Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 1 KA 94/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KA 6/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Dezember 2017 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Untersagung der Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit in ausgelagerten Praxisräumen.
Der Kläger ist Facharzt für Augenheilkunde und im Bereich der Beklagten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verfügt über einen halben Vertragsarztsitz in S und einen hälftigen Versorgungsauftrag in L. Mit Schreiben vom 27. März 2015 zeigte er der Beklagten an, dass er für seinen Vertragsarztsitz in S einen ausgelagerten Praxisraum mit der Adresse S d E , B B nutzen wolle.
Durch Bescheid vom 20. April 2015 erklärte die Beklagte, dass die Voraussetzungen eines ausgelagerten Praxisraums nicht erfüllt seien. Die angezeigte Tätigkeit in B B sei nicht zulässig. Einem Arzt sei es nach der Ärzte-ZV gestattet, Untersuchungs- und Behandlungsräume im räumlicher Nähe zu seinem Vertragsarztsitz ausschließlich für spezielle Untersuchungs- und Behandlungszwecke zu nutzen. Es sei ausgeschlossen, in den ausgelagerten Praxisräumen dasselbe Leistungsangebot wie in der eigentlichen Praxis zur Verfügung zu stellen. Der Kläger wolle nach seinem Vorbringen in B B Nachkontrollen im Anschluss an Operationen anbieten, halte Nachkontrollen für operierte Patienten aber auch in S vor. Unabhängig davon sei die Voraussetzung einer räumlichen Nähe nicht erfüllt, weil die Entfernung zwischen dem Praxisstandort in S und dem angezeigten ausgelagerten Praxisraum von 67,6 km eine Fahrtzeit von 42 Minuten erforderlich mache.
Am 5. Mai 2015 erhob der Kläger Widerspruch. Ein Verbot der Erbringung gleichartiger Leistungen am Vertragsarztsitz und den ausgelagerten Praxisräumen gebe es nicht mehr. Das Kriterium der räumlichen Nähe werde erfüllt. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für die Forderung der Beklagten, dass der ausgelagerte Praxisraum vom Praxissitz aus in maximal 30 Minuten erreichbar sein müsse. Maßgebend seien stets die Verhältnisse des Einzelfalles. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass in B B nur planbare Untersuchungen, nämlich operative Nachkontrollen mit einem zeitlichen Umfang von zwei Stunden pro Woche stattfinden sollten. Die zeitliche Präsenz am Vertragsarztsitz in S sei dadurch kaum berührt, zumal dort auch ein angestellter Augenarzt für Notfallbehandlungen bereitstünde.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2015 zurück. Die operative Nachsorge sei keine spezielle Untersuchungs- oder Behandlungsleistung für ausgelagerte Praxisstätten. Solche Leistungen würden in jeder Augenarztpraxis als Kernleistung erbracht. Weitere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien nicht angezeigt worden. Außerdem sei die nach der Rechtsprechung des BSG wichtige Voraussetzung der räumlichen Nähe nicht erfüllt. Die Behauptung, dass der Kläger für die Distanz nicht mehr als 30 Minuten benötige, lasse sich mit den Ergebnissen der Recherchen nicht in Übereinstimmung bringen. Nach den veränderten landesrechtlichen Bestimmungen sei es einem Vertragsarzt allerdings mittlerweile erlaubt, an weiteren Orten gleiche Tätigkeiten wie am Vertragsarztsitz zu verrichten-
Dagegen richtet sich die am 24. November 2015 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangene Klage. Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 6. Dezember 2017 den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2015 aufgehoben. Zu Unrecht habe die Beklagte dem Kläger ein Tätigwerden an einer ausgelagerten Betriebsstätte untersagt. Bei dem Kläger bestehe die Besonderheit, dass er zwei halbe Versorgungsaufträge an zwei unterschiedlichen Vertragsarztsitzen habe. Es sei nicht ausgeschlossen, an beiden Vertragsarztsitzen ausgelagerte Praxisräume zu betreiben. Von seinem Vertragsarztsitz in L führe der Kläger in ausgelagerten Praxisräumen in L ambulante Operationen durch. Gleichzeitig führe er in der H Klinik N in ausgelagerten Praxisräumen ambulante Operationen bis 2022 durch. Auch am Vertragsarztsitz in S führe er ambulante Operationen durch. Es sei sehr patientenfreundlich, die Nachkontrollen zu in S ambulant durchgeführten Operationen in B B in einem ausgelagerten Praxisraum durchzuführen. Die in § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV geregelte räumliche Nähe zum Vertragsarztsitz sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht mit einer Beschränkung auf den Planungsbereich oder den KV-Bezirk verbunden sei. Von räumlicher Nähe könne ausgegangen werden, wenn der Vertragsarzt seine Praxis regelmäßig innerhalb von 30 Minuten erreichen könne (Hinweis auf BSG v. 5. November 2003 - B 6 KA 2/03 R). Da der Kläger aber lediglich zwei Stunden in der Woche in B B tätig werden wolle, sei auch eine Fahrzeit von 45 Minuten hinnehmbar. Dies insbesondere deswegen, weil er in B B keine regulären Sprechstunden abhalten dürfe und grundsätzlich nur für geplante Tätigkeiten dort hinfahren werde. Die Tätigkeit am Vertragsarztsitz in S, wo er noch einen angestellten Facharzt beschäftige, werde dadurch nicht wesentlich eingeschränkt. Der auf eine Versorgung im Notfall bezogene Einwand der Beklagten greife nicht, weil es sich in B B um ausgelagerte Praxisräume handele und die Patienten im Notfall sowieso an den Vertragsarztsitz nach S kommen müssten.
Gegen das ihr am 21. Dezember 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Januar 2018 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten. Sie habe die Aufnahme einer vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren fünften Ort untersagt. Bei ihrer Entscheidung habe sie einen weiten Ermessensspielraum, der nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Die vom Sozialgericht vorgenommene Interessenabwägung sei rechtsfehlerhaft. Das Sozialgericht habe versäumt, in die Interessenabwägung wesentliche Umstände für die ordnungsgemäße Versorgung am Vertragsarztsitz einzubeziehen. So sei nicht nachvollziehbar, warum aufgrund der geplanten Tätigkeit von nur zwei Wochenstunden eine Fahrtzeit von 45 Minuten je Richtung hinzunehmen sein solle. Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung beinhalte auch die Verpflichtung, seinen Patienten in Akutfällen zur Verfügung zu stehen. Nur für die Zeit eines durch die Ärzteschaft organisierten Notfalldienstes gelte eine Ausnahme von der Präsenzpflicht am Vertragsarztsitz. Zwar sei die Forderung des BSG, dass die Praxis innerhalb von 30 Minuten erreicht werden müsse, keine feste Vorgabe, sondern nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu bewerten. Die Interessenabwägung des Sozialgerichts lasse aber eine Einzelfallbewertung der weiteren Tätigkeit des Klägers an den Standorten L, L und der Hklinik N völlig vermissen. Angesichts der Entfernungen zwischen allen diesen Orten sei die Untersagungsverfügung rechtmäßig, da Beeinträchtigungen der Versorgung im Notdienst nicht ausgeschlossen werden könnten. Um den Einwand der unzureichenden Versorgung im Notfall zu widerlegen, reiche nicht der Hinweis, dass Patienten aus B B 45 Minuten in die Praxis in S fahren würden. Das beziehe die Patienten nicht ein, die nicht aus B B kämen. Eine Auswertung des Einzugsbereichs der Praxis in S habe ergeben, dass nur ein geringer Teil der Patienten aus B B kämen, ein großer Teil dagegen aus S. Die Behandlungsvorteile in B B kämen deswegen nur einer kleinen Gruppe zugute, wohingegen das Großteil der Patienten durch die Abwesenheit des Klägers vom Vertragsarztsitz benachteiligt wäre. Das Sozialgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass der Weg von B B nach Süber staubelastete Wegstrecken führe, so dass eine Fahrdauer von 45 Minuten eine Zeitangabe nur unter Idealbedingungen darstelle. Den Nachsorgeuntersuchungen in B B komme kein solches Gewicht zu, dass sie die Beeinträchtigungen der vertragsärztlichen Versorgung in S überwiegen würden. Der Kläger befinde sich mit seinen ausgelagerten Praxisräumen in B B nicht mehr in räumlicher Nähe zum Praxissitz in S.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Dezember 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Beklagte differenziere nicht nach den Voraussetzungen einer Zweigpraxis und denen ausgelagerter Praxisräume. In ausgelagerten Praxisräumen dürften im Gegensatz zur Zweigpraxis keine Sprechstunden abgehalten werden und entsprechend auch kein Erstkontakt mit Patienten stattfinden. In B B wolle er ausschließlich Nachkontrolluntersuchungen für bereits operierten Patienten und in der Zukunft möglicherweise auch ambulante Operationen durchführen. Zutreffend habe das Sozialgericht angenommen, dass in den ausgelagerten Praxisräumen in B B spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen erbracht werden sollten, nämlich Nachkontrolluntersuchungen. Insoweit komme es nicht darauf an, dass solche Leistungen auch in S angeboten würden. Vor der Aufnahme ambulanter Operationen in B B werde er gegebenenfalls der Beklagten noch die Erfüllung der insoweit maßgeblichen Qualitätssicherungsvereinbarung nachweisen. Auch eine räumliche Nähe zum Vertragsarztsitz bestehe. Eine Fahrtzeit von 45 Minuten sei hinnehmbar. Maßgeblich sei nur die Entfernung zum Vertragsarztsitz und nicht zu weiteren Tätigkeitsorten. Entsprechend beurteile sich die räumliche Nähe allein zu der Praxis in S als Bezugspunkt, ohne dass es auf den weiteren Vertragsarztsitz in L ankomme. Unerheblich sei auch das Vorbringen der Beklagten, dass in Stahnsdorf nur wenig Patienten mit Wohnsitz in B B behandelt würden.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist rechtsirrig. Der angefochtene Bescheid vom 20. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Mit Recht hat die Beklagte dem Kläger den Betrieb ausgelagerter Praxisräume in B B untersagt.
Rechtsgrundlage für die Untersagungsverfügung der Beklagten ist § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V: Nach dieser Vorschrift haben die kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Gemäß § 24 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV erfolgt die Zulassung für den Ort der Niederlassung als Arzt. Entsprechend muss der Vertragsarzt seine Sprechstunde am Vertragsarztsitz abhalten. Indessen sieht die Ärzte-ZV bestimmte Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt, der spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen an weiteren Orten in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz (ausgelagerte Praxisräume) erbringt, Ort und Zeitpunkt der Aufnahme seiner Tätigkeit seiner kassenärztlichen Vereinigung unverzüglich anzuzeigen. Daraus ist zu schließen, dass die Auslagerung der Leistungserbringung auf auswärtige Praxisräume außerhalb der Anschrift des Vertragsarztsitzes zulässig ist, soweit die in § 24 Abs. 5 SGB V dafür genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Anzeige an die jeweils zuständige kassenärztliche Vereinigung soll dieser eine Prüfung ermöglichen, ob die Anforderungen an ausgelagerte Praxisräume eingehalten werden (BT-Drucks 16/2472 S. 30), an deren Ende bei einem negativen Ergebnis eine Untersagungsverfügung steht.
Der Senat folgt der Einschätzung der Beklagten, dass die Voraussetzungen für die Einrichtung ausgelagerter Praxisräume in B B nicht erfüllt sind. Eine Behandlung in ausgelagerten Praxisräumen muss nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV auf besondere Untersuchungs- und Behandlungsleistungen beschränkt sein. Insbesondere darf in ihnen kein Erstkontakt mit den Patienten stattfinden. Diese Voraussetzung wird nach dem Vortrag des Klägers erfüllt, der die weiteren Behandlungsräume in B B jedenfalls zurzeit nur nutzen will, um bereits von ihm operierte Patienten in B B bestimmte Nachsorgeleistungen anzubieten. Die Zulässigkeit des Betriebs weiterer Praxisräume setzt demgegenüber nicht mehr voraus, dass die in den ausgelagerten Praxisräumen angebotenen Leistungen ausschließlich dort und nicht auch am eigentlichen Vertragsarztsitz angeboten werden (BSG v. 13. Mai 2015 - B 6 KA 23/14 R - juris Rn 22). Insoweit ist unbeachtlich, dass der Kläger Nachsorgeleistungen auch in S erbringt.
Soweit für die Auslagerung von Praxisräumen besondere Gründe gefordert werden (Pawlita in jurisPK SGB V. 4. Aufl., § 95 Rn 661), kann der Kläger darauf verweisen, dass er dort Patienten mit Wohnsitz in B B behandeln will. Diese Möglichkeit ist von der Beklagten bestätigt worden, auch wenn sie einschränkend geltend macht, dass der Großteil der von dem Kläger operierten Patienten nicht in B B, sondern am Vertragsarztsitz in S wohnt. Die (wenigen) in B B wohnenden Patienten hätten allerdings Vorteile von einer wohnortnahen Nachsorge, weil ihnen die Fahrt nach S erspart bliebe. Indessen erscheint fraglich, ob eine verbesserte Erreichbarkeit als sachlicher Grund für die Auslagerung von Praxisräumen angesehen werden kann, da § 24 Abs. 5 SGB V gerade von einer räumlichen Nähe der ausgelagerten Praxisräume zu dem bestehenden Vertragsarztsitz ausgeht.
Das kann aber dahin gestellt bleiben, da vom Kläger in B B betriebene ausgelagerte Praxisräume jedenfalls nicht die Voraussetzung erfüllen, sich in räumlicher Nähe zu dem bestehenden Vertragsarztsitz zu befinden. Der Begriff der räumlichen Nähe ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in der Ärzte-ZV nicht weiter konkretisiert wird. Das BSG hat in seiner neuesten Rechtsprechung aber bereits Zweifel an dem Einhalten des Tatbestandsmerkmals der räumlichen Nähe geäußert, wenn die Räumlichkeiten mehr als 9 km bzw 11 km auseinanderliegen (BSG v. 8. August 2018 - B 6 KA 24/17 R - juris Rn 17). Die Entfernung zwischen dem Vertragsarztsitz in S und den ausgelagerten Räumlichkeiten in B B beträgt nach den Angaben der Beklagten, denen der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten ist, 67,6 Km und liegt damit weit über der vom BSG für zulässig gehaltenen Distanz. Auch in der Kommentarliteratur wird eine Begrenzung des Begriffs der räumlichen Nähe auf wenige Kilometer (Pawlita in jurisPK SGB V, 4. Aufl., § 95 Rn 656) bzw. eine restriktive Auslegung des Begriffs (Hannes in Hauck/Noftz, SGB V, § 95 Rn 67) gefordert. Nach Auffassung des Senats sind jedenfalls Entfernungen von mehr als 30 Km auch in ländlichen Regionen nicht hinnehmbar. Die von der Beklagten für maßgebend gehaltene Vorgabe, dass die ausgelagerten Räumlichkeiten innerhalb von 30 Minuten mit dem Auto erreichbar sein müssen (so auch Clemens in Schallen, Zulassungsverordnung, 4. Aufl. 2018, § 24 Rn 13), erscheint gegenüber der aktuellen Rechtsprechung des BSG eher als eine sehr großzügig gehaltene äußerste Grenze. Angesichts des Umstands, dass die Distanz zwischen Sund B B im Einzugsbereich B zurückzulegen ist, erscheint es dem Senat ausgeschlossen, dass diese Strecke üblicherweise innerhalb einer Fahrtzeit von 30 Minuten bewältigt werden könnte. Auch nach den Feststellungen des Sozialgerichts ist regelmäßig eine Fahrtzeit von 45 Minuten erforderlich. Für die daran anschließende Rechtsauffassung des Sozialgerichts, dass die räumliche Nähe dann kein erhebliches Kriterium für die Zulässigkeit ausgelagerter Praxisräume sein könne, wenn der Vertragsarzt an den ausgelagerten Räumlichkeiten ohnehin nur eine Tätigkeit im Umfang von bis zu zwei Stunden in der Woche beabsichtige, findet sich im Text der Ärzte-ZV kein Anhaltspunkt. Eine bestehende räumliche Distanz ändert sich nicht dadurch, dass der Vertragsarzt sich ihre Bewältigung nur für einen Tag in der Woche vornimmt.
Zudem geht der Senat mit der Beklagten davon aus, dass die Voraussetzung der räumlichen Nähe der ausgelagerten Praxisräume zu dem eigentlichen Vertragsarztsitz sicherstellen soll, dass der Vertragsarzt seinen Patienten in Notfällen auch außerhalb der Sprechzeiten zeitnah zur Verfügung stehen kann. Im konkret vorliegenden Einzelfall ist die Erreichbarkeit in Notfällen aber bereits dadurch eingeschränkt, dass der Kläger an zwei nicht nahe beieinanderliegenden Orten jeweils einen Vertragsarztsitz mit einem hälftigen Versorgungsauftrag innehat. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten sollten nicht noch dadurch verstärkt werden, dass der Kläger zusätzlich die Möglichkeit erhält, weitere ausgelagerte Praxisräume in einer Entfernung zu dem näher gelegenen Vertragsarztsitz zu unterhalten, die selbst bezogen auf diesen Vertragsarztsitz über den Bereich des Zulässigen deutlich hinausgeht.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Untersagung der Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit in ausgelagerten Praxisräumen.
Der Kläger ist Facharzt für Augenheilkunde und im Bereich der Beklagten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verfügt über einen halben Vertragsarztsitz in S und einen hälftigen Versorgungsauftrag in L. Mit Schreiben vom 27. März 2015 zeigte er der Beklagten an, dass er für seinen Vertragsarztsitz in S einen ausgelagerten Praxisraum mit der Adresse S d E , B B nutzen wolle.
Durch Bescheid vom 20. April 2015 erklärte die Beklagte, dass die Voraussetzungen eines ausgelagerten Praxisraums nicht erfüllt seien. Die angezeigte Tätigkeit in B B sei nicht zulässig. Einem Arzt sei es nach der Ärzte-ZV gestattet, Untersuchungs- und Behandlungsräume im räumlicher Nähe zu seinem Vertragsarztsitz ausschließlich für spezielle Untersuchungs- und Behandlungszwecke zu nutzen. Es sei ausgeschlossen, in den ausgelagerten Praxisräumen dasselbe Leistungsangebot wie in der eigentlichen Praxis zur Verfügung zu stellen. Der Kläger wolle nach seinem Vorbringen in B B Nachkontrollen im Anschluss an Operationen anbieten, halte Nachkontrollen für operierte Patienten aber auch in S vor. Unabhängig davon sei die Voraussetzung einer räumlichen Nähe nicht erfüllt, weil die Entfernung zwischen dem Praxisstandort in S und dem angezeigten ausgelagerten Praxisraum von 67,6 km eine Fahrtzeit von 42 Minuten erforderlich mache.
Am 5. Mai 2015 erhob der Kläger Widerspruch. Ein Verbot der Erbringung gleichartiger Leistungen am Vertragsarztsitz und den ausgelagerten Praxisräumen gebe es nicht mehr. Das Kriterium der räumlichen Nähe werde erfüllt. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für die Forderung der Beklagten, dass der ausgelagerte Praxisraum vom Praxissitz aus in maximal 30 Minuten erreichbar sein müsse. Maßgebend seien stets die Verhältnisse des Einzelfalles. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass in B B nur planbare Untersuchungen, nämlich operative Nachkontrollen mit einem zeitlichen Umfang von zwei Stunden pro Woche stattfinden sollten. Die zeitliche Präsenz am Vertragsarztsitz in S sei dadurch kaum berührt, zumal dort auch ein angestellter Augenarzt für Notfallbehandlungen bereitstünde.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2015 zurück. Die operative Nachsorge sei keine spezielle Untersuchungs- oder Behandlungsleistung für ausgelagerte Praxisstätten. Solche Leistungen würden in jeder Augenarztpraxis als Kernleistung erbracht. Weitere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien nicht angezeigt worden. Außerdem sei die nach der Rechtsprechung des BSG wichtige Voraussetzung der räumlichen Nähe nicht erfüllt. Die Behauptung, dass der Kläger für die Distanz nicht mehr als 30 Minuten benötige, lasse sich mit den Ergebnissen der Recherchen nicht in Übereinstimmung bringen. Nach den veränderten landesrechtlichen Bestimmungen sei es einem Vertragsarzt allerdings mittlerweile erlaubt, an weiteren Orten gleiche Tätigkeiten wie am Vertragsarztsitz zu verrichten-
Dagegen richtet sich die am 24. November 2015 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangene Klage. Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 6. Dezember 2017 den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2015 aufgehoben. Zu Unrecht habe die Beklagte dem Kläger ein Tätigwerden an einer ausgelagerten Betriebsstätte untersagt. Bei dem Kläger bestehe die Besonderheit, dass er zwei halbe Versorgungsaufträge an zwei unterschiedlichen Vertragsarztsitzen habe. Es sei nicht ausgeschlossen, an beiden Vertragsarztsitzen ausgelagerte Praxisräume zu betreiben. Von seinem Vertragsarztsitz in L führe der Kläger in ausgelagerten Praxisräumen in L ambulante Operationen durch. Gleichzeitig führe er in der H Klinik N in ausgelagerten Praxisräumen ambulante Operationen bis 2022 durch. Auch am Vertragsarztsitz in S führe er ambulante Operationen durch. Es sei sehr patientenfreundlich, die Nachkontrollen zu in S ambulant durchgeführten Operationen in B B in einem ausgelagerten Praxisraum durchzuführen. Die in § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV geregelte räumliche Nähe zum Vertragsarztsitz sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht mit einer Beschränkung auf den Planungsbereich oder den KV-Bezirk verbunden sei. Von räumlicher Nähe könne ausgegangen werden, wenn der Vertragsarzt seine Praxis regelmäßig innerhalb von 30 Minuten erreichen könne (Hinweis auf BSG v. 5. November 2003 - B 6 KA 2/03 R). Da der Kläger aber lediglich zwei Stunden in der Woche in B B tätig werden wolle, sei auch eine Fahrzeit von 45 Minuten hinnehmbar. Dies insbesondere deswegen, weil er in B B keine regulären Sprechstunden abhalten dürfe und grundsätzlich nur für geplante Tätigkeiten dort hinfahren werde. Die Tätigkeit am Vertragsarztsitz in S, wo er noch einen angestellten Facharzt beschäftige, werde dadurch nicht wesentlich eingeschränkt. Der auf eine Versorgung im Notfall bezogene Einwand der Beklagten greife nicht, weil es sich in B B um ausgelagerte Praxisräume handele und die Patienten im Notfall sowieso an den Vertragsarztsitz nach S kommen müssten.
Gegen das ihr am 21. Dezember 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Januar 2018 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten. Sie habe die Aufnahme einer vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren fünften Ort untersagt. Bei ihrer Entscheidung habe sie einen weiten Ermessensspielraum, der nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Die vom Sozialgericht vorgenommene Interessenabwägung sei rechtsfehlerhaft. Das Sozialgericht habe versäumt, in die Interessenabwägung wesentliche Umstände für die ordnungsgemäße Versorgung am Vertragsarztsitz einzubeziehen. So sei nicht nachvollziehbar, warum aufgrund der geplanten Tätigkeit von nur zwei Wochenstunden eine Fahrtzeit von 45 Minuten je Richtung hinzunehmen sein solle. Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung beinhalte auch die Verpflichtung, seinen Patienten in Akutfällen zur Verfügung zu stehen. Nur für die Zeit eines durch die Ärzteschaft organisierten Notfalldienstes gelte eine Ausnahme von der Präsenzpflicht am Vertragsarztsitz. Zwar sei die Forderung des BSG, dass die Praxis innerhalb von 30 Minuten erreicht werden müsse, keine feste Vorgabe, sondern nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu bewerten. Die Interessenabwägung des Sozialgerichts lasse aber eine Einzelfallbewertung der weiteren Tätigkeit des Klägers an den Standorten L, L und der Hklinik N völlig vermissen. Angesichts der Entfernungen zwischen allen diesen Orten sei die Untersagungsverfügung rechtmäßig, da Beeinträchtigungen der Versorgung im Notdienst nicht ausgeschlossen werden könnten. Um den Einwand der unzureichenden Versorgung im Notfall zu widerlegen, reiche nicht der Hinweis, dass Patienten aus B B 45 Minuten in die Praxis in S fahren würden. Das beziehe die Patienten nicht ein, die nicht aus B B kämen. Eine Auswertung des Einzugsbereichs der Praxis in S habe ergeben, dass nur ein geringer Teil der Patienten aus B B kämen, ein großer Teil dagegen aus S. Die Behandlungsvorteile in B B kämen deswegen nur einer kleinen Gruppe zugute, wohingegen das Großteil der Patienten durch die Abwesenheit des Klägers vom Vertragsarztsitz benachteiligt wäre. Das Sozialgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass der Weg von B B nach Süber staubelastete Wegstrecken führe, so dass eine Fahrdauer von 45 Minuten eine Zeitangabe nur unter Idealbedingungen darstelle. Den Nachsorgeuntersuchungen in B B komme kein solches Gewicht zu, dass sie die Beeinträchtigungen der vertragsärztlichen Versorgung in S überwiegen würden. Der Kläger befinde sich mit seinen ausgelagerten Praxisräumen in B B nicht mehr in räumlicher Nähe zum Praxissitz in S.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Dezember 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Beklagte differenziere nicht nach den Voraussetzungen einer Zweigpraxis und denen ausgelagerter Praxisräume. In ausgelagerten Praxisräumen dürften im Gegensatz zur Zweigpraxis keine Sprechstunden abgehalten werden und entsprechend auch kein Erstkontakt mit Patienten stattfinden. In B B wolle er ausschließlich Nachkontrolluntersuchungen für bereits operierten Patienten und in der Zukunft möglicherweise auch ambulante Operationen durchführen. Zutreffend habe das Sozialgericht angenommen, dass in den ausgelagerten Praxisräumen in B B spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen erbracht werden sollten, nämlich Nachkontrolluntersuchungen. Insoweit komme es nicht darauf an, dass solche Leistungen auch in S angeboten würden. Vor der Aufnahme ambulanter Operationen in B B werde er gegebenenfalls der Beklagten noch die Erfüllung der insoweit maßgeblichen Qualitätssicherungsvereinbarung nachweisen. Auch eine räumliche Nähe zum Vertragsarztsitz bestehe. Eine Fahrtzeit von 45 Minuten sei hinnehmbar. Maßgeblich sei nur die Entfernung zum Vertragsarztsitz und nicht zu weiteren Tätigkeitsorten. Entsprechend beurteile sich die räumliche Nähe allein zu der Praxis in S als Bezugspunkt, ohne dass es auf den weiteren Vertragsarztsitz in L ankomme. Unerheblich sei auch das Vorbringen der Beklagten, dass in Stahnsdorf nur wenig Patienten mit Wohnsitz in B B behandelt würden.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist rechtsirrig. Der angefochtene Bescheid vom 20. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Mit Recht hat die Beklagte dem Kläger den Betrieb ausgelagerter Praxisräume in B B untersagt.
Rechtsgrundlage für die Untersagungsverfügung der Beklagten ist § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V: Nach dieser Vorschrift haben die kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Gemäß § 24 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV erfolgt die Zulassung für den Ort der Niederlassung als Arzt. Entsprechend muss der Vertragsarzt seine Sprechstunde am Vertragsarztsitz abhalten. Indessen sieht die Ärzte-ZV bestimmte Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt, der spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen an weiteren Orten in räumlicher Nähe zum Vertragsarztsitz (ausgelagerte Praxisräume) erbringt, Ort und Zeitpunkt der Aufnahme seiner Tätigkeit seiner kassenärztlichen Vereinigung unverzüglich anzuzeigen. Daraus ist zu schließen, dass die Auslagerung der Leistungserbringung auf auswärtige Praxisräume außerhalb der Anschrift des Vertragsarztsitzes zulässig ist, soweit die in § 24 Abs. 5 SGB V dafür genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Anzeige an die jeweils zuständige kassenärztliche Vereinigung soll dieser eine Prüfung ermöglichen, ob die Anforderungen an ausgelagerte Praxisräume eingehalten werden (BT-Drucks 16/2472 S. 30), an deren Ende bei einem negativen Ergebnis eine Untersagungsverfügung steht.
Der Senat folgt der Einschätzung der Beklagten, dass die Voraussetzungen für die Einrichtung ausgelagerter Praxisräume in B B nicht erfüllt sind. Eine Behandlung in ausgelagerten Praxisräumen muss nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV auf besondere Untersuchungs- und Behandlungsleistungen beschränkt sein. Insbesondere darf in ihnen kein Erstkontakt mit den Patienten stattfinden. Diese Voraussetzung wird nach dem Vortrag des Klägers erfüllt, der die weiteren Behandlungsräume in B B jedenfalls zurzeit nur nutzen will, um bereits von ihm operierte Patienten in B B bestimmte Nachsorgeleistungen anzubieten. Die Zulässigkeit des Betriebs weiterer Praxisräume setzt demgegenüber nicht mehr voraus, dass die in den ausgelagerten Praxisräumen angebotenen Leistungen ausschließlich dort und nicht auch am eigentlichen Vertragsarztsitz angeboten werden (BSG v. 13. Mai 2015 - B 6 KA 23/14 R - juris Rn 22). Insoweit ist unbeachtlich, dass der Kläger Nachsorgeleistungen auch in S erbringt.
Soweit für die Auslagerung von Praxisräumen besondere Gründe gefordert werden (Pawlita in jurisPK SGB V. 4. Aufl., § 95 Rn 661), kann der Kläger darauf verweisen, dass er dort Patienten mit Wohnsitz in B B behandeln will. Diese Möglichkeit ist von der Beklagten bestätigt worden, auch wenn sie einschränkend geltend macht, dass der Großteil der von dem Kläger operierten Patienten nicht in B B, sondern am Vertragsarztsitz in S wohnt. Die (wenigen) in B B wohnenden Patienten hätten allerdings Vorteile von einer wohnortnahen Nachsorge, weil ihnen die Fahrt nach S erspart bliebe. Indessen erscheint fraglich, ob eine verbesserte Erreichbarkeit als sachlicher Grund für die Auslagerung von Praxisräumen angesehen werden kann, da § 24 Abs. 5 SGB V gerade von einer räumlichen Nähe der ausgelagerten Praxisräume zu dem bestehenden Vertragsarztsitz ausgeht.
Das kann aber dahin gestellt bleiben, da vom Kläger in B B betriebene ausgelagerte Praxisräume jedenfalls nicht die Voraussetzung erfüllen, sich in räumlicher Nähe zu dem bestehenden Vertragsarztsitz zu befinden. Der Begriff der räumlichen Nähe ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in der Ärzte-ZV nicht weiter konkretisiert wird. Das BSG hat in seiner neuesten Rechtsprechung aber bereits Zweifel an dem Einhalten des Tatbestandsmerkmals der räumlichen Nähe geäußert, wenn die Räumlichkeiten mehr als 9 km bzw 11 km auseinanderliegen (BSG v. 8. August 2018 - B 6 KA 24/17 R - juris Rn 17). Die Entfernung zwischen dem Vertragsarztsitz in S und den ausgelagerten Räumlichkeiten in B B beträgt nach den Angaben der Beklagten, denen der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten ist, 67,6 Km und liegt damit weit über der vom BSG für zulässig gehaltenen Distanz. Auch in der Kommentarliteratur wird eine Begrenzung des Begriffs der räumlichen Nähe auf wenige Kilometer (Pawlita in jurisPK SGB V, 4. Aufl., § 95 Rn 656) bzw. eine restriktive Auslegung des Begriffs (Hannes in Hauck/Noftz, SGB V, § 95 Rn 67) gefordert. Nach Auffassung des Senats sind jedenfalls Entfernungen von mehr als 30 Km auch in ländlichen Regionen nicht hinnehmbar. Die von der Beklagten für maßgebend gehaltene Vorgabe, dass die ausgelagerten Räumlichkeiten innerhalb von 30 Minuten mit dem Auto erreichbar sein müssen (so auch Clemens in Schallen, Zulassungsverordnung, 4. Aufl. 2018, § 24 Rn 13), erscheint gegenüber der aktuellen Rechtsprechung des BSG eher als eine sehr großzügig gehaltene äußerste Grenze. Angesichts des Umstands, dass die Distanz zwischen Sund B B im Einzugsbereich B zurückzulegen ist, erscheint es dem Senat ausgeschlossen, dass diese Strecke üblicherweise innerhalb einer Fahrtzeit von 30 Minuten bewältigt werden könnte. Auch nach den Feststellungen des Sozialgerichts ist regelmäßig eine Fahrtzeit von 45 Minuten erforderlich. Für die daran anschließende Rechtsauffassung des Sozialgerichts, dass die räumliche Nähe dann kein erhebliches Kriterium für die Zulässigkeit ausgelagerter Praxisräume sein könne, wenn der Vertragsarzt an den ausgelagerten Räumlichkeiten ohnehin nur eine Tätigkeit im Umfang von bis zu zwei Stunden in der Woche beabsichtige, findet sich im Text der Ärzte-ZV kein Anhaltspunkt. Eine bestehende räumliche Distanz ändert sich nicht dadurch, dass der Vertragsarzt sich ihre Bewältigung nur für einen Tag in der Woche vornimmt.
Zudem geht der Senat mit der Beklagten davon aus, dass die Voraussetzung der räumlichen Nähe der ausgelagerten Praxisräume zu dem eigentlichen Vertragsarztsitz sicherstellen soll, dass der Vertragsarzt seinen Patienten in Notfällen auch außerhalb der Sprechzeiten zeitnah zur Verfügung stehen kann. Im konkret vorliegenden Einzelfall ist die Erreichbarkeit in Notfällen aber bereits dadurch eingeschränkt, dass der Kläger an zwei nicht nahe beieinanderliegenden Orten jeweils einen Vertragsarztsitz mit einem hälftigen Versorgungsauftrag innehat. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten sollten nicht noch dadurch verstärkt werden, dass der Kläger zusätzlich die Möglichkeit erhält, weitere ausgelagerte Praxisräume in einer Entfernung zu dem näher gelegenen Vertragsarztsitz zu unterhalten, die selbst bezogen auf diesen Vertragsarztsitz über den Bereich des Zulässigen deutlich hinausgeht.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved