L 15 R 947/20 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 15 R 222/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 R 947/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 16.10.2020 geändert. Die Vergütung des Sachverständigen für sein im Verfahren S 13 R 222/18 (neues Aktenzeichen: S 15 R 222/18) erstattetes Gutachten vom 27.06.2020 wird auf 1154,54 Euro festgesetzt. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die aufgrund der Zulassung durch das Sozialgericht gemäß § 4 Abs. 3 2. Teilsatz JVEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Staatskasse, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat und über die der Senat mangels besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache durch den Vorsitzenden und Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (§ 4 Abs. 7 Satz 1 und 2 JVEG), ist begründet. Das Sozialgericht hat die Vergütung des Sachverständigen für sein im Verfahren S 13 R 222/18 (neues Aktenzeichen: S 15 R 222/18) erstattetes Gutachten vom 27.06.2020 zu Unrecht auf die vom Sachverständigen mit Rechnung vom 27.06.2020 geltend gemachten 1184,40 Euro festgesetzt. Richtigerweise steht dem Sachverständigen, wie von der Staatskasse geltend gemacht, lediglich eine Vergütung i.H.v. 1154,54 Euro zu.

Zwischen den Beteiligten ist alleine streitig, ob die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG gesondert zu ersetzende Umsatzsteuer mit dem gemäß § 28 Abs. 1 UStG ab dem 01.07.2020 geltenden Steuersatz von 16 % der Bemessungsgrundlage oder mit dem bis zum 30.06.2020 gemäß § 12 Abs. 1 UStG geltenden Steuersatz von 19 % der Bemessungsgrundlage anzusetzen ist. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kommt hier der herabgesetzte Steuersatz von 16 % der Bemessungsgrundlage zur Anwendung, weil das Gutachten des Sachverständigen erst am 13.07.2020 und damit unter Geltung des gemäß § 28 Abs. 1 UStG herabgesetzten Steuersatzes beim Sozialgericht eingegangen ist.

Wie das Sozialgericht im Ansatz zutreffend dargelegt hat, kommt es für die Anwendung von § 28 Abs. 1 UStG auf den Zeitpunkt an, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird (vergleiche auch Bundesministerium der Finanzen, Anwendungsschreiben vom 30.06.2020, - III C 2 - S 7030/20/10009:004 -, BStBl 2020 I S. 584 Rn. 4). Dies entspricht auch § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) UStG wonach die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts wird ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten, bei dem es sich um einen steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG handelt, jedoch erst zu dem Zeitpunkt ausgeführt, zu dem es bei Gericht eingeht. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht darauf an, ob es sich bei einem vom Gericht in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten um eine Lieferung oder eine sonstige Leistung im Sinne des UStG handelt. Entscheidend ist vielmehr bei beiden Formen steuerbarer Umsätze, wann die steuerbare Leistung vollständig erbracht wird. Dies ist bei einem von einem Gericht in Auftrag gegebenen schriftlichen Sachverständigengutachten erst mit Eingang dieses Gutachtens bei Gericht der Fall. Die Fertigstellung des Gutachtens in der Sphäre des Sachverständigen ist demgegenüber nicht maßgeblich.

Dies folgt bereits aus § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 1 ZPO. Danach schuldet ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger, wenn, wie hier, eine schriftliche Begutachtung angeordnet wird, die Übermittlung des schriftlichen Gutachtens. "Übermittlung" bedeutet dabei, dass das Gutachten bei Gericht eingehen muss, und zwar innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 411 Rn. 8). Der Sachverständige erfüllt seine Pflichten dementsprechend nicht bereits durch Untersuchung der Klägerin oder des Klägers, durch Nachdenken über die gestellten Beweisfragen und deren gedankliche Beantwortung oder durch das Diktat des Gutachtens. Er hat vielmehr ein vollständiges schriftliches Gutachten und damit ein bestimmtes Arbeitsergebnis bei Gericht abzuliefern. Die Leistung des Sachverständigen ist daher mit einer Werkleistung vergleichbar, die nach §§ 631, 640 BGB frühestens dann vollständig erbracht ist, wenn die Werkleistung körperlich übergeben worden und die Abnahme des Werks ermöglicht worden ist (so auch KG, Beschl. v. 21.02.2007 - 26 U 230/01 -, juris Rn. 13; zum Zeitpunkt der Ausführung von Werkleistungen im allgemeinen siehe auch Hundt-Eßwein, in: Offerhaus/Söhn/Lange, Umsatzsteuer, § 13 UStG Rn. 37). Ein steuerbarer Umsatz kann daher frühestens mit Eingang des schriftlichen Sachverständigengutachtens bei Gericht entstehen. Hierfür spricht auch § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG. Danach muss ein Sachverständiger seinen Vergütungsanspruch innerhalb von drei Monaten nach Eingang des schriftlichen Gutachtens bei dem Gericht, das den Auftrag erteilt hat, geltend machen. Darüber hinaus garantiert allein das Abstellen auf den Zeitpunkt des Eingangs des Gutachtens Klarheit über den anzuwendenden Umsatzsteuersatz. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, zwischen dem Datum, das der Sachverständige auf dem schriftlichen Gutachten eingetragen hat, und dem Eingang des Gutachtens bei Gericht mehrere Wochen liegen. Wann der Sachverständige seine Arbeit an dem Gutachten tatsächlich beendet hat, ist jedenfalls bei einem solchen Sachverhalt kaum eindeutig feststellbar.

Bezogen auf die unstreitige Bemessungsgrundlage der Vergütung des Sachverständigen mit Ausnahme der Umsatzsteuer nach Maßgabe von §§ 7, 8, 9, 12 JVEG von 995,30 Euro fallen dementsprechend gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG 159,24 Euro Umsatzsteuer an. Damit ergibt sich ein Gesamtvergütungsanspruch von 1.154,54 Euro.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG, § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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