Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 JVEG 998/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
§ 8 JVEG
Vergütung für ein Sachverständigengutachten, Aktendurchsicht, Zeitaufwand für die Erhebung der Vorgeschichte und für die Abfassung der Beurteilung, Diktat und Korrektur, Einordnung in eine Honorargruppe, Rentengutachten
1. Der vom Senat grundsätzlich angenommene Zeitaufwand für Diktat und Korrektur des Gutachtens (1 Stunde für ca. 5-6 Seiten ) ist bei einem sehr umfangreich wiedergegebenen Akteninhalt und wörtlich wiedergegebenen Kriterien für die Diagnose verschiedenster psychischer Erkrankungen deutlich zu kürzen. Denn die für die einzelnen Arbeitsschritte bei der Erstellung eines Gutachtens ermittelten Werte stellen nur einen Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl dar, um den Kostenbeamten im Normalfall eine sinnvolle Bearbeitung zu ermöglichen. Maßgebend ist im Zweifelsfall der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, wie er im Gutachten seinen Niederschlag findet.
2. In der Honorargruppe M 2 werden die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit vergütet. Die Gutachten der Gruppe M 3 erfordern umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen.
Vergütung für ein Sachverständigengutachten, Aktendurchsicht, Zeitaufwand für die Erhebung der Vorgeschichte und für die Abfassung der Beurteilung, Diktat und Korrektur, Einordnung in eine Honorargruppe, Rentengutachten
1. Der vom Senat grundsätzlich angenommene Zeitaufwand für Diktat und Korrektur des Gutachtens (1 Stunde für ca. 5-6 Seiten ) ist bei einem sehr umfangreich wiedergegebenen Akteninhalt und wörtlich wiedergegebenen Kriterien für die Diagnose verschiedenster psychischer Erkrankungen deutlich zu kürzen. Denn die für die einzelnen Arbeitsschritte bei der Erstellung eines Gutachtens ermittelten Werte stellen nur einen Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl dar, um den Kostenbeamten im Normalfall eine sinnvolle Bearbeitung zu ermöglichen. Maßgebend ist im Zweifelsfall der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, wie er im Gutachten seinen Niederschlag findet.
2. In der Honorargruppe M 2 werden die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit vergütet. Die Gutachten der Gruppe M 3 erfordern umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen.
Die Entschädigung für das Gutachten vom 29. Juli 2019 wird auf 3.476,34 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Im Klageverfahren mit dem Aktenzeichen L 12 R 74/17 beauftragte die Berichterstatterin des 12. Senats mit Beweisanordnung vom 1. April 2019 den Erinnerungsführer mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Am 29. Juli 2019 erstellte der Erinnerungsführer sein Gutachten. In einer Kostenrechnung der Ärztlichen Verrechnungsstelle B machte er eine Vergütung i.H.v. 5.380,34 Euro geltend. Mit Verfügung vom 20. August 2019 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütungsabrechnung auf 3.744,09 Euro und wies diesen Betrag an. Zur Begründung führte sie aus, dass ausgehend von einem Zeitaufwand von 39 Stunden und der Honorargruppe M 2 i. H. v. 75 Euro zuzüglich Schreibauslagen, Zweitschriften, Porto und der gesetzlichen Mehrwertsteuer ein Betrag von 3.744,09 Euro erstattungsfähig sei.
Dagegen hat der Erinnerungsführer am 26. August 2019 Erinnerung eingelegt. Das Gutachten umfasse im Abschnitt Beurteilung zur Beantwortung der Beweisfragen 70 Seiten. Daher hätten ausgehend von 1,5 Seiten pro Stunde für den Beurteilungsteil sogar 46 Stunden in Ansatz gebracht werden müssen. Die vorgenommene Kürzung des Beurteilungsteils sei ungerechtfertigt. Ebenso sei die Kürzung der Honorargruppe von M 3 auf M 2 nicht haltbar. Das JVEG sehe die Honorargruppe M 3 für Gutachten mit hohem Schwierigkeitesgrad vor. Der hohe Schwierigkeitsgrad sei in der Rechnung ausdrücklich begründet und auf die entsprechenden Passagen im Gutachten hingewiesen worden.
Der Erinnerungsführer beantragt,
die Vergütung für das Gutachten vom 29. Juli 2019 auf 5.380,34 Euro festzustetzen.
Die Erinnerungsgegnerin führt aus, dass die Anweisungsbeamtin den Zeitansatz plausibel mit 39 Stunden ermittelt habe. Diese weiche damit um ca. 10 % vom geltend gemachten Zeitaufwand von 43 Stunden ab und liege damit im Toleranzbereich. Das Gutachten sei zutreffend der Honorargruppe M 2 zugeordnet worden. Ein hoher Schwierigkeitsgrad sei nicht zu erkennen. Die übliche Auseinandersetzung mit Vorgutachten begründe keine Honorierung nach M 3. Die erforderliche Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Vorbefunden und Vorgutachten bedinge nur einen höheren Zeitaufwand beim Aktenstudium und bei der Abfassung der Beurteilung.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Zuständig für die Entscheidung ist nach § 4 Abs. 7 S. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) und dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter.
Auf die nach § 4 Abs. 1 JVEG zulässige Erinnerung wird die Entschädigung für das Gutachten vom 4. August 2017 auf 3.476,34 EUR festgesetzt.
Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den UdG oder den Antrag der Beteiligten gebunden; es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist.
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich waren (Satz 2 Halbs. 1).
Die erforderliche Zeit ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert. Nach pflichtgemäßem Ermessen hat das Gericht nachzuprüfen, ob der Zeitansatz erforderlich war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98, zitiert nach Juris; ThürLSG Beschlüsse vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B und 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Hartmann/Toussaint in Kostenrecht, 50. Auflage 2020, § 8 JVEG Rn. 39). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind, wenn sich diese in einem gewissen Toleranzbereich bewegen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 - L 1 JVEG 1189/16; ThürLSG, Beschluss vom 13. August 2013 - L 6 SF 266/13 E, zitiert nach Juris). Die Toleranzgrenze beträgt 15 v. H. Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v. H. überschritten, ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Februar 2018 - L 1 JVEG 1189/16 und 21. März 2019 -, L 1 JVEG 1072/18 - zitiert nach Juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist für das Gutachten vom 29. Juli 2019 angesichts der übersandten Unterlagen sowie unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte nach der Rechtsprechung des Senats ein Zeitaufwand von 36 Stunden erforderlich. Der Sachverständige hat in seinem Vergütungsfestsetzungsantrag demgegenüber einen Zeitaufwand von 43 Stunden geltend gemacht. Damit hat er die üblichen Erfahrungswerte um mehr als 15 v. H. überschritten.
Hinsichtlich des Zeitaufwands für Aktenstudium und Vorgeschichte ist nach der Rechtsprechung des Senats ein Zeitaufwand von 10,5 Stunden plausibel. Dem Sachverständigen wurden Akten in einem Umfang von 847 Seiten übersandt. Der Senat geht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18, ThürLSG, Beschluss vom 26. März 2012 - L 6 SF 132/12 E, jeweils zitiert nach Juris) davon aus, dass für die Aktendurchsicht pro 80 Blatt 1 Stunde erforderlich ist.
Für die Erhebung der Vorgeschichte und die psychiatrische Untersuchung ist der von dem Erinnerungsführer geltend gemachte Ansatz von 2 Stunden plausibel.
Für die Abfassung der Beurteilung ist ein Ansatz von 13,33 Stunden angemessen. Grundsätzlich umfasst die Beurteilung die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, also die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Der Senat geht davon aus, dass ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung für die gedankliche Erarbeitung durchschnittlich eine Stunde für ca. 1 1/2 Blatt benötigt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18 zitiert nach Juris, ThürLSG, Beschluss vom 12. September 2014 - L 6 SF 477/14 B). Zu beachten ist, dass es sich dabei nur um einen Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl handelt, um den Kostenbeamten im Normalfall eine sinnvolle Bearbeitung zu ermöglichen. Wesentlich für die Berechnung der Vergütung ist nach dem Gesetz nicht die Seitenzahl, sondern der erforderliche Zeitansatz, der nur eingeschränkt über die Blattzahl berechnet wird. Maßgebend ist daher im Zweifelsfall der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, der im Gutachten zum Ausdruck kommt. Insofern ist in begründeten Sonderfällen durchaus eine Abweichung sowohl positiv wie negativ bei dem genannten Ansatz in Erwägung zu ziehen. Eine Einschränkung auf bestimmte "Normseiten", die manche Landessozialgerichte vornehmen (vgl. zum Beispiel LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Mai 2015 - L 12 SF 1072/14 E, zitiert nach Juris: 2.700 Anschläge; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - L 15 SF 276/10 B: 1.800 Anschläge), kommt allerdings mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18 zitiert nach Juris, Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. März 2012 – L 6 SF 132/12 E, zitiert nach Juris). Die Beurteilung kann sich durchaus an mehreren Stellen eines Gutachtens - ohne Reduzierung unter bestimmte Unterschriften (z.B. Zusammenfassung, Beurteilung etc.) - befinden.
Ausgehend von diesen Grundsätzen umfasst der Beurteilungsteil des Gutachtens insgesamt 20 Seiten. Der Beurteilungsteil im Sachverständigengutachten vom 29. Juli 2019 beginnt auf Seite 45 und endet auf Seite 114 oben und umfasst damit rein formal betrachtet 69 Seiten. Abzuziehen sind jedoch bereits im Wesentlichen die Ausführungen bis Seite 56. Dort erfolgt eine Wiedergabe der Schilderung der Beschwerden durch den Kläger. Die Beurteilung hierzu erfolgt erst auf Seite 57 oben im Fettdruck, indem Aggravations- und Simulationstendenzen festgestellt werden. Anschließend werden die Kriterien für verschiedene Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet ausführlich dargestellt. Anschließend erfolgt die eigentliche Beurteilung. Eine solche wörtliche Wiedergabe gehört nicht zum Beurteilungsteil. Auf Seite 100 bis 102 sind fachfremde Diagnosen wiedergegeben. Des Weiteren beginnt auf Seite 103 die Beantwortung der Beweisfragen, wobei hinsichtlich der Beweisfragen 1a und 1b nur die vorherigen Feststellungen wiederholt werden. Die eigentliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit als Kernelement eines Rentengutachtens beginnt auf Seite 105 unten. An anderen Stellen des Gutachtens findet sich kein Beurteilungsteil. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Gutachtens die Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers im rentenversicherungs-rechtlichen Sinne war. In Anbetracht dessen ist der eigentliche Beurteilungsteil des Gutachtens mit insgesamt 20 Seiten zu bewerten. Dies führt unter Berücksichtigung der angemessenen Zeit für die Erarbeitung von einer Stunde für ca. 1 1/2 Blatt zu einer plausiblen Zeit für die Abfassung der Beurteilung von 13,33 Stunden.
Für Diktat und Korrektur des Gutachtens ist zunächst von einem Umfang von 117 Seiten auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist in der Regel für Diktat, Durchsicht und Korrektur eines Gutachtens unter Berücksichtigung der Schreibweise von einem Zeitaufwand von einer Stunde für ca. 5-6 Seiten auszugehen. Dies führt grundsätzlich zu einem Zeitansatz von 19,5 Seiten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Wiedergabe der Aktenlage auf Seite 3-26 - insbesondere die Wiedergabe der einzelnen Diagnosen und erfolgten Behandlungen im Rahmen dieses Aktenauszuges - sehr umfangreich erfolgt ist. Dies schließt ihre Vergütungsfähigkeit zwar nicht prinzipiell aus. Denn eine gewisse Bedeutung für das Gutachten kann der Wiedergabe insoweit nicht abgesprochen werden, als sich dieser Wiedergabe eine Entwicklung hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers entnehmen lässt, welches die Überprüfung der vorgenommenen Beurteilung auf Schlüssigkeit erleichtern kann. Jedoch wirkt sich dies auf den angemessenen Aufwand, insbesondere für das Diktat des Gutachtens, mindernd aus. Nach der Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18) sind die für die einzelnen Arbeitsschritte bei der Erstellung eines Gutachtens ermittelten Werte nur ein Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl, um den Kostenbeamten im Normalfall eine sinnvolle Bearbeitung zu ermöglichen. Maßgebend ist im Zweifelsfall der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, wie er im Gutachten seinen Niederschlag findet. Daher kann in begründeten Sonderfällen durchaus eine Abweichung sowohl positiv als auch negativ erforderlich werden. Anderenfalls würden medizinische Sachverständige mit umständlichen Ausführungen gegenüber solchen bevorzugt, die knapp und prägnant den Akteninhalt darlegen. Daher ist der Zeitansatz für Diktat und Korrektur des Gutachtens aufgrund des sehr umfangreich wiedergegebenen Akteninhaltes und der sehr umfangreich wiedergegebenen Kriterien für die Diagnose verschiedenster psychischer Erkrankungen abweichend von den vom Senat üblicherweise angewandten Erfahrungswerten auf 13 Stunden zu schätzen. Diese Schätzung liegt noch 3 Stunden über dem vom Erinnerungsführer geltend gemachten Zeitansatz für Diktat und Korrektur von 10 Stunden.
Daraus folgt, dass unter Anlegung der üblichen Maßstäbe für die Erstattung des Gutachtens von einem Zeitaufwand von gerundet 36 Stunden (10,5 +2+13,33+10=35,83) auszugehen ist. Die beantragten 43 Stunden überschreiten damit den Toleranzrahmen.
Streitig ist vorliegend ferner die Honorarhöhe nach § 9 Abs. 1 JVEG. In Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG werden die medizinischen Gutachten entsprechend ihrer Schwierigkeit in drei Hono-rargruppen (M 1 - M 3) eingeteilt. Die Vergütung erfolgt in der Honorargruppe M 2 (75,00 EUR). Sie wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustand) Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, zum Beispiel Gutachten in Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Die Honorargruppe M3 erfordert dagegen Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad. Als Beispiel nennt die Anlage 1 zu § 9 JVEG Begutachtungen spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurtei-lungen der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen und führt 17 Beispielsfälle auf.
In der Honorargruppe M2 werden die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gut-achten mit durchschnittlicher Schwierigkeit vergütet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Mai 2018 – L 1 JVEG 434/16 –, zitiert nach Juris). Nach dem Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 (L 12 RJ 3686/04 KO-A; zitiert nach Juris) erfordern Gutachten der Gruppe M3 umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen; die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen (vgl. u.a. ThürLSG, Beschlüsse vom 15. März 2010 - L 6 B 209/09 SF und vom 03. November 2008 – L 6 SF 48/08 –, Juris ). Auch andere Gründe sind denkbar, z. B. eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben. Es genügt nicht, wenn - wie in den meisten Gutachten erforderlich - differentialdiagnostische Überlegungen angestellt werden, sie müssen einen hohen Schwierigkeitsgrad haben (vgl. Keller "Die Liquidation von Schmerzgutachten" in Egle/Kappis/Schairer/Stadtland (Hrs.), Begutachtung von Schmerzen, 1. Auflage 2014, S. 175, 179). Dafür besteht hier kein ausreichender Anhalt.
Das Gutachten des Erinnerungsführers umfasst 117 Seiten. Am Ende des Gutachtens erfolgt eine Einordnung der bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Ab Seite 57 werden die vorliegenden Diagnosen diskutiert. Ihre Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers werden ab Seite 105 unten erörtert. Dem kann nicht entnommen werden, dass durch den Sachverständigen äußerst umfangreiche bzw. komplexe differentialdiagnostische Erwägungen angestellt werden mussten. Allein die Benennung und Prüfung z. B. von einschlägigen Leitlinien oder der Kriterien, die für die Bejahung von Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet im Gutachten abzuprüfen sind begründet nicht die Annahme eines hohen Schwierigkeitsgrades. Der Sachverständige ist immer gehalten, sein Gutachten auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes unter Berücksichtigung der jeweiligen Leitlinien, Fachbücher und Standardwerke zu erstellen. Anhaltspunkte für eine vertiefende Diskussion und Würdigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes sind nicht vorhanden. Allein der mehrfach im Gutachten enthaltene Hinweis auf differenzialdiagnostische Schwierigkeiten bei der Abgrenzung bzw. Diagnose psychiatrischer Erkrankungen begründet keinen derart hohen Schwierigkeitsgrad, welcher eine Einstufung in M3 rechtfertigt. Daher ist entgegen dem Vergütungsfestsetzungsantrag die Einstufung in die Honorargruppe M 2 vorzunehmen.
Zusätzlich hat der Erinnerungsführer einen Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen.
Danach errechnet sich die Vergütung wie folgt:
Sachverständigenentschädigung 36 Stunden x 75 Euro 2.700,00 Euro Schreibauslagen (rund 173.000 Anschläge x 0,90 Euro) 155,70 Euro 50 Zweitschriften á 0,50 Euro 25,00 Euro 198 Zweitschriften á 0,15 Euro 29,70 Euro Porto 10,89 Euro 19 % Mehrwertsteuer 555,05 Euro Gesamtsumme: 3.476,34 Euro.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Gründe:
I.
Im Klageverfahren mit dem Aktenzeichen L 12 R 74/17 beauftragte die Berichterstatterin des 12. Senats mit Beweisanordnung vom 1. April 2019 den Erinnerungsführer mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Am 29. Juli 2019 erstellte der Erinnerungsführer sein Gutachten. In einer Kostenrechnung der Ärztlichen Verrechnungsstelle B machte er eine Vergütung i.H.v. 5.380,34 Euro geltend. Mit Verfügung vom 20. August 2019 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütungsabrechnung auf 3.744,09 Euro und wies diesen Betrag an. Zur Begründung führte sie aus, dass ausgehend von einem Zeitaufwand von 39 Stunden und der Honorargruppe M 2 i. H. v. 75 Euro zuzüglich Schreibauslagen, Zweitschriften, Porto und der gesetzlichen Mehrwertsteuer ein Betrag von 3.744,09 Euro erstattungsfähig sei.
Dagegen hat der Erinnerungsführer am 26. August 2019 Erinnerung eingelegt. Das Gutachten umfasse im Abschnitt Beurteilung zur Beantwortung der Beweisfragen 70 Seiten. Daher hätten ausgehend von 1,5 Seiten pro Stunde für den Beurteilungsteil sogar 46 Stunden in Ansatz gebracht werden müssen. Die vorgenommene Kürzung des Beurteilungsteils sei ungerechtfertigt. Ebenso sei die Kürzung der Honorargruppe von M 3 auf M 2 nicht haltbar. Das JVEG sehe die Honorargruppe M 3 für Gutachten mit hohem Schwierigkeitesgrad vor. Der hohe Schwierigkeitsgrad sei in der Rechnung ausdrücklich begründet und auf die entsprechenden Passagen im Gutachten hingewiesen worden.
Der Erinnerungsführer beantragt,
die Vergütung für das Gutachten vom 29. Juli 2019 auf 5.380,34 Euro festzustetzen.
Die Erinnerungsgegnerin führt aus, dass die Anweisungsbeamtin den Zeitansatz plausibel mit 39 Stunden ermittelt habe. Diese weiche damit um ca. 10 % vom geltend gemachten Zeitaufwand von 43 Stunden ab und liege damit im Toleranzbereich. Das Gutachten sei zutreffend der Honorargruppe M 2 zugeordnet worden. Ein hoher Schwierigkeitsgrad sei nicht zu erkennen. Die übliche Auseinandersetzung mit Vorgutachten begründe keine Honorierung nach M 3. Die erforderliche Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Vorbefunden und Vorgutachten bedinge nur einen höheren Zeitaufwand beim Aktenstudium und bei der Abfassung der Beurteilung.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Zuständig für die Entscheidung ist nach § 4 Abs. 7 S. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) und dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter.
Auf die nach § 4 Abs. 1 JVEG zulässige Erinnerung wird die Entschädigung für das Gutachten vom 4. August 2017 auf 3.476,34 EUR festgesetzt.
Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den UdG oder den Antrag der Beteiligten gebunden; es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist.
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich waren (Satz 2 Halbs. 1).
Die erforderliche Zeit ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert. Nach pflichtgemäßem Ermessen hat das Gericht nachzuprüfen, ob der Zeitansatz erforderlich war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98, zitiert nach Juris; ThürLSG Beschlüsse vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B und 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Hartmann/Toussaint in Kostenrecht, 50. Auflage 2020, § 8 JVEG Rn. 39). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind, wenn sich diese in einem gewissen Toleranzbereich bewegen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 - L 1 JVEG 1189/16; ThürLSG, Beschluss vom 13. August 2013 - L 6 SF 266/13 E, zitiert nach Juris). Die Toleranzgrenze beträgt 15 v. H. Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v. H. überschritten, ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Februar 2018 - L 1 JVEG 1189/16 und 21. März 2019 -, L 1 JVEG 1072/18 - zitiert nach Juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist für das Gutachten vom 29. Juli 2019 angesichts der übersandten Unterlagen sowie unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte nach der Rechtsprechung des Senats ein Zeitaufwand von 36 Stunden erforderlich. Der Sachverständige hat in seinem Vergütungsfestsetzungsantrag demgegenüber einen Zeitaufwand von 43 Stunden geltend gemacht. Damit hat er die üblichen Erfahrungswerte um mehr als 15 v. H. überschritten.
Hinsichtlich des Zeitaufwands für Aktenstudium und Vorgeschichte ist nach der Rechtsprechung des Senats ein Zeitaufwand von 10,5 Stunden plausibel. Dem Sachverständigen wurden Akten in einem Umfang von 847 Seiten übersandt. Der Senat geht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18, ThürLSG, Beschluss vom 26. März 2012 - L 6 SF 132/12 E, jeweils zitiert nach Juris) davon aus, dass für die Aktendurchsicht pro 80 Blatt 1 Stunde erforderlich ist.
Für die Erhebung der Vorgeschichte und die psychiatrische Untersuchung ist der von dem Erinnerungsführer geltend gemachte Ansatz von 2 Stunden plausibel.
Für die Abfassung der Beurteilung ist ein Ansatz von 13,33 Stunden angemessen. Grundsätzlich umfasst die Beurteilung die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, also die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Der Senat geht davon aus, dass ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung für die gedankliche Erarbeitung durchschnittlich eine Stunde für ca. 1 1/2 Blatt benötigt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18 zitiert nach Juris, ThürLSG, Beschluss vom 12. September 2014 - L 6 SF 477/14 B). Zu beachten ist, dass es sich dabei nur um einen Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl handelt, um den Kostenbeamten im Normalfall eine sinnvolle Bearbeitung zu ermöglichen. Wesentlich für die Berechnung der Vergütung ist nach dem Gesetz nicht die Seitenzahl, sondern der erforderliche Zeitansatz, der nur eingeschränkt über die Blattzahl berechnet wird. Maßgebend ist daher im Zweifelsfall der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, der im Gutachten zum Ausdruck kommt. Insofern ist in begründeten Sonderfällen durchaus eine Abweichung sowohl positiv wie negativ bei dem genannten Ansatz in Erwägung zu ziehen. Eine Einschränkung auf bestimmte "Normseiten", die manche Landessozialgerichte vornehmen (vgl. zum Beispiel LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Mai 2015 - L 12 SF 1072/14 E, zitiert nach Juris: 2.700 Anschläge; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - L 15 SF 276/10 B: 1.800 Anschläge), kommt allerdings mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18 zitiert nach Juris, Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. März 2012 – L 6 SF 132/12 E, zitiert nach Juris). Die Beurteilung kann sich durchaus an mehreren Stellen eines Gutachtens - ohne Reduzierung unter bestimmte Unterschriften (z.B. Zusammenfassung, Beurteilung etc.) - befinden.
Ausgehend von diesen Grundsätzen umfasst der Beurteilungsteil des Gutachtens insgesamt 20 Seiten. Der Beurteilungsteil im Sachverständigengutachten vom 29. Juli 2019 beginnt auf Seite 45 und endet auf Seite 114 oben und umfasst damit rein formal betrachtet 69 Seiten. Abzuziehen sind jedoch bereits im Wesentlichen die Ausführungen bis Seite 56. Dort erfolgt eine Wiedergabe der Schilderung der Beschwerden durch den Kläger. Die Beurteilung hierzu erfolgt erst auf Seite 57 oben im Fettdruck, indem Aggravations- und Simulationstendenzen festgestellt werden. Anschließend werden die Kriterien für verschiedene Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet ausführlich dargestellt. Anschließend erfolgt die eigentliche Beurteilung. Eine solche wörtliche Wiedergabe gehört nicht zum Beurteilungsteil. Auf Seite 100 bis 102 sind fachfremde Diagnosen wiedergegeben. Des Weiteren beginnt auf Seite 103 die Beantwortung der Beweisfragen, wobei hinsichtlich der Beweisfragen 1a und 1b nur die vorherigen Feststellungen wiederholt werden. Die eigentliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit als Kernelement eines Rentengutachtens beginnt auf Seite 105 unten. An anderen Stellen des Gutachtens findet sich kein Beurteilungsteil. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Gutachtens die Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers im rentenversicherungs-rechtlichen Sinne war. In Anbetracht dessen ist der eigentliche Beurteilungsteil des Gutachtens mit insgesamt 20 Seiten zu bewerten. Dies führt unter Berücksichtigung der angemessenen Zeit für die Erarbeitung von einer Stunde für ca. 1 1/2 Blatt zu einer plausiblen Zeit für die Abfassung der Beurteilung von 13,33 Stunden.
Für Diktat und Korrektur des Gutachtens ist zunächst von einem Umfang von 117 Seiten auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist in der Regel für Diktat, Durchsicht und Korrektur eines Gutachtens unter Berücksichtigung der Schreibweise von einem Zeitaufwand von einer Stunde für ca. 5-6 Seiten auszugehen. Dies führt grundsätzlich zu einem Zeitansatz von 19,5 Seiten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Wiedergabe der Aktenlage auf Seite 3-26 - insbesondere die Wiedergabe der einzelnen Diagnosen und erfolgten Behandlungen im Rahmen dieses Aktenauszuges - sehr umfangreich erfolgt ist. Dies schließt ihre Vergütungsfähigkeit zwar nicht prinzipiell aus. Denn eine gewisse Bedeutung für das Gutachten kann der Wiedergabe insoweit nicht abgesprochen werden, als sich dieser Wiedergabe eine Entwicklung hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers entnehmen lässt, welches die Überprüfung der vorgenommenen Beurteilung auf Schlüssigkeit erleichtern kann. Jedoch wirkt sich dies auf den angemessenen Aufwand, insbesondere für das Diktat des Gutachtens, mindernd aus. Nach der Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2019 - L 1 JVEG 1072/18) sind die für die einzelnen Arbeitsschritte bei der Erstellung eines Gutachtens ermittelten Werte nur ein Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl, um den Kostenbeamten im Normalfall eine sinnvolle Bearbeitung zu ermöglichen. Maßgebend ist im Zweifelsfall der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, wie er im Gutachten seinen Niederschlag findet. Daher kann in begründeten Sonderfällen durchaus eine Abweichung sowohl positiv als auch negativ erforderlich werden. Anderenfalls würden medizinische Sachverständige mit umständlichen Ausführungen gegenüber solchen bevorzugt, die knapp und prägnant den Akteninhalt darlegen. Daher ist der Zeitansatz für Diktat und Korrektur des Gutachtens aufgrund des sehr umfangreich wiedergegebenen Akteninhaltes und der sehr umfangreich wiedergegebenen Kriterien für die Diagnose verschiedenster psychischer Erkrankungen abweichend von den vom Senat üblicherweise angewandten Erfahrungswerten auf 13 Stunden zu schätzen. Diese Schätzung liegt noch 3 Stunden über dem vom Erinnerungsführer geltend gemachten Zeitansatz für Diktat und Korrektur von 10 Stunden.
Daraus folgt, dass unter Anlegung der üblichen Maßstäbe für die Erstattung des Gutachtens von einem Zeitaufwand von gerundet 36 Stunden (10,5 +2+13,33+10=35,83) auszugehen ist. Die beantragten 43 Stunden überschreiten damit den Toleranzrahmen.
Streitig ist vorliegend ferner die Honorarhöhe nach § 9 Abs. 1 JVEG. In Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG werden die medizinischen Gutachten entsprechend ihrer Schwierigkeit in drei Hono-rargruppen (M 1 - M 3) eingeteilt. Die Vergütung erfolgt in der Honorargruppe M 2 (75,00 EUR). Sie wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustand) Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, zum Beispiel Gutachten in Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Die Honorargruppe M3 erfordert dagegen Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad. Als Beispiel nennt die Anlage 1 zu § 9 JVEG Begutachtungen spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurtei-lungen der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen und führt 17 Beispielsfälle auf.
In der Honorargruppe M2 werden die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gut-achten mit durchschnittlicher Schwierigkeit vergütet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Mai 2018 – L 1 JVEG 434/16 –, zitiert nach Juris). Nach dem Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 (L 12 RJ 3686/04 KO-A; zitiert nach Juris) erfordern Gutachten der Gruppe M3 umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen; die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen (vgl. u.a. ThürLSG, Beschlüsse vom 15. März 2010 - L 6 B 209/09 SF und vom 03. November 2008 – L 6 SF 48/08 –, Juris ). Auch andere Gründe sind denkbar, z. B. eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben. Es genügt nicht, wenn - wie in den meisten Gutachten erforderlich - differentialdiagnostische Überlegungen angestellt werden, sie müssen einen hohen Schwierigkeitsgrad haben (vgl. Keller "Die Liquidation von Schmerzgutachten" in Egle/Kappis/Schairer/Stadtland (Hrs.), Begutachtung von Schmerzen, 1. Auflage 2014, S. 175, 179). Dafür besteht hier kein ausreichender Anhalt.
Das Gutachten des Erinnerungsführers umfasst 117 Seiten. Am Ende des Gutachtens erfolgt eine Einordnung der bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Ab Seite 57 werden die vorliegenden Diagnosen diskutiert. Ihre Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers werden ab Seite 105 unten erörtert. Dem kann nicht entnommen werden, dass durch den Sachverständigen äußerst umfangreiche bzw. komplexe differentialdiagnostische Erwägungen angestellt werden mussten. Allein die Benennung und Prüfung z. B. von einschlägigen Leitlinien oder der Kriterien, die für die Bejahung von Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet im Gutachten abzuprüfen sind begründet nicht die Annahme eines hohen Schwierigkeitsgrades. Der Sachverständige ist immer gehalten, sein Gutachten auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes unter Berücksichtigung der jeweiligen Leitlinien, Fachbücher und Standardwerke zu erstellen. Anhaltspunkte für eine vertiefende Diskussion und Würdigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes sind nicht vorhanden. Allein der mehrfach im Gutachten enthaltene Hinweis auf differenzialdiagnostische Schwierigkeiten bei der Abgrenzung bzw. Diagnose psychiatrischer Erkrankungen begründet keinen derart hohen Schwierigkeitsgrad, welcher eine Einstufung in M3 rechtfertigt. Daher ist entgegen dem Vergütungsfestsetzungsantrag die Einstufung in die Honorargruppe M 2 vorzunehmen.
Zusätzlich hat der Erinnerungsführer einen Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen.
Danach errechnet sich die Vergütung wie folgt:
Sachverständigenentschädigung 36 Stunden x 75 Euro 2.700,00 Euro Schreibauslagen (rund 173.000 Anschläge x 0,90 Euro) 155,70 Euro 50 Zweitschriften á 0,50 Euro 25,00 Euro 198 Zweitschriften á 0,15 Euro 29,70 Euro Porto 10,89 Euro 19 % Mehrwertsteuer 555,05 Euro Gesamtsumme: 3.476,34 Euro.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
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