S 6 KR 28/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 28/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Kommanditist kann auch dann hauptberuflich selbständig erwerbstätig iSv. § 5 Abs. 5 SGB V sein, wenn er neben seiner Organstellung in keinen weiteren Rechtsbeziehungen zu der Kommanditgesellschaft steht.
Es steht der Annahme einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit eines Kommanditisten iSv. § 5 Abs. 5 SGB V nicht entgegen, wenn er in seiner Stellung als Kommanditist nahezu keine Arbeitskraft aufwendet, sofern die Kommanditerträge seine wirtschaftlichen Verhältnisse ganz überwiegend prägen.
Nach einem Krankenkassenwechsel ist die neue Krankenkasse als Einzugsstelle an Einzugsstellenbescheide der früheren Krankenkasse nicht gebunden. Auch sonstige Sozialversicherungsträger sind im Falle eines Krankenkassenwechsels an Einzugsstellenbescheide der früheren Krankenkasse nicht mehr gebunden.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich in erster Linie im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen die Heranziehung zu Beiträgen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung als Selbstzahler.

Der Kläger, der vier Kinder hat, ist mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden abhängig beschäftigt, wobei sein Brutto-Arbeitslohn knapp über 4.000,00 EUR pro Monat liegt. Weiterhin ist er seit mehreren Jahren gemeinsam mit seinem Vater in einem Unternehmen tätig, das mit [zu Anonymisierungszwecken entfernt] handelt. Der Vater des Klägers arbeitet in dem Unternehmen vollschichtig, wobei er hauptsächlich Auslieferungsfahrten übernimmt. Der Kläger übernimmt buchhalterische Aufgaben. Bis zum Jahr 2014 war das Unternehmen als Kommanditgesellschaft organisiert, deren Komplementär der Vater des Klägers und deren Kommanditist der Kläger selbst war.

Durch Gesellschaftsvertrag vom 3. Juni 2014 erfolgte eine Neuorganisation des Unternehmens in Form einer GmbH & Co. KG. Neue Komplementärin ist die ebenfalls durch Vertrag vom 3. Juni 2014 gegründete X Verwaltungs GmbH. Der Vater des Klägers ist nur noch Kommanditist der jetzigen Y GmbH & Co. KG (Bekanntmachung im Handelsregister am 17. Juli 2014). Der Kläger blieb Kommanditist. Sowohl der Kläger als auch dessen Vater halten je einen Kommanditanteil von 5.000,00 EUR. Die Komplementärin ist an dem Vermögen der Kommanditgesellschaft nicht beteiligt. Je 50 EUR eines Kapitalanteils gewähren eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst. Für Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehen, bedarf die Komplementärin der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.

Gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer der X Verwaltungs GmbH sind der Kläger und sein Vater. Beide halten jeweils die Hälfte des Stammkapitals von 25.000,00 EUR. Die Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit getroffen, wobei je 50 EUR des Stammkapitals eine Stimme gewähren.

Die Y GmbH & Co. KG beschäftigt zwei Arbeitnehmer mit 7,5 Stunden pro Woche für 450,00 EUR pro Monat sowie eine weitere Arbeitnehmerin im Umfang von 9 Stunden pro Woche für 540,00 EUR pro Monat. Im Juni 2014 war der Kläger noch bei der Beigeladenen gesetzlich kranken- und bei der Pflegekasse der Beigeladenen gesetzlich pflegeversichert, wobei beide den Kläger jeweils als gegen Arbeitsentgelt versicherungspflichtig Beschäftigten führten.

Infolge der Gründung der Y GmbH & Co. KG leitete die Beigeladene eine Überprüfung des krankenversicherungsrechtlichen Status des Klägers ein. Am 22. August 2015 erließ sie einen Bescheid, in dem sie die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung als Beschäftigter vorbehaltlich des Überschreitens der Jahresarbeitentgeltgrenze feststellte. Zur Begründung führte sie aus, er sei abhängig beschäftigt und es liege keine hauptberufliche selbständige Tätigkeit iSv. § 5 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vor. Hierbei lag ihr der Steuerbescheid für das Jahr 2012 vor, der ein Einkommen aus Gewerbebetrieb iHv. 124.000,00 EUR auswies.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 1.) unter Angabe seiner Einkommensquellen eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 1. März 2016. Die Beklagte zu 1.) forderte daraufhin Unterlagen zu dem Einkommen des Klägers an. Die daraufhin vorgelegte Lohnbescheinigung für Januar 2016 wies einen Lohn von 4.003,79 EUR brutto / 2.870,98 EUR netto aus. Der zeitlich aktuellste Steuerbescheid für das Jahr 2013 (datierend vom 3.8.2015) wies ein Einkommen aus Gewerbebetrieb iHv. 145.216,00 EUR sowie ein Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit iHv. 32.224,00 EUR aus.

Am 10. Juni 2016 erließ die Beklagte zu 1.) einen Bescheid mit dem Betreff "Prüfung der hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit". Darin führte sie aus, der Kläger sei hauptberuflich selbständig im Sinne von § 5 Abs. 5 SGB V tätig und damit nicht von der Pflichtversicherung als Beschäftigter erfasst, denn er bestreite seinen Hauptlebensunterhalt mit den Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit und beschäftige drei Personen.

Ebenfalls am 10. Juni 2016 erließen beide Beklagte einen Bescheid über Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, wobei sie mit Wirkung ab dem 1. März 2016 Beiträge unter Zugrundelegung einer monatlichen Beitragsbemessungsgrenze von 4.237,50 EUR berechneten.

Am 20. Juli 2016 beantragte der Kläger mit an die Beklagte zu 1.) gerichtetem Schreiben die "Überprüfung der Bescheide vom 10. Juni 2016". Zur Begründung trug er vor, nach dem GKV-Rundschreiben vom 23. Juli 2015 sei ein Arbeitnehmer nur dann als hauptberuflich selbständig anzusehen, wenn er nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich in seiner Beschäftigung arbeite und sein Arbeitsentgelt nicht mehr als die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße betrage. Sein Einkommen aus abhängiger Beschäftigung liege jedoch oberhalb der Bezugsgröße und in seiner selbständigen Tätigkeit arbeite er ebenfalls nur 20 Stunden, sodass diese zeitlich nicht überwiege. Zudem erziele er seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nicht aufgrund seiner konkreten Tätigkeit für das Unternehmen, sondern alleine aufgrund seiner Kapitalbeteiligung als Kommanditist. Im Übrigen sei der Bescheid der Beigeladenen vom 22. August 2015 bestandskräftig und verliere durch einen Krankenkassenwechsel nicht seine Gültigkeit. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für seine Aufhebung lägen nicht vor.

Am 9. November 2016 erließ die Beklagte zu 1.) einen abschlägigen Bescheid. Sie habe die Bewertung der selbständigen Tätigkeit erneut überprüft. Der Kläger sei hauptberuflich selbständig tätig. Bei gleichem zeitlichen Arbeitsumfang erziele er monatlich 4.003,79 EUR brutto aus der abhängigen Beschäftigung, aber 12.101,33 EUR aus der selbständigen Tätigkeit. Außerdem beschäftige er drei Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von jeweils 20 Stunden. Er unterliege daher nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

Hiergegen erhob der Kläger am 23. November 2016 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, der getroffenen Entscheidung stehe der bestandskräftige Bescheid der Beigeladenen entgegen. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich weiterhin, dass eine Tätigkeit nur dann hauptberuflich selbständig sei, wenn sie nach wirtschaftlicher Bedeutung und zeitlichem Aufwand die übrigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteige und daher den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Dies sei bei ihm nicht der Fall, denn nur die wirtschaftliche Bedeutung überwiege, wohingegen der zeitliche Umfang allenfalls gleich hoch sei; die Rechtsprechung verlange hingegen ein Überwiegen um mindestens 20 %. Seit Kurzem sei er im Übrigen nur noch 16 Stunden wöchentlich für das Unternehmen tätig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2017, den sie auch im Namen der Beklagten zu 2.) erließt, wies die Beklagte zu 1.) den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Widerspruch richte sich gegen ihre Feststellung, dass der Kläger seine selbständige Tätigkeit hauptberuflich ausübe. Für eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit streite, dass der Kläger wirtschaftlich betrachtet einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftige. Die Gesamtlohnsumme aller Arbeitnehmer betrage 1.440,00 EUR pro Monat; auf den Kläger entfalle hiervon ein Anteil von 50 %, was 720,00 EUR entspreche. Andererseits überschreite das Einkommen aus Beschäftigung die Hälfte der Bezugsgröße. Es sei daher eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Danach sei von einer hauptberuflichen Selbständigkeit auszugehen, da die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit deutlich überwögen. Dass er nur 16 Stunden wöchentlich selbständig tätig sei, halte sie nicht für überzeugend, da er auch kaufmännische oder buchhalterische Tätigkeiten verrichten müsste. Selbst bei einem Zeitaufwand von weniger als 20 Stunden für die selbständige Tätigkeit sei wegen deren hoher wirtschaftlicher Bedeutung von einer hauptberuflichen Selbständigkeit auszugehen. Der Bescheid der Beigeladenen vom 22. August 2015 werde gemäß § 48 SGB X mit Wirkung ab dem 1. März 2016 aufgehoben. Es habe sich eine wesentliche Änderung ergeben. Gegenüber der Beigeladenen habe der Kläger angegeben, nur 16 Stunden selbständig gearbeitet zu haben und der seinerzeit berücksichtigte Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 habe ein Einkommen von 120.00,00 EUR aus Gewerbebetrieb ausgewiesen. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 weise hingegen ein Einkommen von 145.216,00 EUR aus Gewerbebetrieb aus und der Kläger habe im März 2016 angegeben, 20 Stunden wöchentlich für das Unternehmen zu arbeiten. Die rückwirkende Beitragsforderung führe zu keinen unzumutbaren Auswirkungen. Gründe, die einer Aufhebung entgegenstehen könnten, habe sie bei Bescheiderlass berücksichtigt. Der Widerspruch vom 24. November 2016 führe insoweit zu keinem anderen Ergebnis und werde daher zurückgewiesen.

Am 2. Januar 2018 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit dem er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, seine Einkünfte als Kommanditist seien Kapitaleinkünfte, die lediglich steuerrechtlich als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zu qualifizieren seien. Er erhalte sie unabhängig von dem Umfang einer konkreten Tätigkeit. Eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit sei nur anzunehmen, wenn auch die Arbeitszeit deutlich überwiege. Die Aufhebung des Bescheids vom 22. August 2015 in dem Widerspruchsbescheid sei unerheblich, da dieser bei Erlass des Bescheids vom 9. November 2016 noch wirksam gewesen sei. Die Beklagte zu 1.) sei für die Aufhebung auch nicht zuständig gewesen. Im Übrigen habe keine wesentliche Änderung vorgelegen. Es habe im Vergleich der Jahre 2015 und 2016 keine wesentlichen Änderungen seiner Einkommenssituation stattgefunden. Er habe nur vorübergehend zu Beginn des Jahres 2016 seine Arbeitszeit auf 20 Stunden erhöht. Aber selbst bei einer solchen Erhöhung habe er die Arbeitszeit als Beschäftigter nicht nennenswert überschritten und umgekehrt sei die wirtschaftliche Bedeutung der selbständigen Tätigkeit, auf die die Beklagte zu 1.) ausschlaggebend abstelle, gleichgeblieben.

Seit dem 1. Juli 2018 ist der Kläger erneut bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert.

Der Kläger beantragt,

1) die Beklagte zu 1.) unter Aufhebung des Bescheids vom 9. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2017 zu verpflichten, ihren Bescheid vom 10. Juni 2016 aufzuheben. 2) die Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 9. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2017 zu verpflichten, den Beitragsbescheid vom 10. Juni 2016 aufzuheben. 3) den Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2017 aufzuheben, soweit dieser den Bescheid der Beigeladenen vom 22. August 2015 aufhebt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, auf die Steuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016 komme es nicht an, weil bei den Entscheidungen in den Jahren 2015 und 2016 nur die Steuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013 vorgelegen hätten. An die Entscheidung der Beigeladenen sei die Beklagte zu 1.) nicht gebunden, da eine Einzugsstelle Entscheidungen nur für die Dauer ihrer Zuständigkeit treffen könne.

Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt.

Das Gericht hat im Rahmen der Beweiserhebung die Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Jahre 2015 und 2016 beigezogen. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 weist Einkünfte von 162.042,00 EUR aus Gewerbebetrieb und 54.277,00 EUR aus nichtselbständiger Arbeit aus. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 weist 133.811,00 EUR an Einkünften aus Gewerbebetrieb und 50.323,00 EUR aus nichtselbständiger Arbeit aus. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise schon unzulässig und im Übrigen ist sie unbegründet.

I.) Streitgegenstand ist die teilweise Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2017 sowie die Verpflichtung der beiden Beklagten zur Aufhebung der Bescheide vom 10. Juni 2016. Der Bescheid "Prüfung der hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit" (Klageantrag Ziff. 1.)) ist dabei jedoch nur von der Beklagten zu 1.) erlassen, da anders als in dem Beitragsbescheid kein Zusatz enthalten ist, dass der Bescheid auch im Namen der Beklagten zu 2.) ergehe und sich auch den Umständen nach ein solcher Wille nicht ergibt, weil das Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung in dem Bescheid keine Erwähnung findet.

Die nach Erlass des Beitragsbescheids vom 10. Juni 2016 jeweils mit Wirkung für spätere Zeiträume ergangenen Änderungs-Beitragsbescheide vom 10. Januar 2017, vom 31. Mai 2017, vom 15. Januar 2018 und vom 25. September 2020 sind dabei nicht gemäß §§ 86, 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kraft Gesetzes in das Widerspruchs- und Klageverfahren einbezogen worden, da sich bei einem Überprüfungsbegehren die Rechtswidrigkeit des zu überprüfenden Bescheides nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe beurteilt (s.u.), sodass spätere Entwicklungen der Sach- und Rechtslage, die die Zeit nach Erlass des Ausgangsverwaltungsaktes betreffen, für die Überprüfungsentscheidung ohne Einfluss sind (Klein, in: jurisPK-SGG, § 96 SGG Rn. 32). Zu Recht hat sie der Kläger daher auch nicht zum Gegenstand seines Klageantrags gemacht.

II.) Soweit der Kläger die Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2017 begehrt, soweit dieser den Bescheid der Beigeladenen aufhebt, ist die erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) unzulässig, da es an einem aufhebbaren Verwaltungsakt iSv. § 31 SGB X fehlt.

Die Beklagte zu 1.) hatte wohl schon subjektiv nicht den Willen, den Bescheid der Beigeladenen in dem Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2017 aufzuheben. Ausweislich des Inhalts der Verwaltungsakte (VA Bl. 73) führte die Berufung des Klägers auf die Bestandskraft des Bescheids der Beigeladenen bei der Beklagten zu 1.) zu internen Erörterungen über dessen Bindungswirkung und Aufhebbarkeit, als deren Ergebnis festgehalten wurde, dass keine Bindungswirkung bestehe, eine Aufhebung aber zumindest bereits in dem Bescheid vom 10. Juni 2016 erfolgt wäre.

Jedenfalls wäre ein Wille zur Aufhebung des Bescheids der Beigeladenen in dem Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2017 aus objektiver Empfängersicht (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) entsprechend) nicht ausreichend zum Ausdruck gekommen. Der verfügende Teil des Widerspruchsbescheids lautet lediglich auf Zurückweisung des Widerspruchs, wohingegen sich Ausführungen zur Aufhebung des Bescheids der Beigeladenen unter der Überschrift "Rechtliche Würdigung" in der Begründung des Widerspruchsbescheids finden. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 1.) ausführte, der Widerspruch des Klägers führe zu keiner abweichenden Beurteilung; dies hat den Sinngehalt, dass eine Aufhebung des Bescheids der Beigeladenen bereits in der Vergangenheit erfolgt ist und die Beklagte zu 1.) im Rahmen des Widerspruchsverfahrens an dieser Entscheidung festhält.

III.) Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Bescheide vom 10. Juni 2016 begehrt, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere liegen auch im Hinblick auf den Klageantrag Ziff. 2) ein ablehnender Ausgangsbescheid sowie eine Widerspruchsentscheidung (§ 78 SGG) vor. Zwar verhalten sich der Bescheid vom 9. November 2016 sowie der Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2017 in erster Linie zum versicherungsrechtlichen Status des Klägers, doch treffen sie aus objektiver Empfängersicht eine Regelung auch in Bezug auf den Beitragsbescheid vom 10. Juni 2016, denn dessen Überprüfung hatte der Kläger in seinem Überprüfungsantrag ebenfalls ausdrücklich geltend gemacht. In diesem Zusammenhang liegen insbesondere auch ein verfahrenseinleitender Antrag gegenüber der Beklagten zu 2.) und eine ablehnende Ausgangsentscheidung der Beklagten zu 2.) vor. Wenngleich wörtlich nur an die Beklagte zu 1.) adressiert, richtete sich der Überprüfungsantrag aus objektiver Empfängersicht auch an die Beklagte zu 2.), da beide Beklagte organisatorisch verbunden sind; gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sind die Organe der Beklagten zu 1.) aufgrund einer Organleihe (Baier, in: Krauskopf, § 46 SGB XI Rn. 11) zugleich auch die Organe der Beklagten zu 2.). Entsprechend ist die Ablehnungsentscheidung vom 9. November 2016, die dem Wortlaut nach nur die Beklagte zu 1.) erlassen hat, konkludent auch im Namen der Beklagten zu 2.) ergangen (vgl. zur konkludenten Entscheidung im Namen der Pflegekasse auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.10.2020 – L 11 KR 3394/19, juris Rn. 27).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 9. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Er hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der beiden Beklagten zur Aufhebung der am 10. Juni 2016 erlassenen Bescheide.

1.) Rechtsgrundlage das klägerischen Begehren ist § 44 SGB X.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist dabei der Zeitpunkt der Bekanntgabe (s. nur Schütze, in: Schütze, § 44 SGB X Rn. 10).

Soweit kein Fall des § 44 Abs. 1 SGB X vorliegt – d.h. insbesondere auch bei einer Entscheidung über die Versicherungspflicht (Baumeister, in: jurisPK-SGB X, § 44 SGB X Rn. 66), wie sie Gegenstand des Klageantrags Ziff. 1) ist – ist gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft, d.h. ab dem Zeitpunkt des Antragseingangs (Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rn. 46), zurückzunehmen. Er kann gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Beachtlich im Rahmen von § 44 SGB X sind in erster Linie materielle Rechtsfehler, wohingegen reine Verfahrensrechtsverstöße keinen Aufhebungsanspruch begründen (Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, § 44 SGB X Rn. 40 f. mwN.; s. auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.10.2020 – L 11 KR 3394/19). 2.) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zu 1.) zur Aufhebung des am 10. Juni 2016 erlassenen Feststellungsbescheids. Dieser war zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtmäßig.

a.) Aus objektiver Empfängersicht stellt der Bescheid, der keinen ausdrücklich als solchen formulierten Verfügungssatz enthält, das Nichtbestehen einer Versicherungspflicht als Beschäftigter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der GKV und nicht nur isoliert als einzelnes Sachverhaltselement das Vorliegen einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit fest. Zwar ist der Bescheid mit "Prüfung der hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit" überschrieben. Dass die Beklagte in erster Linie jedoch das Nichtbestehen einer Versicherungspflicht feststellen wollte, ergibt sich aus der von ihr gewählten Einleitung der Begründung: "Nach § 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buches (SGB V) werden Personen, die hauptberuflich selbstständig sind, von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder 5-12 SGB V auch dann nicht erfasst, wenn sie deren Voraussetzungen erfüllen." Die Ausführungen zum Vorliegen einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit dienen in diesem Zusammenhang lediglich zur Begründung der getroffenen Entscheidung, es liege keine Versicherungspflicht als Beschäftigter vor.

Keine Regelung trifft der Bescheid hingegen zu dem versicherungsrechtlichen Status des Klägers in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Denn Normen des SGB XI zitiert der Bescheid nicht und es wird auch ansonsten sprachlich kein Bezug zur gesetzlichen Pflegeversicherung hergestellt.

b.) Ermächtigungsgrundlage für den Bescheid ist § 28h Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle – dies ist grundsätzlich die zuständige Krankenkasse (§§ 28h Abs. 1 Satz 1, 28i Satz 1 SGB IV) – über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie im Recht der Arbeitsförderung. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung auf der Grundlage dieser Vorschrift sind vorliegend erfüllt.

aa.) Wegen der Anknüpfung des § 28h SGB IV an die Regelung über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) muss für eine Entscheidung auf der Grundlage des § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV zwingend ein Beschäftigungsverhältnis bestehen, da nur an dieses eine Beitragsabführung im Wege des Gesamtsozialversicherungsbeitrags anknüpfen könnte (vgl. Stäbler, in: Krauskopf, § 28h SGB IV Rn. 8). Ein Beschäftigungsverhältnis bestand vorliegend indessen, da der Kläger 20 Stunden pro Woche im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig ist.

bb.) Von der durch § 28h Abs. 2 Satz 2 SGB IV eröffneten Befugnis der Einzugsstelle zu Entscheidungen "über die Versicherungspflicht" zählen dabei gerade auch Entscheidungen über die Versicherungsfreiheit Beschäftigter in bestimmten Versicherungszweigen (Stäbler, in: Krauskopf, § 28h SGB IV Rn. 8). Eine unzulässige Elementenfeststellung vergleichbar einer isolierten Entscheidung alleine über das Vorliegen einer Beschäftigung oder über das Bestehen einer Versicherungspflicht lediglich dem Grunde nach (s. dazu BSG, Urt. v. 11.03.2019 – B 12 R 11/07, juris Rn. 23) liegt hierin nicht. Denn eine über die Verneinung einer Versicherungspflicht als Beschäftigter hinausgehende Entscheidung, welcher Versicherungstatbestand stattdessen positiv vorliegt, ist der Krankenkasse in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle (zur Notwendigkeit der Abgrenzung, in welcher Rolle die Krankenkasse jeweils handelt, vgl. auch Vossen, in: Krauskopf, § 20 SGB IX Rn. 8) wegen der Anknüpfung der Entscheidungen nach § 28h SGB IV an das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses (s.o.) verwehrt.

c.) Zu Recht hat die Beklagte zu 1.) festgestellt, dass der Kläger nicht als gegen Entgelt Beschäftigter (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) gesetzlich krankenversichert ist. Denn der Kläger ist hauptberuflich selbständig tätig.

aa.) Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 SGB V ist nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 SGB V vermutet, dass sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten § 5 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 SGB V für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

Die Herausnahme hauptberuflich selbständig Tätiger von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 SGB V soll einerseits Umgehungen in der Form verhindern, dass Selbständige durch Aufnahme einer Nebenbeschäftigung den oft preiswerteren Schutz der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung erlangen können (BT-Drs. 11/2237, S. 159). Andererseits ist die Regelung auch Ausdruck einer geringeren Schutzbedürftigkeit von Personen, die typischerweise eine Arbeitgeberfunktion innehaben (BT-Drs. 18/4095, S. 70 f.).

Eine selbständige Tätigkeit übt aus, wer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erwerbstätig ist (Wagner, in: BeckOK SozR, § 15 SGB IV Rn. 3), wobei erforderlich ist, dass der Erlös durch den Einsatz der eigenen Arbeitskraft erzielt wird (Zieglmeier, in: Kasseler Kommentar, § 15 SGB IV Rn. 9a). Selbständige Tätigkeit ist im Gegensatz zur Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB IV) geprägt durch eigenes Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit (Felix, in: jurisPK-SGB V § 5 SGB V Rn. 147; Wagner, in: BeckOK SozR, § 15 SGB IV Rn. 3). "Hauptberuflich" ist eine selbstständige Erwerbstätigkeit nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt (BT-Drs. 11/2237, S. 159). Die Verwendung des Begriffs "und" ist dabei nicht im streng kumulativen Sinne in der Form zu verstehen, dass die Tätigkeit sowohl nach dem zeitlichen Aufwand als auch nach der Höhe der Erträge die übrigen Tätigkeiten übertrifft. Es ist eine einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung vorzunehmen (Ulmer, in: BeckOK SozR, § 5 SGB V Rn. 89; Wiegand, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, § 5 SGB V Rn. 142). Ein zeitlich geringerer Tätigkeitsumfang kann etwa durch ein deutlich höheres Einkommen ausgeglichen werden, wenn das Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit die Haupteinnahmequelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt (Felix, in: jurisPK-SGB V, § 5 SGB V Rn. 147; Moriz-Ritter, in: LPK, § 5 SGB V Rn. 82; Vossen, in: Krauskopf, § 10 SGB V Rn. 40; sogar vorrangig auf die Höhe der Einkünfte abstellend Wiegand, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, § 5 SGB V Rn. 142).

bb.) Der Kläger war zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids vom 10. Juni 2016 als Kommanditist der Y GmbH & Co. KG hauptberuflich selbständig tätig. Seine Kommanditistenstellung begründete eine selbständige Tätigkeit ((1.)), die der Kläger auch hauptberuflich iSv. § 5 Abs. 5 SGB V ausübte ((2.)).

(1.) Bei der Kommanditistenstellung handelt es sich um eine selbständige Tätigkeit iSd. § 5 Abs. 5 SGB V.

(a.) Dass eine dem handelsrechtlichen Leitbild im Wesentlichen entsprechende Tätigkeit als Kommanditist eine selbständige Tätigkeit darstellt, ist im Rahmen von § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV allgemein anerkannt, der das Arbeitseinkommen als den nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn aus einer "selbständigen Tätigkeit" definiert (s. nur BSG, Urt. v. 22.04.1986 – 12 RK 53/84; Urt. v. 25.02.2004 – B 5 RJ 56/02 R; Urt. v. 07.05.2020 – B 3 KS 3/18 R; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.9.2015 – L 5 KR 2224/14; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 05.11.2014 – L 16 R 575/11). Daran ändert es auch nichts, dass der Kommanditist nach dem handelsrechtlichen Leitbild von der Führung der Geschäfte weitgehend ausgeschlossen ist und im Vordergrund seine Funktion als Geldgeber steht (vgl. dazu Häublein, in: BeckOGK HGB, § 161 HGB Rn. 3). Eine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 15 SGB IV ist erst dann zu verneinen, wenn überhaupt kein nennenswerter Einsatz eigener Arbeitskraft erfolgt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Hinterbliebener eines verstorbenen Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft Versorgungsleistungen der Gesellschaft als sog. nachlaufende Vergütung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) bezieht (BSG, Urt. v. 27. 1. 1999 – B 4 RA 17/98; s. dazu auch BSG, Urt. v. 25.02.2004 – B 5 RJ 56/02 R). Konkret bezogen auf Kommanditisten kann es an einem Einsatz eigener Arbeitskraft fehlen, wenn – was vorliegend jedoch nicht der Fall ist – ihre Mitwirkungsbefugnisse deutlich hinter dem handelsrechtlichen Leitbild der §§ 161 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) zurückbleiben (s. etwa BSG, Urt. v. 25.02.2004 – B 5 RJ 56/02 R).

(b.) Diese Einordnung des Kommanditisten als Selbständiger ist auch in den Besonderen Teilen des SGB über die einzelnen Sozialversicherungszweige maßgeblich.

Der in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zugrunde gelegte Begriff der selbständigen Tätigkeit – wenngleich im Einzelnen umstritten ist, ob er streng akzessorisch zum Steuerrecht dahingehend auszulegen ist, dass die Qualifikation einer Einnahme als aus Gewerbebetrieb stammend zugleich eine Selbständigkeit im sozialrechtlichen Sinne begründet (s. dazu Zieglmeier, in: Kasseler Kommentar, § 15 SGB IV Rn. 10 ff.; Knospe, in: Hauck/Noftz, § 15 SGB IV Rn. 8) – ist grundsätzlich auch für die Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "selbständige Tätigkeit" in Vorschriften der Besonderen Teile des SGB über die Sozialversicherung maßgeblich (vgl. BSG, Urt. v. 04.06.2009 – B 12 KR 3/08 R unter Verweis auf BSG, Urt. v. 30.03.2006 – B 10 KR 2/04 R; vgl. Just, in: Becker/Kingreen, § 5 SGB V Rn. 74; s. auch Fischer, in: jurisPK-SGB IV, § 15 SGB IV Rn. 13 ff.; Knospe, in: Hauck/Noftz, § 15 SGB IV Rn. 4; v. Koppenfels-Spies, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, § 15 SGB IV Rn. 3). Er bildet allgemein den Gegenbegriff zur dem der Beschäftigung iSd. § 7 SGB IV (Fischer, in: jurisPK-SGB IV, § 15 SGB IV Rn. 32).

In Bezug auf die Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften und konkret auch Kommanditisten wird dieser begriffliche Gleichlauf von § 15 SGB IV und den Besonderen Teilen des SGB insbesondere auch anhand der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz Nr. 9 SGB VI deutlich. Nach dieser Vorschrift sind selbständig tätige Personen rentenversicherungspflichtig, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen (Buchst. a)) und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, wobei bei Gesellschaftern als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft gelten (Buchst. b)). In Bezug auf die Anfügung des Halbsatzes: "bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft" ist in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1525, S. 28) ausdrücklich ausgeführt, dass hiervon gerade auch die Gesellschafter von Personengesellschaften erfasst sein sollen. Hierzu zählen insbesondere auch Kommanditisten; die Ausführungen in der Gesetzesbegründung sind allgemein gehalten und nicht auf persönlich haftende Gesellschafter (d.h. GbR-Gesellschafter, OHG-Gesellschafter und KG-Komplementäre) beschränkt.

Soweit das Bundessozialgericht im Jahr 1980 (BSG, Urt. v. 05.11.1980 – 11 RA 80/79) bezüglich § 9a Abs. 2 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG), der die Anerkennung von Ersatzzeiten regelte, eine selbständige Erwerbstätigkeit von Kommanditisten verneinte, weil diese von der Geschäftsführung in der KG ausgeschlossen seien, ist diese Entscheidung über den Kontext der betroffenen Norm hinaus nicht verallgemeinerungsfähig (vgl. BSG, Urt. v. 25.02.2004 – B 5 RJ 56/02 R).

(c.) Anders als der 12. Senat des Bundessozialgerichts in einem vergleichbaren Fall nimmt das erkennende Gericht eine selbständige Tätigkeit iSv. § 5 Abs. 5 SGB V auch ungeachtet der Tatsache an, dass der Kläger neben seiner organschaftlichen Stellung in keiner zusätzlichen Rechtsbeziehung zu der Y GmbH & Co. KG steht.

Zwar sieht auch der 12. Senat des BSG Kommanditisten ohne zusätzliche weitergehende Voraussetzungen als selbständig Tätige iSv. § 15 SGB IV an (BSG, Urt. v. 22.04.1986 – 12 RK 53/84), wobei er weiterhin grundsätzlich davon ausgeht, dass der Begriff der selbständigen Tätigkeit im Sinne des § 15 SGB IV auch für die Besonderen Teile des Sozialversicherungsrechts maßgeblich ist (BSG, Urt. v. 04.06.2009 – B 12 KR 3/08 R – juris Rn. 16) und auch die Gesellschafter einer Personengesellschaft als selbständig Tätige im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI ansieht (BSG, Urt. v. 29.08.2012 – B 12 R 7/10 R, juris Rn. 21). In Bezug auf das SGB V hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts (betreffend § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V) eine Kommanditistin, die zugleich Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH war, jedoch nicht als selbständig tätig angesehen, weil das Wahrnehmen von auf Kapitalbeteiligungen beruhenden gesellschaftsrechtlichen Pflichten zwar in Selbständigkeit erfolge, aber noch keine sozialversicherungsrechtlich relevante "Tätigkeit" darstelle (BSG, Urt. v. 29.02.2012 – B 12 KR 4/10 R; zust. Berchtold, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, § 5 SGB V Rn. 47a, § 10 SGB V Rn. 5a f.; Zimmermann, in: Sodan (Hrsg.), Handbuch der Krankenversicherung, § 6 Rn. 26). Bereits zuvor hatte der 12. Senat in Bezug auf das SGB V angenommen, für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit (ebenfalls im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V) genüge nicht bereits die gesellschaftsrechtliche Stellung als Alleingesellschafter und Mitgeschäftsführer einer GmbH, selbst wenn der Betreffende am Gewinn beteiligt sei, sondern es sei grundsätzlich erforderlich, dass zusätzliche Rechtsbeziehungen neben den rein gesellschaftsrechtlichen bestünden (BSG Urteil vom 4. 6. 2009 – B 12 KR 3/08 R), wofür insbesondere ein Dienstvertrag in Betracht kommen dürfte.

Ein solches zusätzliches Rechtsverhältnis besteht vorliegend nicht. Nach seinen – glaubhaften – Angaben wendet der Kläger seine Arbeitskraft nicht im Rahmen einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zu der GmbH & Co. KG auf, sondern er erbringt sie seit deren Gründung nur noch gegenüber der X Verwaltungs GmbH in seiner Eigenschaft als deren Geschäftsführer. Dies ist ihm vorliegend auch rechtlich möglich, da die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH in sämtlichen Tätigkeiten bestehen kann, die der Verfolgung des Unternehmenszwecks dienen (Oetker, in: Henssler/Strohn, § 35 GmbHG Rn. 14), und der Unternehmenszweck der X Verwaltungs GmbH gerade in der Führung der Geschäfte der Y GmbH & Co. KG besteht.

Wenn ein solches zusätzliches Rechtsverhältnis verlangt würde, um einen Kommanditisten als "selbständig tätig" im Sinne des SGB V qualifizieren zu können, käme es zu einer gespaltenen Auslegung des Begriffs der selbständigen Tätigkeit im Rahmen des SGB IV und des SGB VI einerseits sowie des SGB V andererseits, obwohl keine Anhaltspunkte bestehen, dass der Gesetzgeber eine solche gespaltene Auslegung beabsichtigte. Soweit in der Literatur die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI teilweise so verstanden wird, dass auch sie nur bei Vorliegen eines zusätzlichen Rechtsverhältnisses anwendbar sei (so Berchtold, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, § 2 SGB VI Rn. 18a f.), folgt das Gericht dieser Auslegung – in Bezug auf die hier alleine relevanten Personenhandelsgesellschaften – nicht. Denn das ausdrückliche Regelungsziel des Gesetzgebers, die Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften in die Rentenversicherungspflicht einzubeziehen (s.o.), ließe sich nicht erreichen, wenn stets ein zusätzlich zu den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen bestehendes weiteres Rechtsverhältnis verlangt würde. Denn gerade bei Personengesellschaften wird ein solches zusätzliches Rechtsverhältnis nicht allzu häufig bestehen, weil bereits der Gesellschaftsvertrag sämtliche Rechte und Pflichten – insbesondere: Geschäftsführung, Vertretung und Gewinnbeteiligung – umfassend regelt. Lediglich ein Beschäftigungsverhältnis eines Gesellschafters kann ohne Vorliegen eines zusätzlichen Rechtsverhältnisses nicht begründet werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 05.12.2018 – L 8 KR 13/13 mwN.).

Gegen die Notwendigkeit eines zusätzlichen Rechtsverhältnisses dürfte sich wohl auch der historische Gesetzgeber selbst im Jahr 2015 ausgesprochen haben, der in der Begründung zu § 5 Abs. 5 Satz 2 SGB V (BT-Drs. 18/4095, S. 70 f.) ausführt: "Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Februar 2012 (Az. B 12 KR 4/10 R) kann nach geltendem Recht die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer zwar ein Indiz für den Umfang einer selbständigen Tätigkeit sein, von der Beschäftigung eines Arbeitnehmers allein könne aber kein unbedingter Rückschluss auf die Hauptberuflichkeit einer selbständigen Erwerbstätigkeit gezogen werden. Demzufolge haben die Krankenkassen jeden Einzelfall umfassend unter Berücksichtigung aller relevanten Merkmale zu prüfen, um die Hauptberuflichkeit feststellen zu können. Das Merkmal der Arbeitgebereigenschaft hatte sich in der Vergangenheit jedoch als zuverlässiger Indikator für die Feststellung der Hauptberuflichkeit von selbständig Erwerbstätigen erwiesen und wesentlich zu einer verwaltungsvereinfachenden Praxis der Krankenkassen beigetragen. [ ] Die Vermutungsregelung ist nicht nur auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch Selbständige als natürliche Personen beschränkt. Für Selbständige, die Gesellschafter einer Gesellschaft sind, wird eine Arbeitgebereigenschaft auch dann angenommen, wenn die Arbeitnehmer von der Gesellschaft, z. B. einer GmbH oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, beschäftigt werden." Diese Gesetzesbegründung nimmt konkret auf das o.g. Urteil vom 29.02.2012 – B 12 KR 4/10 R Bezug, das der Beschäftigung von Arbeitnehmern durch eine KG keine weitere Bedeutung für die Prüfung einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit beigemessen hat, nachdem es bereits das Vorliegen einer sozialversicherungsrechtlich relevanten "Tätigkeit" der Kommanditistin verneint hat, weil es an einer außergesellschaftsrechtlichen Rechtsbeziehung fehle. Die Gesetzesbegründung dürfte sich jedenfalls stillschweigend gegen die Notwendigkeit eines zusätzlichen Rechtsverhältnisses neben der Organstellung aussprechen, auch wenn sie sich nicht näher mit den übrigen Anforderungen für die Annahme einer "selbständigen Tätigkeit" im Sinne von § 5 Abs. 5 SGB V auseinandersetzt (Peters, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB V Rn. 190a, § 10 SGB V Rn. 14; aA Berchtold, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, § 5 SGB V Rn. 47a; Hedermann, NZS 2016, S. 8 (12)).

(2.) Der Kläger übte die selbständige Tätigkeit als Kommanditist auch hauptberuflich aus.

(a.) Der Kläger beschäftigt mehr als einen Arbeitnehmer geringfügig. Bei Gesellschaften sind gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 SGB V den Gesellschaftern auch die von der Gesellschaft selbst beschäftigten Arbeitnehmern zuzurechnen. Die Zurechnung erfolgt entsprechend der Kapitalbeteiligung (Gerlach, in: Hauck/Noftz, § 5 SGB V Rn. 583). Da der Kläger an der Y GmbH & Co. KG zu 50 % beteiligt ist, ist ihm die Hälfte der an die Mitarbeiter insgesamt gezahlten Gehälter zuzuordnen. Die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV von 450,00 EUR wird hierdurch überschritten.

(b.) Das aus der Kommanditistenstellung bezogene Arbeitseinkommen iSd. § 15 SGB IV prägt die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers weiterhin ganz überwiegend, da es knapp ¾ seiner Einkünfte ausmacht. Dabei kann dahinstehen, ob für die statusrechtliche Beurteilung des Versicherungsverhältnisses die Einkommenssituation im Jahr 2016 selbst zu berücksichtigen ist oder ob die für hauptberuflich selbständig Tätige geltenden untergesetzlichen beitragsrechtlichen Regelungen (s.u.) dahingehend Ausstrahlungswirkung entfalten, dass auch im Rahmen des § 5 Abs. 5 SGB V auf den zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung aktuellsten Einkommensteuerbescheid – d.h. demjenigen für das Jahr 2013 – abzustellen ist. Denn nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 betrug der Anteil von Einkünften aus Gewerbebetrieb 73 % und nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 sogar 81 % der Einnahmen des Klägers.

Die Bewertung, dass die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit prägend sind, deckt sich zugleich damit, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, die Beschäftigung unter anderem auch für den Fall auszuüben, dass er die selbständige Tätigkeit irgendwann in der Zukunft einmal mangels Rentabilität einstellen müsste, weil das Unternehmen nicht groß genug sei. Sollte dieser Fall eintreten, will er die Beschäftigung wieder in Vollzeit ausüben; die jetzt ausgeübte Halbtagsbeschäftigung soll diese Möglichkeit sichern, da er sie auf eine Vollzeittätigkeit aufstocken könnte.

(c.) Dass der Kläger in Ausübung seiner Kommanditistenstellung zeitlich nur in sehr geringem Umfang oder sogar überhaupt nicht tätig wird, wirkt sich auf seine Beurteilung als hauptberuflich selbständig Tätiger nicht aus.

(aa.) Nach seinen – glaubhaften – Angaben wendet der Kläger in seiner Eigenschaft als Kommanditist im Wesentlichen keine Arbeitskraft auf. Soweit er für das Unternehmen Tätigkeiten im Buchhaltungs- und Finanzbereich erbringt, agiert er in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH (s.o.). Förmliche Gesellschafterversammlungen der GmbH & Co. KG finden, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, nicht statt und die Rechnungsbücher der GmbH & Co. KG kann der Kläger bereits in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementärin einsehen.

(bb.) Dies wirkt sich auf die Beurteilung jedoch nicht aus.

Welchen zeitlichen Mindestumfangs es für die Annahme einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit bedarf, ist noch nicht abschließend geklärt (vgl. BSG, Urt. v. 29.02.2012 – B 12 KR 4/10 R, juris Rn. 17), wobei das Bundessozialgericht zugleich davon ausgeht, dass dem zeitlichen Umfang bei der Ermittlung der "Hauptberuflichkeit" einer selbständigen Tätigkeit im Rahmen von § 5 Abs. 5 SGB V eine geringere Bedeutung als etwa im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V zukommt, da es im Rahmen von § 5 Abs. 5 SGB V in erster Linie um eine gewichtende Abgrenzung gegenüber parallel ausgeübten Beschäftigungen geht (vgl. BSG, Urt. v. 29.02.2012 – B 12 KR 4/10 R, juris Rn. 15 f.).

Aufgrund der überragenden Bedeutung der Kommanditerträge für die wirtschaftliche Situation des Klägers erachtet es das Gericht jedenfalls im vorliegenden Fall für ausreichend, dass der Kläger zumindest die rechtliche Befugnis hat, jederzeit Kommanditistenrechte in einem dem HGB-Leitbild entsprechenden Umfang auszuüben, selbst wenn auch hiermit nur ein geringer Zeitaufwand verbunden ist. Dabei kommt hinzu, dass die dem handelsrechtlichen Leitbild entsprechende selbständige Tätigkeit als Kommanditist bereits kraft Natur der Sache mit der Aufwendung von Arbeitskraft in einem nur sehr geringen Maße verbunden ist und daher der geringe zeitliche Aufwand einer Tätigkeit als Kommanditist nicht unmittelbar auf eine höhere soziale Schutzbedürftigkeit hindeutet. Gerade auch im Zuge der Einfügung von § 5 Abs. 5 Satz 2 SGB V hat der Gesetzgeber herausgestellt, dass das Bestehen bzw. Nichtbestehen von sozialer Schutzbedürftigkeit das hinter § 5 Abs. 5 SGB V stehende materielle Abgrenzungskriterium bildet (s. BT-Drs. 18/4095, S. 71: "Dabei wird davon ausgegangen, dass das der Ausschlussregelung zugrunde liegende verallgemeinernde Gesamtbild, wonach bei Innehaben einer Arbeitgeberfunktion von einer im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schutzbedürftigen Stellung des Selbständigen ausgegangen wird, die Lebenswirklichkeit in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle tatsächlich widerspiegelt.").

(3.) Kein anderes Ergebnis ergäbe sich auch dann, wenn im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheitsbetrachtung die Tätigkeit des Klägers für "das Unternehmen" insgesamt, d.h. unter Einbeziehung auch seiner als Geschäftsführer erbrachten Arbeitsleistung, bewertet würde (vgl. dazu BSG, Urt. v. 07.05.2020 – B 3 KS 3/18 R, juris Rn. 20 f., 23 f.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 25.09.2013 – L 2 R 597/10, juris Rn. 67). Auch die Gesamt-Tätigkeit wäre als ausschließlich selbständig zu qualifizieren. Denn da der Kläger unliebsame Weisungen verhindern kann, weil Beschlüsse in der GmbH-Gesellschafterversammlung grundsätzlich nur mit einfacher Mehrheit gefasst werden können und der Kläger 50 % der Anteile hält, wäre auch die Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer unabhängig davon, ob vorliegend – konkludent – ein Anstellungsvertrag geschlossen wurde, der Grundlage einer Beschäftigung sein könnte, als ausschließlich selbständig zu qualifizieren (s. nur BSG, Urt. v. 12.05.2020 – B 12 R 11/19 R), Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung wäre zugleich auch die von dem Kläger erbrachte Arbeitsleistung einzustellen, wobei angesichts der überragenden Bedeutung der aus dem Unternehmen erzielten Erträge unerheblich wäre, ob diese bei 16 oder 20 Stunden pro Woche lag.

cc.) An ihrer Feststellung war die Beklagte zu 1.) auch nicht aufgrund des bestandskräftigen Bescheids der Beigeladenen vom 22. August 2015 gehindert, der das Bestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses als Beschäftigter feststellte. Unschädlich ist dabei, dass die Beklagte zu 1.) diesen Bescheid nicht aufgehoben hatte – in dem Widerspruch war keine Aufhebungsverfügung enthalten (s.o.) und auch dem Bescheid vom 10. Juni 2018 selbst lässt sich keine Aufhebungs-, sondern alleine eine Feststellungsentscheidung entnehmen –, denn der Bescheid entfaltete ihr gegenüber von vornherein keine Bindungswirkung.

(1.) Die innere Wirksamkeit eines Verwaltungsakts gilt – soweit nicht in besonde¬ren gesetzlichen Regelungen eine Bindungswirkung angeordnet worden ist – nur im Verhältnis zwischen dem Adressaten und der Erlassbehörde sowie deren Rechts- oder Funktionsnachfolger. Eine Rechtsnachfolge liegt z.B. bei der Fusion zweier Krankenkassen vor. Eine Funktionsnachfolge liegt. z.B. bei der Aufgabenverlagerung von einer Behörde zur anderen vor. Keine Bindungswirkung besteht dagegen etwa im Falle eines Krankenkassenwechsels in Bezug auf ergangene leistungsrechtliche Entscheidungen (zum gesamten Voranstehenden: Siewert, in: Diering/Timme/Stähler, § 39 SGB X Rn. 11).

(2.) Bei einem Wechsel der Einzugsstelle in Folge eines Krankenkassenwechsels liegt kein Fall der Funktionsnachfolge vor, der zu einer Bindung der neuen Einzugsstelle an die Entscheidung der ehemaligen Einzugsstelle führt.

Zwar wird mitunter angenommen, die neue Krankenkasse sei nach einem Krankenkassenwechsel in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle an die Bescheide gebunden, die die frühere Krankenkasse in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle getroffen habe, da es sich bei dem Einzugsstellenverfahren insgesamt um ein einheitliches Verwaltungsverfahren handle; die neue Einzugsstelle könne die Entscheidung der früheren Einzugsstelle nur unter den Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X korrigieren (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.08.2007 – L 31 KR 128/07, juris Rn. 22; Urt. v. 30.04.2008 – L 9 KR 138/04, juris Rn. 17; von einer Bindungswirkung dürfte im Ergebnis auch ausgehen Pietrek, in: jurisPK-SGB IV, § 7a SGB IV Rn. 83, wonach nach einem Krankenkassenwechsel auch eine Entscheidung der früheren Einzugsstelle gegenüber einem fakultativen Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV eine Sperrwirkung iSv. § 7a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB IV entfalten könne).

Hiergegen spricht jedoch die Gesamtsystematik der §§ 7 ff. SGB IV.

So bleibt die als Einzugsstelle zuständige Krankenkasse auch nach einer Änderung der Krankenkassenmitgliedschaft für die erstmalige Feststellung der Versicherungspflicht für zurückliegende Zeiträume zuständig, in denen bei ihr eine Mitgliedschaft bestand (BSG, Urt. v. 24.06.2008 – B 12 KR 24/07 R). Liegt somit in Bezug auf vergangene Zeiträume kein einheitliches Verwaltungsverfahren vor, weil für die versicherungsrechtliche Bewertung vergangener Zeiträume die frühere Einzugsstelle zuständig bleibt, so spricht dies umgekehrt dafür, dass Entscheidungen der früheren Einzugsstelle nach einem Krankenkassenwechsel auch nicht die spätere Einzugsstelle binden.

Auch ist die obligatorische Statusfeststellung nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV in jedem Fall eines Krankenkassenwechsels und damit eines Einzugsstellenwechsels durchzuführen (BSG, Urt. v. 16.07.2019 – B 12 KR 6/18 R). Das obligatorische Statusfeststellungsverfahren wird dann ausgelöst, wenn der Arbeitgeber in seiner Meldung nach § 28a Abs. 3 SGB IV, die auch bei einem Krankenkassenwechsel erneut zu erstatten ist (§ 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB IV), das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses angibt und gleichzeitig entweder das Bestehen einer familiären Nähebeziehung oder einer GmbH-Geschäftsführerstellung mitteilt. Nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV hat die Einzugsstelle in diesem Fall einen Statusfeststellungsantrag bei der Rentenversicherung zu stellen. Das Verfahren dient der Überprüfung der Richtigkeit der Arbeitgebermeldung, es liege eine Beschäftigung (und nicht lediglich eine familiäre Mithilfe oder eine selbständige Tätigkeit) vor (Pietrek, in: jurisPK-SGB IV, § 7a SGB IV Rn. 95). Die ausnahmslose Pflicht auch der neuen Einzugsstelle zur Einleitung eines obligatorischen Statusfeststellungsverfahrens ist nur vor dem Hintergrund erklärbar, dass eine etwaige gegenüber der früheren Einzugsstelle ergangene Entscheidung ihr gegenüber keine innere Wirksamkeit erlangt.

(3.) Da der Bescheid der Beigeladenen gegenüber der Beklagten zu 1.) generell keine innere Wirksamkeit erlangt hat, kann dahinstehen, ob er sich infolge des Krankenkassenwechsels zugleich erledigt hat (§ 39 SGB X) und ob ausgehend davon jedenfalls die Beigeladene nach der Rückkehr des Klägers in ihre Zuständigkeit wieder an diesen Bescheid gebunden ist.

3.) Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch gegen die beiden Beklagten auf Aufhebung des Beitragsbescheids vom 10. Juni 2016. Denn der Beitragsbescheid war zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtmäßig.

a.) Die Beklagten waren nach allgemeinen Grundsätzen aufgrund des bestehenden Über-/Unterordnungsverhältnisses zur Geltendmachung von Beitragsforderungen durch Verwaltungsakt befugt (s. etwa BSG, Urt. v. 25.01.1995 – 12 RK 72/93), wobei das Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung in § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI diese Möglichkeit auch erkennbar voraussetzt.

b.) Die Beitragserhebung zur gesetzlichen Krankenversicherung ist zu Recht erfolgt.

aa.) Dabei kann das Gericht dahinstehen lassen, ob das Versicherungsverhältnis des Klägers seine Grundlage in § 9 Abs. 1 SGB V (freiwillige Wahl-Versicherung), in § 188 Abs. 4 SGB V (obligatorische freiwillige Anschlussversicherung) oder in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (Auffang-Pflichtversicherung) hatte. Gegen die Anwendbarkeit von § 9 Abs. 1 SGB V spricht wohl, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt – auch nicht in der Vergangenheit gegenüber der Beigeladenen – eine Wahlerklärung abgegeben hat. Die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einerseits sowie § 188 Abs. 4 SGB V andererseits hängt davon ab, ob die selbständige Tätigkeit des Klägers vor oder nach Inkrafttreten von § 188 Abs. 4 SGB V am 1. August 2013 das Gewicht einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit erlangt hat und hierdurch die Pflichtversicherung des Klägers als Beschäftigter materiell – an die Bewertung durch die Beigeladene in deren Bescheid vom 22. August 2015 war die Beklagte zu 1.) nicht gebunden (s.o.) – beendet hat.

bb.) In jeder der genannten Konstellationen wäre die Beitragserhebung zu Recht erfolgt.

(1.) Für – kraft Wahlerklärung oder obligatorisch – freiwillig versicherte Mitglieder wird die Beitragsbemessung gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Die entsprechende Regelung ist in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler in der hier maßgeblichen Fassung vom 10. Dezember 2014 (BVSzGs 2014) erfolgt. Für hauptberuflich selbständig Tätige – wie den Kläger – ist dabei gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BVSzGs 2014 pro Kalendertag als beitragspflichtiges Einkommen 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen, die im Jahr 2016 bei 4.237,50 EUR lag. Werden niedrigere Einnahmen nachgewiesen, werden nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 BVSzGs 2014 niedrigere Einnahmen zugrunde gelegt. In diesem Zusammenhang regelt § 5 Abs. 2 Satz 2 BVSzGs 2014, dass Arbeitseinkommen iSd. § 15 SGB IV dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheid zu entnehmenden Jahresbetrags zuzuordnen ist. Bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen, die eine selbstständige Tätigkeit neu aufnehmen, werden gemäß § 7 Abs. 7 Satz 5 BVSzGs 2014 die Beiträge auf Antrag des Mitglieds abweichend von Absatz 3 Satz 1 bis zur Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides einstweilig nach den voraussichtlichen Einnahmen festgesetzt. Gemäß § 8 Abs. 1 BVSzGs 2014 wird der Monat mit 30 Kalendertagen gerechnet. Gemäß § 250 Abs. 2 SGB V tragen freiwillig Versicherte die Beiträge alleine; gemäß § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V zahlen sie die Beiträge selbst.

(2.) Für Auffangpflichtversicherte gilt gemäß § 227 SGB V die Regelung des § 240 SGB V entsprechend. Nach § 7 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BVSzGs 2014 ist bei hauptberuflich selbständig Tätigen – wie dem Kläger – dabei vorrangig das Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit bis zur Beitragsbemessungsgrenze heranzuziehen. Auffangpflichtversicherte tragen gemäß § 250 Abs. 3 SGB V ihre Beiträge mit Ausnahme der aus Arbeitsentgelt zu entrichtenden Beiträge ihre Beiträge alleine; die aus Arbeitsentgelt zu leistenden Beiträge werden gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 SGB V von dem Versicherten und dem Arbeitgeber je zur Hälfte getragen. Die Zahlung der Beiträge erfolgt gemäß § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch denjenigen, der die Beiträge jeweils zu tragen hat; die Regelung über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag findet auch bei einer Beitragsentrichtung aus Arbeitsentgelt gemäß § 253 SGB V keine Anwendung.

(3.) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte zu 1.) die Beiträge unabhängig davon zu Recht festgesetzt, welcher Versicherungstatbestand in der Person des Klägers erfüllt ist. Selbst bei Annahme eins Auffangversicherungspflichtverhältnisses wäre ausschließlich der Kläger selbst zur Leistung von Beiträgen aus einem der Beitragsbemessungsgrenze entsprechenden Betrag heranzuziehen gewesen, weil sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit gemäß dem im Juni 2016 aktuellsten Beitragsbescheid für das Jahr 2013 die Beitragsbemessungsgrenze überschritt.

c.) Auch die Beitragserhebung in der gesetzlichen Pflegeversicherung erfolgte zu Recht.

aa.) Der Kläger war in der gesetzlichen Pflegeversicherung entweder in Anknüpfung an eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV (§ 20 Abs. 3 SGB XI) oder an eine Auffangpflichtversicherung in der GKV (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI) gesetzlich versichert.

Hingegen bestand wegen der auch im Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung beachtlichen (Peters, in: Kasseler Kommentar, § 20 SGB XI Rn. 9) hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit des Klägers keine Pflichtversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB XI als gesetzlich krankenversicherungspflichtiger gegen Arbeitsentgelt Beschäftigter. Dies folgte bereits daraus, dass der von der Beklagten zu 1.) in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle erlassene, zeitgleich bekanntgegebene Bescheid über die Versicherungsfreiheit als Beschäftigter in der GKV auch Drittwirkung gegenüber der Beklagten zu 2.) entfaltete (s. dazu Vossen, in: Krauskopf, § 20 SGB XI Rn. 7).

Die Beklagte zu 2.) war umgekehrt nicht an den Bescheid der Beigeladenen über das Bestehen einer Versicherungspflicht als Beschäftigter in der GKV gebunden. Da im Falle eines Krankenkassenwechsels das von der früheren Einzugsstelle geführte Verwaltungsverfahren endet und alleine die neue Einzugsstelle dafür zuständig ist, versicherungs- und beitragsrechtliche Entscheidungen ab dem Beginn der bei ihr bestehenden Mitgliedschaft zu treffen, ohne dass es einer Aufhebung früherer Bescheide bedürfte (s.o.), sind auch für andere Sozialversicherungsträger wie die Pflegekasse Bescheide der ehemaligen Einzugsstelle nach einem Krankenkassenwechsel nicht mehr maßgeblich.

bb.) Die Beitragserhebung ist rechnerisch korrekt erfolgt. Für das SGB XI gelten die o.g. Vorschriften des SGB V über die beitragspflichtigen Einnahmen und die Beitragstragung entsprechend (§§ 57 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI); zu zahlen sind die Beiträge gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI von demjenigen, der sie zu tragen hat. Auch den Beitragssatz selbst hat die Beklagte zu 2.) zutreffend gemäß § 55 SGB XI berechnet und insbesondere das Vorhandensein von Kindern berücksichtigt.

cc.) Zu Recht hat die Beklagte zu 2.) die Beiträge gegenüber dem Kläger selbst geltend gemacht, da dieser seine Beiträge selbst zu zahlen hatte (§ 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI).

IV.) Von einer Beiladung des Arbeitgebers des Klägers gemäß § 75 Abs. 1 SGG hat das Gericht abgesehen. Zwar hat die Beklagte zu 1.) sich nicht auf die hier alleine den Streitgegenstand bildende Erhebung von Beiträgen bei dem Kläger beschränkt, sondern sie lässt – schon von ihrem eigenen Rechtsstandpunkt aus überdies zu Unrecht – außerdem von dem Arbeitgeber des Klägers im Rahmen des Einzugsstellenverfahrens als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus dem Arbeitsentgelt des Klägers abführen. Ein Fall der notwendigen Beiladung (§ 75 Abs. 2 Var. 1 SGG) lag jedoch nicht vor, da der Arbeitgeber an dem vorliegend streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt war, dass eine Entscheidung ihm gegenüber nur einheitlich ergehen konnte. Erforderlich ist hierfür, dass die Bindung des Betroffenen an den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung, in dessen rechtsschutzfähige Rechte eingreifen kann; ist er nur durch die Beurteilung einer Vorfrage berührt, die an der Rechtskraftwirkung nicht teilnimmt, reicht dies nicht aus (Gall, in: jurisPK-SGG, § 75 SGG Rn. 41). Danach lag kein Fall der notwendigen Beiladung vor, da Streitgegenstand lediglich die Aufhebung bzw. Verurteilung zur Aufhebung ergangener Bescheide ist; die – auch den Arbeitgeber berührende – kranken- und pflegeversicherungsrechtliche Einstufung des Klägers stellt nur eine Vorfrage dar.

V.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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