L 1 U 1121/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 10 U 509/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1121/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. März 2017 insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Februar 2016 und in Abänderung der Bescheide vom 17. Januar 2011 und 24. Januar 2013 letzterer in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2015 verpflichtet wurde, der Klägerin für die Zeit ab 5. September 2010 bis 31. Januar 2013 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 40 v.H. und für die Zeit ab 1. Februar 2013 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v.H. zu zahlen. Die Beteiligten haben einander für den gesamten Rechtsstreit keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit stehen die Anerkennung von Gesundheitsschäden und die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als Folgen eines bereits anerkannten Arbeitsunfalls.

Am 28. Januar 2010 blieb der PKW der Klägerin auf dem Weg zur Arbeitsstätte im Schnee stecken. Als die Klägerin ausstieg und um das Fahrzeug herum ging, wurde sie von diesem überrollt. Sie erlitt eine Vielzahl an Frakturen sowie inneren Blutungen und wurde intensiv-medizinisch behandelt (vgl. Bericht des H Klinikums E vom 23. Februar 2010 bezüglich des stationären Aufenthalts vom 28. Januar 2010 - 23. Februar 2010). Vom 23. Februar 2010 bis 27. März 2010 befand sich die Klägerin zu einer Berufsgenossenschaftlichen stationären Weiterbehandlung (BGSW) in der Fachklinik L (vgl. ausführlicher ärztliche Entlassungsbericht vom 27. März 2010). Der Abschlussbericht schildert einen komplikationslosen Verlauf der BGSW mit gutem Reha-Ergebnis.

Mit seinem ersten Rentengutachten vom 8. Dezember 2010 schätzte der Gutachter W wegen der Beschwerden infolge der Rippenserienfraktur und der deutlichen Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Schulter die MdE vom 6. September 2010 bis Dezember 2012 mit 30 v.H. ein.

Mit Bescheid vom 17. Januar 2011 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall mit Gesundheitsschäden im Bereich der Schulter, des Oberarmkopfes, der Rippen, des Schlüsselbeinschaftes, des Schambeines und des Beckenrings an und gewährte der Klägerin ab dem 5. September 2010 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 30 v.H.

Im Rahmen seines zweiten Rentengutachtens vom 21. Januar 2013 nahm der Gutachter W auf, dass die Klägerin im Winter Panik habe, ins Auto zu steigen. Sie fahre wesentlich eher zur Arbeit los, damit sie sehr langsam fahren könne. Es sei jedes Jahr so, wenn der Winter komme. Sie träume dann nachts von dem Unfall. Sie erlebe diesen immer wieder, sie habe Alpträume und werde davon wach. Neben der Diagnose unfallchirurgischer Gesundheitsschäden äußerte W den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Die MdE schätzte er auf 20 v.H. ein.

Nach entsprechender Anhörung bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Januar 2013 unter Entzug der vorläufigen Rente ab 1. Februar 2013 eine endgültige Rente bei einer MdE von 20 v.H. Als Unfallfolgen berücksichtigte sie dabei Bewegungseinschränkungen im linken Schultergelenk, eine Falschgelenkbildung (Pseudarthrose) im Bereich des linken Brust- und Schlüsselbeins sowie Einschränkungen der Beugung im rechten Hüftgelenk.

Mit ihrem Widerspruch beanstandete die Klägerin die Nichtberücksichtigung ihrer Schmerzen sowie der seelischen Ängste und Panikattacken.

Die Beklagte zog den von B während des stationären Aufenthaltes in der Fachklinik in L erstellten psychologischen Bericht bei. Eine Rückfrage bei der behandelnden Hausärztin ergab, dass sich die Klägerin dort nie wegen des Unfalls und wegen psychischer Probleme vorgestellt habe oder eine Behandlung erfolgt sei.

Am 19. April 2013 erstellte M ein von W noch im Rahmen der Erstellung des zweiten Rentengutachtens veranlasstes neurologisches Fachgutachten. Unter Berücksichtigung des von ihm veranlassten psychologischen Zusatzgutachtens der B vom 2. April 2013 gelangte M unter Annahme unter anderem einer unfallbedingten PTBS zu einer MdE aus neurologischer und auch psychologischer Sicht von 55 v.H.

Diesen Feststellungen trat der Beratungsarzt der Beklagten, St, entgegen. Weder die behaupteten Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet noch die behauptete PTBS auf psychiatrischem Fachgebiet könnten mit dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geforderten Vollbeweises objektiviert werden (Stellungnahme vom 18. September 2013). Dem Bericht des behandelnden Psychologen im Rahmen der BGSW-Behandlung in L könne eine akute Belastungsreaktion (ICD-10 F43.0) entnommen werden, die dann jedoch bis zum Abschluss der Behandlung tatsächlich abgeklungen sei. In den Folgeberichten zur Behandlung der Klägerin seien weder entsprechende psychiatrische bzw. psychische Beschwerden der Klägerin zu ent-nehmen, noch entsprechende Hinweise durch die behandelnden Ärzte. Widersprüchlich seien auch die Angaben der Klägerin, die zunächst darstellte, dass sie sich nach dem Verlassen des Fahrzeugs an nichts mehr erinnern könne, hingegen bei M das Unfallgeschehen detailliert berichtet habe. Unabhängig davon lägen die übrigen diagnostischen Kriterien einer PTBS nach ICD-10 bzw. DSM-IV(-TR) nicht vor. Schließlich sei die angesetzte MdE von 30 v.H. selbst bei Unterstellung des Vorliegens einer PTBS nicht zutreffend.

Sodann veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin auf neurologischem und psychologischem Fachgebiet durch den Psychologen U. Dieser gelangte mit seinem Zusammenhangsgutachten vom 10. Juli 2014 zu der abschließenden Einschätzung, dass bei der Klä-gerin phasenweise eine psychische Anspannung ohne Krankheitswert vorliege. Die angegebenen Beschwerden seien jedoch nicht störungsrelevant, sodass sich insgesamt keine Diagnose nach ICD-10 bzw. DSM-IV ableiten ließe. Insbesondere liege keine PTBS vor. Sowohl das Merkmal Intrusion (Wiedererleben) als auch das Merkmal Vermeidung seien nicht gegeben. Die beschriebenen saisonalbedingten Alpträume seien eher im Sinne einer grüblerischen Auseinandersetzung und der immer wieder fluktuierend einsetzenden Erschöpfung zu sehen. Zusätzlich kritisch zu sehen sei die bisherige Aktenlage, in welcher bis zur Begutachtung 2013 keine für eine PTBS notwendigen Befunde vorlägen. Schließlich scheine der Leidensdruck der Versicherten nicht so ausgeprägt gewesen zu sein, sich frühzeitig psychologische Hilfe im Behandlungsverlauf einzufordern. Eine MdE-relevante Einschränkung ergebe sich nicht.

Mit seinem von der Beklagten veranlassten neurologischen Gutachten vom 4. November 2014 führt W aus, dass sich eine Gesamt-MdE auf dem unfallchirurgischen, neurologischen und psychiatrischen Fachgebiet i.H.v. 30 v.H. ergebe. Die Funktionsstörung im linken Schulterbereich überschneide sich mit den im unfallchirurgischen Gutachten festgestellten Einschränkungen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass sich eine Funktionseinschränkung i.H.v. 10 v.H. aufgrund eines unvollständigen Störungsbildes im Sinne einer PTBS ergebe. Eine PTBS im Sinne der ICD 10 bzw. DSM-IV-Kriterien liege hingegen nicht vor.

Auf Vorhalt des Sachverständigengutachtens des W teilte der Psychologe U mit (Schreiben vom 7. Januar 2015), dass sich an seiner Einschätzung keine Änderung ergebe. Es liege zwar phasenweise eine psychische Anspannung ohne Krankheitswert vor, die angegebenen Beschwerden seien jedoch nicht störungsrelevant, sodass insgesamt keine Diagnose abgeleitet werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2015 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

Im Rahmen der zunächst gegen den Bescheid vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2015 unter dem 4. März 2015 erhobenen Klageverfahrens hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2015 unter anderem die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung unter Annahme einer MdE von 50 v.H. rückwirkend ab 5. September 2010 begehrt. Unter Hinweis darauf, dass sich die Klage lediglich gegen den Bescheid vom 24. Januar 2013 in Form des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2015 hinsichtlich einer Rente auf unbestimmte Zeit i.H.v. 20 v.H. ab 1. Februar 2008 richte, hat die Beklagte den weitergehenden Klageantrag für die Vergangenheit als Überprüfungsantrag gewertet. Das Sozialgericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 19. Oktober 2015 bis zur Entscheidung der Beklagten über den Überprüfungsantrag zum Ruhen gebracht. Mit Bescheid vom 11. Februar 2016 hat die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 17. Januar 2011 abgelehnt. Dieser Bescheid vom 11. Februar 2016 sei gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens. Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2016 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie an ihrem Klagebegehren festhält.

Das Sozialgericht hat ein Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie U in Auftrag gegeben. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 18. April 2016 die Diagnose einer unfallabhängigen partiellen PTBS (ICD-10: F 43.8). Ein Vollbild einer PTBS könne zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert werden. Das Vorliegen PTBS-spezifischer Teilsymptome von bildhaften und körperlichen Intrusionen (Flashbacks) sowie Vermeidungsverhalten rechtfertige aber die Diagnosestellung einer "sonstigen Reaktion auf schwere Belastung" im Sinne einer partiellen PTBS. Dies deshalb, da PTBS-spezifische Teilsymptome vorlägen, die (zeitlich im Wesentlichen auf den Winter bei liegendem Schnee begrenzt) einen klinisch bedeutsam (mäßiggradigen) Leidensdruck bewirkten. Soweit die Klägerin angebe, witterungsabhängig (Schnee) und in niedriger Frequenz (im Durchschnitt 1 x pro Woche) unfallbezogene Alpträume zu haben, frage sich, warum sie diese Symptomatik gegenüber den behandelnden Ärzten sowie der Beklagten nicht so deutlich vortrug, dass diese auch vor dem 2. Rentengutachten aktenkundig geworden seien. Die gleiche Frage stelle sich, warum sich die Klägerin nicht mit entsprechendem Nachdruck um eine ambulante Psychotherapie bemüht habe. Dies ließe sich damit erklären, dass die bestehende Symptomatik einer partiellen PTBS in Häufigkeit und Intensität als eher leichtgradig einzuschätzen sei und dass der Klägerin Strategien im Umgang mit diesen Beschwerden zur Verfügung stünden, sodass sie diese zu handeln vermochte (insbesondere Selbstberuhigung nach nächtlichen Alpträumen). Bedeutsam scheine insoweit weiter zu sein, dass die Beschwerden der körperlichen Unfallfolgen im Vordergrund stünden, wobei aus psychotraumatologischer Sicht insbesondere die Symptomatik den Brustkorb betreffend, mit Schmerzen, Engegefühl und Atemnot ein Wiedererleben des Überrolltwerdens auf körperlicher Ebene darstelle und sich weniger aus den gut verheilten Rippenstrukturen erklären ließe. Dies könne besser als körperlich erlebte Intrusion verstanden werden, die insbesondere bei geeigneten Triggerreizen, wie Druck auf den Brustkorb, ausgelöst werde und damit ein spezifisches PTBS-Teilsymptom darstelle. Als PTBS-Teilsymptom hinsichtlich des Autofahrens könne lediglich die Vermeidung des Vorbei-fahrens am Unfallort bei liegendem Schnee verstanden werden. Während der BGSW in L von Februar bis März 2010 sei es unter psychotherapeutischer Mitbehandlung zu einer Symptom-linderung hinsichtlich der partiellen PTBS gekommen. Für die Folgezeit habe die Klägerin zwar beklagt, ihr sei weder von D-ärztlicher Seite, noch von BG-Seite eine ambulante Psychotherapie angeboten worden, andererseits habe sie auch ihrerseits keine Anstrengungen unternommen, eine solche Behandlung zu realisieren. Hieraus sowie aus dem Umstand zeitlich sehr beschränkten Auftretens von Symptomen (weit überwiegend bei Zeiten mit Schnee) sowie aufgrund ihre Fähigkeit, auftretende Symptome selbst handeln zu können (Selbstberuhigung nach Alpträumen), sei insgesamt auf eine leichtgradige Ausprägung der psychischen Störungen abzustellen. Diese seien seit Abschluss der BGSW im März 2010 bis heute im Wesentlichen unverändert. Aufgrund der leichtgradigen Systemausprägung sei die MdE von Seiten des psychosomatisch-psychotherapeutischen Fachgebiets mit 10 v.H. einzuschätzen. Unter Annahme einer unfallchirurgischen MdE i.H.v. 20 v.H. werde die MdE auf 30 v.H. einge-schätzt, da sich die jeweiligen Einschränkungen nicht überschnitten.

Die Klägerin hat sich den Feststellungen des Sachverständigen U, insbesondere zur MdE-Bemessung angeschlossen. Die Beklagte hingegen hat dem Gutachten des Sachverständigen U eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes entgegen gehalten. Insoweit hat St (Stellungnahme vom 5. Juli 2016) ausgeführt, eine im Vollbeweis gesicherte Gesundheitsstörung liege bei der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet nicht vor. Die Unfallfolgen beschränkten sich einschließlich nachvollziehbarer subjektiver Beschwerden (Schmerzen) und Bewegungseinschränkungen auf das chirurgische Fachgebiet. Der von U dokumentierte psychopathologische Befund sei vollständig unauffällig. Bei einem unauffälligen Befund sei keine psychische Störung zu diagnostizieren. Entscheidend sei, was im Übrigen auch U herausgearbeitet habe, dass die Klägerin nur einige Teilsymptome der PTBS erfülle. Die Diagnose einer PTBS könne jedoch nur gestellt werden, wenn die diagnostischen Kriterien in hinreichender Anzahl erfüllt seien. Seien sie nicht in hinreichender Anzahl erfüllt, so wie hier, könne die Diagnose nicht gestellt werden. Die gestellte Diagnose einer partiellen PTBS existiere nicht und könne daher nicht als Gesundheitsstörung festgestellt werden. Schließlich sei maßgebend für die Diagnosestellung nicht die Beschwerdeschilderung, sondern die Befunderhebung, wobei vorliegend zu konstatieren sei, dass auf Befundebene überhaupt keine Auffälligkeiten im Sinne der PTBS vorlägen. So vermeide es die Klägerin keinesfalls, sich mit dem Unfallereignis zu befassen. Sie habe dieses vielmehr einer großen Anzahl von Sachverständigen immer wieder und sehr ausführlich geschildert, ohne jeden Hinweis für ein Vermeidungsverhalten, ohne das jemals eine übermäßige körperliche oder psychische Reaktion entsprechend den B-Kriterien aufgetreten seien und ohne Hinweis für eine Gedächtnisstörung sowie ohne Hinweis auf dissoziatives Verhalten bei der Berichterstattung. Wesentlich sei zudem, dass die Kriterien F (Dauer länger als ein Monat) und B (bedeutsame Funktionsbeeinträchtigungen) bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt erfüllt gewesen seien. Insofern liege die Schwäche des Gutachtens des U auch darin, dass der Sachverständige fortwährend Beschwerden, über die er durch Befunderhebung hätte Beweis erheben sollen, mit Befundtatsachen verwechsle. Schließlich sei die vorgeschlagene MdE von 10 v.H. nicht nachvollziehbar. Es sei nicht erkennbar, welche funktionswirksamen Beeinträchtigungen unter Bezugnahme auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bei der Klä-gerin vorliegen sollten und welcher Teil des Erwerbslebens sich ihr unfallbedingt verschließe.

Der Kritik durch St ist der Sachverständige U mit ergänzender Stellungnahme vom 18. August 2016 entgegengetreten. Insbesondere hat er ausgeführt, dass es nicht zutreffend sei, dass es die sogenannte partielle PTBS gar nicht gebe. Statt des Vollbildes einer PTBS könnten auch nur PTBS-Teilsymptome auftreten, die zwar nicht die Kriterien der PTBS erfüllen, aber trotzdem von klinischer Relevanz seien. Solche Störungen würden ICD-10-konform in der Kategorie "Sonstige Reaktionen auf schwere Belastungen (ICD-10: F43.8)" erfasst und kodiert. Die Diagnose einer partiellen PTBS sei in der Literatur bekannt und spiele in der trauma-therapeutischen Praxis keine geringe Rolle. Mit weiterer ergänzender Stellungnahme vom 16. November 2016 hat U weitere Ausführungen auch zum Unfallzusammenhang gemacht. Ein psychisches Erstschadensbild könne insbesondere deswegen nicht gefordert werden, da bei der Klägerin unfallbedingt lebensbedrohliche körperliche Verletzungen im Vordergrund gestanden haben. Dennoch könne im vorliegenden Fall ein psychisches Erstschadensbild nachgewiesen werden. Anders als die Beklagte meint, seien die Ängste nicht erst im Januar 2013 angegeben worden. Vielmehr enthielte schon der psychologische Bericht der Fachklinik L vom 1. April 2010 entsprechende Hinweise. Letztlich liege eine gesicherte Diagnose im Sinne einer partiellen PTBS gemäß ICD-10: F 43.8 vor.

Mit Urteil vom 29. März 2017 hat das Sozialgericht Nordhausen den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2016 aufgehoben und die Bescheide der Beklagten vom 17. Januar 2011 und 24. Januar 2013, letzterer in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2015 abgeändert und festgestellt, dass bei der Klägerin als weitere Unfallfolge des Arbeitsunfalls vom 28. Januar 2010 eine "sonstige Reaktion auf schwere Belastungen" (ICD-10: F43.8) vorliege. Das Sozialgericht hat die Beklagte weiter verpflichtet, der Klägerin für die Zeit ab 5. September 2010 bis 31. Januar 2013 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 40 v.H. und für die Zeit ab 1. Februar 2013 Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v.H. zu zahlen. Bei der Klägerin liege als weitere Folge des Arbeitsunfalls eine sonstige Reaktion auf schwere Belastungen (ICD 10 F 43.8) vor. Nicht nur sei das Ereignis geeignet für ein psychisches Trauma sondern es lägen auch - so die Feststellung des Sachverständigen U - die nachgewiesenen Kriterien A (psychisches Trauma), B (Intrusionen), C (Vermeidung), F (Dauer) und G (Beeinträchtigung) vor. Da die Kriterien D (Veränderung von Stimmungen) und E (Übererregung) nicht nachweisbar seien, läge nur eine partielle PTBS vor. Nachvollziehbar habe der Sachverständige U die Unfallfolgen auf psychosomatisch-psychotherapeutischem Fachgebiet mit 10 v.H. bewertet.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die vor Berufungseinlegung erneut eine beratungsärztliche Stellungnahme eingeholt und zum Gegenstand der Berufungsbegründung gemacht hat. Insoweit hat der beratende Arzt H mit seiner Stellungnahme vom 18. April 2017 ausgeführt, dass es die Diagnose einer partiellen PTBS in der ICD-10 nicht gebe. Zur Diagnose einer sonstigen Reaktion auf ein belastendes Ereignis im Sinne des ICD-10 F 43.8 sei zunächst festzustellen, dass letztlich nur zwei Symptome vorlägen, nämlich Alpträume und die Angabe, bei Schnee nicht am Unfallort vorbeifahren zu können. Hinsichtlich der Alpträume sei zudem festzustellen, dass diese nur beim Liegen von Schnee einmal wöchentlich auftreten, ansonsten selten und im Übrigen nicht nachzuweisen seien. Dass die Klägerin, wenn Schnee liege, nicht am Unfallort vorbei fahre, sondern einen Umweg nehme, weise keineswegs auf das für die PTBS charakteristische Vermeidungsverhalten hin. Ein nur temporäres Vermeidungsverhalten spreche gegen das PTBS-typische Vermeidungsverhalten. Bei der Klägerin könne insoweit keine krankheitswertige Störung ausgemacht werden. Entsprechendes gelte auch für die, abgesehen von Schneelagen, ansonsten selten auftretenden Alpträume. Schließlich sei auch der psychopathologische Befund unauffällig; ein psychischer Leidensdruck sowie nachvollziehbare Funktionsbeeinträchtigungen würden nicht geschildert. Seine Auffassung hat H mit weiterer Stellungnahme vom 30. Januar 2018 bekräftigt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. März 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie stimmt der Auffassung des Sachverständigen U zu und hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat dem Sachverständigen U die beratungsärztlichen Stellungnahmen des H zur ergänzenden Stellungnahme zugeleitet. Hieraufhin hat U zunächst eingeräumt, dass es die Diagnose einer partiellen PTBS in der ICD-10 nicht gebe. Gleichwohl sei nach gängiger Lehrmeinung anerkannt, dass auch ein unvollständig ausgebildetes Bild einer PTBS eine kli-nisch relevante Störung darstelle. Früher sei dies als subsymptomale PTBS (also leichtgradige Ausprägung) angenommen worden. Aktuell bezeichnet man diese Störung als partielle PTBS. Zutreffend sei, dass die konkrete Codierung dieser partiellen PTBS nicht einfach sei. Im Übrigen lägen bei der Klägerin nicht lediglich zwei Symptome im Sinne von Alpträumen und bei Schnee eine Vermeidungshandlung vor. Es ergäben sich vor allem unfallbezogene Körperintrusionen im Sinne deutlicher körperlicher Reaktionen auf Triggerreize (Schmerzen und Engegefühl mit Atemnot bei Druck auf den Brustkorb, beispielsweise beim Sitzen). Aus der psycho-pathologischen Befundung und der Verhaltensbeobachtung sei zu erkennen, dass die Klägerin zur Entlastung des Brustkorbes einerseits überwiegend schräg auf der vorderen Kante des Sessels gesessen habe und zum anderen während der knapp vierstündigen Untersuchung einige Mal für jeweils etwa 1 - 2 Minuten aufgestanden und etwas umhergelaufen sei oder sich hinter den Sessel gestellt habe. Hinsichtlich der Alpträume und des Vermeidungsverhaltens (bei Schnee) sei eine Objektivierung durch den Sachverständigen gar nicht möglich.

Dem ist die Beklagte mit der beratungsärztlichen Stellungnahme des H vom 6. Juli 2018 entgegengetreten. Insbesondere sei zu den unfallbezogenen Körperintrusionen (besonderen Sitzen bzw. Umherlaufen) anzumerken, dass sich die Klägerin erhebliche körperliche Einschränkungen vom Unfall zugezogen hat. Diese Beschwerden würden nicht unmotiviert, d.h. ohne Anlass auftreten, sondern entsprechend den Angaben der Klägerin nach längerem Sitzen. Somit seien die von U beschriebenen Körperintrusionen nicht als solche zu werten, sondern als nach längerem Sitzen auftretende organisch bedingte Beschwerden. Es bliebe im Übrigen dabei, dass bei einem unauffälligen psychischen Befund, so wie ihn der Sachverständige U letztlich festgestellt habe, keine psychische Störung zu diagnostizieren sei.

Nachdem sich die Klägerin seit Mitte April 2018 in regelmäßiger psychologischer Behandlung bei W befindet, hat der Senat von der behandelnden Psychologin einen Befundbericht angefordert. Hierzu und insgesamt klarstellend, hat der Beratungsarzt mit Stellungnahme vom 4. Februar 2019 zusammenfassend ausgeführt, dass die Klägerin auf psychiatrischem und psy-chosomatischem Fachgebiet keine Unfallfolgen erlitten habe.

Hieraufhin hat der Senat erneut von dem Sachverständigen U eine ergänzende Stellungnahme eingeholt. Dieser hat unter dem 18. Mai 2019 ausgeführt, dass es sich bei den von ihm angenommenen Körperintrusionen nicht um organisch bedingte Beschwerden nach längerem Sitzen handeln würde. Die erlittene Rippenserienfraktur rechts sei röntgenologisch gesichert knöchern ausgeheilt - wenn auch in leichter Fehlstellung. Dies würde allenfalls leichte Beschwerden mit sich bringen, nicht jedoch das von der Klägerin geäußerte Gefühl, als ob sie einen Panzer um sich herum habe, nicht genug Luft bekomme sowie Schmerzen im unteren Brustkorbbereich habe. Vielmehr beschreibe die Klägerin damit ein körperliches Wiedererleben des Unfallmoments.

Sodann hat der Senat ein Sachverständigengutachten bei F nebst eines Zusammenhangsgutachtens durch Z in Auftrag gegeben. Mit seinem nervenärztlichen Gutachten vom 19. Februar 2020 hat der Sachverständige F festgestellt, dass sich die Kriterien der PTBS nur teilweise darstellten. Das Ereignis sei prinzipiell geeignet gewesen, zu einer seelischen Traumatisierung zu führen. Der Unfallschilderung der Klägerin, die lediglich von einem "schwarzen Tunnel" spreche, jedoch keine Details schildere, könne ein entsprechendes Vermeiden im Sinne des C 1-Kriteriums nach DSM-IV(-TR) bzw. nach DSM 5 entnommen werden. Im Sinne eines seelischen Gesundheitserstschadens könne von einer nachhaltigen seelischen Beeinträchtigung der Klägerin ausgegangen werden, welche geeignet gewesen sei, den traumatischen Prozess in Gang zu setzen. Trotz der Behandlung in der Klinik in L, der physiotherapeutischen Behandlung und der durchgängigen D-ärztlichen Behandlung habe sie jedoch erst zum Zeitpunkt des 2. Rentengutachtens, mithin drei Jahre nach dem Unfall, psychogene Symptomen beklagt. Soweit im Verwaltungsverfahren durch B1 eine PTBS gesichert worden sei, sei die Beurteilung anhand der Traumakriterien und der Symptomkriterien nach ICD-10, DSM-IV und DSM 5 durchaus fachgerecht erfolgt. Jedoch sei zum einen die geringe Intensität der Symptome bereits auf der Beschwerdeebene nicht weiter dargestellt worden und zum zweiten sei das Schweregrad-Kriterium, nämlich die klinisch bedeutsame Beeinträchtigung im sozialen, beruflichen oder in anderen wichtigen Lebensbereichen nicht belegt. Dies sei aber auch nicht möglich gewesen, da die Klägerin durchgehend gearbeitet habe und in ihren sozialen Beziehungen durchaus nur wenig beeinträchtigt gewesen sei. In Auswertung des Berichts der B aus der Fachklinik L vom 1. April 2010 bezüglich psychologischer Behandlungen während des stationären Aufenthalts ergebe sich eine Differenz zu den später vom Sachverständigen U auf der Befundebene niedergelegten Symptome. Die Klägerin habe eben nicht durchgehend erkennbar im psychischen Befund bei der Schilderung des Ereignisses die Merkmale des B-Kriteriums der PTBS aufgewiesen. Vielmehr habe sie ihre Beschwerden nicht leidensbetont dargestellt und dabei keine gravierenden Ängste oder Furcht angegeben. Sie habe das Unfallereignis ohne psychovegetative Symptome wie Unruhe oder Anspannung geschildert und auch keine Vermeidungsaspekte, z.B. über das Schadensereignis zu sprechen, an den Tag gelegt. Zutreffend ginge insgesamt U1 von einer leichten Auffälligkeit, die einem kranheitswerten Störungsbild nicht zuzuordnen sei, aus und schließe auch eine Teil-MdE durch psychogene Unfallfolgen zutreffend aus. Bei der Klägerin habe jedoch eine seelische Traumatisierung im Unfallzusammenhang stattgefunden. Diese sei aber nicht komplett unmittelbar im Ereigniserleben entstanden, sondern sei Folge eines sogenannten traumatischen Prozesses, der durch das traumatisierende erste Erlebnis, nämlich den Unfall in Gang gesetzt worden sei. Die von der Klägerin geschilderten Symptome einer PTBS im Sinne eines Wiedererlebens- und Vermeidungskriteriums seien aber letztlich durch unterstützende Therapie in Gesprächsterminen, vor allem aber bedingt durch die offenbar überdurchschnittlich günstigen Ressourcen der Klägerin bereits in der Fachklinik L weitgehend abgeklungen. Selbst wenn eine PTBS zum Zeitpunkt der Gespräche mit B vorgelegen haben sollte, sei diese bereits unter einer, einige wenige Stunden umfassenden, Behandlung in der Fachklinik L wieder abgeklungen. Dies sei im Übrigen der Verlauf von etwa 1/3 aller PTBS, welche zeitnah zu einem traumatisierenden Lebensereignis manifest würden. Für die Monate und Jahre nach dieser Zeit werde bei der Klägerin eine PTBS auch partiell nicht belegt bzw. sie werde im Gegenteil unwahrscheinlich. Bei der PTBS handle es sich um ein gravierendes Störungsbild, welches bei voller Ausprägung nicht umsonst mit einer MdE von i.d.R. 30 v.H. bewertet werde. Dass also jemand eine (partielle) PTBS erleide und darin so wenig beeinträchtigt sei, dass er keinerlei therapeutischer Hilfe bedürfe, sei unwahrscheinlich. Zur Frage, ob bei der Klägerin die von ihr geschilderten Symptome einen Krankheitswert hätten und insoweit eine Diagnose nach einem internationalen Diagnosesystem gestellt werden könne, sei dem Sachverständigen U zu widersprechen. Wenn über Jahre ein Störungsbild nicht ärztlich oder durch einen psychologischen Psychotherapeuten doku-mentiert sei, so könne man allein aufgrund der Schilderungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren von psychogenen Störungen nicht davon ausgehen, dass ein dadurch begründetes krankheitswertes Störungsbild über die Jahre bestanden habe. Ein solches Störungsbild könne zwar möglich sein, es sei aber nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, geschweige denn gesichert. Hinsichtlich der Einschränkungen im Erwerbsleben seien erstmalig bei U entsprechende Erregung und ein Vermeidungsverhalten beschrieben. M, B1 und auch U1 konnten hingegen keine krankheitswerten seelischen Symptome ausmachen. Soweit U psychopathologische Auffälligkeiten erhoben habe, werde jedoch nicht deutlich, dass diese Symptome einen Krankheitswert erreicht hätten. Aufgrund eigener Untersuchungen ergebe sich, dass die Klägerin sich speziell bei winterlichen Witterungsbedingungen beim Autofahren unwohl fühle. Sie fahre dann besonders langsam, was sie speziell für eine schneebedeckte Straße schildere - dann durchaus nur 20 km/h. Dies sei jedoch nicht als unangemessen zu erachten. Ein krankheitswertes Verhalten sei hierin nicht zu sehen. Auch sei davon auszugehen, dass die Betroffene gelegentlich vom Unfall träume, dabei träume sie jedoch von der "Überrollsituation", nicht hingegen aber vom Erleben ihrer lebensgefährlichen Brüche. Mehr sei auf der Beschwerdeebene nicht zu erheben. Insbesondere würden instrusive Gedanken, Emotionen, vegetative Reaktionen verneint. Dies gelte auch für die Situation, dass sie an der Unfallstelle vorbeifahre. Das Vorbeifahren gelinge ihr im Übrigen ohne anzuhalten. Soweit die Klägerin erklärt habe, sie denke dann an den Unfall, sei dies eine normal psychologisch angesiedelte Erlebnisweise. Die Beschwerde- und Befundebenen gemeinsam betrachtet, sei nicht davon auszugehen, dass gegenwärtig bei der Klägerin noch eine Traumafolgestörung von Krankheitswert, d.h. sowohl mit der Verursachung von Leiden als auch mit der Folge einer Herabsenkung des psychosozialen Funktionsniveaus bestehe. Eine Codierung nach ICD-10 F 43.N komme nicht in Betracht. Zwar könne hiernach eine PTBS auch mit minderschweren Folgen vorliegen, was im Rahmen der MdE-Bemessung besonders zu berücksichtigen sei. Bei der Klägerin verhielte es sich jedoch so, dass eine PTBS im Vollbeweis niemals erwiesen worden sei. Insoweit sei auch die Diagnose subsymptomale oder partielle PTBS nicht zutreffend. Andererseits sei die Klägerin unfallbedingt durchaus seelisch traumatisiert worden. Soweit es hierbei zu einem Fortbestehen einer krankheitswertigen seelischen Störung gekommen sei, wäre eine "sonstige Reaktion auf schwere Belastungen (ICD-10 F 43.8)" zutreffend gewesen. Vorliegend sei diese Diagnose für die Gegenwart gleichwohl nicht zu stellen, da kein krankheitswertes Störungsbild mehr vorliege. Gerechtfertigt gewesen sei diese Diagnose möglicherweise bis zum Ende der stationären Behandlung in der Fachklinik L im April 2010. Die Annahme eines Störungsbildes von Krankheitswert setze im Übrigen das Vorhandensein einer maßgeblichen anhaltenden alltagswirksamen Beeinträchtigung voraus. Da nunmehr eine seelische Störung von Krankheitswert nicht mehr festgestellt werden könne, könne sich hieraus auch keine eigenständige unfallgebundene MdE für psychogene Unfallfolgen ergeben. Schließlich würde sich auch die gestellte Diagnose einer Traumafolgestörung nur auf den Zeitraum des Verletztengeldbezuges erstrecken. Danach sei eine solche Störung nicht mehr nachweisbar. Insoweit sei eine MdE nicht zu begründen. Vom Senat explizit auf den Befundbericht der behandelnden W hingewiesen hat F ausgeführt, dass sich hieraus keine andere Einschätzung ergebe.

Während die Beklagte ihre Auffassung durch den Sachverständigen F bestätigt sieht, hat die Klägerin klargestellt, dass sie sämtliche ihre Behandler nach dem Unfall auf die Träume, Ängste und Panik hingewiesen habe. Aus ihr unerfindlichen Gründen sei ihr weder Gehör geschenkt worden, geschweige denn sei eine Erwähnung in der ärztlichen Dokumentation erfolgt. Dass die Beklagte ihr keinen Psychologen stellte, könne ihr nicht angelastet werden.

Auf Hinweis des Senates, dass - anders als der Bescheid vom 11. Februar 2016 ausführt - hinsichtlich der Bescheide vom 17. Januar 2011 und vom 11. Februar 2016, also bezüglich der vorläufigen Rentengewährung, kein Fall des § 96 SGG vorliegt, hat die Beklagte einen förmlichen Widerspruchsbescheid erlassen (Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2020). Weiterhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Juli 2020 als weitere Unfallfolge eine Traumafolgestörung nach ICD-10 F 43.8 anerkannt. Diese sei mit dem Ende des stationären Aufenthaltes in der Fachklinik L vom 23. Februar 2010 bis 27. März 2010 ausgeheilt; eine MdE ergebe sich hieraus nicht.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis nach § 124 Abs. 2 SGG gegeben haben.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist zunächst der Bescheid vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2015 bezüglich einer Rente ab 1. Februar 2013 auf unbestimmte Zeit. Ebenfalls Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 17. Januar 2011 und 11. Februar 2016 letzterer in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15. Juli 2020 hinsichtlich der vorläufigen Rentengewährung vom 5. Januar 2010 bis zum 31. Januar 2013. Anders als von der Beklagten und offenbar auch dem Sozialgericht angenommen ist der Überprüfungsbescheid nicht bereits von Gesetzes wegen nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Bescheid vom 11. Februar 2016 den Bescheid vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2015 abändert oder ersetzt. Der Bescheid vom 11. Februar 2016 trifft - im Wege des Überprüfungsverfahrens - eine Regelung jedoch lediglich für den Zeitraum der vorläufigen Rentenbewilligung vom 5. September 2010 bis zum 31. Januar 2013 während der Bescheid vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2015 den Zeitraum der Rentengewährung vom 1. Februar 2013 auf unbestimmte Zeit regelt. Es handelt sich dabei um zwei voneinander verschiedene Streitgegenstände. Die Anfechtung der Entscheidung der Verletztenrentengewährung auf Dauer stellt - anders als im umgekehrten Fall der Anfechtung der vorläufigen Rentenentscheidung mit nachfolgender Entscheidung über die Rentengewährung auf Dauer (vgl. hierzu B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 96 Rn. 9c) - bei nachfolgender geänderter Entscheidung der vorläufigen Rentengewährung keine Konstellation nach §§ 86, 96 SGG dar. Die Bescheide vom 17. Januar 2011 und 11. Februar 2016 letzterer in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15. Juli 2020 sind jedoch durch zulässige Erweiterung des Streitgegenstandes (objektive Klageerweiterung) im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG Gegenstand der Klage. Die Beklagte hat der Erweiterung der Klage hinsichtlich der vorläufigen Renten-bewilligung nicht widersprochen und das Sozialgericht hat die Klageerweiterung offensichtlich - stillschweigend (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 99 Rn. 11) - als zweckdienlich erkannt. Die Entscheidung des Erstgerichts über die Zulassung der Klage-änderung ist nach § 99 Abs. 4 SGG unanfechtbar und auch für die Rechtsmittelinstanz bindend (vgl. hierzu m.w.N. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R, Rn. 15 ff., nach juris). Auch die Prozessvoraussetzungen für die geänderte Klage sind im vorliegenden Fall gegeben. Insbesondere ist die Klagefrist gegen den Bescheid vom 11. Februar 2016 als gewahrt anzusehen, da der Bescheid vom 11. Februar 2016 noch nicht in Bestandskraft erwachsen war. Die Klägerin hatte ihn mit Schriftsatz vom 19. Februar 2016 fristgerecht angefochten; wegen des Hinweises auf § 96 SGG und der damit unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung galt die Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG (vgl. Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 36 Rn. 25 m.w.N.). Einen Widerspruchsbescheid hat die Beklagte erstinstanzlich zwar nicht erlassen. Der damit aus rechtlicher Sicht fehlende Abschluss des Vorverfahrens hindert jedoch nicht an einer Entscheidung in der Sache, da das Widerspruchsverfahren nunmehr mit Erlass des Widerspruchbescheides vom 15. Juli 2020 im Berufungsverfahren nachgeholt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 15, Rn. 18 m.w.N., nach juris) wurde. Darüber hinaus ließe es mit der Rechtsprechung des BSG (vgl. nur BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R, Rn. 18 f. m.w.N., nach juris) die besondere Gestaltung des Falles das Vorverfahren ausnahmsweise ohnehin als entbehrlich erscheinen.

Nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Anerkennung einer "sonstige Reakti-on auf schwere Belastungen" im Sinne der ICD-10 F43.8 als weitere Unfallfolge. Diese hat das Sozialgericht mit Urteil vom 29. März 2017 als weitere Unfallfolge festgestellt. Die ursprünglich auch hiergegen gerichtete Berufung hat die Beklagte jedoch durch das teilweise Anerkenntnis mit Schriftsatz vom 3. Juli 2020 auf die Höhe der Gewährung der Verletztenrente beschränkt, so dass der Senat nur hierüber zu befinden hatte.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Bescheid vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2015 sowie der Bescheid vom 11. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15. Juli 2020 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder einen Anspruch auf Feststellung weiterer Ge-sundheitsschäden als Unfallfolge (hierzu 1.) noch einen Anspruch auf Gewährung einer höheren Verletztenrente (hierzu 2.).

Soweit die Klägerin im Rahmen des mit der Klageerhebung geltend gemachten Überprüfungsverfahrens auch für die Zeit ab 5. September 2010 eine höhere vorläufige Verletztenrente begehrt, ist statthafte Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG. Die Anfechtungsklage zielt auf die Aufhebung des Überprü-fungsbescheids vom 11. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15. Juli 2020, die Verpflichtungsklage auf die Aufhebung des bestandskräftigen Bescheids vom 17. Januar 2011, mit dem eine Rente als vorläufige Entschädigung in Höhe mit einer MdE von 30 v.H. gewährt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 2016 – B 2 U 14/14 R mit Verweis auf BSG, Urteile vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R, 19. Dezember 2013 - B 2 U 17/12 R und 11. April 2013 - B 2 U 34/11 R, alle nach juris).

Anspruchsgrundlage für dieses Begehren der Klägerin ist insoweit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Beklagte ist aber - unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses im Berufungsverfahren - von keinem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 2. Alt SGB X) und hat bei Erlass des Bescheides vom 11. Februar 2016 in der Fassung des Teilanerkenntnisses mit Schriftsatz vom 3. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2020 das Recht richtig angewandt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 1. Alt SGB X).

Für den Zeitraum ab der endgültigen Rentengewährung ab 1. Februar 2013 (Bescheid vom 24. Januar 2013) ist die richtige Klageart für die Feststellung weiterer Unfallfolgen die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1, 3 SGG. Soweit die Klägerin die Zahlung von Verletztenrente begehrt, handelt es sich um eine kombinier-te Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG.

1. Die Klägerin hat nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten (Schriftsatz vom 3. Juli 2020) keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen.

Rechtsgrundlage für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist es danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Diese Verrichtung muss zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, sondern insbesondere für die Gewährung einer Verletztenrente (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 2 U 22/08 R, nach juris).

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und "Gesundheitserstschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünfti-ger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 27/06 R, nach juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach juris). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.

Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung infolge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst nachdem feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach juris).

Ausgehend hiervon ist der Senat nicht zur Überzeugung gelangt, dass das Ereignis vom 28. Januar 2010 neben den bereits anerkannten Unfallfolgen auch zu einer (partiellen) PTBS geführt hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach juris) setzt die Anerkennung eines Gesundheitsschadens zwingend voraus, dass eine exakte Diagnose der Krankheit nach einen der internationalen anerkannten Diagnosesysteme ICD-10 bzw. DSM V angegeben wird. Das hat das BSG zuletzt mit seiner Entscheidung vom 26. November 2019 (B 2 U 8/18 R, nach juris) noch einmal ausdrücklich klargestellt, in dem es ausgeführt hat, dass im Bereich psychischer Störungen die Gesundheitsschäden genau zu definieren sind, was zwingend voraussetzt, dass die Störung durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z.B. ICD-10, DSM V) unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen exakt beschrieben wird (vgl. BSG, Urteile vom 15. Mai 2012, B 2 U 31/11 R sowie vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R und B 2 U 26/04 R - jeweils nach juris). Denn je genauer und klarer die Gesundheitsstörungen bestimmt sind, umso einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen.

Eine PTBS im Sinne der ICD-10 F 43.1 liegt nicht vor. Diese steht tatsächlich nicht im Streit. Auch der Sachverständige U geht nicht vom Vorliegen einer (vollständigen) PTBS im Sinne der ICD-10 F 43.1 aus. Vielmehr diagnostiziert U eine partielle PTBS. Dabei geht U nicht von der von F grundsätzlich für möglich erachtete - hier aber nicht gegebenen - Variante des Vor-liegens einer (vollständigen) PTBS mit abnehmenden Symptomen (subsymptomale PTBS) aus, die die Anerkennung der PTBS mit einer entsprechend geringeren MdE rechtfertigt. Vielmehr gelangt er zu der Diagnose der partiellen PTBS, weil Kriterien der PTBS nur teilweise bzw. nur temporär erfüllt sind. Eine solche angenommene partielle PTBS hingegen ist, worauf F und St hinweisen, keine eigene Diagnose im Sinne eines der Diagnosesysteme. Dem stimmt grundsätzlich auch U zu, der die partielle PTBS einem anderen Diagnoseschlüssel zuordnet (ICD-10 F 43.8). Mangels einer entsprechenden Einordnung in den Diagnosesystemen scheidet jedoch eine Anerkennung der partiellen PTBS als Gesundheitsschaden und dem folgend als Unfallfolge schon deswegen aus.

Zwar hat das BSG auch ausgeführt, dass begründete Abweichungen von den Diagnosesystemen, z.B. aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts, nicht ausgeschlossen sind (BSG, Urteil vom 26. November 2019 – B 2 U 8/18 R, Rn. 19, nach juris), doch ist vorliegend nicht ersichtlich, dass Abweichungen von den Regularien des ICD-10 aufgrund des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts gerechtfertigt sein könnten. Vielmehr enthält auch der seit dem 1. Januar 2020 vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebene ICD-10-GM Version 2020 ebenfalls keine Verschlüsselung für eine partielle PTBS.

Soweit U und ihm folgend das Sozialgericht eine "sonstige Reaktion auf schwere Belastungen" im Sinne der ICD-10 F43.8 als Unfallfolge festgestellt haben, deckt sich dies im Grund-satz mit den Feststellungen des F und dem Teil-Anerkenntnis der Beklagten, mit dem eine Traumafolgestörung nach ICD-10 F 43.8 als weitere Unfallfolge anerkannt wurde. Zu welchen Funktionseinschränkungen diese Diagnose führt, ist sodann jedoch keine Frage der Bestimmung eines Gesundheitsschadens als Unfallfolge, sondern Frage der MdE-Bestimmung (hierzu unter 2.).

2. Ein Anspruch auf eine höhere Verletztenrente besteht nicht. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus Anspruch auf Gewährung von Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H. gemindert ist.

Die durch den Unfall vom 28. Januar 2010 verursachte MdE ist für den Zeitraum vom 5. September 2010 bis zum 31. Januar 2013 (vorläufige Verletztenrente) mit 30 v.H. und ab dem 1. Februar 2013 mit 20 v.H. anzusetzen.

Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer sowie sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (vgl. BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R, nach juris). Bei der Bewertung der MdE ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher maßgebend, sondern vielmehr der damit verbundene Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. BSG, Urteile vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R und vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R, beide nach juris). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerung darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auswirken, sind zwar nicht verbindlich, bilden aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1987 - 2 RU 42/86, nach juris). Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R, nach juris). In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden zutreffend von einer MdE von 30 v.H. (vorläufige Entschädigung) und sodann im Rahmen der endgültigen Entschädigung von 20 v.H. ausgegangen ist.

Insofern vermag die MdE-Einschätzung des U, der diagnostisch von einer partiellen PTBS ausgeht (siehe unter 1.), nicht zu überzeugen. Gemäß Empfehlungen sei die unfallbedingte MdE von Seiten des psychosomatisch-psychotherapeutischen Fachgebietes ab März 2010 bis heute mit 10 v.H. einzuschätzen und unter Berücksichtigung der unfallchirurgischen Ein-schränkungen ergebe sich eine MdE von 30 v.H. Bei entsprechender psychotherapeutischer Behandlung sei jedoch eine Besserung zu erwarten. Insoweit hat F überzeugend dargelegt, dass die bei der Klägerin unfallbedingte Traumafolgestörung im Sinne einer sonstigen Reaktion auf schwere Belastungen (ICD-10 F 43.8) folgenlos ausgeheilt ist und sich kein krank-heitswertes Störungsbild mehr darstellt. Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des F kommt ein entsprechendes Störungsbild bis zum Ende der stationären Behandlung in der Fachklinik L (23. Februar 2010 bis 27. März 2010) in Betracht. Ab da (April 2010) lässt sich ein Krankheitswert jedoch nicht mehr feststellen, so dass hieraus auch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit folgen kann. Überzeugend hat F dabei auch die berufliche und soziale Anamnese berücksichtigt. Die Klägerin schilderte, dass sie keine Erwerbsminderungsrente bezieht und eine solche auch nicht begehrt, sondern noch voll im Berufsleben tätig ist. Wie schon bei U schilderte sie auch bei F, dass sie ein aktives Leben mit Ausflügen und Ur-lauben führt und verschiedenen Hobbys (Oldtimer und Garten) nachgeht. Einschränkungen in ihren privaten, sozialen und beruflichen Bereichen beschreibt auch U lediglich als leichtgradig. Hinzu kommt, dass die Klägerin die selten vorkommenden Alpträume selbst gut handeln kann und bei Schneetagen die einstige Unfallstelle umfährt. Das sich hieraus insgesamt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Soweit U seine MdE-Einschätzung u.a. mit leichten Beeinträchtigungen durch die Brustkorb-Beschwerden (Schmerzen und Luftnot bei längeren Sitzen) begründet, führt dies zu keiner anderen Ein-schätzung. Denn den überzeugenden Feststellungen des F zu Folge liegen bei der Klägerin ab April 2010 psychiatrisch keine Einschränkungen mit Krankheitswert mehr vor. Anschaulich lässt sich dies dem Bericht der B entnehmen, die beschreibt, dass die Klägerin ihre Selbsthilfemöglichkeiten sehr gut aktivieren und nutzen konnte. So hat die Klägerin nicht nur als Beifahrerin wieder am Straßenverkehr teilgenommen, sondern auch wieder aktiv als Fahrerin. Sie selbst hat angegeben, dass es ihr gut ginge und sie auf sich stolz sei. Die ursprünglichen Beschwerden im Sinne eines Wiedererlebens des Unfalls bestanden zum Ende der Reha nicht mehr fort und die Klägerin - das zeigt sich auch in den diversen Anamneseerhebungen - war aktiv in gesellschaftlichen und sozialen Kontakten. Nachvollziehbar hat F schließlich dargelegt, dass nicht allein aufgrund der Schilderungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren von psychogenen Störungen, davon ausgegangen werden kann, dass ein dadurch begründetes krankheitswertes Störungsbild über die Jahre bestanden hat. Denn dem steht entgegen, dass über Jahre ein Störungsbild weder ärztlich noch durch einen psychologischen Psychotherapeuten dokumentiert wurde. Erst bei der Untersuchung durch U wurden Einschränkungen im Erwerbsleben im Sinne einer entsprechende Erregung und eines Vermeidungsverhaltens be-schrieben. M B1 und auch U1 hingegen konnten keine krankheitswertigen seelischen Symptome ausmachen. Nachvollziehbar schließt F in dieser Situation die Wahrscheinlichkeit eines entsprechenden Störungsbildes aus. Dies deckt sich auch mit den Einschätzungen von St und H, die die Symptomatik (langsames Fahren, Meidung der Unfallstelle bei Schnee, Erinnerung an den Unfall bei Vorbeifahren an der Unfallstelle) der Klägerin nachvollziehbar als regelkonformes Verhalten ohne jeglichen Krankheitswert beschreiben. Sofern aber keine Einschränkungen mit Krankheitswert feststellbar sind, lässt sich auch eine MdE nicht begründen. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf eine höhere MdE wegen Funktionseinschränkungen aufgrund psychiatrischer Einschränkungen.

Die von der Beklagten angesetzte MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet begegnet keinen Bedenken. Auch die Klägerin hat insoweit nichts anderes vorgetragen. Soweit die Klägerin im Verwaltungsverfahren noch die Berücksichtigung von Schmerzen geltend machte, führt auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Es entspricht gefestigter Senatsrechtsprechung, dass Schmerzen grundsätzlich bei den MdE-Erfahrungswerten bereits berücksichtigt sind. Zu einer weiteren Berücksichtigung von Schmerzen bei der MdE-Bemessung kann führen, wenn besondere Schmerzen geltend gemacht werden und auch vorliegen. Dies erfordert jedenfalls eine entsprechende schmerztherapeutische Behandlung oder zeigt sich auch an besonderen Schmerzmedikamenten, deren Gabe verordnet ist bzw. die eingenommen werden. Dies ist vorliegend bei der Klägerin jedoch nicht der Fall.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG. Unerheblich ist, dass die Klägerin mit dem Rechtsstreit eine weitere Unfallfolge anerkannt bekommen hat. Denn insoweit handelt es sich im Vergleich zu dem eigentlichen Klagebegehren um einen nur unwesentlichen Teilerfolg, der eine Kostenquotelung nicht rechtfertigt. Die weitere Unfallfolge der "sonstigen Reaktion auf schwere Belastungen (ICD-10 F 43.8)", wie sie vom Sozialgericht ausgeurteilt und von der Beklagten im Berufungsverfahren anerkannt wurde, ist bereits während des Zeitraums des Verletztengeldbezugs folgenlos ausgeheilt. Aus ihr ergeben sich keine Folgeansprüche wie Verletztenrente oder Behandlungsbedürftigkeit.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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