitergeleitet oder den Gutachtensauftrag verzögert habe oder der MDK bzw. dessen Gutachter die Verzögerung zu vertreten habe. Hierfür seien jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Bei der Klägerin habe kein dringlicher Entscheidungsbedarf bestanden. Sie habe gegenüber dem Beklagten nicht dargelegt, warum ihr Verfahren eilig sei. Der Sozialdienst der S. Klinik habe es versäumt, einen Eilantrag zu stellen. Die im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Punkte ließen das Verfahren der Klägerin nach Überzeugung des Gerichts nicht als eilig im Vergleich zu anderen Pflegeverfahren erscheinen. Es gelte die allgemeine Frist von 25 Arbeitstagen. Die verkürzte Begutachtungsfrist von einer Woche gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI greife nicht. Die für diese neben dem Aufenthalt im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung erforderlichen zusätzlichen Voraussetzungen seien bei der Klägerin nicht erfüllt gewesen. Hinweise, dass zur Sicherstellung der ambulanten und stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung unbedingt erforderlich sei (zum Beispiel, weil keine Pflegeperson vorhanden sei oder die Pflegeperson in Vollzeit arbeite), hätten nicht bestanden. Im Antragsverfahren habe sie nichts dahingehend gegenüber der Beklagten vorgetragen. Tatsächlich habe ihr Ehemann nach ihren Angaben 50 % weniger gearbeitet und auch die Tochter bei der Pflege geholfen. Mit Antrag vom 29. September 2017 sei gerade keine Kombinationsleistung und somit neben dem Pflegegeld eine Sachleistung in Form eines ambulanten Pflegedienstes für notwendig erachtet worden. Insoweit sei zumindest eine Pflegeperson vorhanden gewesen. Dass für die Pflegeperson die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz angekündigt oder eine Familienpflegezeit nach § 2 Abs. 1 des Familienpflegezeitgesetzes vereinbart worden sei, sei der Beklagten gegenüber nicht mitgeteilt worden. Die Beklagte habe die Frist und die Höhe der Sanktionszahlung zutreffend berechnet. Die dem Gerichtsbescheid angefügte Rechtsmittelbelehrung bezeichnete die Nichtzulassungsbeschwerde oder den Antrag auf mündliche Verhandlung als statthaft. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 5. September 2019 zugestellt.
In der auf Antrag der Klägerin vom 1. Oktober 2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 14. November 2019 legte die Klägerin nach entsprechendem Hinweis der Kammervorsitzenden auf die Statthaftigkeit der Berufung unter Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung zu Protokoll gegen den Gerichtsbescheid vom 29. August 2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) ein. Auf das Protokoll vom 14. November 2019 (Bl. 93/93 der SG-Akten) wird Bezug genommen. Zur Begründung ihrer Berufung hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Auch das SG sei unzutreffend von einem Pflegegrad von nicht höher als 1 ausgegangen. Die Beklagte habe durchaus Kenntnis von der Schwere ihrer Erkrankung und ihres Zustandes nach der Entlassung aus der stationären Reha gehabt, so insbesondere durch die (vorgelegten) Schreiben der Reha-Klinik vor und bei Entlassung vom 9. und 11. Oktober 2017, die Mitteilung über die Aufnahme in die stationäre Reha vom 13. September 2017, die Anfrage wegen eines Unfalls in der Dusche während des stationären Krankenhausaufenthalts (Schreiben vom 10. Juli 2017), die Verordnung eines Rollstuhls vom 27. September 2017 mit Versorgung am 14. November 2017 (Lieferschein des Sanitätshauses) sowie den Antrag auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (von der Beklagten übersandtes, auf den 6. September 2017 datiertes Antragsschreiben). Wegen der vorgelegten Unterlagen wird auf Bl. 37/44 der Senatsakten Bezug genommen. Des Weiteren habe ihr Mann eine Notiz über ein an sie gerichtetes Schreiben des MDK vom 13. Oktober 2017, das leider nicht auffindbar sei. Nach dem Inhalt der Internetseite des MDK sei ein Eilantrag nur nötig, wenn eine Betreuung nach der stationären Reha nicht gegeben sei. Bei ihr sei jedoch die Pflege kurzzeitig durch ihren Ehemann und ihre Tochter möglich gewesen. Der MDK habe die Begutachtung innerhalb zehn Tagen nach Entlassung aus einer stationären Reha durchzuführen. Diese Bestimmung sei nicht außer Kraft gesetzt gewesen und ihr sei auch rückwirkend Pflegegrad 2 ab 17. Mai 2017 zugebilligt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. August 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 15. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2018 zu verurteilen, ihr weitere 1.050,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Berichterstatter hat am 29. Juli 2020 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt; auf das Protokoll vom 29. Juli 2020 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Verfahrensakten des Senats und des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin ist nach §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da die begehrte weitere Sanktionszahlung in Höhe von 1.050,00 EUR den Beschwerdewert von 750,00 EUR übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufungseinlegung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem SG genügt der in § 151 Abs. 2 SGG vorgegeben Form (Binder, in: Berchtold, Kommentar zum SGG, 6. Aufl. 2020, § 151 Rn. 19; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 90 Rn. 6). Die Einlegung erfolgte fristgerecht. Vorliegend galt nicht die Monatsfrist der §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 Abs. 1 SGG, sondern gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Frist eines Jahres seit Zustellung des Gerichtsbescheides. Denn dieser enthielt eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung. Statthafter Rechtsbehelf gegen den Gerichtsbescheid ist, wie dargestellt, die Berufung, nicht aber die im Gerichtsbescheid genannte Nichtzulassungsbeschwerde oder der Antrag auf mündliche Verhandlung. Die Klägerin wahrte diese Jahresfrist. Der Gerichtsbescheid wurde am 5. September 2019 zugestellt, die Berufung am 14. November 2019 eingelegt.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Zahlung einer um 1.050,00 EUR höheren Sanktionszahlung. Soweit sie dies nach dem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag auf den Zeitraum vom 20. Oktober 2017 bis zum 5. März 2018 – unter Anrechnung bereits gezahlter 280,00 EUR – bezieht, liegt darin keine zeitliche Begrenzung des Streitgegenstandes. Das Begehren der Klägerin ist erkennbar (§ 123 SGG) auf eine höhere Sanktionszahlung für die verspätete Bescheidung ihres Antrags auf Leistungen der Pflegeversicherung gerichtet. Die Berechnung der Frist und des Verspätungszeitraums dient lediglich zur Begründung der geltend gemachten Höhe. Allein diese auf 1.050,00 EUR bezifferte Höhe begrenzt die gerichtliche Entscheidungsbefugnis. Der Senat ist danach lediglich gehindert, die Beklagte zu einer höheren Sanktionszahlung zu verurteilen als begehrt, nicht aber die Frist und den Verspätungszeitraum abweichend zu berechnen. Die Höhe der begehrten Sanktionszahlung von weiteren 1.050,00 EUR ergibt sich unmittelbar aus dem zuletzt von der Klägerin zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag. Streitbefangen ist der die Höhe der Sanktionszahlung regelnde Bescheid vom 15. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2018 (§ 95 SGG).
3. Die Berufung ist nur teilweise begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfange abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung weiterer 70,00 EUR. Insoweit ist der Bescheid vom 15. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2018 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Im Übrigen ist er rechtmäßig. Berufung und Klage sind insoweit unbegründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf eine Sanktionszahlung in Höhe von 350,00 EUR, da die Beklagte nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist einen Bescheid über den Antrag der Klägerin auf Leistungen der Pflegeversicherung erteilt hat. Die Beklagte hat hierauf bereits 280,00 EUR gewährt, so dass ein Restanspruch von 70,00 EUR besteht.
Nach § 18 Abs. 3b SGB XI in der hier anzuwendenden, vom 1. Januar 2017 bis 10. Mai 2019 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 10 des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I, S. 2424) hat die Pflegekasse, wenn sie den schriftlichen Bescheid über den Antrag nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags erteilt oder eine der in Absatz 3 genannten verkürzten Begutachtungsfristen nicht eingehalten wird, nach Fristablauf für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung unverzüglich 70 EUR an den Antragsteller zu zahlen (Satz 1). Dies gilt nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder wenn sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege befindet und bereits bei ihm mindestens erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (mindestens Pflegegrad 2) festgestellt ist (Satz 2).
a) Für die Erteilung eines Bescheides auf den Antrag der Klägerin vom 28./29. September 2017 galt eine Frist von 25 Arbeitstagen.
aa) Nach § 18 Abs. 3b Satz 1, Abs. 3 Satz 2 SGB XI gilt grundsätzlich eine Frist von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse, um den Bescheid zu erteilen (Abs. 3b Satz 1) bzw. die Entscheidung schriftlich mitzuteilen (Abs. 3 Satz 2). Diese Frist war von der Beklagten vorliegend zu beachten. Denn es lief keine der in § 18 Abs. 3 SGB XI genannten verkürzten Begutachtungsfristen.
bb) Die Voraussetzungen der verkürzten Frist des § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI lagen nicht vor. Dieser bestimmt: Befindet sich der Antragsteller im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung und 1. liegen Hinweise vor, dass zur Sicherstellung der ambulanten oder stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung erforderlich ist, oder 2. wurde die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt oder 3. wurde mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit nach § 2 Absatz 1 des Familienpflegezeitgesetzes vereinbart, ist die Begutachtung dort unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse durchzuführen; die Frist kann durch regionale Vereinbarungen verkürzt werden.
(1) Die Klägerin befand sich zwar bei Antragstellung in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme, es lagen aber keine Hinweise vor, dass zur Sicherstellung der ambulanten oder stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung erforderlich wäre. Allein die Antragstellung aus einer Rehabilitationsmaßnahme heraus rechtfertigt nach dem gesetzlichen Wortlaut noch nicht die Geltung einer verkürzten Frist und die Annahme einer besonderen Dringlichkeit. Vielmehr ist letztere ausdrücklich als eigenständiges und zusätzliches Tatbestandsmerkmal normiert worden. Der von der Klägerin unterschriebene Antrag vom 28. September 2017 enthält keinerlei Hinweis auf eine solche Dringlichkeit. Diese ergibt sich auch nicht schon aus der Beantragung der Leistungen als Kombinationsleistung. Dies besagte lediglich, dass die Klägerin (nur) teilweise Pflegesachleistungen in Anspruch nehmen wollte, andererseits aber auch, dass eine private Pflegeperson zur Verfügung stand. Dies spricht zunächst gegen die Erforderlichkeit einer umgehenden Begutachtung zur Sicherstellung der weiteren Pflege. Hiervon abweichende Hinweise enthielt der Antrag nicht. Das Begleitschreiben des Sozialdienstes der Reha-Klinik vom 28. September 2017 enthielt ebenfalls keine Hinweise auf eine besondere Dringlichkeit der Begutachtung. Explizit wird eine solche Dringlichkeit nicht geltend gemacht. Auch der weitere Inhalt des Schreibens bietet keine Anhaltspunkte dafür. Die Beklagte wurde gebeten, die Pflegebedürftigkeit zu überprüfen, ohne dass im Zusammenhang mit dem ebenfalls mitgeteilten Entlassungsdatum geltend gemacht wurde, eine unverzügliche Begutachtung müsse noch in der Einrichtung erfolgen. Der Hinweis, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung weiterhin auf pflegerische Hilfe angewiesen sein werde, begründet keine Dringlichkeit einer Begutachtung, sondern den Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist daher nicht entscheidend, dass die Beklagte von der stationären Rehabilitation oder ihrem Krankheitsbild wusste. Allein aus dem Beschwerdebild kann nicht darauf geschlossen werden, dass nach Entlassung ins häusliche Umfeld die Pflege nicht gesichert ist oder ohne Begutachtung den MDK nicht gesichert werden kann. Deutlich gegen eine Dringlichkeit der Begutachtung zur Sicherstellung der weiteren Pflege sprach das Schreiben des Sozialdienstes der Reha-Klinik vom 29. September 2017. Denn in diesem wurde die Umstellung auf Pflegegeld statt der zunächst beantragten Kombinationsleistung begehrt. Darin wurde weiter ausdrücklich klargestellt, dass die Pflege allein durch den Ehemann der Klägerin erfolgen werde ohne zusätzliche Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes. Danach war die Pflege erst recht ohne sofortige Begutachtung sichergestellt. Nachdem der Sozialdienst der Reha-Klinik bereits das Antragsformular der Klägerin übersandt hatte und im Schreiben vom 29. September 2017 ausdrücklich die Änderung der dort beantragten Leistung geltend machte, bot sich kein Anhaltspunkt, dass dies nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen sollte. Eine besondere Dringlichkeit ergab sich nicht aus der vorgelegten Hilfsmittelverordnung der Reha-Klinik vom 9. Oktober 2017 über senso-motorische-Einlagen für den Gebrauch zu Hause. Zwar wurde darin um eine rasche Entscheidung gebeten, um die bedarfsgerechte Anpassung noch rechtzeitig vor der Entlassung durchführen zu können. Diese Hilfsmittel sollten aber nach dem Inhalt der Verordnung den krankenversicherungsrechtlichen Zielen der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung und des Behinderungsausgleiches dienen, nicht der Pflege. Jedenfalls ergab sich hieraus keine Veranlassung, eine Begutachtung mit dem Ziel der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und des Pflegegrades noch in der Reha-Klinik durchzuführen. Gleiches gilt im Ergebnis für die Verordnung eines Rollstuhls vom 27. September 2017. Dies zeigt sich schon daran, dass die entsprechende Versorgung ausweislich des Lieferscheines vom 14. November 2017 deutlich vor und damit unabhängig von der Begutachtung zur Pflegebedürftigkeit erfolgte. Dem vorgelegten Antragsformular für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes ist nicht zu entnehmen, welche Maßnahmen vorgesehen waren. Die Klägerin hat hierzu auch nichts vorgetragen. Unabhängig davon lässt dies eine Dringlichkeit der Maßnahmen und damit der Begutachtung nicht erkennen. Vielmehr hat die Klägerin zuletzt selbst bestätigt, dass ihre Pflege kurzzeitig durch ihren Ehemann und ihre Tochter möglich und damit ihre Betreuung nach der stationären Reha gegeben gewesen war. Damit lagen von der Antragstellung bis zur Bescheidung keine Anhaltspunkte vor, dass für die Sicherstellung der Pflege eine umgehende Begutachtung in der Einrichtung erforderlich war.
(2) Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 und 3 SGB XI lagen nicht vor. Weder wurde die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt noch wurde mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit nach § 2 Abs. 1 Familienpflegezeitgesetz vereinbart. Abweichendes trägt die Klägerin selbst nicht vor. Im Antrag vom 28. September 2017 bejahte sie vielmehr die entsprechende Anfrage zur Pflegezeit nach dem PflegeZG gerade nicht.
(3) Die verkürzten Begutachtungsfristen nach § 18 Abs. 3 Satz 4 und 5 SGB XI galten nicht, da sich die Klägerin weder in einem Hospiz befand oder ambulant palliativ versorgt wurde (Satz 4) noch die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt oder mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit nach § 2 Abs. 1 Familienpflegezeitgesetz vereinbart worden war (Satz 5).
cc) Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es mithin für die Bestimmung der maßgeblichen Frist nicht auf die Höhe des Pflegegrades an. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes. Die dortigen von der Klägerin in Bezug genommene und von ihr mit "lag vor" kommentierte Passage (S. 5 des Schreibens, Bl. 70 der SG-Akten) stützt die Ansicht der Klägerin nicht. Dort wird lediglich darauf hingewiesen, dass – wenn die Voraussetzungen einer verkürzten Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI vorliegen – das dann zu erstellende Gutachten auch die Feststellung enthalten muss, ob die Voraussetzungen mindestens des Pflegegrades 2 erfüllt seien, während die genaue Bestimmung des Pflegegrades durch eine abschließende Begutachtung in häuslicher Umgebung erfolgen könne. Dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass nach Auffassung des Bundesversicherungsamtes die Voraussetzungen einer verkürzten Frist bei Vorliegen eines Pflegegrad 2 erfüllt seien. Eine solche Auslegung widerspräche auch, wie oben dargestellt, der gesetzlichen Regelung.
Soweit sich die Klägerin mit ihrem Vortrag zum Pflegegrad 2 auf die Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 3b Satz 2 SGB XI beziehen sollte, kann sie ihr Begehren hierauf gerade nicht stützen. Die Regelung besagt: Dies gilt nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder wenn sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege befindet und bereits bei ihm mindestens erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (mindestens Pflegegrad 2) festgestellt ist. Mit "dies gilt nicht" bezieht sich die Regelung auf den vorstehenden Satz 1 des Abs. 3b, der die Rechtsgrundlage für die Sanktionszahlung bietet. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 3b Satz 2 – zu denen u.a. die Feststellung des Pflegegrades 2 gehört – entfällt somit gerade eine Sanktionszahlung.
b) Die Frist zur Erteilung des Bescheides begann nicht vor dem 1. Januar 2018.
aa) Die Frist war gesetzlich ausgesetzt. Nach § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB XI in der hier anzuwendenden Fassung des PSG II ist die Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 unbeachtlich. Da die Frist mithin bereits bei Antragstellung am 28. September 2017 unbeachtlich war, konnte sie in der Zeit der gesetzlich geregelten Aussetzung bis zum 31. Dezember 2017 nicht zu laufen beginnen. Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht aus dem Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes. Die dortige von ihr durch Textmarker in Bezug genommene Passage (S. 2 des Schreibens, Bl. 67 der SG-Akten) besagt lediglich, dass ein Unterbrechungstatbestand nach § 18 Abs. 3b Satz 2 SGB XI nicht zu einem Neubeginn der Frist führt, sondern sich – nach Wegfall der Unterbrechung – die Frist fortsetzt. Vorliegend geht es aber nicht um den Unterbrechungstatbestand des Abs. 3b Satz 2, sondern um die gesetzliche Suspendierung der Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI. Vielmehr geht auch das Bundesversicherungsamt an genannter Stelle davon aus, dass nach der in § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB XI geregelten Unbeachtlichkeit bis 31. Dezember 2017 die Frist des § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI "seit 1. Januar 2018 wieder für alle Anträge der Pflegeversicherung maßgeblich" und im Falle der Fristüberschreitung auch die "pauschale Zuzahlung" nach Abs. 3b wieder zu leisten sei.
bb) Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise auch vor dem 1. Januar 2018 laufenden Bescheidungsfrist lagen nicht vor.
Nach § 142 Abs. 2 Satz 2 SGB XI ist abweichend von der Suspendierung der Bescheidungsfrist in Satz 1 denjenigen, die ab dem 1. Januar 2017 einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung stellen und bei denen ein besonders dringlicher Entscheidungsbedarf vorliegt, spätestens 25 Arbeitstage nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse die Entscheidung der Pflegekasse schriftlich mitzuteilen. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen entwickelt bundesweit einheitliche Kriterien für das Vorliegen, die Gewichtung und die Feststellung eines besonders dringlichen Entscheidungsbedarfs (Satz 3).
Nach Ziff. 4 "Bundesweit einheitliche Kriterien des GKV-Spitzenverbandes [als Spitzenverband Bund der Pflegekassen] für das Vorliegen eines besonders dringlichen Entscheidungsbedarfs nach § 18 Abs. 2b SGB XI und § 142 Abs. 2 SGB XI" vom 6. September 2016 (abrufbar unter gkv-spitzenverband.de) liegt ein besonders dringlicher Entscheidungsbedarf in diesem Sinne vor, wenn ohne eine fristgerechte Entscheidung der Pflegekasse eine Versorgungslücke droht. Dies ist der Fall bei Vorliegen eines 1. Erstantrags auf Sachleistungen bei häuslicher Pflege nach § 36 SGB XI (hierunter zählt kein Antrag auf Pflegegeld oder eine Kombination aus Pflegegeld und Pflegesachleistung) 2. Erstantrags auf vollstationäre Pflege nach § 43 SGB XI.
Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin nicht vor. Sie beantragte Leistungen bei ambulanter Pflege in Form des Pflegegeldes bzw., wenn man ihr das Änderungsschreiben des Sozialdienstes der Reha-Klinik vom 29. September 2017 nicht zurechnen wollte, jedenfalls in Form von Kombinationsleistungen. Die Regelung des Spitzenverbandes ist unter Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Ermächtigung, Versorgungslücken zu vermeiden, nicht zu beanstanden. Bei Anträgen auf Pflegegeld oder Kombinationsleistung ist typischer Weise davon auszugehen, dass eine Pflegeperson zur Verfügung steht, so dass Versorgungslücken in der Pflege nicht auftreten. Dass bei Antragstellung vorliegend auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für eine besondere Dringlichkeit bestanden, ergibt sich aus dem oben zu § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI Ausgeführten.
c) Eine Einbeziehung von Zeiträumen bis zum 31. Dezember 2017 für die Bestimmung einer Sanktionszahlung scheidet auch nach § 18 Abs. 3b SGB XI aus.
aa) Nach § 18 Abs. 3b Satz 5 SGB XI finden die Sätze 1 bis 3 vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2017 keine Anwendung. Diese im genannten Zeitraum nicht anzuwendenden Sätze enthalten gerade die Rechtsgrundlage für die Sanktionszahlung. Damit wurde die gesamte Sanktionsregelung bis Ende 2017 wegen der Einführung und Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ausgesetzt (Udsching, in: Udsching/Schütze, SGB XI, 5. Aufl. 2018, § 18 Rn. 17; Weber, in Kasseler Kommentar, SGB XI, Stand Juli 2020, § 18 Rn. 31; amtliche Begründung des Reg-E, BT-Drucks. 18/9083 S. 34 zu Nr. 2 Buchstabe b). In Übereinstimmung mit der Suspendierung der allgemeinen Bescheidungsfrist können für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2017 keine Sanktionszahlungen beansprucht werden.
bb) Die Frist nach § 142 Abs. 2 Satz 2 SGB XI wegen besonders dringlichen Entscheidungsbedarfs wird bereits vom Wortlaut des § 18 Abs. 3b Satz 1 SGB XI nicht erfasst. Denn sie ist keine der in § 18 Abs. 3 SGB XI genannten verkürzten Begutachtungsfristen. Des Weiteren gilt auch insoweit jedenfalls die Aussetzung des Sanktionssystems bis zum 31. Dezember 2017.
d) Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin nicht innerhalb der maßgeblichen Frist von 25 Arbeitstagen entschieden.
aa) Fristbeginn war der 1. Januar 2018.
Grundsätzlich beginnt die jeweilige Frist des § 18 Abs. 3 SGB XI nach § 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit dem Tag nach dem Eingang des Antrages bei der zuständigen Pflegekasse auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (Weber, a.a.O. § 18 Rn. 23). Aufgrund der gesetzlichen Suspendierung der hier maßgeblichen Frist des § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI bis zum 31. Dezember 2017 konnte die Frist für den im September 2017 gestellten Antrag der Klägerin, wie oben dargelegt, erst am 1. Januar 2018 beginnen.
bb) Die Frist endete am 5. Februar 2018.
Ausdrücklich regelt das Gesetz in § 18 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 3b Satz 1 SGB XI eine Frist von 25 Arbeitstagen. Ausgehend vom Fristbeginn am 1. Januar 2018 (Montag, aber gesetzlicher Feiertag), endete die Frist mit Ablauf des 25. Arbeitstages, dem 5. Februar 2018 (Montag).
cc) Die Beklagte hat diese Frist nicht unverschuldet nicht eingehalten.
(1) Nach § 18 Abs. 3b Satz 2 Alt. 1 SGB XI gilt die Sanktionszahlungspflicht nach Satz 1 nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Durch den MDK verursachte Verzögerungen sind dabei in jedem Falle der Pflegekasse zuzurechnen (Wagner, in: Hauck/Noftz, SGB XI, Stand Juli 2015, § 18 SGB XI Rn. 23a). Dies ergibt sich bereits aus der systematischen Verknüpfung der Sanktionsregelung des § 18 Abs. 3b Satz 1 SGB XI mit den allein für die Begutachtung und damit den MDK geltenden Begutachtungsfristen nach § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI.
Die Nichteinhaltung der Bescheidungsfrist des § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI beruhte vorliegend auf der Verzögerung der Begutachtung durch den MDK. Das Gutachten des MDK ging trotz des bereits am 12. Oktober 2017 erteilten Auftrages durch die Beklagte erst am 27. Februar 2018 und damit deutlich nach Ablauf der 25-Tage-Frist bei dieser ein. Dem Aktenvermerk der Beklagten vom 1. Februar 2018 ist zu entnehmen, dass für die Verzögerung der Begutachtung ein hoher Bestand unerledigter Gutachtensaufträge beim MDK ursächlich war. Wie den gesetzlichen Regelungen der §§ 18 Abs. 2b, 142 Abs. 2 SGB XI zu entnehmen ist, trug der Gesetzgeber einer Überlastung von Pflegekassen und MDK wegen der Umstellung des Pflegeversicherungsrechts auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff durch die Suspendierung der 25-Tage-Frist bis zum 31. Dezember 2017 Rechnung. Eine darüber hinaus bestehende Überlastung des MDK und dadurch bedingte Nichteinhaltung der 25-Tage-Frist kann daher nicht mehr als von der Pflegekasse nicht zu vertreten gelten. Dies hat auch die Beklagte so gesehen und daher der Berechnung der Sanktionszahlung eine verspätete Bescheidung nach dem 5. Februar 2018 zugrunde gelegt.
(2) Eine Nichteinhaltung der Frist des § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI, wenn sie entgegen den obigen Ausführungen gegolten hätte, hätte die Beklagte hingegen nicht zu vertreten gehabt. Denn für diese war bereits nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen dieser Frist vorliegen könnten. Denn insbesondere nach dem Schreiben des Sozialdienstes der Reha-Klinik vom 29. September 2017 mit der beantragten Umstellung auf Pflegegeld und dem dortigen Hinweis, dass die Pflege durch den Ehemann der Klägerin erfolge, konnte die Beklagte davon ausgehen, dass die Pflege sichergestellt ist. Da der Sozialdienst der Reha-Klinik bereits das Antragsformular der Klägerin übersandt hatte und im Schreiben vom 29. September 2017 ausdrücklich die Änderung der dort beantragten Leistung geltend machte, bot sich der Beklagten auch kein Anhaltspunkt, dass dies nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen sollte.
dd) Den Antrag der Klägerin beschied die Beklagte erst am 8. März 2018.
Innerhalb der Frist von 25 Arbeitstagen ist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI die Entscheidung der Pflegekasse schriftlich "mitzuteilen" bzw. nach Abs. 3b Satz 1 der schriftliche Bescheid zu "erteilen". Bereits der gesetzliche Wortlaut spricht danach dafür, dass es nicht genügt, dass die Pflegekasse (intern) eine Entscheidung über den Antrag trifft. Maßgeblich kommt es vielmehr darauf an, dass diese Entscheidung dem Versicherten mitgeteilt und ihm gegenüber ein Bescheid erlassen wird. Mitgeteilt ist die Entscheidung aber erst dann, wenn diese dem Versicherten zugeht. Ein Verwaltungsakt ist erst dann und mit dem Inhalt wirksam, wenn er dem Adressaten bekanntgegeben wurde (§ 39 Abs. 1 SGB X). Vor dem Zugang des Bescheides beim Adressaten ist er mithin nicht erlassen i.S.d. § 18 Abs. 3b SGB XI. Auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des § 18 Abs. 3b SGB XI (Abs. 3a des Entwurfs) durch das Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz – PNG; BT-Drucks. 17/9369, S. 37 zu Nr. 4d) bietet keinen Hinweis darauf, dass die Frist von 25 Arbeitstagen als rein interne Entscheidungsfrist konzipiert wäre, die durch die bloße Absendung des schriftlichen Bescheides gewahrt würde. Vielmehr wird gerade die Notwendigkeit für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen angeführt, die Pflege planen zu können, was nur bei einer Bekanntgabe der Entscheidung möglich ist. Um festzustellen, ob die Pflegekasse die gesetzlichen Fristen eingehalten hat, ist daher der Zugang beim Adressaten maßgeblich (Weber, a.a.O., § 18 Rn. 23).
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB X).
Der Bescheid vom 5. März 2018 wurde am selben Tag an die Klägerin zur Post gegeben. Dies entnimmt der Senat dem Vermerk auf Bl. 33 der Verwaltungsakte. Die Klägerin hat einen späteren Zugang nicht behauptet. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus dem übrigen Akteninhalt. Der Bescheid wurde somit erst am 8. März 2018 (einem Donnerstag) erteilt.
d) Die Beklagte befand sich bei Bescheiderteilung in der fünften Woche der Verspätung.
Der Fristenverlauf für die wöchentliche Zahlung beginnt gemäß § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB mit dem Tag nach Ablauf der Frist nach § 18 Abs. 3 SGB XI (auslösendes Ereignis ist der Fristablauf am Vortag um 24:00 Uhr), vorliegend also am 6. Februar 2018. Sofern der schriftliche Bescheid nicht erteilt worden ist, bestimmt § 18 Abs. 3b Satz 1 SGB XI die Zahlung weiterer 70,00 EUR jeweils mit Beginn jeder weiteren Woche der Fristüberschreitung. Bei der Berechnung der Wochenfrist wird der erste Tag der Fristüberschreitung bei der Bildung der Wochenfrist nach § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB mit eingerechnet. Der Ablauf der Wochenfrist bestimmt sich nach § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB; sie endet einen Wochentag früher als der Beginn der Wochenfrist (Weber, a.a.O., § 18 Rn. 29). Da die erste Wochenfrist am 6. Februar 2018 begann, endete am 5. März 2018 die vierte Woche der Fristüberschreitung. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe am 8. März 2018 hatte somit bereits die fünfte Woche der Verspätung begonnen.
Die Klägerin hat somit einen Anspruch auf eine Sanktionszahlung in Höhe von insgesamt 350,00 EUR (5x 70,00 EUR), den die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid und der entsprechenden Zahlung nur in Höhe von 280,00 EUR erfüllt hat. Damit verbleibt ein noch offener Restbetrag in Höhe von 70,00 EUR.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Der Senat berücksichtigt dabei, dass der Anteil des Obsiegens der Klägerin im Verhältnis zum Unterliegen nicht ins Gewicht fällt.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Sanktionszahlung nach § 18 Abs. 3b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in Höhe von weiteren 1.050,00 EUR.
Die 1964 geborene, bei der Beklagten sozial pflegeversicherte Klägerin wurde ab Mai 2017 stationär, teils intensivmedizinisch wegen eines Guillain-Barré-Syndroms behandelt. Am 29. Juni 2017 wurde sie vom Krankenhaus in die Rehabilitation der Phase B verlegt.
Mit am selben Tag bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 28. September 2017 übersandte der Sozialdienst der Kliniken S. einen Antrag der Klägerin vom selben Tag auf Kombinationsleistungen der Pflegeversicherung (Sachleistung – ambulanter Pflegedienst – und Pflegegeld). Als private Pflegeperson wurde der Ehemann der Klägerin angegeben. Die im Antragsformular vorgesehene Rubrik "Meine Pflegeperson beabsichtigt Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz in Anspruch zu nehmen" war nicht angekreuzt. Im Begleitschreiben wies die Rehabilitationsklinik darauf hin, dass sich die Klägerin derzeit in stationärer neurologischer Rehabilitation der Phase C befinde und am 11. Oktober 2017 ins häusliche Umfeld entlassen werde. Aufgrund ihrer Erkrankung werde sie weiterhin auf pflegerische Hilfe angewiesen sein, weshalb sie anschließend durch einen ambulanten Pflegedienst und den Ehemann versorgt werde. Mit Schreiben vom 29. September 2017 ("Änderung der Pflegeleistung ab 29.09.2017"), Eingang bei der Beklagten am selben Tag, informierte der Sozialdienst der Rehabilitationsklinik die Beklagte darüber, dass die Pflege im häuslichen Umfeld nicht zusätzlich durch einen Pflegedienst erfolgen werde, sondern nur durch den Ehemann. Daher werde um "Änderung der Pflegeleistung von Kombinationsleistungen auf Pflegegeld ab dem 29. September 2017" gebeten.
Die Klägerin wurde am 11. Oktober 2017 aus der Rehabilitation ins häusliche Umfeld entlassen. Am 12. Oktober 2017 erteilte die Beklagte dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) den Auftrag zur Begutachtung im häuslichen Umfeld (Eingang dort am 13. Oktober 2017). Die Klägerin wurde hierüber unterrichtet. Am 1. Februar 2018 mahnte diese telefonisch bei der Beklagten die Begutachtung an. Auf telefonische Anfrage der Beklagten teilte der MDK mit, da derzeit sehr viele Gutachten zu bearbeiten seien, dauere es ca. drei bis vier Wochen.
Am 21. Februar 2018 erfolgte die Begutachtung im häuslichen Umfeld. Pflegefachkraft I. gelangte in ihrem Gutachten vom 22. Februar 2018 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin befristet für die Zeit vom 21. Februar bis 30. November 2018 die Voraussetzungen des Pflegegrades 1 erfülle (Summe der gewichteten Punkte 20,00). Zuvor sei es seit 17. Mai 2017 zu einer stetigen Verschlechterung des Zustandes gekommen, so dass nachvollziehbar vom damaligen Zeitpunkt an die Voraussetzungen des Pflegegrades 2 vorgelegen hätten.
Mit am selben Tag abgesandten Bescheid vom 5. März 2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach Pflegegrad 1 ab 21. Februar 2018 befristet bis zum 30. November 2018. Am 28. Mai 2018 bewilligte sie Leistungen nach Pflegegrad 1 bereits ab 18. September 2017 sowie mit Bewilligungsbescheiden vom 19. Juni 2018 Pflegegeld nach Pflegegrad 2 ab 29. September 2017 befristet bis 28. Februar 2018 (bei Ruhen des Leistungsanspruchs vom 29. September bis 10. Oktober 2017 wegen stationären Aufenthalts) und ab 1. März 2018 wiederum Leistungen nach Pflegegrad 1 befristet bis zum 30. November 2018.
Bereits mit Bescheid 15. März 2018 gewährte die Beklagte der Klägerin wegen verspäteter Bescheiderteilung einen Betrag in Höhe von 280,00 EUR. Bei der Berechnung legte sie einen Fristbeginn am 1. Januar 2018, ein Fristende am 5. Februar 2018 und ein Ende des zu entschädigenden Zeitraums am 5. März 2018 (Absendung des Bescheides) zugrunde.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, ihr stehe eine höhere Entschädigung zu, nämlich wöchentlich 70,00 EUR für die Zeit vom 11. Oktober 2017 bis 21. Februar 2018.
Mit Hinweisschreiben vom 16. Mai und 19. Juni 2018 erläuterte die Beklagte die Fristberechnung und wies insbesondere auf die Übergangsregelung nach § 142 SGB XI hin, wonach die Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 unbeachtlich sei, so dass die Frist erst ab 1. Januar 2018 zu berechnen sei. Dagegen wandte die Klägerin ein, angesichts der eindeutig zeitnahen Beauftragung des MDK (Eingang des Auftrags am 13. Oktober 2017) sei eine "Strafzahlung" bereits ab dem 13. Oktober 2017 berechtigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Durch die Übergangsregelung habe der Gesetzgeber die Bearbeitungsfristen des § 18 SGB XI bis zum 31. Dezember 2018 ausgesetzt. Ein von der Aussetzung nicht erfasster Eilantrag sei nicht gestellt worden. Es hätten auch keine Hinweise auf § 18 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB XI vorgelegen, dass zur Sicherstellung der ambulanten oder stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung erforderlich gewesen sei. Aus dem Schreiben der Kliniken S. vom 29. September 2017 gehe hervor, dass die häusliche Pflege durch den Ehemann sichergestellt gewesen sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 6. Dezember 2018 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie einen "Verspätungszuschlag" für die Zeit vom 20. Oktober 2017 bis 5. März 2018 unter Abzug der bereits gezahlten 280,00 EUR geltend machte. Sie sei am 11. Oktober 2017 rollstuhlpflichtig nach Hause entlassen worden. Trotz rechtzeitiger Antragstellung und mehreren Telefonaten mit der Beklagten und dem MDK sei die Begutachtung erst am 21. Februar 2018 erfolgt. Wegen der verspäteten Gutachtenserstellung und Bescheiderteilung habe für fünf Monate nach der Entlassung kein Einsatz der Sozialstation erfolgen können und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit Merkzeichen sei verzögert worden. Ihr Ehemann habe seine Berufstätigkeit reduziert, teilweise mehr als 50 % ohne Ausgleich. Ab ca. dem 3. November 2017 hätten dieser und teilweise die Tochter die Pflege übernommen. Der Widerspruchsbescheid beruhe auf einem falschen Sachverhalt, da bei ihr gemäß dem MDK-Gutachten vom 21. Februar 2018 ab dem 17. Mai 2017 Pflegegrad 2 vorgelegen habe. Dies sei mit Bescheid vom 19. Juni 2018 schließlich auch bewilligt worden. Daher gelte keine Befreiung nach § 18 SGB XI. Da eine Entlassung aus stationärer Rehabilitation erfolgt sei, gelte eine verkürzte Frist von einer Woche. Auch beginne die Frist am 1. Januar 2018 nicht neu. Hierzu verwies sie auf das auszugsweise beigelegte Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes an bundesunmittelbare Krankenkassen vom 28. März 2018 zur pauschalen Zusatzzahlung nach § 18 Abs. 3b SGB XI; auf Bl. 66/71 der SG-Akten wird insoweit Bezug genommen. Ihr stehe daher eine Strafzahlung in Höhe von 1.540,00 EUR (23 Wochen abzüglich einer Bearbeitungswoche) zu.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden entgegen. Da die gesetzlich vorgeschriebene Frist für die Bescheiderteilung aufgrund der Übergangsregelung in der Zeit vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2017 ausgesetzt gewesen sei, könne auch im Falle der Klägerin die Frist nicht vor dem 1. Januar 2018 beginnen. Welcher Pflegegrad bei dieser bestanden habe, sei daher nicht relevant.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. August 2019 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine weitere Sanktionszahlung über 280,00 EUR hinaus. Da die Fristenregelungen und die Sanktionszahlung nach § 18 Abs. 3b SGB XI nach dessen Satz 5 für die Zeit vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2017 keine Anwendung fänden, beginne die maßgebliche Frist am 1. Januar 2018. Ob bei der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme mindestens Pflegegrad 2 bestanden habe, sei nicht relevant. Bei Feststellung des Pflegegrads 2 gelte nämlich gemäß § 18 Abs. 3b Satz 2 SGB XI generell die Fristen- und Sanktionsregelung des Satzes 1 gerade nicht, so dass der Klägerin noch nicht einmal die bereits gewährten 280,00 EUR zuständen. Außerdem bestehe keine Zahlungspflicht, wenn die Verzögerung von der Beklagten nicht zu vertreten sei. Ein Vertretenmüssen der Pflegekasse (auch der Fristüberschreitungen des MDK oder des Gutachters) sei regelmäßig anzunehmen, wenn entweder diese die Anträge nicht unverzüglich weitergeleitet oder den Gutachtensauftrag verzögert habe oder der MDK bzw. dessen Gutachter die Verzögerung zu vertreten habe. Hierfür seien jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Bei der Klägerin habe kein dringlicher Entscheidungsbedarf bestanden. Sie habe gegenüber dem Beklagten nicht dargelegt, warum ihr Verfahren eilig sei. Der Sozialdienst der S. Klinik habe es versäumt, einen Eilantrag zu stellen. Die im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Punkte ließen das Verfahren der Klägerin nach Überzeugung des Gerichts nicht als eilig im Vergleich zu anderen Pflegeverfahren erscheinen. Es gelte die allgemeine Frist von 25 Arbeitstagen. Die verkürzte Begutachtungsfrist von einer Woche gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI greife nicht. Die für diese neben dem Aufenthalt im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung erforderlichen zusätzlichen Voraussetzungen seien bei der Klägerin nicht erfüllt gewesen. Hinweise, dass zur Sicherstellung der ambulanten und stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung unbedingt erforderlich sei (zum Beispiel, weil keine Pflegeperson vorhanden sei oder die Pflegeperson in Vollzeit arbeite), hätten nicht bestanden. Im Antragsverfahren habe sie nichts dahingehend gegenüber der Beklagten vorgetragen. Tatsächlich habe ihr Ehemann nach ihren Angaben 50 % weniger gearbeitet und auch die Tochter bei der Pflege geholfen. Mit Antrag vom 29. September 2017 sei gerade keine Kombinationsleistung und somit neben dem Pflegegeld eine Sachleistung in Form eines ambulanten Pflegedienstes für notwendig erachtet worden. Insoweit sei zumindest eine Pflegeperson vorhanden gewesen. Dass für die Pflegeperson die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz angekündigt oder eine Familienpflegezeit nach § 2 Abs. 1 des Familienpflegezeitgesetzes vereinbart worden sei, sei der Beklagten gegenüber nicht mitgeteilt worden. Die Beklagte habe die Frist und die Höhe der Sanktionszahlung zutreffend berechnet. Die dem Gerichtsbescheid angefügte Rechtsmittelbelehrung bezeichnete die Nichtzulassungsbeschwerde oder den Antrag auf mündliche Verhandlung als statthaft. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 5. September 2019 zugestellt.
In der auf Antrag der Klägerin vom 1. Oktober 2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 14. November 2019 legte die Klägerin nach entsprechendem Hinweis der Kammervorsitzenden auf die Statthaftigkeit der Berufung unter Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung zu Protokoll gegen den Gerichtsbescheid vom 29. August 2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) ein. Auf das Protokoll vom 14. November 2019 (Bl. 93/93 der SG-Akten) wird Bezug genommen. Zur Begründung ihrer Berufung hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Auch das SG sei unzutreffend von einem Pflegegrad von nicht höher als 1 ausgegangen. Die Beklagte habe durchaus Kenntnis von der Schwere ihrer Erkrankung und ihres Zustandes nach der Entlassung aus der stationären Reha gehabt, so insbesondere durch die (vorgelegten) Schreiben der Reha-Klinik vor und bei Entlassung vom 9. und 11. Oktober 2017, die Mitteilung über die Aufnahme in die stationäre Reha vom 13. September 2017, die Anfrage wegen eines Unfalls in der Dusche während des stationären Krankenhausaufenthalts (Schreiben vom 10. Juli 2017), die Verordnung eines Rollstuhls vom 27. September 2017 mit Versorgung am 14. November 2017 (Lieferschein des Sanitätshauses) sowie den Antrag auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (von der Beklagten übersandtes, auf den 6. September 2017 datiertes Antragsschreiben). Wegen der vorgelegten Unterlagen wird auf Bl. 37/44 der Senatsakten Bezug genommen. Des Weiteren habe ihr Mann eine Notiz über ein an sie gerichtetes Schreiben des MDK vom 13. Oktober 2017, das leider nicht auffindbar sei. Nach dem Inhalt der Internetseite des MDK sei ein Eilantrag nur nötig, wenn eine Betreuung nach der stationären Reha nicht gegeben sei. Bei ihr sei jedoch die Pflege kurzzeitig durch ihren Ehemann und ihre Tochter möglich gewesen. Der MDK habe die Begutachtung innerhalb zehn Tagen nach Entlassung aus einer stationären Reha durchzuführen. Diese Bestimmung sei nicht außer Kraft gesetzt gewesen und ihr sei auch rückwirkend Pflegegrad 2 ab 17. Mai 2017 zugebilligt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. August 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 15. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2018 zu verurteilen, ihr weitere 1.050,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Berichterstatter hat am 29. Juli 2020 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt; auf das Protokoll vom 29. Juli 2020 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Verfahrensakten des Senats und des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung der Klägerin ist nach §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da die begehrte weitere Sanktionszahlung in Höhe von 1.050,00 EUR den Beschwerdewert von 750,00 EUR übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufungseinlegung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem SG genügt der in § 151 Abs. 2 SGG vorgegeben Form (Binder, in: Berchtold, Kommentar zum SGG, 6. Aufl. 2020, § 151 Rn. 19; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 90 Rn. 6). Die Einlegung erfolgte fristgerecht. Vorliegend galt nicht die Monatsfrist der §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 Abs. 1 SGG, sondern gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Frist eines Jahres seit Zustellung des Gerichtsbescheides. Denn dieser enthielt eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung. Statthafter Rechtsbehelf gegen den Gerichtsbescheid ist, wie dargestellt, die Berufung, nicht aber die im Gerichtsbescheid genannte Nichtzulassungsbeschwerde oder der Antrag auf mündliche Verhandlung. Die Klägerin wahrte diese Jahresfrist. Der Gerichtsbescheid wurde am 5. September 2019 zugestellt, die Berufung am 14. November 2019 eingelegt.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Zahlung einer um 1.050,00 EUR höheren Sanktionszahlung. Soweit sie dies nach dem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag auf den Zeitraum vom 20. Oktober 2017 bis zum 5. März 2018 – unter Anrechnung bereits gezahlter 280,00 EUR – bezieht, liegt darin keine zeitliche Begrenzung des Streitgegenstandes. Das Begehren der Klägerin ist erkennbar (§ 123 SGG) auf eine höhere Sanktionszahlung für die verspätete Bescheidung ihres Antrags auf Leistungen der Pflegeversicherung gerichtet. Die Berechnung der Frist und des Verspätungszeitraums dient lediglich zur Begründung der geltend gemachten Höhe. Allein diese auf 1.050,00 EUR bezifferte Höhe begrenzt die gerichtliche Entscheidungsbefugnis. Der Senat ist danach lediglich gehindert, die Beklagte zu einer höheren Sanktionszahlung zu verurteilen als begehrt, nicht aber die Frist und den Verspätungszeitraum abweichend zu berechnen. Die Höhe der begehrten Sanktionszahlung von weiteren 1.050,00 EUR ergibt sich unmittelbar aus dem zuletzt von der Klägerin zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag. Streitbefangen ist der die Höhe der Sanktionszahlung regelnde Bescheid vom 15. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2018 (§ 95 SGG).
3. Die Berufung ist nur teilweise begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfange abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung weiterer 70,00 EUR. Insoweit ist der Bescheid vom 15. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2018 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Im Übrigen ist er rechtmäßig. Berufung und Klage sind insoweit unbegründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf eine Sanktionszahlung in Höhe von 350,00 EUR, da die Beklagte nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist einen Bescheid über den Antrag der Klägerin auf Leistungen der Pflegeversicherung erteilt hat. Die Beklagte hat hierauf bereits 280,00 EUR gewährt, so dass ein Restanspruch von 70,00 EUR besteht.
Nach § 18 Abs. 3b SGB XI in der hier anzuwendenden, vom 1. Januar 2017 bis 10. Mai 2019 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 10 des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I, S. 2424) hat die Pflegekasse, wenn sie den schriftlichen Bescheid über den Antrag nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags erteilt oder eine der in Absatz 3 genannten verkürzten Begutachtungsfristen nicht eingehalten wird, nach Fristablauf für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung unverzüglich 70 EUR an den Antragsteller zu zahlen (Satz 1). Dies gilt nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder wenn sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege befindet und bereits bei ihm mindestens erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (mindestens Pflegegrad 2) festgestellt ist (Satz 2).
a) Für die Erteilung eines Bescheides auf den Antrag der Klägerin vom 28./29. September 2017 galt eine Frist von 25 Arbeitstagen.
aa) Nach § 18 Abs. 3b Satz 1, Abs. 3 Satz 2 SGB XI gilt grundsätzlich eine Frist von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags bei der Pflegekasse, um den Bescheid zu erteilen (Abs. 3b Satz 1) bzw. die Entscheidung schriftlich mitzuteilen (Abs. 3 Satz 2). Diese Frist war von der Beklagten vorliegend zu beachten. Denn es lief keine der in § 18 Abs. 3 SGB XI genannten verkürzten Begutachtungsfristen.
bb) Die Voraussetzungen der verkürzten Frist des § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI lagen nicht vor. Dieser bestimmt: Befindet sich der Antragsteller im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung und 1. liegen Hinweise vor, dass zur Sicherstellung der ambulanten oder stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung erforderlich ist, oder 2. wurde die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt oder 3. wurde mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit nach § 2 Absatz 1 des Familienpflegezeitgesetzes vereinbart, ist die Begutachtung dort unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse durchzuführen; die Frist kann durch regionale Vereinbarungen verkürzt werden.
(1) Die Klägerin befand sich zwar bei Antragstellung in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme, es lagen aber keine Hinweise vor, dass zur Sicherstellung der ambulanten oder stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung erforderlich wäre. Allein die Antragstellung aus einer Rehabilitationsmaßnahme heraus rechtfertigt nach dem gesetzlichen Wortlaut noch nicht die Geltung einer verkürzten Frist und die Annahme einer besonderen Dringlichkeit. Vielmehr ist letztere ausdrücklich als eigenständiges und zusätzliches Tatbestandsmerkmal normiert worden. Der von der Klägerin unterschriebene Antrag vom 28. September 2017 enthält keinerlei Hinweis auf eine solche Dringlichkeit. Diese ergibt sich auch nicht schon aus der Beantragung der Leistungen als Kombinationsleistung. Dies besagte lediglich, dass die Klägerin (nur) teilweise Pflegesachleistungen in Anspruch nehmen wollte, andererseits aber auch, dass eine private Pflegeperson zur Verfügung stand. Dies spricht zunächst gegen die Erforderlichkeit einer umgehenden Begutachtung zur Sicherstellung der weiteren Pflege. Hiervon abweichende Hinweise enthielt der Antrag nicht. Das Begleitschreiben des Sozialdienstes der Reha-Klinik vom 28. September 2017 enthielt ebenfalls keine Hinweise auf eine besondere Dringlichkeit der Begutachtung. Explizit wird eine solche Dringlichkeit nicht geltend gemacht. Auch der weitere Inhalt des Schreibens bietet keine Anhaltspunkte dafür. Die Beklagte wurde gebeten, die Pflegebedürftigkeit zu überprüfen, ohne dass im Zusammenhang mit dem ebenfalls mitgeteilten Entlassungsdatum geltend gemacht wurde, eine unverzügliche Begutachtung müsse noch in der Einrichtung erfolgen. Der Hinweis, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung weiterhin auf pflegerische Hilfe angewiesen sein werde, begründet keine Dringlichkeit einer Begutachtung, sondern den Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist daher nicht entscheidend, dass die Beklagte von der stationären Rehabilitation oder ihrem Krankheitsbild wusste. Allein aus dem Beschwerdebild kann nicht darauf geschlossen werden, dass nach Entlassung ins häusliche Umfeld die Pflege nicht gesichert ist oder ohne Begutachtung den MDK nicht gesichert werden kann. Deutlich gegen eine Dringlichkeit der Begutachtung zur Sicherstellung der weiteren Pflege sprach das Schreiben des Sozialdienstes der Reha-Klinik vom 29. September 2017. Denn in diesem wurde die Umstellung auf Pflegegeld statt der zunächst beantragten Kombinationsleistung begehrt. Darin wurde weiter ausdrücklich klargestellt, dass die Pflege allein durch den Ehemann der Klägerin erfolgen werde ohne zusätzliche Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes. Danach war die Pflege erst recht ohne sofortige Begutachtung sichergestellt. Nachdem der Sozialdienst der Reha-Klinik bereits das Antragsformular der Klägerin übersandt hatte und im Schreiben vom 29. September 2017 ausdrücklich die Änderung der dort beantragten Leistung geltend machte, bot sich kein Anhaltspunkt, dass dies nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen sollte. Eine besondere Dringlichkeit ergab sich nicht aus der vorgelegten Hilfsmittelverordnung der Reha-Klinik vom 9. Oktober 2017 über senso-motorische-Einlagen für den Gebrauch zu Hause. Zwar wurde darin um eine rasche Entscheidung gebeten, um die bedarfsgerechte Anpassung noch rechtzeitig vor der Entlassung durchführen zu können. Diese Hilfsmittel sollten aber nach dem Inhalt der Verordnung den krankenversicherungsrechtlichen Zielen der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung und des Behinderungsausgleiches dienen, nicht der Pflege. Jedenfalls ergab sich hieraus keine Veranlassung, eine Begutachtung mit dem Ziel der Feststellung der Pflegebedürftigkeit und des Pflegegrades noch in der Reha-Klinik durchzuführen. Gleiches gilt im Ergebnis für die Verordnung eines Rollstuhls vom 27. September 2017. Dies zeigt sich schon daran, dass die entsprechende Versorgung ausweislich des Lieferscheines vom 14. November 2017 deutlich vor und damit unabhängig von der Begutachtung zur Pflegebedürftigkeit erfolgte. Dem vorgelegten Antragsformular für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes ist nicht zu entnehmen, welche Maßnahmen vorgesehen waren. Die Klägerin hat hierzu auch nichts vorgetragen. Unabhängig davon lässt dies eine Dringlichkeit der Maßnahmen und damit der Begutachtung nicht erkennen. Vielmehr hat die Klägerin zuletzt selbst bestätigt, dass ihre Pflege kurzzeitig durch ihren Ehemann und ihre Tochter möglich und damit ihre Betreuung nach der stationären Reha gegeben gewesen war. Damit lagen von der Antragstellung bis zur Bescheidung keine Anhaltspunkte vor, dass für die Sicherstellung der Pflege eine umgehende Begutachtung in der Einrichtung erforderlich war.
(2) Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 und 3 SGB XI lagen nicht vor. Weder wurde die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt noch wurde mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit nach § 2 Abs. 1 Familienpflegezeitgesetz vereinbart. Abweichendes trägt die Klägerin selbst nicht vor. Im Antrag vom 28. September 2017 bejahte sie vielmehr die entsprechende Anfrage zur Pflegezeit nach dem PflegeZG gerade nicht.
(3) Die verkürzten Begutachtungsfristen nach § 18 Abs. 3 Satz 4 und 5 SGB XI galten nicht, da sich die Klägerin weder in einem Hospiz befand oder ambulant palliativ versorgt wurde (Satz 4) noch die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt oder mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit nach § 2 Abs. 1 Familienpflegezeitgesetz vereinbart worden war (Satz 5).
cc) Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es mithin für die Bestimmung der maßgeblichen Frist nicht auf die Höhe des Pflegegrades an. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes. Die dortigen von der Klägerin in Bezug genommene und von ihr mit "lag vor" kommentierte Passage (S. 5 des Schreibens, Bl. 70 der SG-Akten) stützt die Ansicht der Klägerin nicht. Dort wird lediglich darauf hingewiesen, dass – wenn die Voraussetzungen einer verkürzten Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI vorliegen – das dann zu erstellende Gutachten auch die Feststellung enthalten muss, ob die Voraussetzungen mindestens des Pflegegrades 2 erfüllt seien, während die genaue Bestimmung des Pflegegrades durch eine abschließende Begutachtung in häuslicher Umgebung erfolgen könne. Dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass nach Auffassung des Bundesversicherungsamtes die Voraussetzungen einer verkürzten Frist bei Vorliegen eines Pflegegrad 2 erfüllt seien. Eine solche Auslegung widerspräche auch, wie oben dargestellt, der gesetzlichen Regelung.
Soweit sich die Klägerin mit ihrem Vortrag zum Pflegegrad 2 auf die Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 3b Satz 2 SGB XI beziehen sollte, kann sie ihr Begehren hierauf gerade nicht stützen. Die Regelung besagt: Dies gilt nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder wenn sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege befindet und bereits bei ihm mindestens erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (mindestens Pflegegrad 2) festgestellt ist. Mit "dies gilt nicht" bezieht sich die Regelung auf den vorstehenden Satz 1 des Abs. 3b, der die Rechtsgrundlage für die Sanktionszahlung bietet. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 3b Satz 2 – zu denen u.a. die Feststellung des Pflegegrades 2 gehört – entfällt somit gerade eine Sanktionszahlung.
b) Die Frist zur Erteilung des Bescheides begann nicht vor dem 1. Januar 2018.
aa) Die Frist war gesetzlich ausgesetzt. Nach § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB XI in der hier anzuwendenden Fassung des PSG II ist die Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 unbeachtlich. Da die Frist mithin bereits bei Antragstellung am 28. September 2017 unbeachtlich war, konnte sie in der Zeit der gesetzlich geregelten Aussetzung bis zum 31. Dezember 2017 nicht zu laufen beginnen. Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht aus dem Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes. Die dortige von ihr durch Textmarker in Bezug genommene Passage (S. 2 des Schreibens, Bl. 67 der SG-Akten) besagt lediglich, dass ein Unterbrechungstatbestand nach § 18 Abs. 3b Satz 2 SGB XI nicht zu einem Neubeginn der Frist führt, sondern sich – nach Wegfall der Unterbrechung – die Frist fortsetzt. Vorliegend geht es aber nicht um den Unterbrechungstatbestand des Abs. 3b Satz 2, sondern um die gesetzliche Suspendierung der Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI. Vielmehr geht auch das Bundesversicherungsamt an genannter Stelle davon aus, dass nach der in § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB XI geregelten Unbeachtlichkeit bis 31. Dezember 2017 die Frist des § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI "seit 1. Januar 2018 wieder für alle Anträge der Pflegeversicherung maßgeblich" und im Falle der Fristüberschreitung auch die "pauschale Zuzahlung" nach Abs. 3b wieder zu leisten sei.
bb) Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise auch vor dem 1. Januar 2018 laufenden Bescheidungsfrist lagen nicht vor.
Nach § 142 Abs. 2 Satz 2 SGB XI ist abweichend von der Suspendierung der Bescheidungsfrist in Satz 1 denjenigen, die ab dem 1. Januar 2017 einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung stellen und bei denen ein besonders dringlicher Entscheidungsbedarf vorliegt, spätestens 25 Arbeitstage nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse die Entscheidung der Pflegekasse schriftlich mitzuteilen. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen entwickelt bundesweit einheitliche Kriterien für das Vorliegen, die Gewichtung und die Feststellung eines besonders dringlichen Entscheidungsbedarfs (Satz 3).
Nach Ziff. 4 "Bundesweit einheitliche Kriterien des GKV-Spitzenverbandes [als Spitzenverband Bund der Pflegekassen] für das Vorliegen eines besonders dringlichen Entscheidungsbedarfs nach § 18 Abs. 2b SGB XI und § 142 Abs. 2 SGB XI" vom 6. September 2016 (abrufbar unter gkv-spitzenverband.de) liegt ein besonders dringlicher Entscheidungsbedarf in diesem Sinne vor, wenn ohne eine fristgerechte Entscheidung der Pflegekasse eine Versorgungslücke droht. Dies ist der Fall bei Vorliegen eines 1. Erstantrags auf Sachleistungen bei häuslicher Pflege nach § 36 SGB XI (hierunter zählt kein Antrag auf Pflegegeld oder eine Kombination aus Pflegegeld und Pflegesachleistung) 2. Erstantrags auf vollstationäre Pflege nach § 43 SGB XI.
Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin nicht vor. Sie beantragte Leistungen bei ambulanter Pflege in Form des Pflegegeldes bzw., wenn man ihr das Änderungsschreiben des Sozialdienstes der Reha-Klinik vom 29. September 2017 nicht zurechnen wollte, jedenfalls in Form von Kombinationsleistungen. Die Regelung des Spitzenverbandes ist unter Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Ermächtigung, Versorgungslücken zu vermeiden, nicht zu beanstanden. Bei Anträgen auf Pflegegeld oder Kombinationsleistung ist typischer Weise davon auszugehen, dass eine Pflegeperson zur Verfügung steht, so dass Versorgungslücken in der Pflege nicht auftreten. Dass bei Antragstellung vorliegend auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für eine besondere Dringlichkeit bestanden, ergibt sich aus dem oben zu § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI Ausgeführten.
c) Eine Einbeziehung von Zeiträumen bis zum 31. Dezember 2017 für die Bestimmung einer Sanktionszahlung scheidet auch nach § 18 Abs. 3b SGB XI aus.
aa) Nach § 18 Abs. 3b Satz 5 SGB XI finden die Sätze 1 bis 3 vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2017 keine Anwendung. Diese im genannten Zeitraum nicht anzuwendenden Sätze enthalten gerade die Rechtsgrundlage für die Sanktionszahlung. Damit wurde die gesamte Sanktionsregelung bis Ende 2017 wegen der Einführung und Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ausgesetzt (Udsching, in: Udsching/Schütze, SGB XI, 5. Aufl. 2018, § 18 Rn. 17; Weber, in Kasseler Kommentar, SGB XI, Stand Juli 2020, § 18 Rn. 31; amtliche Begründung des Reg-E, BT-Drucks. 18/9083 S. 34 zu Nr. 2 Buchstabe b). In Übereinstimmung mit der Suspendierung der allgemeinen Bescheidungsfrist können für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2017 keine Sanktionszahlungen beansprucht werden.
bb) Die Frist nach § 142 Abs. 2 Satz 2 SGB XI wegen besonders dringlichen Entscheidungsbedarfs wird bereits vom Wortlaut des § 18 Abs. 3b Satz 1 SGB XI nicht erfasst. Denn sie ist keine der in § 18 Abs. 3 SGB XI genannten verkürzten Begutachtungsfristen. Des Weiteren gilt auch insoweit jedenfalls die Aussetzung des Sanktionssystems bis zum 31. Dezember 2017.
d) Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin nicht innerhalb der maßgeblichen Frist von 25 Arbeitstagen entschieden.
aa) Fristbeginn war der 1. Januar 2018.
Grundsätzlich beginnt die jeweilige Frist des § 18 Abs. 3 SGB XI nach § 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit dem Tag nach dem Eingang des Antrages bei der zuständigen Pflegekasse auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (Weber, a.a.O. § 18 Rn. 23). Aufgrund der gesetzlichen Suspendierung der hier maßgeblichen Frist des § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI bis zum 31. Dezember 2017 konnte die Frist für den im September 2017 gestellten Antrag der Klägerin, wie oben dargelegt, erst am 1. Januar 2018 beginnen.
bb) Die Frist endete am 5. Februar 2018.
Ausdrücklich regelt das Gesetz in § 18 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 3b Satz 1 SGB XI eine Frist von 25 Arbeitstagen. Ausgehend vom Fristbeginn am 1. Januar 2018 (Montag, aber gesetzlicher Feiertag), endete die Frist mit Ablauf des 25. Arbeitstages, dem 5. Februar 2018 (Montag).
cc) Die Beklagte hat diese Frist nicht unverschuldet nicht eingehalten.
(1) Nach § 18 Abs. 3b Satz 2 Alt. 1 SGB XI gilt die Sanktionszahlungspflicht nach Satz 1 nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Durch den MDK verursachte Verzögerungen sind dabei in jedem Falle der Pflegekasse zuzurechnen (Wagner, in: Hauck/Noftz, SGB XI, Stand Juli 2015, § 18 SGB XI Rn. 23a). Dies ergibt sich bereits aus der systematischen Verknüpfung der Sanktionsregelung des § 18 Abs. 3b Satz 1 SGB XI mit den allein für die Begutachtung und damit den MDK geltenden Begutachtungsfristen nach § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI.
Die Nichteinhaltung der Bescheidungsfrist des § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI beruhte vorliegend auf der Verzögerung der Begutachtung durch den MDK. Das Gutachten des MDK ging trotz des bereits am 12. Oktober 2017 erteilten Auftrages durch die Beklagte erst am 27. Februar 2018 und damit deutlich nach Ablauf der 25-Tage-Frist bei dieser ein. Dem Aktenvermerk der Beklagten vom 1. Februar 2018 ist zu entnehmen, dass für die Verzögerung der Begutachtung ein hoher Bestand unerledigter Gutachtensaufträge beim MDK ursächlich war. Wie den gesetzlichen Regelungen der §§ 18 Abs. 2b, 142 Abs. 2 SGB XI zu entnehmen ist, trug der Gesetzgeber einer Überlastung von Pflegekassen und MDK wegen der Umstellung des Pflegeversicherungsrechts auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff durch die Suspendierung der 25-Tage-Frist bis zum 31. Dezember 2017 Rechnung. Eine darüber hinaus bestehende Überlastung des MDK und dadurch bedingte Nichteinhaltung der 25-Tage-Frist kann daher nicht mehr als von der Pflegekasse nicht zu vertreten gelten. Dies hat auch die Beklagte so gesehen und daher der Berechnung der Sanktionszahlung eine verspätete Bescheidung nach dem 5. Februar 2018 zugrunde gelegt.
(2) Eine Nichteinhaltung der Frist des § 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI, wenn sie entgegen den obigen Ausführungen gegolten hätte, hätte die Beklagte hingegen nicht zu vertreten gehabt. Denn für diese war bereits nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen dieser Frist vorliegen könnten. Denn insbesondere nach dem Schreiben des Sozialdienstes der Reha-Klinik vom 29. September 2017 mit der beantragten Umstellung auf Pflegegeld und dem dortigen Hinweis, dass die Pflege durch den Ehemann der Klägerin erfolge, konnte die Beklagte davon ausgehen, dass die Pflege sichergestellt ist. Da der Sozialdienst der Reha-Klinik bereits das Antragsformular der Klägerin übersandt hatte und im Schreiben vom 29. September 2017 ausdrücklich die Änderung der dort beantragten Leistung geltend machte, bot sich der Beklagten auch kein Anhaltspunkt, dass dies nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen sollte.
dd) Den Antrag der Klägerin beschied die Beklagte erst am 8. März 2018.
Innerhalb der Frist von 25 Arbeitstagen ist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI die Entscheidung der Pflegekasse schriftlich "mitzuteilen" bzw. nach Abs. 3b Satz 1 der schriftliche Bescheid zu "erteilen". Bereits der gesetzliche Wortlaut spricht danach dafür, dass es nicht genügt, dass die Pflegekasse (intern) eine Entscheidung über den Antrag trifft. Maßgeblich kommt es vielmehr darauf an, dass diese Entscheidung dem Versicherten mitgeteilt und ihm gegenüber ein Bescheid erlassen wird. Mitgeteilt ist die Entscheidung aber erst dann, wenn diese dem Versicherten zugeht. Ein Verwaltungsakt ist erst dann und mit dem Inhalt wirksam, wenn er dem Adressaten bekanntgegeben wurde (§ 39 Abs. 1 SGB X). Vor dem Zugang des Bescheides beim Adressaten ist er mithin nicht erlassen i.S.d. § 18 Abs. 3b SGB XI. Auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des § 18 Abs. 3b SGB XI (Abs. 3a des Entwurfs) durch das Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz – PNG; BT-Drucks. 17/9369, S. 37 zu Nr. 4d) bietet keinen Hinweis darauf, dass die Frist von 25 Arbeitstagen als rein interne Entscheidungsfrist konzipiert wäre, die durch die bloße Absendung des schriftlichen Bescheides gewahrt würde. Vielmehr wird gerade die Notwendigkeit für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen angeführt, die Pflege planen zu können, was nur bei einer Bekanntgabe der Entscheidung möglich ist. Um festzustellen, ob die Pflegekasse die gesetzlichen Fristen eingehalten hat, ist daher der Zugang beim Adressaten maßgeblich (Weber, a.a.O., § 18 Rn. 23).
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB X).
Der Bescheid vom 5. März 2018 wurde am selben Tag an die Klägerin zur Post gegeben. Dies entnimmt der Senat dem Vermerk auf Bl. 33 der Verwaltungsakte. Die Klägerin hat einen späteren Zugang nicht behauptet. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus dem übrigen Akteninhalt. Der Bescheid wurde somit erst am 8. März 2018 (einem Donnerstag) erteilt.
d) Die Beklagte befand sich bei Bescheiderteilung in der fünften Woche der Verspätung.
Der Fristenverlauf für die wöchentliche Zahlung beginnt gemäß § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB mit dem Tag nach Ablauf der Frist nach § 18 Abs. 3 SGB XI (auslösendes Ereignis ist der Fristablauf am Vortag um 24:00 Uhr), vorliegend also am 6. Februar 2018. Sofern der schriftliche Bescheid nicht erteilt worden ist, bestimmt § 18 Abs. 3b Satz 1 SGB XI die Zahlung weiterer 70,00 EUR jeweils mit Beginn jeder weiteren Woche der Fristüberschreitung. Bei der Berechnung der Wochenfrist wird der erste Tag der Fristüberschreitung bei der Bildung der Wochenfrist nach § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB mit eingerechnet. Der Ablauf der Wochenfrist bestimmt sich nach § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB; sie endet einen Wochentag früher als der Beginn der Wochenfrist (Weber, a.a.O., § 18 Rn. 29). Da die erste Wochenfrist am 6. Februar 2018 begann, endete am 5. März 2018 die vierte Woche der Fristüberschreitung. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe am 8. März 2018 hatte somit bereits die fünfte Woche der Verspätung begonnen.
Die Klägerin hat somit einen Anspruch auf eine Sanktionszahlung in Höhe von insgesamt 350,00 EUR (5x 70,00 EUR), den die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid und der entsprechenden Zahlung nur in Höhe von 280,00 EUR erfüllt hat. Damit verbleibt ein noch offener Restbetrag in Höhe von 70,00 EUR.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Der Senat berücksichtigt dabei, dass der Anteil des Obsiegens der Klägerin im Verhältnis zum Unterliegen nicht ins Gewicht fällt.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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