L 3 AS 696/18

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 68/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 696/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für das Nichtvorliegen von Vertrauen nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X und die fehlende Schutzwürdigkeit trägt im Grundsatz die Behörde die objektive Beweislast. Allerdings entwickelt und manifestiert sich das Vertrauen in der Sphäre des Begünstigten. Ihm obliegt es deshalb, zumindest sein Vertrauen und die Voraussetzungen für dessen Schutzwürdigkeit gegenüber der Behörde substantiiert darzulegen; er unterliegt insofern der Darlegungslast
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. Juni 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten in Höhe von insgesamt 17.005,60 EUR, welche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2012 betreffen.

Der 1981 geborene Kläger befindet sich seit dem 14. Lebensjahr wegen einer schizophrenen chronischen Erkrankung in psychiatrischer Behandlung. Er leidet an einer wechselnden Affektlage mit depressiven Phasen und maniformen Symptomen sowie einer veränderten Eigen- und Fremdwahrnehmung.

Der Kläger war seit dem 1. Oktober 2000 in den Studiengängen Germanistik sowie Mittlere und Neue Geschichte der Universität A ... als Student eingeschrieben. Während des Studiums erhielt der Kläger zunächst über mehrere Jahre Leistungen nach dem Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG).

Der Kläger wurde vom 9. Februar 2001 bis zum 31. Mai 2001 und vom 27. Januar 2003 bis zum 7. März 2003 stationär im Y ...-Klinikum A ... behandelt. Die schizoaffektive Erkrankung des Klägers wurde 2003 gesichert diagnostiziert.

Der Kläger legte erfolgreich am 15. Oktober 2003 eine Fachprüfung in Literaturwissenschaften, am 9. Februar 2004 eine Klausur, am 10. Februar 2004 eine mündliche Teilprüfung, am 12. Februar 2004 eine zweite mündliche Teilprüfung und eine Zwischenprüfung in Mittlerer und Neuer Geschichte sowie am 13. Februar 2004 eine Fachprüfung in Sprachwissenschaft und die Zwischenprüfungen in Germanistik und Deutsch ab.

Der Kläger befand sich erneut vom 27. November 2004 bis zum 1. März 2005 in stationärer Behandlung im Y ...-Krankenhaus A ... Südost GmbH – Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Das Studentenwerk A ... teilte ihm unter Bezugnahme auf seinen Antrag auf Ausbildungsförderung vom 4. März 2004 und die Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2005 mit Schreiben 17. Dezember 2004 mit, dass eine Beurlaubung anzuraten sei, wenn absehbar sei, dass die Krankheit länger als drei Monate dauere, Wenn keine nachträgliche Beurlaubung für das laufende Semester erfolgen würde, werde bei Krankheit Ausbildungsförderung höchstens für drei Monate und somit bis Februar 2005 bezahlt. Die Zahlung werde daher für den Monat März 2005 vorsorglich eingestellt.

Der Kläger beantragte daraufhin erstmals mit einem am 15. Februar 2005 unterschriebenen Antrag vom 17. Januar 2005 beim Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab in seinem Antrag an, dass er krank, keine drei Stunden erwerbsfähig und Student sei. Er legte eine Bescheinigung des Y ...-Klinikums vom 7. Februar 2005 vor, wonach er seit dem 27. November 2004 in stationärer Behandlung sei und mit einer weiteren Behandlungszeit von 4 bis 6 Wochen und einer wieder normalen Leistungs- und Arbeitsfähigkeit in spätestens in ca. 6 Monaten gerechnet werde.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18. Februar 2005 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab, da der Kläger auf der Grundlage des § 7 Abs. 5 SGB II von der Leistungserbringung ausgeschlossen sei.

Der Kläger wandte sich gegen den Ablehnungsbescheid mit Widerspruch vom 3. März 2005. Es sei ihm unklar, weshalb sein Antrag abgelehnt werde, da er aufgrund der Krankheit und des Urlaubssemesters von März 2005 bis Oktober 2005 absolut keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung habe. Er sei am 1. März 2005 auf dem Sozialamt bei Frau X ... gewesen, die auch das Sozialgeld abgelehnt habe, da auf höherer Ebene die Agentur für Arbeit für zuständig erklärt worden sei. Dies sei in einem Telefonat zwischen Frau W ... (Leiterin Sozialamt) und Herrn Dr. V ... (Chef der ARGE) festgelegt worden. Er bitte um eine schnelle Bearbeitung.

Nach Vorlage einer Studienbescheinigung und Nachweis der Beurlaubung im Sommersemester 2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24. Mai 2005 Leistungen für die Zeit vom 1. März 2005 bis zum 31. August 2005.

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 16. August 2005, mit welchem er darauf hinwies, dass er ab Oktober 2005 wieder studiere und ab dann wahrscheinlich wieder BAföG-Empfänger sei und daher um eine Fortzahlung für September 2005 bitte, bewilligte der Beklagte die Leistung für September 2005 und lehnte weitere Leistungen ab, da der Kläger ab Oktober 2005 sein Studium wieder aufgenommen habe.

Der Kläger war im Wintersemestern 2005/2006, dem Sommersemester 2006 und dem Wintersemester 2006/2007 nicht beurlaubt. Er befand sich ab Mai 2007 bis zum 7. Januar 2008 mehrfach in stationärer Behandlung im Y ...-Klinikum A ...

Am 14. März 2007 beantragte der Kläger erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und gab an, aufgrund des Studiums und der chronischen Krankheit nicht erwerbsfähig zu sein und sich bis Juli 2008 im Studium zu befinden.

Mit Schreiben vom 24. April 2007 bat der Kläger, seinen Antrag auf Arbeitslosengeld II zu bewilligen, da er noch ca. 3 Semester bis zu seinem Abschluss habe, wegen der chronischen Erkrankung nicht neben dem Studium arbeiten könne und ihm vier Semester aufgrund seiner Krankheit fehlen würden, da er in dieser Zeit Ausbildungsförderung empfangen habe, obwohl er eigentlich Arbeitslosengeld II hätte bekommen müssen und er nunmehr keinen Anspruch auf andere Zahlungen mehr habe. Den ablehnenden BAföG-Bescheid werde er nachliefern.

Mit Scheiben vom 5. Juni 2007 teilte der Kläger mit, dass er aufgrund seiner Erkrankung von März bis Oktober 2007 erneut ein Urlaubssemester eingelegt habe, so dass nunmehr die finanzielle Unterstützung geleistet werden müsse.

Mit Bescheid vom 22. Juni 2007 lehnte das Studentenwerk den BAföG-Antrag des Klägers vom 24. April 2007 wegen teilweise fehlender Mitwirkung nach § 60 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) für den Bewilligungszeitraum von April 2007 bis März 2008 ab.

Der Kläger reichte beim Beklagten eine ärztliche Stellungnahme des Y ...-Klinikums vom 17. Juli 2007 ein, wonach er aus ärztlicher Sicht eine Tätigkeit von mindestens drei Stunden am Tag ausüben könne. Zudem legte er eine Immatrikulationsbescheinigung für das Sommersemester vom 1. April 2007 bis zum 30. September 2007 vor, ausweislich derer er immatrikuliert und beurlaubt war.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 23. Juli 2007 für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 30. September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zunächst in Höhe von monatlich 380,21 EUR und ab Juli 2007 in Höhe von monatlich 382,21 EUR.

Der Kläger beantragte am 31. August 2007 die Weiterbewilligung ab dem 1. Oktober 2007 und teilte mit, dass er ab Oktober 2007 wieder Student sei und sein Urlaubssemester enden werde. Leider habe er keinen Anspruch mehr auf BAföG-Zahlungen. Doch nach einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Studentenwerks habe er Anspruch auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II.

Mit Bescheid vom 20. September 2007 lehnte das Studentenwerk Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 15 Abs. 3 Buchst. a BAföG für den Zeitraum von April 2007 bis März 2008 ab. Die Förderungshöchstdauer habe im März 2006 geendet. Er sei mit dem Schreiben vom 18. September 2007 auch nicht innerhalb von vier Monaten nach diesem Zeitpunkt zur Abschlussprüfung zugelassen worden, und die Prüfungsstelle habe nicht den möglichen Abschluss der Ausbildung innerhalb der Abschlusshilfsdauer von 12 Monaten bescheinigt.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. September 2007 die Leistungsbewilligung ab dem 1. Oktober 2007 wegen des laufenden Studiums und dessen grundsätzlicher Förderungsfähigkeit ab.

Der Kläger meldete sich telefonisch am 19. Dezember 2007 aus dem Y ...-Klinikum beim Beklagten und teilte mit, dass er stationär aufgenommen worden sei und um Zusendung eines Arbeitslosengeld II-Antrages bitte. Er befand sich vom 18. November 2007 bis zum 7. Januar 2008 in stationärer Behandlung.

Der Kläger sprach am 8. Januar 2008 persönlich beim Beklagten vor. Er wurde ausweislich eines Aktenvermerks beim Betreten des Zimmers ausfällig. Sein Leistungsantrag lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Den angebotenen neuen Termin am 10. Januar 2008 lehnte der Kläger wegen anderer Termine ab.

Am 14. Januar 2008 übersandte der Kläger einen Leistungsantrag mit der Post und gab an, dass er mindestens drei Stunden täglich arbeiten könne, Student sei und beurlaubt sei. Es sei eine Frechheit, erwachsene Menschen von den Eltern abhängig zu halten. Er reichte eine Immatrikulationsbescheinigung für das Wintersemester 2007/2008 ein, ausweislich derer er immatrikuliert, aber wegen Krankheit beurlaubt war.

Am 17. Januar 2008 fragte der Kläger telefonisch nach dem Bearbeitungsstand.

Mit Bescheid vom 21. Januar 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 18. Dezember 2007 bis zum 30. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2008 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage der Exmatrikulationsbescheinigung ab April 2008 auf. Der Kläger teilte mit Veränderungsmitteilung vom 4. Februar 2008 mit: "Studium ab 1.4.08".

Mit Bescheid vom 7. Februar 2008 hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltens mit Wirkung vom 1. April 2008 auf.

Mit Schreiben vom 4. März 2008 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein. Es werde verlangt, dass er sich exmatrikulieren lasse, was für seine berufliche Zukunft äußerst nachteilig sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da er sein Studium an der Universität A ... wieder aufgenommen habe, sei er vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen und es bestehe kein Anspruch.

Im Sommersemester 2008 bezog der Kläger weder Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz noch Arbeitslosengeld II, jedoch Wohngeld.

Der Kläger beantragte am 28. Oktober 2008 beim Beklagten für den Zeitraum von Oktober 2008 bis März 2009 Leistungen nach dem SGB II und gab an, bis März 2010 Student zu sein. Er legte die Immatrikulationsbescheinigung vom 21. Oktober 2008 vor, ausweislich derer er im Wintersemester 2008/2009 immatrikuliert und beurlaubt war.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10. November 2008 für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 531,58 EUR.

Auf den am 27. April 2009 eingegangenen Weiterbewilligungsantrag bewilligte der Beklagte dem Kläger, nachdem dieser auf die Erinnerung vom 23. Juni 2009 hin die Immatrikulationsbescheinigung vom 18. Juni 2009 nebst Nachweis der Beurlaubung für das Sommersemester 2009 eingereicht hatte, mit Bescheid vom 29. Juni 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 27. April 2009 bis zum 30. September 2009 in Höhe von 70,88 EUR für April 2009, jeweils 531,58 EUR für Mai und Juni 2009 und jeweils 539,43 EUR ab Juli 2009.

Der Kläger befand sich vom 18. April 2009 bis zum 5. Mai 2009, vom 14. Mai 2009 bis zum 4. Juni 2009, vom 8. Juni 2009 bis zum 11. Juni 2009 und vom 2. August 2009 bis zum 28. August 2009 in stationärer Behandlung im Y ...-Klinikum.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 9. September 2009, in dem der Kläger auf die Frage, ob sich in den persönlichen Verhältnissen Änderungen ergeben hätten, das Kreuz bei "Nein" setzte, bewilligte der Beklagte ihm nach Anforderung der Immatrikulationsbescheinigung mit Schreiben vom 21. September 2009 und nachdem der Kläger zunächst am 23. September 2009 ein Immatrikulationsbescheinigung vom 22. September 2009 ohne Beurlaubung und nach erneuter telefonischer Rücksprache am 29. September 2009 am 9. Oktober 2009 eine Immatrikulationsbescheinigung vom 1. Oktober 2009 mit Beurlaubung für das Wintersemester 2009/10 einreichte, mit Bescheid vom 12. Oktober 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 in Höhe von 539,43 EUR monatlich.

Der Kläger nahm im Februar 2010 das Studium wieder auf und war nicht mehr beurlaubt. Dies teilte er dem Beklagten nicht mit. Er schrieb ausweislich der Leistungsübersicht der Universität A ... am 6. Februar 2010 eine Klausur, wurde am 8. Februar 2010 mündlich in Geschichte des Mittelalters und Geschichte der Frühen Neuzeit geprüft und bestand die Magisterprüfung im Hauptfach Mittlere und Neue Geschichte mit "befriedigend"

Mit Antrag vom 19. Februar 2010 begehrte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und setze unter dem Punkt 2 "Änderungen in den persönlichen Verhältnissen" das Kreuz bei "nein". Zudem machte er keine Angaben unter Punkt 2c: "Studentin/Student seit bis (Tag/Monat/Jahr) Legen Sie bitte eine Studienbescheinigung vor.". Er fügte seinem Antrag weder ein persönlichen Anschreiben noch eine Studienbescheinigung bei. Er legte eine Bescheinigung des Y ...-Klinikums A ... vom 12. Februar 2010 vor, welche ausweist, dass er sich in permanenter ambulanter Behandlung in der Einrichtung befinde.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. April 2010 bis zum 30. September 2010 in Höhe von 539,75 EUR monatlich.

Mit Antrag vom 23. August 2010 begehrte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, setzte erneut unter dem Punkt 2 das Kreuz bei "nein" und machte weder unter Punkt 2c noch an anderer Stelle Angaben zu seinem fortgesetzten Studium.

Mit Bescheid vom 25. August 2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 in Höhe von monatlich 539,75 EUR.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 3. September 2010 die Übernahme der Betriebskostenabrechnung in Höhe von 95,74 EUR, welche er vorlegte. Mit Schreiben vom 4. November 2010 wies er darauf hin, dass die neue Miete nun 195,50 EUR betrage und ab 1. Oktober 2010 gelte. Er bitte um rückwirkende Überweisung der Differenz. Zudem legte er die aktuelle Krankschreibung in Kopie vor.

Mit Bescheid vom 12. November 2010 bewilligte der Beklagte die Übernahme der Heiz- und Betriebskostenabrechnung in voller Höhe.

Mit Änderungsbescheid vom 12. November 2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger unter Änderung des Bescheides vom 25. August 2010 für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 monatlich 548,03 EUR.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 reichte der Kläger eine aktuelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein.

Mit Antrag vom 3. März 2011 begehrte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, setzte erneut unter dem Punkt 2 das Kreuz bei "nein" und machte weder unter Punkt 2c noch an anderer Stelle Angaben zu seinem fortgesetzten Studium.

Mit Bescheid 8. März 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2011 in Höhe von monatlich 548,03 EUR.

Auf die Aufforderungen zur persönlichen Meldung am 18. Mai 2011 reichte der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein.

Ausweislich der Leistungsübersicht der Universität A ... ist unter dem 30. Mai 2011 die Magisterarbeit des Klägers vermerkt.

Mit Schreiben vom 16. August 2011 beantragte der Kläger die Erstattung der Nachforderung der Nebenkosten in Höhe von 152,04 EUR. Der Beklagte bewilligte die Kostenübernahme in voller Höhe mit Bescheid vom 19. September 2011.

Auf die Aufforderungen zur persönlichen Meldung am 4. August 2011 reichte der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein.

Mit Antrag vom 19. August 2011 begehrte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Er setzte erneut unter dem Punkt 2 das Kreuz bei "nein" und machte weder unter Punkt 2c noch an anderer Stelle Angaben zu seinem Studium.

Mit Bescheid 19. September 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. März 2012 in Höhe von monatlich 553,03 EUR.

Auf die Aufforderung zur persönlichen Meldung am 26. Januar 2012 reichte der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein.

Ausweislich der Leistungsübersicht der Universität A ... absolvierte der Kläger am 21. Februar 2012 erfolgreich die mündliche Fachprüfung in Literaturwissenschaft.

Mit Antrag vom 5. März 2012 begehrte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, setzte erneut unter dem Punkt 2 das Kreuz bei "nein" und machte weder unter Punkt 2c noch an anderer Stelle Angaben zu seinem Studium.

Mit Bescheid 7. März 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. April 2012 bis zum 30. September 2012 in Höhe von monatlich 569,50 EUR.

Der Beklagte forderte vom Kläger ab dem Weiterbewilligungsantrag vom 19. Februar 2010 weder die Vorlage der Immatrikulationsbescheinigung noch den Nachweis der Beurlaubung. Der Kläger war in diesem Zeitraum immatrikuliert und nicht beurlaubt, betrieb in Absprache mit der Universität im Rahmen seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit sein Studium und befand sich ab dem Sommer 2009 allein in ambulanter und nicht in stationärer Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des Y ...-Klinikums in A ...

Mit Schreiben vom 21. März 2012 forderte der Beklagte vom Kläger einen Nachweis zur Exmatrikulation.

Ausweislich der Leistungsübersicht der Universität A ... absolvierte der Kläger am 27. März 2012 erfolgreich die mündliche Fachprüfung in Sprachwissenschaft und die Magisterprüfung.

Der Kläger schloss das Studium am 31. März 2012 ab und es erfolgte die Exmatrikulation. Er reichte am 4. Mai 2012 die angeforderte Exmatrikulationsbescheinigung ein, welche eine Immatrikulation für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. März 2012 und die Exmatrikulation ausweist.

Der Kläger beantragte am 17. September 2012 die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Er setzte unter Punkt 2 das Kreuz bei "Ja" und gab an, vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. März 2012 Student gewesen zu sein.

Der Kläger befand sich ab den 19. April 2013 immer wieder teilweise für Monate und teilweise nur an einzelnen Tagen in stationärer Behandlung im Y ...-Klinikum A ...

Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 19. November 2013 äußerte der Kläger den Wunsch, sich freiberuflich als Schriftsteller und Autor selbständig zu machen. Er gab an, sein Studium im April 2012 abgeschlossen zu haben und reichte seine Magisterurkunde ein. Daraufhin forderte der Beklagte zur Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen die Vorlage einer Studienverlaufsbescheinigung, welche der Kläger am 7. Januar 2014 einreichte. Diese wies die Studien- und Urlaubssemester des Klägers aus.

Der Beklagten hörte mit Schreiben vom 10. April 2014 sowie drei Schreiben vom 16. April 2014 den Kläger zu den möglichen Überzahlungen im streitbefangenen Zeitraum und der beabsichtigten Aufhebung der Bewilligungsbescheide an. Die fehlerhafte Bewilligung sei durch arglistige Täuschung erwirkt worden. Zudem seien in den Anträgen zumindest grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht worden, da er sich entgegen der Angaben in Ausbildung befunden habe, die Ausbildung grundsätzlich förderfähig und er daher von Leistungen nach § 7 Abs. 5 und 6 SGB II mit Ausnahme der Leistungen nach § 27 SGB II ausgeschlossen gewesen sei. Zudem sei ihm die fehlerhafte Bewilligung bekannt gewesen.

Mit Schreiben vom 12. April 2014 erklärte der Kläger hierzu, dass er aufgrund seiner Erkrankung und der daraus folgenden Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf die Leistungen habe.

Mit insgesamt vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 14. Mai 2014 hob der Beklagte für den Zeitraum von April 2010 bis März 2012 die Bewilligungen der erbrachten Leistungen auf und forderte diese in Höhe von insgesamt 17.005,60 EUR (für die Monate April 2010 bis September 2010 in Höhe von insgesamt 4.103,04 EUR, für die Monate Oktober 2010 bis März 2011 in Höhe von insgesamt 4.279,33 EUR, für die Monate April 2011 bis September 2011 in Höhe von insgesamt 4.366,50 EUR und für die Monate Oktober 2011 bis März 2012 in Höhe von insgesamt 4.256,73 EUR) zurück

Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2014 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 8. Januar 2015 Klage beim Sozialgericht erhoben.

Das Amtsgericht A. (Az.: 531 XVII./14) hat die Begutachtung des Klägers veranlasst und mit Beschluss vom 4. Juni 2015 angeordnet, dass von der Bestellung eines Betreuers abgesehen werde. Der Betroffene sei zur Anhörung nicht erschienen und habe mitgeteilt, dass er eine Hilfe durch einen Betreuer nicht benötige. Auf den Inhalt des beigezogenen vom Amtsgericht veranlassten psychiatrischen Gutachtens vom 6. Mai 2015 wird Bezug genommen.

Die Staatsanwaltschaft A. hat dem Kläger zur Last gelegt, am 12. August 2015 ein Viereck mit weißer Farbe auf den Platz vor dem Bundesverwaltungsgericht geschmiert zu haben. Zudem geht aus weiteren Anzeigen hervor, dass der Kläger am 13. August 2015 in einer Backwerk-Filiale randaliert und einen Kassenmonitor aus der Verankerung gerissen habe. Am 9. September 2015 habe er laut herumgeschrien und sich geweigert die Universitätsbibliothek zu verlassen. Am 3. November 2015 habe er eine Kenn-zeichenhalterung eines Polizeifahrzeuges beschädigt, vor der Bibliothek Personen belästigt und geschlagen sowie gegen Fahrräder getreten und eine Holztür zum Vorraum einer Zahnarztpraxis beschädigt. Am 26. Dezember 2015 habe er in der Wohnung einen Pullover verbrannt, um sich nach eigener Aussage selbst zu läutern. In allen Fällen erfolgte eine Einweisung ins Y ...-Klinikum A ... durch den Notarzt. Es finden sich weitere polizeiliche Vermerke zu Vorfällen zwischen November und Dezember 2015.

Auf Veranlassung des Amtsgerichts A ... wurde im Strafverfahren Az.: 227 Ds 441 Js./15 am 18. Mai 2016 ein forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten erstellt, ausweislich dessen zum Zeitpunkt der Tat im August 2015 die Voraussetzungen für eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit gegeben und die Voraussetzungen aufgehobener innerer Freiheitsgrade nicht ausgeschlossen werden könnten. Der Kläger habe sich während der ihm zur Last gelegten Sachbeschädigung in einer akuten Krankheitsphase befunden, so dass seine spezifische Handlungsbereitschaft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Störung bedingt gewesen sei. Auf den Inhalt des beigezogenen Gutachtens wird Bezug genommen.

Das Amtsgericht A. hat mit Beschluss vom 17. Juni 2016 das den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt betreffende Strafverfahren wegen Betruges (Az.:. Ds) gemäß § 206a der Strafprozessordnung (stopp) wegen Schuldunfähigkeit eingestellt.

Der Rentenversicherungsträger hat rückwirkend ab 2015 eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers festgestellt. Aufgrund Nichterfüllung der Anwartschaftszeiten besteht jedoch kein Rentenanspruch.

Das Amtsgericht A. hat am 20. Dezember 2016 einen Betreuer für den Kläger bestellt, dessen Aufgabenkreis auch die Vertretung gegenüber Sozialversicherungsträgern umfasst.

Das Sozialgericht hat die Begutachtung des Klägers auf dem Fachgebiet der Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie durch Oberarzt U ..., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, T ... Klinik am S ... Y ...-Klinikum A ..., veranlasst und den Gutachter in der mündlichen Verhandlung am 14. Juni 2018 gehört. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 21. Juni 2016 und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 14. Juni 2018 die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Da der Sachverständige angegeben habe, dass auch in stabilen Phasen kurze wahnhafte Episoden auftreten könnten und aufgrund der nur ambulanten Behandlung nicht auszuschließen sei, dass dies auch im streitgegenständlichen Zeitraum geschehen sei, bestünden bereits Zweifel an der Schuldfähigkeit des Klägers, so dass ein Fahrlässigkeitsvorwurf grundsätzlich fraglich sei. Ein gesteigerter Fahrlässigkeitsvorwurf sei daher nicht festzustellen.

Der Beklagte hat sich gegen das ihm am 3. Juli 2018 zugestellte Urteil am 23. Juli 2018 mit Berufung gewandt. Das Sozialgericht habe die Aussage des Gutachters in der mündlichen Verhandlung einseitig zugunsten des Klägers gewertet. Im Gutachten vom 21. Juni 2016 habe der Gutachter ausgeführt, dass "zum angefragten Behandlungszeitraum in der Akte keine Anhaltspunkte für eine reduzierte Störungsfähigkeit oder stärkere psychotische Symptome zu entnehmen sind." Zudem würden das tatsächliche Betreiben und der erfolgte Abschluss des Studiums für die volle Einsichtsfähigkeit des Klägers in sein Handeln und damit für grobe Fahrlässigkeit sprechen. Wahrheitswidrig habe er in den Anträgen auf Weiterbewilligung angegeben, dass sich keine Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen ergeben hätten. Er. der Beklagte, habe daher davon ausgehen dürfen, dass der Kläger, wie in der von ihm am 9. Oktober 2009 vorgelegten Immatrikulationsbescheinigung nachgewiesen, zwar an der Universität A ... immatrikuliert aber weiterhin beurlaubt sei und seinem Studium nicht nachgehe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. Juni 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Sozialgericht habe zu Recht die mündliche Aussage des Gutachters seiner Würdigung zugrunde gelegt. Erst durch diese habe herausgearbeitet werden können, dass der Kläger auch in den sogenannten stabilen Phasen unter wahnhaften Episoden gelitten habe und es auch während der Medikation zu für ihn gewinnbringenden manischen Phasen habe kommen können, so dass er auch in diesen Phasen komplexere Arbeiten habe anfertigen können. Auch die Ausführung des Gutachters im Termin, dass in den Jahren 2009 bis 2011 nach dem Versterben der Eltern religiös besetzte Gedanken und entsprechende Symptome gegeben habe, hätte die Aussagen im schriftlichen Gutachten relativiert. Soweit der Beklagte darauf verweise, dass der Kläger aufgrund des Leistungsbezuges mit Unterbrechungen in den Jahren 2005 bis 2010 hätte wissen müssen, dass er ab April 2010 keinen Anspruch gehabt habe, übersehe er, dass der Kläger in diesen Zeiträumen mehrfach, teilweise während der Antragstellung oder kurz danach in stationärer Behandlung gewesen sei. Es dürfe bezweifelt werden, dass der Kläger ausgereichte Merkblätter wahrgenommen oder den Inhalt hätte verstehen können. Der Kläger habe immer nur auf Anforderung gehandelt und dann immer wahrheitsgemäß die notwendigen Unterlagen beigebracht.

Auf Anforderung des Senats hat die Universität A ... zum Kläger vorhandene Unterlagen zum absolvierten Studium zur Akte gereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte beider Instanzen, auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Leipzig zu den Aktenzeichen 441 Js 59916/15 und verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung ist begründet. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten vom 14. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 sind rechtmäßig. Auf die Berufung des Beklagten ist das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben der vorinstanzlichen Entscheidung des Sozialgerichts vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten jeweils vom 14. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014, gegen die sich der Kläger zutreffend mit der (isolierten) Anfechtungsklage wendet (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Mit den genannten Verwaltungsakten hat der Beklagte unter Benennung der Bescheiddaten, der konkreten Leistungszeiträume, der Leistungsarten und der einzelnen Aufhebungsbeträge sämtliche Bewilligungsbescheide vollständig aufgehoben, mit welchen dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2012 bewilligt worden sind, und die Pflicht zur Erstattung der ausgezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 17.005,60 EUR festgestellt.

2. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide ist § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II (in der hier maßgebenden, seit 1. April 2011 geltenden Fassung; vgl. Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 [BGBl. I S. 850]), § 330 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) in Verbindung § 45 Abs. 1, Abs. 2 bis 4 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Denn die Bescheide, die durch die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben wurden, waren mangels Vorläufigkeitsvorbehalt endgültige Bewilligungen. Ihre Änderung kann daher nur nach Maßgabe der vertrauensschützenden Regelungen der §§ 45 ff. SGB X erfolgen, die hier nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung § 330 Abs. 2 SGB III anzuwenden sind.

3. Die angegriffenen Rücknahmebescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere wurde der Kläger gemäß § 24 Abs. 1 SGB X ordnungsgemäß unter Darlegung des ihm vorgeworfenen Sachverhalts vor Erlass der Bescheide angehört. Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.

a) Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. In diesen Fällen ist die Rücknahme des Verwaltungsakts auch bei Verbrauch der erbrachten Leistungen möglich; der Begünstigte kann sich nicht auf ein Vertrauen und damit nicht auf den Bestand des Verwaltungsakts berufen. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach den genannten Regelungen setzt nach deren systematischen Stellung im Gefüge der §§ 44 ff. SGB X voraus, dass eine ursprüngliche Rechtswidrigkeit vorlag, der Verwaltungsakt also bereits im Zeitpunkt seines Erlasses und somit dem Zeitpunkt seines Wirksamwerdens (vgl. § 39 Abs. 1 SGB X) rechtswidrig war (ständ. Rspr. vgl. nur BSG Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 76/05 RBSGE 96, 285 FF. = SozR 4-4300 § 122 Nr. 4 = juris Rdnr 13).

b) Vorliegend waren – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – sämtliche aufgehobenen Bewilligungsbescheide bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig. Der Kläger hatte aufgrund der erneuten Aufnahme des Studiums keinen Anspruch auf die bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs ist § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 in Verbindung §§ 7 ff., 20 ff. SGB II (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R – SozR 4-4200 § 11 Nr. 78 = juris Rdnr. 14 f.).

Zwar hatte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum die Grundvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt. Er hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), war hilfebedürftig (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Ferner war er im hier maßgebenden Leistungszeitraum erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 8 Abs. 1 SGB II, das heißt, er war nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hieran bestehen für den Senat aufgrund der eigenen Angaben des Klägers in den Weiterbewilligungsanträgen, den von ihm nachweislich erbrachten Studienleistungen, den nur ambulanten Behandlungen in den maßgebenden Bewilligungszeiträumen und den Angaben seiner Ärzte vor der Verschlimmerung der Erkrankung 2013 und nochmals 2015, wonach dem Kläger trotz der attestierten Arbeitsunfähigkeit bestätigt wurde, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden täglich und somit zumindest in diesem eingeschränkten Umfang erwerbstätig zu sein, kein Zweifel.

Der Kläger hatte gleichwohl keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu beanspruchen, weil er als Student von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen war.

Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung hatten Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig war, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II dieser Gesetzesfassung konnten in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden. Nach § 7 Abs. 5 SGB II in der vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung (vgl. Artikel 5 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]) hatten Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 51, 57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig war, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Rückausnahmen waren – und sind – in § 7 Abs. 6 SGB II geregelt.

Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass das Studium des Klägers im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes förderfähig war. Der Kläger hatte BAföG-Leistungen bezogen. Gründe für die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 6 SGB II liegen – ebenfalls unstreitig – nicht vor. Insbesondere wohnte der Kläger nicht bei seinen Eltern und hatte einen eigenen Hausstand. Die dem Kläger zunächst gewährten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz wurden allein wegen des Überschreitens der Förderungshöchstdauer versagt. Die Frage der Darlehensgewährung nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II (in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung) und sodann nach § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II (in der vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 [BGBl. I S. 850]) stellt sich bereits dem Grunde nach nicht. Ein Darlehen wurde nicht beantragt und hätte der Rückzahlungsverpflichtung unterlegen. Mehrbedarfe im Sinne des § 27 Abs. 2 SGB II wurden nicht beantragt.

c) Entgegen der Ausführungen des Sozialgerichts kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, die bezogenen Leistungen verbraucht und auf den Bestand der Bewilligungsbescheide vertraut zu haben.

(1) Zwar steht dem Vertrauensschutz nicht bereits § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X entgegen. Der Kläger erlangte die Leistung nicht durch arglistige Täuschung im Sinne der Vorschrift. Eine Täuschung liegt vor, wenn der Betroffene beim zuständigen Sachbearbeiter des Sozialleistungsträgers einen Irrtum hinsichtlich des zutreffenden Sachverhalts hervorgerufen oder unterhalten hat. Dazu muss er entweder unrichtige Tatsachen vorgespiegelt oder die zutreffenden Tatsachen entstellt haben. Die Täuschungshandlung kann auch im Verschweigen von Tatsachen liegen. Das setzt jedoch in Abgrenzung zu § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X voraus, dass der Sachbearbeiter des Sozialleistungsträgers nach diesen Tatsachen gefragt hat. Denn Arglist verlangt einen Täuschungswillen (vgl. Padé, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2. Aufl., 2020] § 45 Rdnr. 80). Der Betroffene muss vorsätzlich unredlich gewesen sein (vgl. Padé, a. a. O., Rdnr. 79; vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 77/09 R – SozR 4-1300 § 48 Nr. 18 = juris, jeweils Rdnr. 51). Da nach der fortbestehenden Beurlaubung in den maßgeblichen Jahren nicht gefragt wurde, ist eine arglistige Täuschung im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X vorliegend nicht gegeben.

(2) Jedoch beruhen die Verwaltungsakte auf Angaben, die der Kläger grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X).

(2.1) Unrichtig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X sind Angaben nicht allein dann, wenn Umstände erklärt werden, die dem tatsächlichen Sachverhalt nicht entsprechen. Unrichtig kann eine Angabe vielmehr auch durch passives Verschweigen von Umständen werden. Voraussetzung ist, dass der konkret verschwiegene Umstand, hier die abweichend von den früheren Bewilligungszeiträumen nicht mehr vorliegende Beurlaubung vom Studium und das erneute tatsächliche Betreiben des Studiums, für die fragliche Leistung rechtlich erheblich ist und vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verschwiegen wurde. Der Verschuldensvorwurf setzt voraus, dass die Erheblichkeit dem Betroffenen bekannt war oder sein musste (vgl. BSG Urteil vom 11. April 2002 – B 3 KR 46/01 RSozR 3-5425 § 25 Nr. 15 = NZW 2003, 691 = juris Rdnr. 18; Schütze, in: Schütze, SGB X [9. Aufl., 2020] § 45 Rdnr. 56 m. w. N.).

Vorsätzlich handelt, wer wissentlich und willentlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht (vgl. BSG vom 19. März 1998 – B 7 AL 44/97 R – juris Rdnr. 34). Dies ist jedoch nicht allein dann gegeben, wenn der Betroffene die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der angegebenen Tatsachen kennt. Vielmehr genügt, dass eine erkannte mögliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der gemachten Angaben billigend in Kauf genommen wird (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – 11 RAr 73/89BSGE 68, 67 ff. = SozR 3-4100 § 71 Nr. 1 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 7 = SozR 3-1300 § 50 Nr. 9 = juris Rdnr. 26).

Grobe Fahrlässigkeit definiert das Gesetzt in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X selbst als Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Allerdings muss sich die grobe Fahrlässigkeit in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X lediglich auf die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben beziehen, nicht auf die Rechtswidrigkeit des Bescheides. Anders als in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ist keine Wertung des Betroffenen erforderlich (vgl. BSG vom 19. März 1998, a. a. O. juris Rdnr. 34; Hess. LSG, Urteil vom 27. Januar 2012 – L 5 R 395/10 – juris Rdnr. 60). Die erforderliche Sorgfalt verletzt in besonders schwerem Maße, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen. Es gilt ein subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juni 1987 – 7 RAr 105/85BSGE 62, 32 ff. = SozR 4100 § 71 Nr. 2 = juris Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 RSozR 3-1300 § 45 Nr. 45 = juris Rdnr. 23). Der Betroffene muss individuell in der Lage gewesen sein, die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit der gemachten Angabe zu erkennen. Schwere seelische Erkrankungen und fehlende intellektuelle Fähigkeiten sind zu würdigen (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 24. Juli 2003 – L 8 RA 46/98 – juris Rdnr. 26). Individuelle Verhältnisse wie fehlende Sprachkenntnisse, eine Leseschwäche oder ähnliche Umstände können dann keine Rolle spielen, wenn der Begünstigte nicht nachgefragt oder sich sonst nicht um ein ausreichendes Verständnis – etwa unter Zuhilfenahme Dritter – bemüht hat. Auf der anderen Seite muss die Fragestellung seitens der Behörde im Formular so beschaffen sein, dass dem Betroffenen klar wird, auf welche Angaben es ankommt. Das gilt jedenfalls, wenn auch aus anderen Gründen kein Anlass zur Nachfrage bestand (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 77/09 R – SozR 4-1300 § 48 Nr. 18 = juris Rdnr. 33). Grob fahrlässig ist es auch, Anfragen und Erklärungen der Behörde einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen oder die Mitteilung von als im Verhältnis zur Behörde streitig erkannten Tatsachen zu unterlassen (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 2002, a. a. O. juris Rdnr. 18).

Die objektive Beweislast für die Tatsachen der belastenden Rücknahmeentscheidung trägt der Beklagte (so bereits zu § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X: Sächs. LSG, Urteil vom 6. Mai 2004 – L 3 AL 169/00 – juris Rdnr. 67). Dies betrifft sowohl das Vorhandensein von positiven als auch das Fehlen von negativen Tatbestandsvoraussetzungen. Denn die Nichterweislichkeit einer Tatsache geht zu Lasten desjenigen, der aus ihr eine bestimmte, für ihn günstige Rechtsfolge herleitet (ständ. Rspr.: u. a. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 – B 14 AS 30/14 R – SozR 4-4200 § 60 Nr. 3 = juris Rdnr. 20, m. w. N.). Auch für das Nichtvorliegen von Vertrauen nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X und die fehlende Schutzwürdigkeit trägt danach im Grundsatz die Behörde die objektive Beweislast. Allerdings entwickelt und manifestiert sich das Vertrauen in der Sphäre des Begünstigten. Ihm obliegt es deshalb, zumindest sein Vertrauen und die Voraussetzungen für dessen Schutzwürdigkeit gegenüber der Behörde substantiiert darzulegen; er unterliegt insofern der Darlegungslast (vgl. Padé, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2. Aufl., 2020] § 45 SGB X Rdnr.120).

(2.2) Vorliegend hat der Kläger im Rahmen der streitbefangenen Weiterbewilligungsanträge unvollständige Angaben gemacht. Denn er hat das Kreuz jeweils nur bei "Nein" (keine Änderung) gesetzt und weder eine Immatrikulationsbescheinigung vorgelegt noch auf die nach drei Semestern der Beurlaubung erneute tatsächliche Fortsetzen des Studiums ohne Beurlaubung und die damit eingetretene erhebliche und für die Leistungsbewilligung wesentliche Änderung in seinen Verhältnissen hingewiesen.

(2.3) Der Senat ist im Ergebnis der Würdigung aller besonderen Umstände des Falles unter Beachtung des subjektiven Sorgfaltsmaßstabes auch davon überzeugt, dass der Kläger insofern zumindest grob fahrlässig gehandelt hat.

Der Kläger wusste aufgrund der zuvor mehrfach erfolgten Leistungsversagung, unter anderem mit den Bescheiden vom 18. Februar 2005, 28. September 2007 und dem Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2008, und der mehrfach erfolgten ausdrücklichen Anforderung einer Bescheinigung zum eingelegten Urlaubssemester, zuletzt schriftlich am 21. September 2009 und telefonisch am 29. September 2009, aufgrund seiner Widersprüche und Anträge nachweislich, dass für die von ihm beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II die Frage, ob er beurlaubt war oder sein Studium tatsächlich betrieb, wesentlich und rechtlich relevant war, auch wenn er diese Auffassung nicht teilte. So hatte der Kläger bereits mit Scheiben vom 5. Juni 2007 den Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er aufgrund seiner Erkrankung erneut ein Urlaubssemester eingelegt habe, so dass nunmehr die finanzielle Unterstützung geleistet werden müsse. Am 14. Januar 2008 erklärte er ausdrücklich, dass er mindestens drei Stunden täglich arbeiten könne, Student und beurlaubt sei, und dass es eine Frechheit sei, erwachsene Menschen von den Eltern abhängig zu halten. Entgegen seiner Handhabung in den früheren Leistungszeiträumen, in denen Leistungen teilweise nicht bewilligt oder entzogen worden waren oder eine Beurlaubung von Studium von ihm nachgewiesen werden sollte, legte er den Anträgen weder eine Studienbescheinigung noch ein handschriftliches Anschreiben mit einem Hinweis auf das erneute Betreiben des Studiums bei. Dem Kläger war zur Überzeugung des Senats daher die Erheblichkeit der Änderung in seinen persönlichen Verhältnissen für die Leistungserbringung bekannt und aufgrund des konkreten Verfahrensganges und der mehrfachen Auseinandersetzungen mit dem Beklagten die Notwendigkeit der Angabe offensichtlich. Er verschwieg die Angabe daher zumindest grob fahrlässig.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ausfüllens und der Abgabe der Weiterbewilligungsanträge aufgrund seiner Erkrankung in seiner Urteils- und Kritikfähigkeit oder seinem Einsichtsvermögen derart eingeschränkt war, dass er die Notwendigkeit diese Änderung in seinen persönlichen Verhältnissen auch ungefragt angeben zu müssen, nicht hat erkennen können oder nicht in der Lage war, nach dieser Einsicht zu handeln.

Aufgrund der übereinstimmenden Ausführungen der Gutachter steht fest, dass die Erkrankung des Klägers episodenweise verläuft. In den Intervallen ist der Kläger bis auf eine dauerhaft bestehende leichte Minussymptomatik, die vor allem die Gesamtbelastbarkeit einschränkt, nahezu symptomfrei. Allein innerhalb der Krankheitsphasen treten Halluzinationen und paranoide Denkinhalte auf. Zusätzlich ist der Kläger dann depressiv oder (meist) manisch, was mit dysphorischer Gereiztheit, Gespanntheit, teilweise Aggressivität und Größenerleben einhergeht. In diesen Phasen ist der Kläger mit seinem Denken und seiner Wahrnehmung von der Realität abgelöst und leidet unter Trugwahrnehmungen, Verschwörungswahn, Größenideen und Wahninhalten. Bereits bei beginnend einschleichenden Krankheitssymptomen geht aufgrund der paranoiden Realitätsinterpretationen die Krankheitseinsicht verloren, so dass von ihm ambulante Behandlungen nicht mehr regelmäßig wahrgenommen und Medikamente häufig nicht wie verordnet eingenommen werden.

Daher gelangt der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige U ..., welcher den Kläger ab dem Jahr 2010 persönlich ambulant behandelt hat, in seinem psychiatrischen Gutachten vom 21. Juni 2016 und im Rahmen seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung am 14. Juni 2018 nach Auffassung des Senats widerspruchsfrei, schlüssig und mit überzeugender Begründung auf der Grundlage der aktengegenständlichen Befundberichte und Epikrisen sowie nach eigener fachärztlicher Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass sich die Erkrankung des Klägers von 2010 bis 2012 weder dauerhaft wesentlich auf das Bewusstsein des Klägers auswirkte noch ein anhaltender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit, der mit einer Beeinträchtigung der freien Willensbildung einhergeht, vorlag, und dass auch keine partielle Geschäftsunfähigkeit des Klägers vorlag. Denn der Gutachter folgert dies nachvollziehbar aus der vorliegenden regelmäßigen Befunderhebung im Rahmen der ambulanten Arztkontrolle mit jeweiliger Skizzierung der Lebensumstände, des Tagesablaufs und belastender Situationen, welche keine Hinweise auf Beeinträchtigungen der Fähigkeit, Auswirkung und Folgen seines Handelns zu erkennen, ausweisen. Der Kläger war ersichtlich in den Jahren 2010 bis 2012 vergleichsweise stabil. Es gab keine stationären Behandlungen. Wahnvorstellungen oder Halluzinationen sind nicht dokumentiert und lagen nach Auffassung des Gutachters in dieser Zeit nicht vor. Zu den ambulanten Behandlungsterminen erschien der Kläger gepflegt und ordentlich gekleidet, verhielt sich relativ angemessen, hielt die Termine größtenteils ein oder sagte den Termin eigenständig ab, nahm teilweise selbst dosiert Medikamente ein und ging damit nach den Angaben des Gutachters sehr verantwortungsbewusst um. Die Medikamente dienten der Bewältigung des Alltags und hatten beruhigende und ausgleichende Wirkung, wobei als Nebenwirkungen Müdigkeit und teilweise Bewegungsstörungen typisch waren.

Sowohl die Art (ambulant) und Dauer (einzelne Termine) der psychiatrischen Behandlungen als auch die erfolgreich abgelegten Studienleistungen, die eigenständige Geltendmachung von Ansprüchen beim Beklagten sowie die für das Jahr 2015 dokumentierten Verhaltensweisen und dem Kläger zur Last gelegten Straftaten belegen, dass der Kläger zwar unstreitig auch in den Jahren 2010 bis 2012 an der bereits 2003 diagnostizierten schizoaffektive Erkrankung litt, sich jedoch in einem stabilen Intervall befand und daher nahezu symptomfrei und deshalb in seiner Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit nicht maßgeblich eingeschränkt war.

Dass der Gutachter in der mündlichen Verhandlung angab, nicht ausschließen zu können, dass sich im Zeitraum von 2009 bis 2012 auch schlimmere Phasen ereigneten, da er nur im Rahmen der ambulanten Termine einen konkreten Eindruck habe gewinnen können, begründen für den Senat keine Zweifel an der notwendigen Einsichtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit des Klägers und dem Vorliegen von grober Fahrlässigkeit zu den maßgebenden Zeitpunkten. Denn diese Einschränkung des Gutachters ist aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten (bloße ambulante Betreuung und keine ununterbrochene Erhebung von medizinischen Daten) zwingend, ohne dass hieraus folgt, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass tatsächlich und insbesondere zu den maßgebenden Zeitpunkten die Einsichts- und oder Handlungsfähigkeit des Klägers stärker eingeschränkt war.

Der Kläger hat noch nicht einmal behauptet, dass er aufgrund bestimmter Umstände beim Stellen der konkreten Weiterbewilligungsanträge stärker als zu den Zeitpunkten der ambulanten Termine bei seinem behandelnden Arzt in seiner Einsichts- und Handlungsfähigkeit eingeschränkt war. Auch aufgrund der konkreten Umstände bestehen hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Der Kläger füllte nach seinen eigenen Angaben und nach der Handschrift die Weiterbewilligungsanträge eigenständig persönlich aus und stellte die Anträge fristgerecht, ohne dass die Angaben oder das Schriftbild auf Einschränkungen hinweisen. Er absolvierte teilweise auch kurz vor den gefertigten Anträgen maßgebende Studienleistungen mit Erfolg. Er beantragte selbständig teilweise unmittelbar unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen die Übernahme der von ihm nachzuzahlenden Betriebskosten. Er erschien während der hier maßgebenden Leistungsbewilligungen zu keinem der ihm mitgeteilten Meldetermine und reichte selbständig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein.

Auch der Umstand, dass das wegen des Verdachts des Betruges geführte Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit eingestellt wurde, führt zu keiner anderen Bewertung. Einerseits setzt eine Strafbarkeit wegen Betruges Vorsatz voraus (vgl. § 263 Abs. 1 des Strafgesetzbuches ["in der Absicht"]). Es ist nicht ausreichend, wenn grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Zudem erfolgte die Einstellung aufgrund des im Strafverfahren Aktenzeichen 227 Ds 441 Js./15 am 18. Mai 2016 erstellten forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens, welches jedoch allein zum Zeitpunkt der dem Kläger zur Last gelegten Sachbeschädigung im August 2015 die Voraussetzungen für eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bejaht. Das Gutachten trifft gerade keine Aussage zu der in den Jahren 2010 bis 2012 vorhandenen bzw. nicht vorhandenen Steuerungsfähigkeit.

(2.4) Der Senat war nicht gehalten, den Gutachter U ... erneut persönlich zu hören. Denn der Senat wertet die ausführlich dokumentierte, nachvollziehbare und glaubhafte Aussage lediglich rechtlich anders als das Sozialgericht. Zweifel hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Sachverständigen bestanden nicht.

Der Senat war vorliegend gleichfalls nicht gehalten, zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts den Kläger persönlich zu hören. Dies wurde auch nicht beantragt. Denn der Gesundheitszustand des Klägers hatte sich 2015 nochmals erheblich verschlechtert. Der vom Sozialgericht beauftragte Gutachter hörte den Kläger im Rahmen der Begutachtung 2016 persönlich. Der Gutachter führt insofern aus, dass sich bereits nach einer Viertelstunde die ersten psychotischen Gedanken zeigten, der Kläger nicht konzentrationsfähig war und die Angaben des Klägers zum Zeitraum 2009 bis 2012 nicht nachvollziehbar waren.

(3) Da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X gegeben sind, kann dahinstehen, ob der Kläger zudem die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide zumindest grob fahrlässig verkannt hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X), was eine entsprechende Wertung des Klägers erfordert.

d) Der Beklagte hat die Bewilligungsbescheide auch innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen (Vorlage der Studienverlaufsbescheinigung am 7. Januar 2014), zurückgenommen (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Zu den Tatsachen in diesem Sinne rechnen nach allgemeiner Auffassung neben den Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, auch alle Tatsachen, die für die Aufhebung für die Vergangenheit von Bedeutung sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes beginnt deshalb die Jahresfrist in der Regel frühestens nach der Anhörung des Begünstigten zu laufen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2000 – B 7 AL 88/99 RSozR 3-1300 § 45 Nr. 42 S. 138 ff. = juris Rdnr. 23 ff), welche vorliegend mit Schreiben vom 10. April 2014 erfolgte. Zudem hatte der Beklagte die maßgebliche Kenntnis von der tatsächlichen Fortsetzung des Studiums und fehlenden Beurlaubung des Klägers erst mit der Vorlage der Studienverlaufsbescheinigung am 10. Januar 2014, so dass die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14. Mai 2014 rechtzeitig ergingen.

4. Die nach der endgültigen Festsetzung auf "Null" überzahlten Leistungen sind vom Kläger zu erstatten (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Beklagte hat zutreffend mit den Erstattungsbescheiden vom 14. Mai 2014 für den Zeitraum von April 2010 bis März 2012 einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 17.005,60 EUR (für die Monate April 2010 bis September 2010 in Höhe von insgesamt 4.103,04 EUR, für die Monate Oktober 2010 bis März 2011 in Höhe von insgesamt 4.279,33 EUR, für die Monate April 2011 bis September 2011 in Höhe von insgesamt 4.366,50 EUR und für die Monate Oktober 2011 bis März 2012 in Höhe von insgesamt 4.256,73 EUR) festgestellt. Fehler bei der Berechnung sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

III. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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