L 1 U 384/19

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 18 U 2374/17
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 384/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Norm: § 8 Abs. 2 Nr.1 SGB 7






Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - Gesundheitsschaden - haftungsbegründende Kausalität - Nachweis - Außenbandinstabilität des linken oberen Sprunggelenks - Leitlinie Unfallchirurgie AWMF-Nr. 012-022, Frische Außenbandruptur am Oberen Sprunggelenk -

1. Allein die Tatsache, dass eine erstgradige Instabilität des linken oberen Sprunggelenks mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unfallbedingt erworben ist, ist nicht gleichbedeutend damit, dass ein bestimmter Arbeitsunfall hierfür ursächlich ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. Februar 2019 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Außenbandinstabilität des linken oberen Sprunggelenks als weitere Folge eines Arbeitsunfalles vom 14. April 2010 anzuerkennen ist.

Der 1989 geborene Kläger war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses als Vertragsamateur bei einem Fußballverein beschäftigt. Er knickte ausweislich des H-Arzt-Berichtes vom 15. April 2010 am Vortag beim Abschlusstraining mit dem linken oberen Sprunggelenk weg. Diagnostiziert wurde eine Distorsion des linken oberen Sprunggelenks und eine Instabilität Grad I. An-gekreuzt wurde auf dem Formular Arbeitsfähigkeit des Klägers. Der Kläger erhielt über einen beim Verein angestellten Physiotherapeuten eine Behandlung für eine Dauer von ca. 2 Wochen und nahm danach wieder regulär am Spielbetrieb teil. Zu Lasten der Beklagten wurden 8 Einheiten Krankengymnastik/Physikalische Therapie verordnet, die im Zeitraum 20. April bis 31. Mai 2010 genommen wurden. Ein Arzt wurde in dieser Angelegenheit nicht wieder aufgesucht.

Mit Schriftsatz vom 24. November 2016 beantragte der Kläger festzustellen, dass die Instabilität und die Schädigung des Knorpels im linken Sprunggelenk mittelbare Folge des Unfallereignisses vom 14. April 2010 seien. Daraufhin holte die Beklagte eine Stellungnahme von U ein. Dieser teilte am 3. Januar 2017 mit, dass die Behandlung weitgehend über die Physiotherapieabteilung des Fußballclubs stattgefunden habe und übersandte Befunde über später durchgeführte Behandlungen aufgrund einer Vorstellung im August 2016 wegen eines Arbeitsunfalles vom 2. August 2016. Der Beratungsarzt der Beklagten G verneinte in einer Stel-lungnahme vom 10. Januar 2017 die Erforderlichkeit einer Rentenbegutachtung. Der MRT-Befund vom 8. August 2016 zeige das Bild einer Bandverletzung nach Trauma vom 2. August 2016. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 0 v.H. zu beziffern.

Daraufhin erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 27. Januar 2017 das Ereignis vom 14. April 2010 sinngemäß als Arbeitsunfall mit der Folge einer Zerrung des linken oberen Sprunggelenks an. Ausdrücklich nicht als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt eine fibulare Instabilität Grad I im linken Sprunggelenk, eine einfache positive Neutralschublade und ein Knorpelschaden im Bereich der tibialen Gelenkfläche, sowie die Folgen des Unfalls vom 2. August 2016 (Kapselverletzung hinteres oberes Sprunggelenk mit Knochenprellung Talus). Hiergegen legte der Kläger am 16. Februar 2017 Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2017 zurück. Es fehle an dem Nachweis eines weitergehenden, an den Binnenstrukturen des linken Sprunggelenks eingetretenen Gesundheitser-stschadens. Bei der einmaligen fachärztlichen Untersuchung durch U hätten sich keine Anzeichen für eine weitergehende traumatische Schädigung der Strukturen des linken Sprunggelenks gezeigt. Es sei eine krankengymnastische Behandlung bei fortbestehender Arbeitsfähigkeit verordnet worden.

Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Sp mit der Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 15. November 2017 hat dieser dargelegt, dass im Jahre 2010 keine MRT-Untersuchung des linken Sprunggelenks durchgeführt worden sei. Dem MRT-Befund des linken Sprunggelenks vom 18. August 2016 lasse sich eine frühere Bandverletzung mit narbiger Ausheilung entnehmen. Die beim Kläger vorliegende leichte Instabilität Grad I und die Bewegungseinschränkungen nach Außenbandverletzung des oberen Sprunggelenks links seien mangels konkurrierender Faktoren auf das Ereignis vom 14. April 2010 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zurückzuführen. Der Kläger habe im Rahmen des Trainings am 14. April 2010 ein sogenanntes "Supinations-Eversions-Trauma" (Verdrehung des Sprunggelenks, bei dem der seitliche Fußrand nach außen kippt und gleichzeitig der Vorfuß nach innen gedreht ist) erlitten. Ein solches Ereignis sei in den meisten Fällen mit einer akuten Insuffizienz des Sprunggelenks verbunden. Dies sei hinreichend wahrscheinlich. Normalerweise heilten solche Verletzungen innerhalb von sechs bis acht Wochen unter konservativer Behandlung folgenlos aus. Im Fall des Klägers sei die Schwere der Verletzung verkannt und nur ein sogenannter "Tape" angelegt worden. Daher resultiere nunmehr eine leichte Restinstabilität im oberen Sprunggelenk. Konkurrierender Faktor für die Annahme der unfallbedingten Kausalität könne auch die am unverletzten rechten Sprunggelenk nachgewiesene erhöhte Bandelastizität sein. Der Umstand, dass die seitliche Aufklappbarkeit 2 mm größer sei und auch eine sogenannte vordere Schublade bestehe, spreche jedoch dafür, dass das Ereignis vom 14. April 2010 für die heute festgestellten Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Sprunggelenks mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verantwortlich sei. Die MdE betrage 5 v.H.

Durch Urteil vom 4. Februar 2019 hat das Sozialgericht Gotha die Klage abgewiesen. Über die festgestellte Zerrung des linken oberen Sprunggelenks hinaus könne eine Instabilität und Bewegungseinschränkung im linken Sprunggelenk nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Unfallfolge festgestellt werden. Für die Hypothese des Sachverständigen Sp hin-sichtlich des Ablaufs des Unfallereignisses ergebe sich bereits kein Nachweis im Sinne eines Vollbeweises. Unabhängig vom Unfallhergang seien keine objektiven medizinischen Tatsachen zu ermitteln, welche einen konkreten Gesundheitsschaden im linken oberen Sprunggelenk als nachgewiesen erscheinen ließen. Der Kläger könne sich an den Unfallablauf im Detail nicht mehr erinnern. Der zeitnah gefertigte H-Arzt-Bericht von U erlaube keine Rückschlüsse auf eine Schädigung der Bandstruktur. Unfallzeitnah erstellte bildgebende Befunde existierten nicht.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das Urteil leide unter einem Ver-fahrensmangel im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Es liege eine Überraschungsentscheidung vor, weil das Sozialgericht Gotha dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten nicht gefolgt sei. Zudem habe es in der Urteilsbegründung ausschließlich auf die von ihm selbst ermittelten objektiven medizinischen Tatsachen, also auf eigene Sachkunde, abgestellt. Es liege zudem ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. Februar 2019 aufzuheben und den Be-scheid der Beklagten vom 27. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2017 abzuändern und festzustellen, dass eine Instabilität und Bewe-gungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. April 2010 sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil.

Der Senat hat im Berufungsverfahren weitere Durchgangsarztberichte hinsichtlich von Arbeitsunfällen des Klägers am linken Sprunggelenk vom 21. Februar 2011, 2. August 2016 und 22. September 2018 beigezogen. Des Weiteren hat er eine ergänzende Stellungnahme von U vom 15. Januar 2020 beigezogen. Darin führt U aus, dass der Kläger nach dem 15. April 2010 nicht nochmals wegen des Arbeitsunfalls vom 14. April 2010 in seiner Sprechstunde gewesen sei. Warum keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei, könne er heute nicht mehr sagen. Aus seiner Sicht könne ein "vollschichtiger" Beweis, ob der Arbeitsunfall vom 14. April 2010 zu einer dauerhaften chronischen sogenannten fibularen Bandinstabilität geführt habe, aus der bestehenden Aktenlage seinerseits nicht erbracht werden.

Der Senat hat den Unfallchirurgen G1 und die Radiologin B mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Die Radiologin B führt in ihrem Gutachten vom 14. August 2020 aus, dass sich dem MRT-Befund vom 8. August 2016 hinsichtlich des linken oberen Sprunggelenks entnehmen lasse, dass die frischeren, dem Unfallereignis vom 2. August 2016 zuzuordnenden Verletzungsfolgen, überlagert würden durch narbige Veränderungen sowohl am Innen- als auch - etwas moderater - am Außenbandapparat. G1 führt in seinem Gutachten vom 2. September 2020 aus, dass er die von dem Vorgutachter Sp gestellte Diagnose einer erstgradigen Außenbandinstabilität des linken oberen Sprunggelenks nachvollziehen könne. Soweit Sp jedoch als Unfallfolge nicht nur eine Zerrung des linken oberen Sprunggelenks ansehe, sondern eine infolge eines gerissenen Außenbandes entstandene erstgradige Außenbandinstabilität des linken oberen Sprunggelenks, sei dies unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht hinreichend wahrscheinlich. Es treffe zwar zu, dass die erstgradige Instabilität des linken oberen Sprunggelenks mit Wahrscheinlichkeit unfallbedingt erworben sei. Dies sei aber keineswegs gleichbedeutend damit, dass sie ursächlich auf den gegenständlichen Unfall vom 14. April 2010 zurückzuführen sei. Die im MRT-Befund des linken Sprunggelenks vom 8. August 2016 dargestellten Zeichen einer frischen Zerrung des Außenbandapparates seien auf den Unfall vom 2. August 2016 zurückzuführen. Bezüglich der dem MRT-Befund zu entnehmenden alten bandartigen Narbenbildung des außenseitigen Kapselbandapparates sei zwar eine Verursachung durch das Unfallereignis vom 14. April 2010 prinzipiell möglich, allerdings könnten die Veränderungen auch auf frühere oder spätere Supinationstraumen des linken oberen Sprunggelenks zurückzuführen sein. Dass sechs Jahre nach dem Unfall vom 14. April 2010 angefertigte MRT vom 8. August 2016 erlaube diesbezüglich keine weitere Differenzierung. Supinationstraumen würden erfahrungsgemäß von vielen Betroffenen selbst auskuriert, ohne dass ein Arzt zur Abklärung und Behandlung aufgesucht werde. Auch die Tatsache, dass der Kläger vor dem Unfall vom 14. April 2010 wettkampfmäßig Fußball gespielt habe, habe keine nennenswerte Indizwirkung bezüglich der Frage eines Vorschadens am linken oberen Sprunggelenk. Mit einem solchen Befund sei es möglich, wettkampfmäßig Fußball zu spielen. Hinsichtlich des Unfallereignisses vom 14. April 2010 sei über eine Zerrung des linken oberen Sprunggelenks hinaus keine weitere Unfallfolge nachgewiesen. Die Befunde aus dem H-Arzt-Bericht vom 15. April 2010 könnten Zeichen einer frischen Außenbandruptur sein, seien dafür aber nicht beweisend. Der Umstand, dass eine bildgebende Diagnostik nicht veranlasst worden sei, spreche bei der Abwägung eher dafür, dass der Befund am 15. April 2010 weniger eindrücklich gewesen sei. Aus den vorhandenen Informationen zum Unfallhergang ließen sich zur Frage der Differenzierung zwischen Zerrung und struktureller Verletzung des Außenbandes keine zusätzlichen Erkenntnisse ableiten. Die Ausführungen von Sp, dass angesichts der vom Kläger geschilderten eindrücklichen Erstsymptomatik von einer strukturellen Verletzung des Außenbandes auszugehen sei, seien für eine solche nicht beweisend. Denn auch eine Zerrung könne mit einer starken Beschwerdesymptomatik einhergehen. Der weitere Verlauf spre-che deutlich gegen eine strukturelle Verletzung. Eine weitere Vorstellung bei U sei nicht erfolgt. Nach zweiwöchiger Behandlung durch den Physiotherapeuten des Vereins habe der Kläger regulär am Spielbetrieb teilgenommen. Eine Brückensymptomatik sei nicht belegt. Die nächste aktenkundige Behandlung wegen des linken Sprunggelenks sei erst am 21. Februar 2011 wegen eines erneuten Unfallereignisses vom 19. Februar 2011 erfolgt.

Der Kläger hält die Ausführungen von G1 nicht für überzeugend. Die Therapie bei Leistungssportlern sei auf eine schnelle Rückkehr in den Spielbetrieb gerichtet. Nicht nachzuvollziehen sei, warum der H-Arzt Bericht vom 15. April 2010 als Normalbefund gewertet werde. Der Talusvorschub beim Kläger liege nicht mehr im Normalbereich. Die im H-Arztbericht be-schriebene Bewegungseinschränkung entspreche einer Grad III Verletzung, also einer Komplettruptur. Die Nichtveranlassung einer bildgebenden Diagnostik sei kein Indiz gegen eine strukturelle Verletzung. Bei einer konservativen Ruptur reiche der klinische Befund aus. Sp sei daher ergänzend zu hören.

Die Beklagte sieht sich durch die Ausführungen der Sachverständigen in ihrer Entscheidung bestätigt. G1 lege schlüssig dar, dass die von Sp angenommene Fallgestaltung nur eine Möglichkeit, aber nicht hinreichend wahrscheinlich sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die nach §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 SGG).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer erstgradigen Außenbandinstabilität des linken oberen Sprunggelenks als weiterer Folge des Arbeitsunfalls vom 14. April 2010.

Richtige Klageart für die Feststellung von Unfallfolgen ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1, 3 SGG.

Die Voraussetzungen für die Feststellung obengenannter Gesundheitsstörung als Unfallfolge sind nicht nachgewiesen. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und "Gesundheitsschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Dafür ist zwar keine absolute Gewissheit erforderlich; verbliebene Restzweifel sind bei einem Vollbeweis jedoch nur solange unschädlich, wie sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten. Der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ist regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben. Es darf also kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalles begründeter Zweifel mehr bestehen. Hinreichende Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 27/06 R -). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -).

Ausgehend hiervon steht zur Überzeugung des Senats fest, dass über die durch Bescheid vom 27. Januar 2017 festgestellte Zerrung des linken oberen Sprunggelenkes keine weiteren Unfallfolgen aus dem Ereignis vom 14. April 2010 festzustellen sind. Zwar liegt eine erstgradige Außenbandinstabilität des linken oberen Sprunggelenks im Falle des Klägers vollbeweislich gesichert vor. Diese kann jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 14. April 2010 zurückgeführt werden. Es gibt erhebliche gegen einen Ursachenzusammenhang sprechende Gesichtspunkte, sodass es dem Senat nicht möglich ist, die erforderliche richterliche Überzeugung eines Zusammenhangs zu gewinnen. Insbesondere die nach dem Unfallereignis vom 14. April 2010 erhobenen medizinischen Befunde stehen mit einer strukturellen Außenbandverletzung im Bereich des linken Sprunggelenkes nicht im Einklang. Zwar gehen beide Sachverständige sowohl Sp in seinem Gutachten vom 15. November 2017 als auch G1 in seinem Gutachten vom 2. September 2020 davon aus, dass die erstgradige Instabilität des linken oberen Sprunggelenks mit Wahrscheinlichkeit unfallbedingt erworben ist. G1 führt in seinem Gutachten hierzu aus, dass sich der kernspintomographischen Untersuchung des linken Sprunggelenks vom 8. August 2016 alte bandartige Narbenbildungen des außenseitigen Kapsel-Band-Apparates entnehmen lassen. Dieser Befund entspricht dem radiologischen Zusatzgutachten der Fachärztin für Radiologie B vom 14. August 2020. Darin führt diese in Auswertung des MRT-Befundes vom 8. August 2016 aus, dass sich frischere, einem anderen Unfallereignis vom 2. August 2016 zuzuordnende Verletzungsfolgen finden, welche überlagert werden durch narbige Veränderungen sowohl am Innen- als auch - etwas moderater - am Außenbandapparat. Dieser Befund steht im Einklang mit den Feststellungen des Sachverstän-digen Sp, nämlich einer früheren Bandverletzung mit narbiger Ausheilung. Soweit der Sachverständige Sp in seinem Gutachten vom 15. November 2017 darlegt, dass im Fall des Klägers die Schwere der Verletzungen verkannt worden sei und im Gegensatz zu den Feststellungen im H-Arzt-Bericht ein gerissenes Außenband vorgelegen habe, welches nicht ausgeheilt sei mit der nunmehrigen Folge einer Restinstabilität im oberen Sprunggelenk, sind diese Ausführungen nicht überzeugend und beruhen auf nicht gesicherten Annahmen. Denn eine wesentliche Begründung für die Annahme der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Ereignisses vom 14. April 2010 für die aktuell bestehenden Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Sprunggelenks ist das Fehlen konkurrierender Faktoren. Dies widerspricht jedoch den Beweisgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn der Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Unfallfolgen muss positiv festgestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte, naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.

G1 legt in seinem Gutachten vom 2. September 2020 hingegen überzeugend dar, dass allein die Tatsache, dass die erstgradige Instabilität des linken oberen Sprunggelenks mit Wahrscheinlichkeit unfallbedingt erworben ist, keineswegs gleichbedeutend damit ist, dass der Arbeitsunfall vom 14. April 2010 hierfür ursächlich ist. Im Einklang mit dem fachradiologischen Gutachten der Fachärztin für Radiologie B vom 14. August 2020 führt er aus, dass das MRT vom 8. August 2016 aufgrund der Tatsache, dass es erst sechs Jahre nach dem Unfallereignis vom 14. April 2010 angefertigt worden ist, hinsichtlich des Alters der narbigen Veränderungen im Bandapparat keine Differenzierung ermöglicht. Sodann legt G1 dar, dass Supinationstraumen erfahrungsgemäß von vielen Betroffenen selbst auskuriert werden, ohne einen Arzt aufzusuchen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger wettkampfmäßig Fußball gespielt hat. Dies schließt einen Vorschaden am linken oberen Sprunggelenk nicht aus. Denn auch mit einer erstgradigen Außenbandinstabilität am linken Sprunggelenk ist es möglich, wettkampfmäßig Fußball zu spielen. Die vom Kläger geschilderten Schmerzen unmittelbar nach dem Unfallereignis sind zwar mit einer strukturellen Verletzung des Außenbandes ver-einbar, für diese aber wiederum nicht beweisend. Denn auch eine Zerrung kann mit einer starken Beschwerdesymptomatik einhergehen. Entscheidend ist daher auf die im H-Arzt-Bericht vom 15. April 2010 erhobenen Befunde abzustellen. Insoweit legt G1 überzeugend dar, dass die am 15. April 2010 am linken oberen Sprunggelenk dokumentierten klinischen Befunde Zeichen einer frischen Außenbandruptur sein können, dafür aber nicht beweisend sind. Die Schwellung des linken oberen Sprunggelenks wurde nicht näher beschrieben, sodass eine Differenzierung zwischen Zerrung und struktureller Verletzung hieraus nicht abgeleitet werden kann. G1 wertet sodann den Umstand, dass keine bildgebende Diagnostik veranlasst worden ist, als Anzeichen dafür, dass der Befund am 15. April 2010 weniger eindrücklich war. Als weiteres Indiz gegen eine strukturelle Bandverletzung durch das Ereignis vom 14. April 2010 hat G1 in seinem Gutachten vom 2. September 2020 den weiteren Behandlungsverlauf gewertet. Nach der Vorstellung bei U am 15. April 2010 erfolgte keine weitere ärztliche Kontaktierung. Es erfolgte eine physiotherapeutische Behandlung für ca. 2 Wochen, nach der der Kläger wieder am regulären Spielbetrieb teilnahm. Dies wertet G1 als deutliches Indiz dafür, dass eine strukturelle Bandverletzung am 14. April 2010 nicht vorgelegen hat. Des Weiteren führt G1 aus, dass eine Brückensymptomatik nicht aktenkundig belegt ist. Die nächste Behandlung wegen des linken Sprunggelenks fand wegen eines erneuten Unfalls vom 19. Februar 2011 am 21. Februar 2011 statt.

Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 2. November 2020 stellen die Feststellung des Sachverständigen G1 nicht in Frage. Sein Gutachten steht mit der Leitlinie Unfallchirurgie – neu erarbeitete Leitlinie, AWMF-Nr. 012-022, Frische Außenbandruptur am Oberen Sprunggelenk in Einklang. G1 legt seinem Gutachten die Klassifikation nach Ziffer 1.5 der Leitlinie zu Grunde. Er legt dar, dass dem H-Arztbericht vom 15. April 2010 ein Millimeterbereich für den Talusvorschub nicht entnommen werden kann. Insofern kann der am 15. April 2010 klinisch festgestellte Talusvorschub bereits deshalb nicht näher eingeordnet werden und die Feststellung Grad III Verletzung im Sinne einer Komplettruptur ist nicht möglich. G1 stellt in seinem Gutachten auch nicht in Abrede, dass anhand der klinischen Diagnostik der Nachweis einer frischen Außenbandruptur gelingen kann. Dies scheitert vorliegend jedoch daran, dass das Ausmaß der Schwellung im H-Arztbericht nicht weiter beschrieben worden ist. Allein dass bestimmte klinische Befunde erhoben worden sind, reicht auch nach der zitierten Leitlinie zur Diagnosestellung nicht aus. Diese sind vielmehr zu würdigen. Rechtfertigende Gesichtspunkte für die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Sp sind angesichts dessen nicht ersichtlich.

Der Senat ist nicht gehalten, die Röntgenaufnahmen vom 21. Februar 2011 weiter auswerten zu lassen. Insoweit ergibt sich aus den Ausführungen von G1 in seinem Sachverständigengutachten, dass dies für die Beweisfrage keine weiteren Erkenntnisse erbringen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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