S 7 BA237/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 7 BA237/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 01.11.2015 bis 31.08.2016 als Geschäftsführer im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin tätig gewesen ist und die Klägerin dementsprechend verpflichtet ist, für den genannten Zeitraum Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 5.456,50 EUR nachzuzahlen.

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 08.06.2015 gegründet. Die entsprechende Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 24. 08.2015. Seit der Gründung sind als Geschäftsführer der Gesellschaft der Beigeladene zu 1) und Herr PT bestellt. 100-prozentige Gesellschafterin der Klägerin ist jedoch die TTG GmbH (vgl. § 3 Gesellschaftsvertrag der Klägerin). Die Beschlüsse der Klägerin werden dabei nach § 6 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrags nur mit einfacher Mehrheit gefasst.

Als Geschäftsführer der TTG GmbH, die die 100-prozentige Gesellschafterin der Klägerin ist, sind drei Geschäftsführer bestellt, unter anderem der Beigeladene zu 1). Seit dem 06.04.2009 war der Beigeladene zu 1) mit 10.000 EUR (33,33 %) am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Für seine Tätigkeit bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum erhielt der Beigeladene zu 1) eine monatliche Zahlung i.H.v. 2.500,00 EUR brutto.

Die Beschlüsse der TTG GmbH wurden gemäß dem vorliegenden Gesellschaftsgründungsvertrag vom 12.12.2008 zunächst grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst. Nur für bestimmte Beschlüsse war eine Dreiviertelmehrheit erforderlich.

Es heißt in dieser Hinsicht in § 9 des Gesellschaftervertrags der TTG GmbH: "1. Soweit nicht das Gesetz zwingend oder dieser Gesellschaftsvertrag etwas anderes vorsehen, entscheiden die Gesellschafter in allen Angelegenheiten der Gesellschaft durch Beschlussfassung mit der Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter.

2. Nur mit 75 % der Stimmen aller Gesellschafter kann beschlossen werden: a. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, b. die Auflösung der Gesellschaft, c. die Beschlüsse gemäß den §§ 6, 7 und 8 des Gesellschaftsvertrages."

Die §§ 6, 7 und 8 des Gesellschaftsvertrags regeln dabei folgendes:

"§ 6 Geschäftsführer 1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer vorhanden, vertritt dieser die Gesellschaft stets alleine. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch jeweils zwei von ihnen oder einen von ihnen in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. 2. Durch Gesellschafterbeschluss kann allen oder einzelnen Geschäftsführern Alleinvertretungsbefugnis und/oder Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden. Dies gilt auch dann, soweit der alleinige Geschäftsführer zugleich alleiniger Gesellschafter der Gesellschaft ist. 3. Die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie deren Befreiung vom Geschäftsführerwettbewerbsverbot erfolgt durch Gesellschafterbeschluss.

§ 7 Vertretung der Gesellschaft Die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer dritten Personen gegenüber wird nicht beschränkt durch die nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Beschränkungen für die Geschäftsführung.

§ 8 Geschäftsführung 1. Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft in den beiden Geschäftsführern gemeinschaftlich zu, sofern nicht durch Gesellschafterbeschluss, insbesondere im Rahmen einer Geschäftsordnung, etwas anderes bestimmt wird. 2. Im Verhältnis zur Gesellschaft ist jeder Geschäftsführer verpflichtet, die Geschäftsführungsbeschränkungen einzuhalten, welche durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführeranstellungsvertrag und Gesellschafterbeschlüsse festgesetzt sind oder werden. 3. Die Geschäftsführer bedürfen der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss für alle Geschäfte, die nicht projektbezogen sind und eine Investition von mehr als 20.000,00 EUR erforderlich machen. 4. Dies gilt auch für längerfristige Verträge die jährlich ein Budget von 10.000,00 EUR überschreiten. 5. Geschäfte unter dem Betrag von 20.000,00 EUR gelten als Geschäfte des gewöhnlichen Betriebs."

Des Weiteren regelt § 12 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrags der TTG GmbH, dass die Geschäftsführer vor Steuern als quartalsmäßige Tantieme 20 % des Gewinns erhalten. Im Januar 2017, also nach dem streitgegenständlichen Zeitraum, erfolgte sodann die Erhöhung des Anteils des Beigeladenen zu 1) vom Stammkapital auf 15.000 EUR (50%).

Infolge einer durchgeführten Prüfung durch die Beklagte in der Zeit von Juni 2018 bis Juni 2019, erfolgte zunächst eine Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 02.11.2018. Die Beklagte teilte der Klägerin insoweit mit, dass sie aufgrund der im Rahmen der Betriebsprüfung vorgenommenen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung für den Beigeladenen zu 1) beabsichtige, Nachforderungen zur Sozialversicherung zu erheben. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sei als abhängiges Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vom 01.11.2015 bis 31.08.2016 einzustufen.

Mit Schreiben vom 21.01.2019 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin im Rahmen der Anhörung Stellung. Es habe nachweislich die Beteiligung des Beigeladenen zu 1) an der Alleingesellschafterin der Klägerin i.H.v. 33,33 % bestanden. Aufgrund dieser habe er auch im relevanten Feststellungzeitraum jede ihm nicht genehme Weisung der Alleingesellschafterin bezüglich seiner Geschäftsführung bei der Klägerin verhindern können. Insoweit habe das gesellschaftsvertraglich bei der Alleingesellschafterin verankerte Quorum von 75 % der Stimmenanteile für bestimmte in § 9 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages der Alleingesellschafterin geregelte Angelegenheiten auch Auswirkungen auf die Geschäftsführung des Beigeladenen zu 1). Diese Regelung aus dem Gesellschaftsvertrag besagt insofern, dass nur mit 75 % der Stimmen aller Gesellschafter eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, die Auflösung der Gesellschaft und Beschlüsse betreffend die Geschäftsführer, die Vertretung der Gesellschaft und die Geschäftsführung beschlossen werden können.

Am 13.06.2019 erließ die Beklagte sodann den streitgegenständlichen Bescheid. Es wurde insoweit durch diesen festgestellt, dass für den Beigeladenen zu 1) ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe, entsprechend wurden Beiträge zur Sozialversicherung nachgefordert. Insoweit sei nur in Fällen einer umfassenden Sperrminorität, aufgrund derer sämtliche Beschlüsse der anderen Gesellschafter verhindert werden können, von einer Rechtsmacht des betroffenen Gesellschaftergeschäftsführers auszugehen. Der Beigeladene zu 1) besitze nur eine eingeschränkte Sperrminorität bei der Alleingesellschafterin der Klägerin, die sich vorrangig auf die außergewöhnliche Geschäftspolitik beziehe. Er könne insgesamt die Geschicke der Alleingesellschafterin nicht maßgeblich beeinflussen, da er bezüglich der gewöhnlichen täglichen Geschäftspolitik nicht die erforderlichen Kapitalanteile besitze, um bei Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit Entscheidungen treffen oder verhindern zu können. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages sei erst im Juli 2017 erfolgt. Da die September Strategie und Forschung GmbH die 100-prozentige Gesellschafterin der Klägerin sei, wirkten sich diese Verhältnisse unmittelbar auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) aus.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.07.2019 Widerspruch eingelegt. Hierbei verwies sie unter anderem erneut auf § 9 Ziff. 2 des Gründungsgesellschaftsvertrags der Alleingesellschafterin. Vorliegend seien die gesellschaftsvertraglichen Schutzklauseln für den Beigeladenen zu 1) sehr stark ausgestaltet. Es bedürfe insoweit 75 % aller Stimmen der Gesellschafter für die Beschlüsse nach § 6, 7 und 8 des Gesellschaftsvertrages. Nach § 6 Ziff. 3 bedurfte daher die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern der Mehrheit von mindestens 75 % der Stimmen. Daher sei eine Abberufung eines Geschäftsführers gegen den Willen von einem Geschäftsführer nicht möglich. Auch bedurfte nach § 7 des Vertrages die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer dieses Quorum. Der Beigeladene zu 1) sei insoweit sowohl bei der Alleingesellschafterin als auch bei der Klägerin alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter mit zusätzlicher Befreiung der Beschränkungen nach § 181 BGB gewesen. In § 8 Ziff. 1 sei des Weiteren der Grundsatz der gemeinschaftlichen Geschäftsführung beider Geschäftsführer nochmals festgelegt, sodass auch hier durch das Quorum seitens des Beigeladenen zu 1) eine ihm nicht genehme Änderung dieser Regelung verhindert werden konnte. Insgesamt würde eine partielle Sperrminorität ausreichen. Darüber hinaus habe der Beigeladene zu 1) auch keinerlei Weisungen hinsichtlich Arbeitszeit, Ort und Art der Tätigkeit unterlegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie verwies hierbei im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.11.2019 Klage erhoben.

Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, dass die Voraussetzungen einer echten Sperrminorität im vorliegenden Fall zweifelsfrei durch die Regelungen in § 9 Ziff. 2 des Gründungsgesellschaftsvertrages der Alleingesellschafterin erfüllt seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 13.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2019 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) auch für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.08.2016 im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Sonderregelung in § 9 Ziff. 2, welche regelt, dass für bestimmte Beschlüsse eine Dreiviertelmehrheit erforderlich ist, betreffe gerade nicht die gesamte Unternehmenstätigkeit, sondern nur die genannten Einschränkungen. Insofern werde nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dem Beigeladenen zu 1) eine umfassende Sperrminorität gerade nicht eingeräumt. Ein Gesellschafter ohne umfassende Sperrminorität verfüge gerade nicht über die rechtliche Möglichkeit, ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden. Wesentliche unternehmerische Entscheidungen seien daher der Gesellschafterversammlung vorbehalten, ohne dass dabei der Beigelande zu 1) diese maßgeblich beeinflussen könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht gemäß § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Fremdgeschäftsführer für die Klägerin im Zeitraum 01.11.2015 bis 31.08.2016 im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichten Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden ist.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 28 p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Nach Abs. 1 Satz 5 der Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V; § 20 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 SGB XI; § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist dabei § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere solche in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies dann der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22.06.2005, Az. B 12 KR 28/03 R; BSG, Urteil vom 19.08.2003, Az. B 2 U 38/02 R; BSG, Urteil vom 18.12.2001 Az. B 12 KR 10/01 R, sämtlich zitiert nach juris; vgl. auch Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, § 7,Rn. 17 ff.).

Ausgangspunkt der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 24.01.2007, Az. B 12 KR 31/06 R Rn. 17; Urteil vom 28.05.2008, Az. B 12 KR 13/07 R Rn. 18, juris) zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Allerdings ist auch die tatsächliche Handhabung dieses Vertragsverhältnisses maßgeblich mit heranzuziehen.

Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 29.07.2015, Az. B 12 KR 23/13 R Rn. 16, juris). Dabei ist das Gericht nicht an die im Bescheid genannten Feststellungen der Beklagten gebunden, sondern hat eigene Erwägungen zur Überprüfung dieser Entscheidung anzustellen.

Bei der Gesamtabwägung ist jedoch grundsätzlich zu beachten, dass nicht jede inhaltliche Freiheit oder die Überlassung von Gestaltungsspielräumen zwingend für eine selbstständige Tätigkeit spricht, da auch bei Diensten höherer Art eine abhängige Beschäftigung vorliegen kann, solange diese eine funktionsgerecht dienende Teilhabe an einem fremden Arbeitsprozess bleibt (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.1981, Az. 12 RK 4/81 Rn. 67, juris). Eine selbstständige Tätigkeit muss vielmehr darüber hinaus eine inhaltliche Freiheit aufweisen, die so prägend ist, dass die durch den Auftraggeber vorgegebenen äußerlichen Rahmenbedingungen dahinter vollständig zurücktreten. Nur dann kann angenommen werden, dass die Verpflichtung der Ausrichtung an bestimmten Vorgaben nicht zwingend Ausdruck der arbeitnehmertypischen Weisungsabhängigkeit ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.09.2014, Az. L 1 KR 404/15 Rn. 53; vgl. auch Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 86, juris).

Ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei Geschäftsführern einer GmbH jedoch in erster Linie danach, ob der Geschäftsführer nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R).

Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet dabei eine selbstständige Tätigkeit generell aus. Ist ein GmbH-Geschäftsführer jedoch zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 vH der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist dagegen grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende, also echte oder qualifizierte, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R).

Der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss in dieser Hinsicht eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Dementgegen ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R; BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R). Ein rein faktisches und nicht rechtlich gebundenes Verhalten der Beteiligten ist dabei nicht maßgeblich. Dies wäre insoweit mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R; BSG, Urteil vom 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 R).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Beigeladene zu 1) im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht selbständig tätig.

Die Kammer legt bei ihrer Beurteilung den Gesellschaftsvertrag der Klägerin sowie den Gesellschaftsvertrag der TTG GmbH, die die 100-prozentige Gesellschafterin der Klägerin ist, zugrunde.

Zunächst handelt es sich bei dem Beigeladenen zu 1) um einen Fremdgeschäftsführer der Klägerin, sodass eigentlich nach den oben dargelegten Grundsätzen eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) generell ausscheiden würde. In diesem Fall war jedoch zu beachten, dass die TTG GmbH die 100-prozentige Gesellschafterin der Klägerin ist, der Beigeladene zu 1) auch von dieser Geschäftsführer ist und im streitgegenständlichen Zeitraum mit 33,33% am Kapital dieser beteiligt war. Aus diesem Grund wirken sich die Verhältnisse innerhalb der Muttergesellschaft, der TTG GmbH, unmittelbar auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin aus. Insoweit sind hier die Verhältnisse innerhalb dieser maßgeblich für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung.

Gemessen daran war der Beigeladene zu 1) als abhängig beschäftigt einzustufen. Er verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über lediglich 33,33 vH der Gesellschaftsanteile, während der Gesellschaftsvertrag für eine Beschlussfassung grundsätzlich die einfache Mehrheit vorsieht. Da insofern Abstimmungen im Rahmen der Gesellschafterversammlung mit einer einfachen Mehrheit (66,66 %) getroffen werden, konnte sich der Beigeladene zu 1) durch seinen Stammanteil ebenso wenig mit einer Sperrminorität gegen ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung durchsetzen. Zwar bedürfen einzelne Geschäfte einer Mehrheit von 75 vH der abgegebenen Stimmen, sodass eine entsprechende Beschlussfassung bei den bestehenden Mehrheitsverhältnissen nur mit dem Einverständnis des Beigeladenen zu 1) in Betracht kommt. Jedoch vermag eine solche "unechte" bzw. partielle Sperrminorität die für eine selbstständige Tätigkeit notwendige Rechtsmacht nicht zu vermitteln. Sie bezieht sich nicht allumfassend auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft, sondern nur auf bestimmte Bereiche und versetzt den Beigeladenen zu 1) damit nicht in die Lage, sich gegenüber Weisungen der Mehrheit in Bezug auf seine Geschäftsführertätigkeit zur Wehr zu setzen, die ihm nicht genehm sind.

Insoweit können nach § 9 Ziff. 2 des vorliegenden Gesellschaftsvertrags mit 75 % der Stimmen aller Gesellschafter eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, die Auflösung der Gesellschaft und die Beschlüsse gemäß §§ 6, 7 und 8 des Gesellschaftsvertrags beschlossen werden. Dabei ergeben sich insbesondere aus § 8 Ziff. 2-5 diverse Einschränkungen. Insoweit ist im Verhältnis zur Gesellschaft jeder Geschäftsführer verpflichtet, die Geschäftsführungsbeschränkungen einzuhalten, welche unter anderem durch Gesellschafterbeschlüsse festgesetzt sind oder werden. Mithin ist der Beigeladene zu 1) verpflichtet, entsprechende Beschränkungen einzuhalten, welche durch Gesellschafterbeschluss festgesetzt werden, wobei ein solcher Gesellschafterbeschluss, regulär nur einer einfachen Mehrheit bedarf. Im Ergebnis ist der Beigeladene zu 1) daher durch das Innehalten seines Stammkapitals nicht in die Lage versetzt, Weisungen der Gesellschafterversammlung jederzeit wirksam abzuwehren.

Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass der Beigeladene zu 1) nach Aussage der Klägerin, in der Ausübung seiner Tätigkeit weisungsunabhängig und frei in seiner Arbeitszeiteinteilung war. Auch haben insgesamt keine Vorgaben betreffend Arbeitszeit, Ort und Art der Tätigkeit vorgelegen. Der Rechtsmacht, wie sie sich aus den gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen ergibt, wird jedoch ein stärkeres Gewicht eingeräumt. Bei der Gesamtabwägung kann die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Rechtsmacht nicht durch Fiktionen beseitigt werden, die aus den tatsächlichen Umständen hergeleitet werden. Daher kommt es nicht darauf an, ob der Beigeladene zu 1) seit Beginn seiner Tätigkeit keine tatsächlichen Weisungen von dem zweiten Geschäftsführer der Klägerin bzw. den anderen Geschäftsführern der Muttergesellschaft, erhalten hat, die er ggf. konkret gegen seinen Willen auszuführen hatte. Relevant ist lediglich, ob diesen durch die Gesellschafterversammlung der Klägerin derartige Handlungsmöglichkeiten in rechtlicher Hinsicht offen standen, was hier bejaht werden muss. Aus einer schlicht faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts ergibt sich insoweit noch kein Verzicht hierauf. Im Falle eines Zerwürfnisses hätten die anderen Gesellschaftergeschäftsführer die ihnen aus dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Rechte über das Lenken der Gesellschaftsversammlung zum Nachteil des Beigeladenen zu 1) nutzen können.

Die Kammer kann darüber hinaus keine anderen Anhaltspunkte erkennen, die dafür sprechen, dass der Beigeladene zu 1) aufgrund seines Einflusses auf die Willensbildung der Klägerin faktisch frei nach seinem Belieben schalten und walten konnte und er sich daher nur in eine von ihm selbst gegebene Ordnung einfügt hat. Dies wird auch nicht dadurch begründet, dass die anderen Gesellschafter der Muttergesellschaft sich nicht in das Geschäft des Beigeladenen zu 1) eingemischt haben. Der Beigeladene zu 1) ist im Sinne funktionsgerecht dienender Teilhabe tätig geworden, weil er sich in den von den Gesellschaftern geprägten Betrieb eingeordnet, er die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ausgeführt hat und nur im Rahmen dieser Beschlüsse handeln durfte. Er nahm damit im Ergebnis vorgegebene Aufgaben wahr.

Die gewürdigten Einzelumstände des vorliegenden Falles bieten keinen Anlass, von der Rechtsprechung zur grundsätzlichen Abhängigkeit der Beschäftigung eines Geschäftsführers und gleichsam Minderheitsgesellschafters abzurücken. Insgesamt ist der Beigeladene zu 1) nicht in seinem eigenen Betrieb, sondern in einem fremden tätig geworden. Die Klägerin als GmbH ist ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit und deshalb unabhängig zu betrachten von den als Gesellschafter der Muttergesellschaft dahinterstehenden natürlichen Personen und deren verwandtschaftliche bzw. freundschaftliche Beziehungen zueinander (siehe hierzu auch BSG, Urteil vom 29.08.2012, Az. B 12 R 14/10 R Rn. 18, juris). Unerheblich ist hierbei, dass ein Geschäftsführer regelmäßig im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern einer Gesellschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt (BSG, Urteil vom 14.03.2018, Az. B 12 KR 13/17 R Rn. 19, juris).

Die geschäftsführervertragliche Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB begründet schließlich nicht zwangsläufig eine selbstständige Tätigkeit, zumal die Einräumung eines solchen Rechts bei kleineren Gesellschaften nicht unüblich ist (BSG, Urteil vom 29.08.2012, Az. B 12 KR 25/10 R Rn. 27; BSG, Urteil vom 06.03.2003, Az. B 11 AL 25/02 R, juris).

Ein Unternehmerrisiko vermag die Kammer ebenfalls nicht zu erkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. Urteil vom 28.05.2008, Az. B 12 KR 13/07 R Rn. 27, juris) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werden, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, § 7 Rn. 94, juris). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, Az. B 12 KR 13/07 R Rn. 27, juris). Der Beigeladene zu 1) setzt seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr ein, hierfür keine Gegenleistung zu erhalten. Er wird für seine Dienste mit einem monatlichen Entgelt i.H.v. 2.500,00 EUR brutto entlohnt. Dieses war nicht vom Erfolg des Einsatzes seiner sächlichen oder persönlichen Arbeitsleistung abhängig.

Er war zudem nicht direkt an der Klägerin beteiligt. Des Weiteren wirken sich die finanziellen Risiken und Chancen durch die Beteiligung des Beigeladenen zu 1) an der Muttergesellschaft der Klägerin nicht anders aus als bei der Beteiligung an einer etwaigen anderen Gesellschaft, für die der Beigeladene zu 1) nicht zum Geschäftsführer bestimmt ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich die Haftung eines GmbH-Gesellschafters grundsätzlich auf die Einlage beschränkt, § 13 Abs. 2 GmbHG. Ein geschäftlicher Misserfolg führt daher bloß zum Ausbleiben der Gewinnausschüttung. Die Beteiligung an den Gewinnchancen der Klägerin durch die vertraglich eingeräumte Tantiemeregelung (siehe § 12 des Gesellschaftsvertrags der Muttergesellschaft) stellt sich in dieser Hinsicht als derartig geringfügig dar, dass hierdurch ein erfolgsabhängiges Element nicht in relevanter Weise begründet werden kann.

Letztlich ist auch die Höhe der nacherhobenen Pflichtbeiträge nicht zu beanstanden.

Die Klage konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt dem Ausgang in der Sache.
Rechtskraft
Aus
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