S 60 KR 2548/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
60
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 60 KR 2548/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 383/20
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert beträgt 2.116,61 EUR.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vergütung eines stationären Krankenhausaufenthaltes. Mit Klageschrift vom 19.12.2019 hat der Bevollmächtigte der Klägerin "wegen: Vergütung von Krankenhausbehandlung (V.-R., Gudrun)" 2.116,61 EUR eingeklagt. Die Klageschrift beschreibt den stationären Aufenthalt der Versicherten Gudrun V.-R. in der Zeit vom 09.07.2018 bis zum 13.07.2018 im Hause der Klägerin, dessen Rechnungsstellung am 26.07.2018 erfolgte und das durchgeführte Prüfverfahren sowie die Beanstandung einer primären Fehlbelegung durch den MDK in seinem Gutachten vom 29.11.2019. Die Beklagte habe die Rechnung ausgeglichen und nach durchgeführtem Prüfverfahren "ihren – angeblichen – Rückforderungsanspruch in Höhe von 2.116,61 EUR mit anderen – unstreitigen – Vergütungsforderungen" am 11.01.2019 verrechnet. Bei der Schilderung der Rechtslage wird angegeben, dass sich "der Vergütungsanspruch aus § 109 Absatz 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 17 Absatz 1 KHG, § 8 Absatz 1 KHEntgG und den Regeln der FPV 2018" ergäbe. In der Folge werde nur der Anspruch aus der Behandlung der Patientin erörtert, nicht der unstreitige Vergütungsanspruch gegen den die Beklagte aufgerechnet habe, wobei um gerichtlichen Hinweis bei fehlenden Angaben gebeten werde. Die "Höhe der geltend gemachten Vergütung [entspräche] den abrechnungstechnischen Vorgaben und Regelungen auf Grundlage der Diagnosen, Prozeduren und des Alters der Patientin". Der Klägervertreter beantragt schriftsätzlich, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.116,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2019 an die Klägerin zu zahlen. Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen. Sie verweist zur Begründung auf das MDK-Gutachten. Die Vorsitzende hat mit Verfügung vom 27.03.2020 den Klägervertreter darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Anspruch wegen der Behandlung der Gudrun V.-R. nach § 362 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog erloschen sein dürfte. Konkretisierung des klägerischen Anspruchs werde erst mit Vorlage einer Aufrechnungserklärung der Beklagten bzw. eines Sammelavis bewirkt, weshalb die Klage erst mit Vorlage hinreichend konkretisiert sei, mit der Folge, dass die zum 01.01.2020 in Kraft getretene besondere Zulässigkeitsvoraussetzung des § 17c Absatz 2b Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz anzuwenden sei und die Klage als unzulässig abzuweisen sein dürfte, da eine einzelfallbezogene Erörterung des Behandlungsfalles noch nicht stattgefunden haben dürfte und damit eine nach der Gesetzesbegründung zwingende Sachurteilsvoraussetzung fehle. Die Vorsitzende hat die Rücknahme der Klage angeregt und Gerichtsbescheid angekündigt, zugestellt dem Kläger am 31.03.2020 (Bl. 24 der Gerichtsakte) und der Beklagten am 01.04.2020 (Bl. 29 der Gerichtsakte). Mit Schriftsatz vom 01.04.2020 (Bl. 16/18 der Gerichtsakte) hat der Klägervertreter auf das Gesetz zur Anpassung des Medizinrechts an die Verordnung (EU) 2017/754 und die Verordnung (EU) 2017/46 hingewiesen, dass am 27.03.2020 den Bundesrat passiert habe und eine Ergänzung des § 17c Absatz 2b KHG vorsehe. Aus diesem Grund sei von der Zulässigkeit der Klage auszugehen. Auch sei die Klage hinreichend spezifiziert. Denn entsprechend der ständigen Rechtsprechung sei nicht die Forderung gegen die aufgerechnet werde, Gegenstand des Verfahrens, sondern die (Rück-)Forderung mit der aufgerechnet werde. Daraufhin hat die Vorsitzende mit Verfügung vom 03.04.2020 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Würdigung des Sach- und Streitstandes infolge der rückwirkenden Inkraftsetzung der Einfügung in § 17c Absatz 2b KHG zum 01.01.2020 die Klage (rückwirkend) zulässig werden dürfte, sobald das genannte Gesetz verkündet und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werde. Die Klägerin dürfte indes die falsche Klageforderung eingeklagt haben, da mit der Klage der bereits durch Zahlung erloschene Anspruch aus der Krankenhausbehandlung der Gudrun V.-R. verfolgt werde, weshalb die Vorsitzende an ihrer Absicht zum Erlass des bereits angekündigten Gerichtsbescheides festhalte. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 07.04.2020 (Bl. 25/27 der Gerichtsakte) weitere Ausführungen zur Rechtsauffassung des Gerichts gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, nicht indes begründet. I. Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist. Den Beteiligten wurde ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. II. Die nach Rechtsansicht der Kammer zunächst unzulässige Klage ist infolge der rückwirkenden Änderung des § 17c Absatz 2b Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) mit Veröffentlichungen des EU-Medizinprodukte-Anpassungsgesetz am 22.05.2020 zulässig geworden. III. Die Klage ist indes als unbegründet abzuweisen, da der ursprüngliche Vergütungsanspruch aus dem Behandlungsfall der Gudrun V.-R. vom 09.07.2018 bis 12.07.2018 nach § 362 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog durch Zahlung erloschen ist und auch nicht nach erfolgter Aufrechnung wiederauflebt. Die Klägerin hat den falschen Klaganspruch eingeklagt. Zutreffend hat der Klägervertreter auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.12.2019 – B 1 KR 19/19 R –, Rn. 17 hingewiesen. Anders als der Klägervertreter meint, ist Klagegegenstand der erhobenen Leistungsklage indes gerade nicht die Rückforderung, mit der aufgerechnet wurde, sondern der Anspruch für die Behandlung des Versicherten, mit dem die Beklagte ihren Erstattungsanspruch aufrechnete ist. Dies ergibt sich deutlich aus dem Entscheidungszitat des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 01.04.2020, nachdem der Vergütungsanspruch aus der "Behandlung anderer Versicherter", vorliegend also die unstreitigen Behandlungsfälle, mit der Leistungsklage verfolgt wird, die der Klägervertreter trotz Aufforderung durch richterliche Verfügung vom 27.03.2020 und 03.04.2020 nicht hinreichend individualisiert hat, was indes für das Abstecken der Rechtskraft nach § 95 SGG erforderlich gewesen wäre. Der Klägerbevollmächtigte hat im Rubrum seiner Klageschrift ausdrücklich als Klagegenstand die Vergütung der Krankenhausbehandlung der Gudrun V.-R. bezeichnet und ausgeführt, dass die Höhe der "geltend gemachten Vergütung den abrechnungstechnischen Vorgaben und Regelungen auf Grundlage der Diagnosen, Prozeduren und des Alters der Patientin" entspräche. Dabei hat er sich gerade nicht auf die unstreitigen Ansprüche bezogen, gegen die die Beklagte ihren Erstattungsanspruch aufrechnete, sondern – wie sich aus den Ausführungen zu Beginn der Darstellung in der Klageschrift ergibt – den "Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte" aus dem streitigen Behandlungsfall geltend gemacht. Zwar bezieht der Klägervertreter seinen Antrag selbst nicht auf einen bestimmten Anspruch, sondern macht einen Zahlungsanspruch auf Zahlung von 2.116,61 EUR geltend. Er beschreibt in seiner Klageschrift auch, dass die Beklagte den Anspruch zunächst bezahlt und sodann mit Verrechnungsmitteilung vom 11.01.2019 mit "anderen – unstreitigen – Vergütungsforderungen" – verrechnet habe. Bereits die Tatsache, dass der Klägervertreter bei der Darstellung der Rechtslage von einem Vergütungsanspruch im Singular und auch am Ende der Darstellung der Rechtslage von der geltend gemachten Vergütung – ebenfalls im Singular – spricht, zeigt indes, dass er nicht die unstreitigen Vergütungsansprüche aus den unstreitigen Behandlungsfällen, sondern den ursprünglichen bereits durch Zahlung nach § 362 Absatz 1 BGB analog erloschenen Anspruch einklagt. Die Vorsitzende hat den Klägervertreter ausdrücklich mit richterlichen Verfügungen vom 27.03.2020 und 03.04.2020 auf die Unbegründetheit der Klage infolge des "falschen eingeklagten Anspruchs" hingewiesen. Der daraufhin von dem Bevollmächtigten der Klägerin verfasste Schriftsatz enthält weder eine Klageänderung noch lässt sich dieser als Klageänderung § 99 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auslegen. Denn der Klägerbevollmächtigte teilte der Vorsitzenden lediglich mit, dass er die im Hinweis mitgeteilte Auffassung des Gerichts für unzutreffend halte. Auch ein Fall des § 99 Absatz 3 Nr. 3 SGG liegt nicht vor, nach dem es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen ist, wenn ohne Änderung des Klagegrundes statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird. Denn bei der Verrechnung am 11.01.2019 handelt es sich nicht bereits um eine nach Klageerhebung am 19.12.2019 eingetretene Veränderung. Im Übrigen würde sich bei einer nach Klageerhebung eingetretenen Aufrechnung auch der zu Grunde liegende Anspruch und mithin der Klagegrund ändern, weshalb § 99 Absatz 3 Nr. 3 SGG ohnehin keine Anwendung finden darf. Dem Klägervertreter ist zwar zuzugeben, dass mit der Zulassung der Aufrechnung im Sammelavis durch die Entscheidung des BSG vom 31.07.2019 – B 1 KR 31/18 R – die Feststellung Schwierigkeiten bereiten dürfte, welche Einzelforderungen mit der Aufrechnung getilgt worden sein sollen. Auch kann die Kammer den Einwand des Klägervertreters, dass der Mehrwert der Kennzeichnung der geltend gemachten unstreitigen Behandlungsfälle nicht sehr hoch sei, nachvollziehen, zumal in aller Regel im Verfahren über die unstreitigen Behandlungsfälle nicht weiter Beweis erhoben werden muss. Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich indes bei der Kennzeichnung des oder der geltend gemachten unstreitigen Forderung(en) nicht um eine bloße Förmelei. Denn mit der Benennung des geltend gemachten Anspruchs bzw. der Ansprüche wird der Streitgegenstand des Verfahrens im Sinne von § 95 SGG benannt. Für den geltend gemachten Anspruch tritt Rechtshängigkeit nach § 94 Satz 1 SGG ein, mit der Folge, dass dieser Anspruch bei keinem anderen Gericht mehr geltend gemacht werden darf, die einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts durch nachträgliche Veränderungen nicht mehr tangiert wird (perpetuatio fori) und auch materiell-rechtliche Konsequenzen im Hinblick auf Zinsforderungen und der Verjährung von Ansprüchen zu berücksichtigen sind. Im Übrigen ist selbst im Fall, dass eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung von der Beklagten nicht getroffen wurde, nach § 396 Absatz 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 366 Absatz 1 BGB bei fehlenden Anhaltspunkten für einen mutmaßlichen Willen der Beklagten und mangels Angaben zur Fälligkeit, Sicherheit oder Lästigkeit der Forderung auf das Alter der Forderung abzustellen (BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R –, Rn. 16), was eine Identifizierung der unstreitigen Forderungen ohne Weiteres ermöglicht. III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung. IV. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 Teil 1 SGG i. V. m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3 sowie § 47 Abs. 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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