Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 KR 1444/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 156/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Wetterschutzverdeck für ein Elektromobil ist als Zubehör zu einem Hilfsmittel von der Leistungspflicht der Krankenkassen umfasst.
Bemerkung
Revision eingelegt
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2018 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch seine außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen
Tatbestand:
Die Beteiligte streiten über die Versorgung des Klägers mit einem Wetterverdeck für sein Elektromobil.
Der 1944 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Am 16. Januar 2017 legte er der Beklagten eine Verordnung seines behandelnden Arztes vom 11. Januar 2017 betreffend einen modulierbaren Wetterschutz für ein vorhandenes Elektromobil bei der Diagnose Mobilitätsbeeinträchtigung vor. Ergänzend führte er aus, dass der Wetterschutz ihm erlauben würde, das genehmigte Elektro-mobil ganzjährig zu benutzen. Mit einem GdB von 100 sei er auf die ganzjährige Nutzung angewiesen, um uneingeschränkt am sozialen Leben teilnehmen zu können.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2017 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für den Wetterschutz ab. Maßgebend seien die zwischen den Ärzteverbänden und den Vertretern der Krankenkassen geschaffenen Richtlinien. Ein Wetterschutz sei kein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ebenfalls am 14. Februar 2017 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass er von der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Gebrauch mache, da die Beklagte weder Stellung genommen noch auf die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme verwiesen habe. Am 20. Februar 2017 legte er dann Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Februar 2017 ein. Er verwies auf § 13 Abs. 3a SGB V. Auch habe das Hilfsmittelverzeichnis rein informatorischen Charakter. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ihm ein E-Mobil zugestanden werde, ein Wetterschutz aber nicht. Selbst kleine Erkältungen könnten zu plötzlichen Verschlechterungen seiner Vorerkrankung (COPD III-IV) führen und damit einen erheblichen Behandlungsaufwand auslösen. Der Kläger legte weiter einen Kostenvoranschlag vor, wonach das begehrte Wetterschutzverdeck einschließlich Umsatzsteuer 786,00 EUR kosten sollte.
Mit ihrem Anhörungsschreiben vom 24. März 2017 wies die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigungsfiktion nur bei Leistungen greifen könne, die grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten, was bei einem Wetterschutzverdeck nicht der Fall sei. Der Kläger erklärte dazu, dass er an seiner Auffassung festhalte.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2017 zurück. Der Antrag habe trotz verspäteter Bearbeitung nicht zu einer Genehmigungsfiktion geführt, da der Wetterschutz nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gehöre und die Genehmigungsfiktion den Sachleistungsanspruch nicht erweitere. Auch wenn nachvollziehbar sei, dass Alltagsgeschäfte auch bei ungünstiger Witterung erledigt werden müssten, gehöre der Schutz vor Witterungseinflüssen eindeutig in den persönlichen Verantwortungsbereich. Oftmals sei ein ausreichender Schutz bereits durch geeignete Kleidung zu erreichen. Das Wetter-schutzverdeck sei eher als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzuordnen, weil es ein seriell gefertigter Artikel ohne individuelle Anpassung an die Behinderung sei. Sollte gleichwohl eine Genehmigungsfiktion eingetreten sein, werde diese mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Eine Genehmigungsfiktion stelle zwar einen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Ein schutzwürdiges Vertrau-en bestehe aber nicht, solange das Wetterschutzverdeck noch nicht beschafft oder seine Beschaffung noch nicht in Auftrag gegeben worden sei. Unter diesen Voraussetzungen überwiege das öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände.
Dagegen richtet sich die am 20. Juli 2017 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der insbesondere vorgetragen worden ist, dass das Wetterschutzverdeck kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sei, dass es für die Benutzung mit Elektrorollstühlen konzipiert sei, und erst bewirke, dass die notwendigen Wege auch bei schlechtem Wetter zurückgelegt werden könnten.
Das Sozialgericht hat die Beklagte am 12. April 2018 unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2017 verurteilt, den Kläger mit dem begehrten Wetterschutzverdeck zu versorgen. Der Anspruch ergebe sich aus einer durch Fiktion eingetretenen Genehmigung, deren Rücknahme zwar zulässig, aber nicht rechtmäßig erklärt worden sei. Die Genehmigungsfiktion greife ein, weil die Beklagte über den hinreichend bestimmten Antrag des Klägers nicht innerhalb von drei Wochen nach Eingang entschieden habe. Die Genehmigungsfiktion trete für alle Leistungen mit Bezug zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Rücksicht auf deren Eignung und Notwendigkeit im Einzelfall ein (Hinweis u.a. auf Urteil des BSG v. 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R). Ausreichend sei daher, dass der Kläger auf der Grundlage der ärztlichen Verordnung davon ausgehen habe können, dass das Wetterschutzverdeck eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle. Eine Rücknahme nach § 45 SGB X setze die anfängliche Rechtswidrigkeit der Genehmigung, fehlenden Vertrauensschutz sowie eine Ermessensausübung voraus. Weiter müssten die formellen Voraussetzungen für den Erlass des belasten-den Verwaltungsaktes gegeben sein. Das sei hier aber nicht der Fall: Der Kläger sei nicht angehört worden. Zudem sei der Widerspruchsausschuss nicht für den Erlass der Rücknahmeverfügung zuständig gewesen. Dahingestellt bleiben könne, ob die Rücknahmeentscheidung wirksam bekannt gegeben worden sei. Der Widerspruchsbescheid sei aufzuheben gewesen, weil er in rechtswidriger Weise eine Rücknahmeverfügung enthalte, der Ausgangsbescheid deswegen, weil ihm die eingetretene Genehmigungsfiktion entgegenstehe. Die Beklagte sei zur Leistung verurteilt worden, weil die Versicherten nach Eintritt der Genehmigung nicht auf einen Kostenerstattungs- oder Freistellungsanspruch beschränkt seien.
Gegen das ihr am 20. April 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Mai 2018 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Be-klagten. Zu Unrecht habe das Sozialgericht eine Genehmigungsfiktion angenommen. Bei dem Wetterverdeck handele es sich um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des SGB IX. Solche Leistungen würden nicht unter die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V fallen (Hinweis auf BSG v. 15. März 2018 – B 3 KR 18/17 R). Deswegen sei unbeachtlich, ob der Widerspruchsausschuss rechtfehlerhaft eine irrtümlich angenommene Genehmigungsfiktion zu-rückgenommen habe. Unter dem Gesichtspunkt einer Teilhabe am Leben habe der Kläger keinen Anspruch auf die Kostenübernahme für das Wetterschutzverdeck. Bereits die Versorgung mit dem Elektromobil diene der Teilhabe am Leben. Das Fehlen eines Wetterverdecks schließe den Kläger nicht von einer Teilhabe aus. Der Schutz vor Wind, Regen und Kälte falle in die Eigenverantwortung des Klägers. Das Wetterverdeck sei kein notwendiges Zubehör.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte habe versäumt zu prüfen, ob es sich um eine Rehabilitationsmaßnahme gehandelt habe. Im Ergebnis reduziere sich die Prüfung auf den Umstand, ob dass beantragte Wetterschutzverdeck notwendiges und erforderliches Zubehör zu dem vorhandenen E-Mobil Invacar darstelle. Als Ergebnis einer solchen Prüfung müsse es dabeibleiben, dass er - der Kläger - einen Anspruch auf das begehrte Wetterschutzverdeck habe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig. Insbesondere ist der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dafür notwendige Wert des Beschwerdegegenstands von 750,- EUR erreicht. Nach dem vom Kläger ursprünglich vorgelegten Kostenvoranschlag sollte das Verdeck 786,- EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) kosten, das Sozialgericht hat im Januar 2018 einen Preis von 756,- EUR einschließlich Mehrwertsteuer ermittelt. Für das aktuelle Nachfolgemodell "Veltop Modulo", das nach den insoweit übereinstimmenden Vorstellungen der Beteiligten an die Stelle des nicht mehr lieferbaren "Veltop Mobility 5" treten würde, wird ausweislich des vom Kläger der Beklagten vorgelegten Kostenvoranschlags vom 13. April 2018, dessen Richtigkeit von der Beklagten nicht in Frage gestellt wird, ein Preis von 990,- EUR einschließlich Mehrwertsteuer verlangt.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Mit Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, den Kläger mit einem Wetterschutzverdeck als Zubehör für sein Elektromobil zu versorgen.
Der Senat teilt allerdings nicht die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, dass sich der Anspruch des Klägers bereits aus der Vorschrift des § 13 Abs. 3a Sozialgesetz-buch Fünftes Buch (SGB V) ergibt. Dort ist bestimmt, dass eine beantragte Leistung als genehmigt gilt, wenn nach Ablauf bestimmter Fristen keine Entscheidung der Krankenkasse ergangen ist. Nach Abs. 3a Satz 7 ist eine Krankenkasse zur Erstattung der Kosten verpflichtet, die den Versicherten dadurch entstanden sind, dass sie sich die Leistung nach Ablauf der Frist selbst beschafft haben. Nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 26. Mai 2020- B 1 KR 9/18 R, Urt. v. 18. Juni 2020, B 3 KR 14/18 R, B 3 KR 6/19 R, B 3 KR 13/19 R), der der Senat folgt, die das Sozialgericht allerdings noch nicht berücksichtigen konnte, beschränkt sich dieser Anspruch auf die Erstattung derjenigen Kosten, die Versicherten in der Zeit vom Fristablauf bis zu der negativen Entscheidung der Krankenkasse tatsächlich entstanden sind. Entgegen der früheren, vom Sozialgericht noch in Bezug genommenen Rechtsprechung des BSG ergibt sich aus dem Fristablauf keine Genehmigungsfiktion in Bezug auf den Sachleistungsanspruch. Damit kommt es für den hier streitigen Versorgungsanspruch des Klägers weder darauf an, ob der gestellte Antrag § 13 Abs. 3a SGB V unterfällt oder, weil er sich auf eine Rehabilitationsleistung bezieht, § 18 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) iVm § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V bzw. wegen des noch im Jahre 2017 gestellten Antrags § 15 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung. Weder aus § 18 SGB IX noch aus § 15 SGB IX a.F. ergeben sich weitergehende Ansprüche. § 18 Abs. 1 SGB IX sieht für die Rehabilitationsträger eine regelmäßige Entscheidungsfrist von zwei Monaten vor, die vorliegend zwischen dem am 16. Januar 2017 gestellten Antrag und der mit Bescheid vom 14. Februar 2017 erfolgten Ablehnung noch nicht ergebnislos verstrichen war. § 15 SGB IX a.F. knüpft zwar wie § 13 Abs. 3a SGB V an eine Frist von drei Wochen an (§ 15 Abs. 1 SGB IX a.F. iVm § 14 Abs. 2 SGB IX a.F.), sieht aber ebenso wie § 13 Abs. 3a SGB V (und wie auch § 18 SGB IX) nur die Erstattung von Kosten selbstbeschaffter Leistungen vor, die zudem nur unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfolgen darf. Da sich der Kläger das begehrte Wetterschutzverdeck bisher nicht selbst beschafft hat, insbesondere nicht in dem Zeitraum zwischen dem Ablauf der in § 13 Abs. 3a SGB V bzw. § 15 SGB IX a.F. bestimmten Frist von drei Wochen nach seinem am 16. Januar 2017 gestellten Antrag und der negativen Entscheidung der Beklagten vom 14. Februar 2017, kann er keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Kostenerstattung wegen des Wetterschutzverdecks haben. Einen Anspruch auf die Sachleistung geben die Vorschriften – nach geläuterter Rechtsauffassung - nicht her. Nunmehr neben der Sache liegt damit auch die vom Sozialgericht in seinem Urteil erörterte Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine kraft Fiktion eingetretene Genehmigung wieder zurückgenommen werden kann.
Ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Wetterschutzverdeck ergibt sich aber aus § 33 SGB V. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzu-beugen oder eine Behinderung auszugleichen. Entsprechendes ergibt sich aus § 47 Abs. 1 SGB IX für die Rehabilitation behinderter Menschen mit der Maßgabe, dass eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen ist, soweit die Hilfsmittel nicht allgemeine Gebrauchsgegen-stände des täglichen Lebens sind.
Bei dem Kläger liegen Krankheit und Behinderung vor. Er hat angegeben, an COPD Stadium III – IV zu leiden; nach der Hilfsmittelverordnung seines behandeln-den Arztes ist seine Mobilität beeinträchtigt. Angesichts des Umstands, dass der Kläger unstreitig mit einem Elektromobil versorgt worden ist, hat der Senat keine Veranlassung, das zu bezweifeln.
Ein Anspruch auf Versorgung mit einem Wetterschutzverdeck ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs einer Behinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Variante 3 SGB V). Das Wetterschutzverdeck ist ergänzendes Zubehör zu dem als Hilfsmittel bereits vorhandenen Elektromobil, dessen Verwendungsmöglichkeiten erweitert werden. Ein Hilfsmittel dient dem Ausgleich einer Behinderung, wenn es die durch den regelwidrigen Zustand bedingte Funktionsbeeinträchtigung ausgleichen, mildern, abwenden oder in sonstiger Weise günstig beeinflussen will (BSG v. 15. März 2018 – B 3 KR 4/16 R - juris Rn 31). Der Umfang des von der gesetzlichen Krankenversicherung durch Hilfsmittel zu gewährenden Behinderungsausgleichs bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R) danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird. Ein unmittelbarer Ausgleich der Behinderung wird bewirkt, wenn das Hilfsmittel die ausgefallene Körperfunktion ersetzt oder ihren Verlust weitgehend ausgleicht. Im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs schuldet die gesetzliche Krankenversicherung einen möglichst voll-ständigen Ausgleich der Behinderung im Sinne eines Gleichziehens des behinderten Menschen mit den Fähigkeiten eines gesunden Menschen. Die Grenze der Leistungsverpflichtung wird erst erreicht, wenn weitere Gebrauchsvorteile zwar noch möglich sind, sie aber nicht mehr wesentlich erscheinen. Dagegen liegt ein nur mittelbarer Behinderungsausgleich vor, wenn die ausgefallene Körperfunktion nicht weitgehend ersetzt werden kann, sondern lediglich die Folgen des Ausfalls für den Betroffenen abgemildert werden. Insoweit ist die Krankenversicherung nur leistungspflichtig, wenn Auswirkungen der Behinderung beseitigt werden, welche Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betreffen (vgl. zum Ganzen Pitz in: jurisPK SGB V, 4. Aufl., § 33 Rn 31-34).
Das Wetterschutzverdeck dient ebenso wie der Elektrorollstuhl dem mittelbaren Behinderungsausgleich. Denn es kann ausgefallene Körperfunktionen als solche nicht weitgehend wiederherstellen, sondern nur der Kompensation der Folgen ihres Ausfalls für den Versicherten dienen, indem es die Einsatzmöglichkeiten des Elektrorollstuhls verbessert, der dem Kläger das Grundbedürfnis der Mobilität sichert.
Ein speziell für die Verwendung als Wetterschutz für Elektromobile hergestelltes Verdeck ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern Zubehör für ein Hilfsmittel. Nach den Erläuterungen des Herstellers auf seiner Webseite ist das vom Kläger begehrte Verdeck speziell für die Kombination mit Elektromobilen konzipiert, es kann nicht unverändert auch für andere Fahrzeuge eingesetzt werden. Ein Elektromobil wird üblicherweise nur von kranken oder behinderte Personen verwendet, die gesundheitsbedingt nicht in der Lage sind, sich auf den eigenen Beinen im Nahbereich zu bewegen. Nur solche Personen haben auch Verwendung für ein Verdeck, das zum Einsatz bei Elektromobilen konzipiert worden ist. Auf die Aufnahme des Verdecks in das nach § 139 SGB V zu erstellende Hilfsmittelverzeichnis kommt es nicht an. Denn das Hilfsmittelverzeichnis ist nur Auslegungshilfe, es entscheidet nicht über die den Versicherten zustehenden Ansprüche (Pitz in jurisPK SGB V, § 33 Rn 25 mit weit. Nachw).
Der Anspruch eines Versicherten auf Versorgung mit einem Hilfemittel erfasst auch den Anspruch auf Zubehörteile, ohne die das Hilfsmittel nicht oder nicht zweckentsprechend betrieben werden kann (Pitz in jurisPK SGB V, § 33 Rn 27). Bei Hilfsmitteln, welche die Mobilität sicherstellen sollen, fällt deswegen auch ein angemessener Regenschutz in die Leistungspflicht der Krankenversicherung (SG Dresden v. 22. Juni 2005 – S 18 KR 537/02 – juris Rn 7; Gerlach in Hauck/Noftz SGB V § 33 Rn 115). Selbst die Beklagte zieht ausweislich der Darlegungen in ihrem Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2017 nicht in Zweifel, dass es zu den Grundbedürfnissen gehört, Alltagsgeschäfte auch bei ungünstiger Witterung erledigen zu können, und dass der begehrte Wetterschutz dazu beiträgt, bei dem Kläger die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kann der Kläger in Bezug auf den Wetterschutz nicht zumutbar auf die Eigenversorgung verwiesen werden. Denn er ist gerade auf Grund seiner Behinderung insoweit in einer anderen Situation als ein nichtbehinderter Mensch. Ein gesunder Mensch kann bei schlechtem Wetter etwa einen Regenschirm benutzen. Das ist dem Kläger auf dem Elektromobil nicht möglich, da er seine beiden Hände für das Lenken braucht. Der zur Erreichung von Mobilität auf die Benutzung eines Elektromobils angewiesene Kläger ist den Unbilden der Witterung zudem stärker ausgesetzt als ein gesunder Mensch, der bei außerhalb des Hauses zurückzulegenden Wegen einer Auskühlung schon dadurch entgegenwirkt, dass er sich bewegt. Allein durch die Verwendung von wetterfester Bekleidung, wie sie auch von nichtbehinderten Menschen benutzt wird, ist der Kläger damit noch nicht in einer Situation, welche der eines nichtbehinderten Menschen gleich kommt.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 12. April 2018 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen. Soweit ersichtlich gibt es noch keine höchst-richterliche Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit ein geeigneter Wetterschutz notwendiges Zubehör einer Versorgung mit Hilfsmitteln sein kann.
Tatbestand:
Die Beteiligte streiten über die Versorgung des Klägers mit einem Wetterverdeck für sein Elektromobil.
Der 1944 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Am 16. Januar 2017 legte er der Beklagten eine Verordnung seines behandelnden Arztes vom 11. Januar 2017 betreffend einen modulierbaren Wetterschutz für ein vorhandenes Elektromobil bei der Diagnose Mobilitätsbeeinträchtigung vor. Ergänzend führte er aus, dass der Wetterschutz ihm erlauben würde, das genehmigte Elektro-mobil ganzjährig zu benutzen. Mit einem GdB von 100 sei er auf die ganzjährige Nutzung angewiesen, um uneingeschränkt am sozialen Leben teilnehmen zu können.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2017 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für den Wetterschutz ab. Maßgebend seien die zwischen den Ärzteverbänden und den Vertretern der Krankenkassen geschaffenen Richtlinien. Ein Wetterschutz sei kein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ebenfalls am 14. Februar 2017 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass er von der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Gebrauch mache, da die Beklagte weder Stellung genommen noch auf die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme verwiesen habe. Am 20. Februar 2017 legte er dann Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Februar 2017 ein. Er verwies auf § 13 Abs. 3a SGB V. Auch habe das Hilfsmittelverzeichnis rein informatorischen Charakter. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ihm ein E-Mobil zugestanden werde, ein Wetterschutz aber nicht. Selbst kleine Erkältungen könnten zu plötzlichen Verschlechterungen seiner Vorerkrankung (COPD III-IV) führen und damit einen erheblichen Behandlungsaufwand auslösen. Der Kläger legte weiter einen Kostenvoranschlag vor, wonach das begehrte Wetterschutzverdeck einschließlich Umsatzsteuer 786,00 EUR kosten sollte.
Mit ihrem Anhörungsschreiben vom 24. März 2017 wies die Beklagte darauf hin, dass die Genehmigungsfiktion nur bei Leistungen greifen könne, die grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten, was bei einem Wetterschutzverdeck nicht der Fall sei. Der Kläger erklärte dazu, dass er an seiner Auffassung festhalte.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2017 zurück. Der Antrag habe trotz verspäteter Bearbeitung nicht zu einer Genehmigungsfiktion geführt, da der Wetterschutz nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gehöre und die Genehmigungsfiktion den Sachleistungsanspruch nicht erweitere. Auch wenn nachvollziehbar sei, dass Alltagsgeschäfte auch bei ungünstiger Witterung erledigt werden müssten, gehöre der Schutz vor Witterungseinflüssen eindeutig in den persönlichen Verantwortungsbereich. Oftmals sei ein ausreichender Schutz bereits durch geeignete Kleidung zu erreichen. Das Wetter-schutzverdeck sei eher als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzuordnen, weil es ein seriell gefertigter Artikel ohne individuelle Anpassung an die Behinderung sei. Sollte gleichwohl eine Genehmigungsfiktion eingetreten sein, werde diese mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen. Eine Genehmigungsfiktion stelle zwar einen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Ein schutzwürdiges Vertrau-en bestehe aber nicht, solange das Wetterschutzverdeck noch nicht beschafft oder seine Beschaffung noch nicht in Auftrag gegeben worden sei. Unter diesen Voraussetzungen überwiege das öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände.
Dagegen richtet sich die am 20. Juli 2017 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der insbesondere vorgetragen worden ist, dass das Wetterschutzverdeck kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sei, dass es für die Benutzung mit Elektrorollstühlen konzipiert sei, und erst bewirke, dass die notwendigen Wege auch bei schlechtem Wetter zurückgelegt werden könnten.
Das Sozialgericht hat die Beklagte am 12. April 2018 unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2017 verurteilt, den Kläger mit dem begehrten Wetterschutzverdeck zu versorgen. Der Anspruch ergebe sich aus einer durch Fiktion eingetretenen Genehmigung, deren Rücknahme zwar zulässig, aber nicht rechtmäßig erklärt worden sei. Die Genehmigungsfiktion greife ein, weil die Beklagte über den hinreichend bestimmten Antrag des Klägers nicht innerhalb von drei Wochen nach Eingang entschieden habe. Die Genehmigungsfiktion trete für alle Leistungen mit Bezug zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Rücksicht auf deren Eignung und Notwendigkeit im Einzelfall ein (Hinweis u.a. auf Urteil des BSG v. 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R). Ausreichend sei daher, dass der Kläger auf der Grundlage der ärztlichen Verordnung davon ausgehen habe können, dass das Wetterschutzverdeck eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle. Eine Rücknahme nach § 45 SGB X setze die anfängliche Rechtswidrigkeit der Genehmigung, fehlenden Vertrauensschutz sowie eine Ermessensausübung voraus. Weiter müssten die formellen Voraussetzungen für den Erlass des belasten-den Verwaltungsaktes gegeben sein. Das sei hier aber nicht der Fall: Der Kläger sei nicht angehört worden. Zudem sei der Widerspruchsausschuss nicht für den Erlass der Rücknahmeverfügung zuständig gewesen. Dahingestellt bleiben könne, ob die Rücknahmeentscheidung wirksam bekannt gegeben worden sei. Der Widerspruchsbescheid sei aufzuheben gewesen, weil er in rechtswidriger Weise eine Rücknahmeverfügung enthalte, der Ausgangsbescheid deswegen, weil ihm die eingetretene Genehmigungsfiktion entgegenstehe. Die Beklagte sei zur Leistung verurteilt worden, weil die Versicherten nach Eintritt der Genehmigung nicht auf einen Kostenerstattungs- oder Freistellungsanspruch beschränkt seien.
Gegen das ihr am 20. April 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Mai 2018 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Be-klagten. Zu Unrecht habe das Sozialgericht eine Genehmigungsfiktion angenommen. Bei dem Wetterverdeck handele es sich um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des SGB IX. Solche Leistungen würden nicht unter die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V fallen (Hinweis auf BSG v. 15. März 2018 – B 3 KR 18/17 R). Deswegen sei unbeachtlich, ob der Widerspruchsausschuss rechtfehlerhaft eine irrtümlich angenommene Genehmigungsfiktion zu-rückgenommen habe. Unter dem Gesichtspunkt einer Teilhabe am Leben habe der Kläger keinen Anspruch auf die Kostenübernahme für das Wetterschutzverdeck. Bereits die Versorgung mit dem Elektromobil diene der Teilhabe am Leben. Das Fehlen eines Wetterverdecks schließe den Kläger nicht von einer Teilhabe aus. Der Schutz vor Wind, Regen und Kälte falle in die Eigenverantwortung des Klägers. Das Wetterverdeck sei kein notwendiges Zubehör.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte habe versäumt zu prüfen, ob es sich um eine Rehabilitationsmaßnahme gehandelt habe. Im Ergebnis reduziere sich die Prüfung auf den Umstand, ob dass beantragte Wetterschutzverdeck notwendiges und erforderliches Zubehör zu dem vorhandenen E-Mobil Invacar darstelle. Als Ergebnis einer solchen Prüfung müsse es dabeibleiben, dass er - der Kläger - einen Anspruch auf das begehrte Wetterschutzverdeck habe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig. Insbesondere ist der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dafür notwendige Wert des Beschwerdegegenstands von 750,- EUR erreicht. Nach dem vom Kläger ursprünglich vorgelegten Kostenvoranschlag sollte das Verdeck 786,- EUR (einschließlich Mehrwertsteuer) kosten, das Sozialgericht hat im Januar 2018 einen Preis von 756,- EUR einschließlich Mehrwertsteuer ermittelt. Für das aktuelle Nachfolgemodell "Veltop Modulo", das nach den insoweit übereinstimmenden Vorstellungen der Beteiligten an die Stelle des nicht mehr lieferbaren "Veltop Mobility 5" treten würde, wird ausweislich des vom Kläger der Beklagten vorgelegten Kostenvoranschlags vom 13. April 2018, dessen Richtigkeit von der Beklagten nicht in Frage gestellt wird, ein Preis von 990,- EUR einschließlich Mehrwertsteuer verlangt.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Mit Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, den Kläger mit einem Wetterschutzverdeck als Zubehör für sein Elektromobil zu versorgen.
Der Senat teilt allerdings nicht die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, dass sich der Anspruch des Klägers bereits aus der Vorschrift des § 13 Abs. 3a Sozialgesetz-buch Fünftes Buch (SGB V) ergibt. Dort ist bestimmt, dass eine beantragte Leistung als genehmigt gilt, wenn nach Ablauf bestimmter Fristen keine Entscheidung der Krankenkasse ergangen ist. Nach Abs. 3a Satz 7 ist eine Krankenkasse zur Erstattung der Kosten verpflichtet, die den Versicherten dadurch entstanden sind, dass sie sich die Leistung nach Ablauf der Frist selbst beschafft haben. Nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 26. Mai 2020- B 1 KR 9/18 R, Urt. v. 18. Juni 2020, B 3 KR 14/18 R, B 3 KR 6/19 R, B 3 KR 13/19 R), der der Senat folgt, die das Sozialgericht allerdings noch nicht berücksichtigen konnte, beschränkt sich dieser Anspruch auf die Erstattung derjenigen Kosten, die Versicherten in der Zeit vom Fristablauf bis zu der negativen Entscheidung der Krankenkasse tatsächlich entstanden sind. Entgegen der früheren, vom Sozialgericht noch in Bezug genommenen Rechtsprechung des BSG ergibt sich aus dem Fristablauf keine Genehmigungsfiktion in Bezug auf den Sachleistungsanspruch. Damit kommt es für den hier streitigen Versorgungsanspruch des Klägers weder darauf an, ob der gestellte Antrag § 13 Abs. 3a SGB V unterfällt oder, weil er sich auf eine Rehabilitationsleistung bezieht, § 18 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) iVm § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V bzw. wegen des noch im Jahre 2017 gestellten Antrags § 15 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung. Weder aus § 18 SGB IX noch aus § 15 SGB IX a.F. ergeben sich weitergehende Ansprüche. § 18 Abs. 1 SGB IX sieht für die Rehabilitationsträger eine regelmäßige Entscheidungsfrist von zwei Monaten vor, die vorliegend zwischen dem am 16. Januar 2017 gestellten Antrag und der mit Bescheid vom 14. Februar 2017 erfolgten Ablehnung noch nicht ergebnislos verstrichen war. § 15 SGB IX a.F. knüpft zwar wie § 13 Abs. 3a SGB V an eine Frist von drei Wochen an (§ 15 Abs. 1 SGB IX a.F. iVm § 14 Abs. 2 SGB IX a.F.), sieht aber ebenso wie § 13 Abs. 3a SGB V (und wie auch § 18 SGB IX) nur die Erstattung von Kosten selbstbeschaffter Leistungen vor, die zudem nur unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfolgen darf. Da sich der Kläger das begehrte Wetterschutzverdeck bisher nicht selbst beschafft hat, insbesondere nicht in dem Zeitraum zwischen dem Ablauf der in § 13 Abs. 3a SGB V bzw. § 15 SGB IX a.F. bestimmten Frist von drei Wochen nach seinem am 16. Januar 2017 gestellten Antrag und der negativen Entscheidung der Beklagten vom 14. Februar 2017, kann er keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Kostenerstattung wegen des Wetterschutzverdecks haben. Einen Anspruch auf die Sachleistung geben die Vorschriften – nach geläuterter Rechtsauffassung - nicht her. Nunmehr neben der Sache liegt damit auch die vom Sozialgericht in seinem Urteil erörterte Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine kraft Fiktion eingetretene Genehmigung wieder zurückgenommen werden kann.
Ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Wetterschutzverdeck ergibt sich aber aus § 33 SGB V. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzu-beugen oder eine Behinderung auszugleichen. Entsprechendes ergibt sich aus § 47 Abs. 1 SGB IX für die Rehabilitation behinderter Menschen mit der Maßgabe, dass eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen ist, soweit die Hilfsmittel nicht allgemeine Gebrauchsgegen-stände des täglichen Lebens sind.
Bei dem Kläger liegen Krankheit und Behinderung vor. Er hat angegeben, an COPD Stadium III – IV zu leiden; nach der Hilfsmittelverordnung seines behandeln-den Arztes ist seine Mobilität beeinträchtigt. Angesichts des Umstands, dass der Kläger unstreitig mit einem Elektromobil versorgt worden ist, hat der Senat keine Veranlassung, das zu bezweifeln.
Ein Anspruch auf Versorgung mit einem Wetterschutzverdeck ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs einer Behinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Variante 3 SGB V). Das Wetterschutzverdeck ist ergänzendes Zubehör zu dem als Hilfsmittel bereits vorhandenen Elektromobil, dessen Verwendungsmöglichkeiten erweitert werden. Ein Hilfsmittel dient dem Ausgleich einer Behinderung, wenn es die durch den regelwidrigen Zustand bedingte Funktionsbeeinträchtigung ausgleichen, mildern, abwenden oder in sonstiger Weise günstig beeinflussen will (BSG v. 15. März 2018 – B 3 KR 4/16 R - juris Rn 31). Der Umfang des von der gesetzlichen Krankenversicherung durch Hilfsmittel zu gewährenden Behinderungsausgleichs bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R) danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird. Ein unmittelbarer Ausgleich der Behinderung wird bewirkt, wenn das Hilfsmittel die ausgefallene Körperfunktion ersetzt oder ihren Verlust weitgehend ausgleicht. Im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs schuldet die gesetzliche Krankenversicherung einen möglichst voll-ständigen Ausgleich der Behinderung im Sinne eines Gleichziehens des behinderten Menschen mit den Fähigkeiten eines gesunden Menschen. Die Grenze der Leistungsverpflichtung wird erst erreicht, wenn weitere Gebrauchsvorteile zwar noch möglich sind, sie aber nicht mehr wesentlich erscheinen. Dagegen liegt ein nur mittelbarer Behinderungsausgleich vor, wenn die ausgefallene Körperfunktion nicht weitgehend ersetzt werden kann, sondern lediglich die Folgen des Ausfalls für den Betroffenen abgemildert werden. Insoweit ist die Krankenversicherung nur leistungspflichtig, wenn Auswirkungen der Behinderung beseitigt werden, welche Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betreffen (vgl. zum Ganzen Pitz in: jurisPK SGB V, 4. Aufl., § 33 Rn 31-34).
Das Wetterschutzverdeck dient ebenso wie der Elektrorollstuhl dem mittelbaren Behinderungsausgleich. Denn es kann ausgefallene Körperfunktionen als solche nicht weitgehend wiederherstellen, sondern nur der Kompensation der Folgen ihres Ausfalls für den Versicherten dienen, indem es die Einsatzmöglichkeiten des Elektrorollstuhls verbessert, der dem Kläger das Grundbedürfnis der Mobilität sichert.
Ein speziell für die Verwendung als Wetterschutz für Elektromobile hergestelltes Verdeck ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern Zubehör für ein Hilfsmittel. Nach den Erläuterungen des Herstellers auf seiner Webseite ist das vom Kläger begehrte Verdeck speziell für die Kombination mit Elektromobilen konzipiert, es kann nicht unverändert auch für andere Fahrzeuge eingesetzt werden. Ein Elektromobil wird üblicherweise nur von kranken oder behinderte Personen verwendet, die gesundheitsbedingt nicht in der Lage sind, sich auf den eigenen Beinen im Nahbereich zu bewegen. Nur solche Personen haben auch Verwendung für ein Verdeck, das zum Einsatz bei Elektromobilen konzipiert worden ist. Auf die Aufnahme des Verdecks in das nach § 139 SGB V zu erstellende Hilfsmittelverzeichnis kommt es nicht an. Denn das Hilfsmittelverzeichnis ist nur Auslegungshilfe, es entscheidet nicht über die den Versicherten zustehenden Ansprüche (Pitz in jurisPK SGB V, § 33 Rn 25 mit weit. Nachw).
Der Anspruch eines Versicherten auf Versorgung mit einem Hilfemittel erfasst auch den Anspruch auf Zubehörteile, ohne die das Hilfsmittel nicht oder nicht zweckentsprechend betrieben werden kann (Pitz in jurisPK SGB V, § 33 Rn 27). Bei Hilfsmitteln, welche die Mobilität sicherstellen sollen, fällt deswegen auch ein angemessener Regenschutz in die Leistungspflicht der Krankenversicherung (SG Dresden v. 22. Juni 2005 – S 18 KR 537/02 – juris Rn 7; Gerlach in Hauck/Noftz SGB V § 33 Rn 115). Selbst die Beklagte zieht ausweislich der Darlegungen in ihrem Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2017 nicht in Zweifel, dass es zu den Grundbedürfnissen gehört, Alltagsgeschäfte auch bei ungünstiger Witterung erledigen zu können, und dass der begehrte Wetterschutz dazu beiträgt, bei dem Kläger die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kann der Kläger in Bezug auf den Wetterschutz nicht zumutbar auf die Eigenversorgung verwiesen werden. Denn er ist gerade auf Grund seiner Behinderung insoweit in einer anderen Situation als ein nichtbehinderter Mensch. Ein gesunder Mensch kann bei schlechtem Wetter etwa einen Regenschirm benutzen. Das ist dem Kläger auf dem Elektromobil nicht möglich, da er seine beiden Hände für das Lenken braucht. Der zur Erreichung von Mobilität auf die Benutzung eines Elektromobils angewiesene Kläger ist den Unbilden der Witterung zudem stärker ausgesetzt als ein gesunder Mensch, der bei außerhalb des Hauses zurückzulegenden Wegen einer Auskühlung schon dadurch entgegenwirkt, dass er sich bewegt. Allein durch die Verwendung von wetterfester Bekleidung, wie sie auch von nichtbehinderten Menschen benutzt wird, ist der Kläger damit noch nicht in einer Situation, welche der eines nichtbehinderten Menschen gleich kommt.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 12. April 2018 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen. Soweit ersichtlich gibt es noch keine höchst-richterliche Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit ein geeigneter Wetterschutz notwendiges Zubehör einer Versorgung mit Hilfsmitteln sein kann.
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