Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 3860/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2155/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.05.2020 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitgegenständlich ist das Begehren der Klägerin auf "Wiederaufnahme" der beiden vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) geführten Verfahren S 8 AS 4969/17 und S 8 AS 5440/17.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 09.07.2019 gab die Vertreterin des Beklagten im Verfahren S 8 AS 5440/17 (streitgegenständlich war eine Erstattungsforderung des Beklagten i.H.v. 4.414,45 EUR) ein Anerkenntnis ab, welches die anwaltlich vertretene Klägerin zur Erledigung des Rechtsstreits annahm und wies im Verfahren S 8 AS 4969/17, in welchem die Klägerin die Gewährung von Leistungen für den Zeitraum November 2016 bis April 2017 begehrte, die Klage mit Urteil vom selben Tag ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ein.
Mit handschriftlichem Schreiben vom 20.07.2019 (Eingang beim SG am 22.07.2019) hat die Klägerin selbst die "Wiederaufnahme" beider Verfahren beantragt. Sie sei nicht damit einverstanden, dass die Vorsitzende ihr im Termin "das Wort abgeschnitten" habe. Im Urteil seien wesentliche Probleme noch nicht mal angesprochen worden. Sie sei auch mit der Vertretung durch den Prozessbevollmächtigten nicht einverstanden.
In der Folgezeit hat sich im Rahmen dieser beantragten "Wiederaufnahme" zunächst unter dem bisherigen Aktenzeichen S 8 AS 5440/17 und anschließend unter dem Aktenzeichen S 15 AS 3860/19 ein umfangreicher Schriftverkehr zwischen der Klägerin und dem SG entfaltet, wobei die Klägerin stets ohne anwaltliche Vertretung agiert hat und zu keiner Zeit eine anwaltliche Bevollmächtigung behauptet oder eine oder einen Bevollmächtigte/n benannt hat.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.05.2020 hat das SG nach vorheriger Anhörung, jeweils direkt an die Klägerin adressiert, die "Wiederaufnahmeklage" als unzulässig verworfen. Es komme weder eine Wiederaufnahme der beiden Gerichtsverfahren noch deren Fortsetzung in Betracht. Im Verfahren S 8 AS 4969/17 habe die Klägerin Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt, weshalb eine Wiederaufnahmeklage schon nicht zulässig sei. Das Verfahren S 8 AS 5440/17 sei nicht durch Endurteil bzw. Beschluss, sondern durch ein angenommenes Anerkenntnis beendet worden, gegen welches eine Wiederaufnahmeklage unstatthaft sei. Das angenommene Anerkenntnis sei auch materiell-rechtlich wirksam.
Gegen den der Klägerin am 04.06.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 08.07.2020, einem Mittwoch, per Telefax mit einem handschriftlichen Zettel mit eigenhändig vermerkten Datum 08.07.2020 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und ausgeführt, ihre Anwältin, die definitiv den Fall gegen das Jobcenter übernommen habe, müsse die Berufung einlegen, weil sie krank geschrieben gewesen sei. Wegen ihrer Krankheit habe sie seit Mitte März nicht antworten bzw. Berufung einlegen können. Dies habe sie soeben getan. Wörtlich hat die Klägerin ausgeführt:
"Wegen Krankheit seit Mitte März Anlagen und Atteste anbei, konnte ich Ihnen nicht antworten bzw. Berufung einlegen. Das habe ich eben getan Da verliess ich mich auf meine Anwältin Frau v. B. S., die gg das JobC für mich kämpft. Ich weiss nicht, wieso es sein kann, dass sie sich Ihnen ggüber nicht legitimiert hat, kapiere ich nicht. Sie müssen meiner Anwältin die Unterlagen zustellen, das haben Sie gar nicht getan!!!! Ich gehe davon aus, das die Berufung rechtzeitig eingelegt wurde."
Beigefügt hat die Klägerin ein ärztliches Attest des Allgemeinarztes Dr. N. vom 01.07.2020, wonach die Klägerin "heute" nicht in der Lage sei vor Gericht zu erscheinen und auch nicht reisefähig sei, weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dieses Arztes, welche ihr Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 17.03.2020 bis einschließlich 22.06.2020 (letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 25.05.2020) bescheinigt haben.
Einen konkreten Antrag hat die Klägerin nicht gestellt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrags verweist er auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
Mit Verfügung vom 29.07.2020 hat der Berichterstatter die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berufung nach vorläufiger Prüfung bereits verfristet sei, weshalb sie als unzulässig zu verwerfen sei.
In einer Stellungnahme hierzu hat die Klägerin mitgeteilt, ihre Anwältin, Frau v. B. aus S. habe den Fall Anfang April übernommen und man möge sich an diese wenden. Sie ersuche um Mitteilung, wann genau Frau v. B. sich als ihre Anwältin beim Senat legitimiert habe. Diese habe ihr wegen eines angeblichen Zerwürfnisses, welches es nie gegeben habe, über zehn Mandate gekündigt. Die Klägerin hat auf eine weitere Aufklärungsverfügung des Berichterstatters hin in der Folgezeit ausgeführt, leider seien die Druckerpatronen ihres Druckers leer gewesen, weshalb sie alles von Hand habe schreiben müssen. Sie habe am 04.07.2020 daher eine handschriftliche Berufung mit der Post übersandt, was in jedem Fall noch rechtzeitig gewesen sei. Sie habe die Berufung rechtzeitig eingelegt. Sie hat weiterhin ein handschriftliches Schreiben, datiert auf den 04.07.2020 und gerichtet an die Rechtsanwältin v. B., allerdings ohne Adressierung, vorgelegt, in welchem sie die Anwältin aufgefordert hat, sich endlich um das Verfahren S 15 AS 3860/19 zu kümmern. Beigefügt war ferner ein Notizzettel, überschrieben mit "per Brief an das LSG BW", mit Datumsangabe 04.07.2020 und dem Text: "Hiermit lege ich im Verfahren S 15 AS 3860/19 Berufung ein".
Anschließend hat die Klägerin vorgetragen, ein Landwirt arbeite 16 Stunden am Tag, auch am Wochenende und sie wolle wissen, wann sie denn die Post bearbeiten solle, um die sinnlosen, ausschließlich schikanösen Fristen einzuhalten. Auch die Tatsache, dass sie von allen Rechtsanwälten nicht vertreten worden sei, obwohl diese das zugesichert hätten, weil ihnen allen in Bezug auf den Arbeitsaufwand das Geld nicht gereicht habe, könne von ihr als Einzelperson nicht beeinflusst werden.
Sie hat zuletzt vorgebracht, nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei man nach einer langen Krankschreibung, für die es Gründe gegeben habe, nicht fit und könne nicht im normalen Tempo arbeiten. Sie sei von März bis Juli krankgeschrieben gewesen. Das seien 5 Monate gewesen, eine extrem lange Zeit, in der sie die Post nicht oder kaum habe bearbeiten können. Es sei nicht möglich gewesen, "die über 100 Briefe nach dem Ende meiner Krankschreibung sofort alle (zu) beantworten" wie die Tatsache der Verfristung gezeigt habe, wobei sie die Frist lediglich um 1 Tag verpasst habe. Sie werde zum Arzt gehen, und ihn bitten, "seine zig Krankschreibungen anders zu formulieren, so dass auch Sie es begreifen".
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist unzulässig.
Der Senat ist an einer Entscheidung in der Sache nicht durch "den Befangenheitsantrag gg den 12. Senat des LSOZG BW" der Klägerin vom 01.10.2020 gehindert. Dieses Ablehnungsgesuch, gerichtet gegen sämtliche Berufsrichterinnen und -richter des erkennenden Senats, wird als offensichtlich unzulässig verworfen. Der Senat ist zu einer Entscheidung hierüber in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern befugt, ohne dass es hierzu einer gesonderten Entscheidung bedarf (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 07.09.2016, B 10 SF 2/16 C, juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 60 Rn. 10e).
Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Maßgebend ist dabei, ob vom Standpunkt des betreffenden Beteiligten aus genügend objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Betrachters geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu erregen. In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichtshöfe und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist (BSG, a.a.O.). Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (BSG, a.a.O., m.w.N., auch zum Nachfolgenden). Um ein solches, offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch handelt es sich bei der pauschalen Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers wie vorliegend. Die Klägerin hat alle Berufsrichterinnen und -richter des Senats abgelehnt, ohne irgendwelche konkreten Anhaltspunkte vorzubringen, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung geeignet wären, eine Befangenheit der einzelnen Mitglieder des Spruchkörpers zu begründen. Ihr offensichtlich unzulässiges Befangenheitsgesuch war daher zu verwerfen, wobei der Senat in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern zu einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch befugt war. Der Senat konnte auch ungeachtet des Verlegungsgesuchs der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2020 über die Berufung entscheiden, weil Gründe, die eine Verlegung der mündlichen Verhandlung geboten hätten, von der Klägerin nicht vorgebracht worden und auch sonst nicht ersichtlich sind. Gem. § 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Dabei sind nach § 227 Abs. 1 S. 2 ZPO erhebliche Gründe insbesondere nicht 1. das Ausbleiben eines Beteiligten oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, sofern nicht das Gericht dafür hält, dass der Beteiligte ohne sein Verschulden am Erscheinen verhindert ist, 2. die mangelnde Vorbereitung eines Beteiligten, wenn nicht der Beteiligte dies genügend entschuldigt sowie 3. das Einvernehmen der Beteiligten allein.
Die Terminsverfügung für die mündliche Verhandlung am 05.10.2020 ist der Klägerin ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 02.09.2020 zugestellt worden. Die Klägerin hatte somit ausreichend Zeit, sich auf diesen Termin vorzubereiten. Soweit die Klägerin vorbringt, sie benötige noch Zeit, sich einen Rechtsanwalt zu suchen, setzt sie sich zum einen zu ihrem Berufungsvorbringen, sie würde von der Rechtsanwältin v. B. vertreten, in Widerspruch. Zum anderen ist die Klägerin bereits mit Verfügung vom 05.08.2020 drauf hingewiesen worden, dass sich bis zum heutigen Tage kein Rechtsanwalt legitimiert hat.
Soweit die Klägerin geltend macht, der Termin sei für sie zu kurzfristig angesetzt, da sie "am 03.10.20 bereits alles packen müsste und am 4.10.20 den ganzen Tag fahren müsste", sie aber "bis und incl dem 05.10. ca 20 Gerichtsverfahren bis dahin zu beantworten" habe und auf keinen Tag verzichten könne, stellt dies gleichfalls keinen erheblichen Grund dar. Die Vielzahl anderer Gerichtsverfahren musste bereits als Begründung dafür herhalten, dass die Berufung verfristet eingelegt worden sei. Es war der Klägerin angesichts der Frist zwischen Zustellung der Ladung und mündlicher Verhandlung von über einem Monat zuzumuten, etwaige Terminsachen im Vorfeld abzuarbeiten, zumal die Fristen, die angeblich zu verstreichen drohten und deren Zahl zwischen 20 und 100 variiert, niemals glaubhaft gemacht worden sind. Ebenso wenig kann der Umstand, dass die mündliche Verhandlung am Sitz des LSG Baden-Württemberg in Stuttgart stattfindet und deshalb mit einer langen Anreise für die Klägerin verbunden ist, eine Terminsverlegung rechtfertigen. Der Senat hat der Klägerin auch rechtzeitig mitgeteilt, dass sowohl die Reisekosten wie auch die Kosten für eine gegebenenfalls erforderliche Übernachtung im Hotel übernommen werden. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb es der Klägerin nicht möglich gewesen sein sollte, innerhalb der hierfür zur Verfügung stehenden Frist von einer Woche zwischen der Mitteilung, dass die Reisekosten übernommen würden, und mündlicher Verhandlung sich Bahntickets zu beschaffen, wobei die Klägerin wohl ohnedies eine Anreise per PKW erwogen hat, und soweit erforderlich, ein Hotelzimmer zu buchen.
Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie ¬– unter anderem – nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt ist. So liegt der Fall hier.
Gemäß §§ 143, 105 Abs. 2 S. 1 SGG findet gegen Gerichtsbescheide der Sozialgerichte die Berufung statt. Diese ist beim LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (§ 151 Abs. 1 SGG). Diese Frist ist hier versäumt.
Nach § 63 Abs. 2 SGG wird von Amts wegen nach den Vorschriften der ZPO zugestellt. Erfolgt die Zustellung wie hier durch die Post, ist die Ausführung der Zustellung gemäß § 176 Abs. 2 ZPO nach den §§ 177 ff. ZPO zu bewirken. Wird die Person, an die zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück gemäß § 178 Abs. 1 ZPO 1. in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner, 2. in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person und 3. in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter zugestellt werden. Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar, kann das Schriftstück gemäß § 180 Satz 1 ZPO in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO).
Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin ausweislich der bei der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde in Übereinstimmung mit diesen Vorgaben – da eine Übergabe des Urteils in der Wohnung nicht möglich war – gemäß § 180 Satz 1 ZPO mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen am 04.06.2020 zugestellt worden. Eine an diesem Tag erfolgte Zustellung hat die Klägerin auch nicht bestritten. Die Zustellung ist auch zu Recht gegenüber der Klägerin selbst bewirkt worden, nachdem sie das hier streitgegenständliche Klageverfahren selbst eingeleitet hat und sich auch im Zuge des nachfolgenden, umfangreichen Schriftverkehrs zwischen der Klägerin und dem SG zu keiner Zeit ein Rechtsanwalt in diesem Verfahren legitimiert hat und die Klägerin erstinstanzlich auch zu keiner Zeit eine anwaltliche oder sonstige Prozessbevollmächtigung behauptet hat. Die Klägerin hat vielmehr erstmalig im Berufungsverfahren eine Bevollmächtigung behauptet.
Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts Anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung. Gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG). Die einmonatige Berufungsfrist hat somit am 05.06.2020 begonnen. Da der 04.07.2020 ein Sonnabend gewesen ist, hat die Frist am Montag, den 06.07.2020 geendet.
Die Berufung der Klägerin ist dagegen erst am 08.07.2020 und damit nach Fristablauf bei Gericht eingegangen. Weder ist zuvor eine Berufung der Klägerin beim LSG Baden-Württemberg oder beim SG eingegangenen, noch eine solche der angeblich mit der Prozessvertretung beauftragten Rechtsanwältin v. B.
Soweit die Klägerin zuletzt behauptet hat, sie habe am 04.07.2020 eine handschriftlich verfasste Berufung auf den Postweg gebracht, erachtet der Senat diesen Vortrag für eine reine Schutzbehauptung. Ein solches Schreiben ist nie beim LSG Baden-Württemberg eingegangen. Die Klägerin setzt sich mit diesem Vorbringen im Widerspruch zu ihrem sämtlichen vorherigen Vorbringen zur Begründung ihres Fristversäumnisses. So hat die Klägerin im Zuge ihrer Berufungseinlegung am 08.07.2020 wortreich erklärt, dass sie an einer früheren Berufungseinlegung aufgrund von Erkrankungen gehindert gewesen sei, zu deren Nachweis sie eine Reihe von Arbeitslosigkeitsbescheinigungen beigefügt hat, und dass sie auch von einer Berufungseinlegung durch ihre Rechtsanwältin v. B. ausgegangen sei. Wörtlich hat sie in dem mit 08.07.2020 datierten Schreiben ausgeführt: "Hiermit lege ich Berufung ein". In dem dem Berufungsschreiben beigefügten gesonderten Schriftsatz hat sie dann neuerlich ausgeführt, dass sie wegen Krankheit bisher nicht Berufung einlegen konnte: "Das habe ich eben getan". Sie gehe im Übrigen davon aus, dass die Berufung fristgerecht sei. In einer ersten Reaktion auf den richterlichen Hinweis auf eine möglicherweise verfristete Berufung hat die Klägerin im Ergebnis geltend gemacht, es sei Sache der Rechtsanwältin v. B. gewesen, fristgerecht Berufung einzulegen. Erst auf den neuerlichen richterlichen Hinweis hin, es habe sich auch weiterhin keine Rechtsanwältin für die Klägerin legitimiert und man gehe auch weiterhin von einer Verfristung aus, hat die Klägerin nun unter Verweis auf die Kopie (?) eines handschriftlich beschriebenen, nicht adressierten und beim LSG Baden-Württemberg oder dem SG niemals eingegangenen Notizzettel, angeblich am 04.07.2020 verfasst und auf den Postweg gebracht, behauptet, fristgerecht Berufung erhoben zu haben. Mit ihrer zuletzt abgegebenen Stellungnahme hat die Klägerin dagegen (neuerlich) eingeräumt, die Berufung nicht fristgerecht erhoben zu haben und letztlich eine Wiedereinsetzung beantragt.
Nach alledem ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin erstmalig mit Schreiben vom 08.07.2020 Berufung eingelegt hat und die behauptete Berufungseinlegung mit Schreiben vom 04.07.2020 schlichtweg gelogen ist.
Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten (§ 67 SGG), liegen nicht vor. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Die Fristversäumnis ist der Klägerin aber vorzuwerfen.
Die von der Klägerin behauptete anwaltliche Vertretung hat weder in 1. noch in 2. Instanz stattgefunden. Insbesondere war wie bereits ausgeführt im Wiederaufnahmeverfahren vor dem SG, welches die Klägerin selbst durch Schriftsatz vom 05.09.2019 eingeleitet hat, zu keiner Zeit eine Rechtsanwältin involviert. Die Klägerin selbst hat eingeräumt, zwischen ihr und der Rechtsanwältin v. B. sei es bereits zuvor zu einem Zerwürfnis gekommen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens eine Reihe von Schriftsätzen vorgelegt, in welchen die angeblich mit der Vertretung beauftragte Rechtsanwältin in weiteren sozialgerichtlichen Verfahren der Kläger mitgeteilt hat, diese nicht mehr zu vertreten, was dieses Zerwürfnis, zumindest aber den Unwillen der Rechtsanwältin, die Klägerin weiterhin zu vertreten, dokumentiert. Obgleich die Klägerin ihre Schriftsätze an den Senat regelmäßig auch nachrichtlich an die Rechtsanwältin v. B. gerichtet hat, hat sich diese dementsprechend bis heute nicht im streitgegenständlichen Verfahren legitimiert. Es kann dahingestellt bleiben, ob die angebliche Prozessbevollmächtigung eine weitere Schutzbehauptung der Klägerin ist, die, wie bereits dargelegt, einen bemerkenswert ambivalenten Umgang mit der Wahrheit demonstriert, oder ob die durchaus prozesserfahrene Klägerin angesichts der Vielzahl an Verfahren vor dem SG sowie einer Reihe weiterer sozialgerichtlicher Verfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg den Überblick verloren hat. Denn auch letzterer Fall vermag keine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, da auch in diesem Falle das Versäumnis der Berufungsfrist nicht ohne Verschulden der Klägerin eingetreten ist.
Soweit die Klägerin darüber hinaus ihre durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegte Erkrankung zur Begründung der Versäumung der Berufungsfrist anführt, vermag auch dies keine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen. Denn Krankheitszeiten sind nur bis einschließlich 22.06.2020 belegt; daneben wurde der Klägerin weiterhin "Reiseunfähigkeit" für den 01.07.2020 bescheinigt. Selbst wenn die Klägerin infolge der Arbeitsunfähigkeit außerstande gewesen sein sollte, handschriftlich und unter Gebrauch des ihr zur Verfügung stehenden Faxgerätes, wie dann ja am 08.07.2020 geschehen, Berufung einzulegen, hätten ihr zumindest noch 3 volle Tage zu einer fristgerechten Berufungseinlegung zur Verfügung gestanden. Da es hierzu keinerlei Begründung bedurft hätte, ist auch in Ansehung der von der Klägerin behaupteten Vielzahl an anderen Terminsachen nicht ersichtlich, weshalb ihr das unmöglich gewesen sein soll, weshalb das Fristversäumnis auch unter diesem Gesichtspunkt nicht ohne Verschulden erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Tatbestand:
Streitgegenständlich ist das Begehren der Klägerin auf "Wiederaufnahme" der beiden vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) geführten Verfahren S 8 AS 4969/17 und S 8 AS 5440/17.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 09.07.2019 gab die Vertreterin des Beklagten im Verfahren S 8 AS 5440/17 (streitgegenständlich war eine Erstattungsforderung des Beklagten i.H.v. 4.414,45 EUR) ein Anerkenntnis ab, welches die anwaltlich vertretene Klägerin zur Erledigung des Rechtsstreits annahm und wies im Verfahren S 8 AS 4969/17, in welchem die Klägerin die Gewährung von Leistungen für den Zeitraum November 2016 bis April 2017 begehrte, die Klage mit Urteil vom selben Tag ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ein.
Mit handschriftlichem Schreiben vom 20.07.2019 (Eingang beim SG am 22.07.2019) hat die Klägerin selbst die "Wiederaufnahme" beider Verfahren beantragt. Sie sei nicht damit einverstanden, dass die Vorsitzende ihr im Termin "das Wort abgeschnitten" habe. Im Urteil seien wesentliche Probleme noch nicht mal angesprochen worden. Sie sei auch mit der Vertretung durch den Prozessbevollmächtigten nicht einverstanden.
In der Folgezeit hat sich im Rahmen dieser beantragten "Wiederaufnahme" zunächst unter dem bisherigen Aktenzeichen S 8 AS 5440/17 und anschließend unter dem Aktenzeichen S 15 AS 3860/19 ein umfangreicher Schriftverkehr zwischen der Klägerin und dem SG entfaltet, wobei die Klägerin stets ohne anwaltliche Vertretung agiert hat und zu keiner Zeit eine anwaltliche Bevollmächtigung behauptet oder eine oder einen Bevollmächtigte/n benannt hat.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.05.2020 hat das SG nach vorheriger Anhörung, jeweils direkt an die Klägerin adressiert, die "Wiederaufnahmeklage" als unzulässig verworfen. Es komme weder eine Wiederaufnahme der beiden Gerichtsverfahren noch deren Fortsetzung in Betracht. Im Verfahren S 8 AS 4969/17 habe die Klägerin Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt, weshalb eine Wiederaufnahmeklage schon nicht zulässig sei. Das Verfahren S 8 AS 5440/17 sei nicht durch Endurteil bzw. Beschluss, sondern durch ein angenommenes Anerkenntnis beendet worden, gegen welches eine Wiederaufnahmeklage unstatthaft sei. Das angenommene Anerkenntnis sei auch materiell-rechtlich wirksam.
Gegen den der Klägerin am 04.06.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 08.07.2020, einem Mittwoch, per Telefax mit einem handschriftlichen Zettel mit eigenhändig vermerkten Datum 08.07.2020 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und ausgeführt, ihre Anwältin, die definitiv den Fall gegen das Jobcenter übernommen habe, müsse die Berufung einlegen, weil sie krank geschrieben gewesen sei. Wegen ihrer Krankheit habe sie seit Mitte März nicht antworten bzw. Berufung einlegen können. Dies habe sie soeben getan. Wörtlich hat die Klägerin ausgeführt:
"Wegen Krankheit seit Mitte März Anlagen und Atteste anbei, konnte ich Ihnen nicht antworten bzw. Berufung einlegen. Das habe ich eben getan Da verliess ich mich auf meine Anwältin Frau v. B. S., die gg das JobC für mich kämpft. Ich weiss nicht, wieso es sein kann, dass sie sich Ihnen ggüber nicht legitimiert hat, kapiere ich nicht. Sie müssen meiner Anwältin die Unterlagen zustellen, das haben Sie gar nicht getan!!!! Ich gehe davon aus, das die Berufung rechtzeitig eingelegt wurde."
Beigefügt hat die Klägerin ein ärztliches Attest des Allgemeinarztes Dr. N. vom 01.07.2020, wonach die Klägerin "heute" nicht in der Lage sei vor Gericht zu erscheinen und auch nicht reisefähig sei, weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dieses Arztes, welche ihr Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 17.03.2020 bis einschließlich 22.06.2020 (letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 25.05.2020) bescheinigt haben.
Einen konkreten Antrag hat die Klägerin nicht gestellt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrags verweist er auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
Mit Verfügung vom 29.07.2020 hat der Berichterstatter die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berufung nach vorläufiger Prüfung bereits verfristet sei, weshalb sie als unzulässig zu verwerfen sei.
In einer Stellungnahme hierzu hat die Klägerin mitgeteilt, ihre Anwältin, Frau v. B. aus S. habe den Fall Anfang April übernommen und man möge sich an diese wenden. Sie ersuche um Mitteilung, wann genau Frau v. B. sich als ihre Anwältin beim Senat legitimiert habe. Diese habe ihr wegen eines angeblichen Zerwürfnisses, welches es nie gegeben habe, über zehn Mandate gekündigt. Die Klägerin hat auf eine weitere Aufklärungsverfügung des Berichterstatters hin in der Folgezeit ausgeführt, leider seien die Druckerpatronen ihres Druckers leer gewesen, weshalb sie alles von Hand habe schreiben müssen. Sie habe am 04.07.2020 daher eine handschriftliche Berufung mit der Post übersandt, was in jedem Fall noch rechtzeitig gewesen sei. Sie habe die Berufung rechtzeitig eingelegt. Sie hat weiterhin ein handschriftliches Schreiben, datiert auf den 04.07.2020 und gerichtet an die Rechtsanwältin v. B., allerdings ohne Adressierung, vorgelegt, in welchem sie die Anwältin aufgefordert hat, sich endlich um das Verfahren S 15 AS 3860/19 zu kümmern. Beigefügt war ferner ein Notizzettel, überschrieben mit "per Brief an das LSG BW", mit Datumsangabe 04.07.2020 und dem Text: "Hiermit lege ich im Verfahren S 15 AS 3860/19 Berufung ein".
Anschließend hat die Klägerin vorgetragen, ein Landwirt arbeite 16 Stunden am Tag, auch am Wochenende und sie wolle wissen, wann sie denn die Post bearbeiten solle, um die sinnlosen, ausschließlich schikanösen Fristen einzuhalten. Auch die Tatsache, dass sie von allen Rechtsanwälten nicht vertreten worden sei, obwohl diese das zugesichert hätten, weil ihnen allen in Bezug auf den Arbeitsaufwand das Geld nicht gereicht habe, könne von ihr als Einzelperson nicht beeinflusst werden.
Sie hat zuletzt vorgebracht, nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei man nach einer langen Krankschreibung, für die es Gründe gegeben habe, nicht fit und könne nicht im normalen Tempo arbeiten. Sie sei von März bis Juli krankgeschrieben gewesen. Das seien 5 Monate gewesen, eine extrem lange Zeit, in der sie die Post nicht oder kaum habe bearbeiten können. Es sei nicht möglich gewesen, "die über 100 Briefe nach dem Ende meiner Krankschreibung sofort alle (zu) beantworten" wie die Tatsache der Verfristung gezeigt habe, wobei sie die Frist lediglich um 1 Tag verpasst habe. Sie werde zum Arzt gehen, und ihn bitten, "seine zig Krankschreibungen anders zu formulieren, so dass auch Sie es begreifen".
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist unzulässig.
Der Senat ist an einer Entscheidung in der Sache nicht durch "den Befangenheitsantrag gg den 12. Senat des LSOZG BW" der Klägerin vom 01.10.2020 gehindert. Dieses Ablehnungsgesuch, gerichtet gegen sämtliche Berufsrichterinnen und -richter des erkennenden Senats, wird als offensichtlich unzulässig verworfen. Der Senat ist zu einer Entscheidung hierüber in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern befugt, ohne dass es hierzu einer gesonderten Entscheidung bedarf (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 07.09.2016, B 10 SF 2/16 C, juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 60 Rn. 10e).
Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Maßgebend ist dabei, ob vom Standpunkt des betreffenden Beteiligten aus genügend objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Betrachters geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu erregen. In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichtshöfe und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist (BSG, a.a.O.). Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (BSG, a.a.O., m.w.N., auch zum Nachfolgenden). Um ein solches, offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch handelt es sich bei der pauschalen Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers wie vorliegend. Die Klägerin hat alle Berufsrichterinnen und -richter des Senats abgelehnt, ohne irgendwelche konkreten Anhaltspunkte vorzubringen, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung geeignet wären, eine Befangenheit der einzelnen Mitglieder des Spruchkörpers zu begründen. Ihr offensichtlich unzulässiges Befangenheitsgesuch war daher zu verwerfen, wobei der Senat in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern zu einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch befugt war. Der Senat konnte auch ungeachtet des Verlegungsgesuchs der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2020 über die Berufung entscheiden, weil Gründe, die eine Verlegung der mündlichen Verhandlung geboten hätten, von der Klägerin nicht vorgebracht worden und auch sonst nicht ersichtlich sind. Gem. § 202 S. 1 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Dabei sind nach § 227 Abs. 1 S. 2 ZPO erhebliche Gründe insbesondere nicht 1. das Ausbleiben eines Beteiligten oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, sofern nicht das Gericht dafür hält, dass der Beteiligte ohne sein Verschulden am Erscheinen verhindert ist, 2. die mangelnde Vorbereitung eines Beteiligten, wenn nicht der Beteiligte dies genügend entschuldigt sowie 3. das Einvernehmen der Beteiligten allein.
Die Terminsverfügung für die mündliche Verhandlung am 05.10.2020 ist der Klägerin ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 02.09.2020 zugestellt worden. Die Klägerin hatte somit ausreichend Zeit, sich auf diesen Termin vorzubereiten. Soweit die Klägerin vorbringt, sie benötige noch Zeit, sich einen Rechtsanwalt zu suchen, setzt sie sich zum einen zu ihrem Berufungsvorbringen, sie würde von der Rechtsanwältin v. B. vertreten, in Widerspruch. Zum anderen ist die Klägerin bereits mit Verfügung vom 05.08.2020 drauf hingewiesen worden, dass sich bis zum heutigen Tage kein Rechtsanwalt legitimiert hat.
Soweit die Klägerin geltend macht, der Termin sei für sie zu kurzfristig angesetzt, da sie "am 03.10.20 bereits alles packen müsste und am 4.10.20 den ganzen Tag fahren müsste", sie aber "bis und incl dem 05.10. ca 20 Gerichtsverfahren bis dahin zu beantworten" habe und auf keinen Tag verzichten könne, stellt dies gleichfalls keinen erheblichen Grund dar. Die Vielzahl anderer Gerichtsverfahren musste bereits als Begründung dafür herhalten, dass die Berufung verfristet eingelegt worden sei. Es war der Klägerin angesichts der Frist zwischen Zustellung der Ladung und mündlicher Verhandlung von über einem Monat zuzumuten, etwaige Terminsachen im Vorfeld abzuarbeiten, zumal die Fristen, die angeblich zu verstreichen drohten und deren Zahl zwischen 20 und 100 variiert, niemals glaubhaft gemacht worden sind. Ebenso wenig kann der Umstand, dass die mündliche Verhandlung am Sitz des LSG Baden-Württemberg in Stuttgart stattfindet und deshalb mit einer langen Anreise für die Klägerin verbunden ist, eine Terminsverlegung rechtfertigen. Der Senat hat der Klägerin auch rechtzeitig mitgeteilt, dass sowohl die Reisekosten wie auch die Kosten für eine gegebenenfalls erforderliche Übernachtung im Hotel übernommen werden. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb es der Klägerin nicht möglich gewesen sein sollte, innerhalb der hierfür zur Verfügung stehenden Frist von einer Woche zwischen der Mitteilung, dass die Reisekosten übernommen würden, und mündlicher Verhandlung sich Bahntickets zu beschaffen, wobei die Klägerin wohl ohnedies eine Anreise per PKW erwogen hat, und soweit erforderlich, ein Hotelzimmer zu buchen.
Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie ¬– unter anderem – nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt ist. So liegt der Fall hier.
Gemäß §§ 143, 105 Abs. 2 S. 1 SGG findet gegen Gerichtsbescheide der Sozialgerichte die Berufung statt. Diese ist beim LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (§ 151 Abs. 1 SGG). Diese Frist ist hier versäumt.
Nach § 63 Abs. 2 SGG wird von Amts wegen nach den Vorschriften der ZPO zugestellt. Erfolgt die Zustellung wie hier durch die Post, ist die Ausführung der Zustellung gemäß § 176 Abs. 2 ZPO nach den §§ 177 ff. ZPO zu bewirken. Wird die Person, an die zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück gemäß § 178 Abs. 1 ZPO 1. in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner, 2. in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person und 3. in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter zugestellt werden. Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar, kann das Schriftstück gemäß § 180 Satz 1 ZPO in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO).
Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin ausweislich der bei der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde in Übereinstimmung mit diesen Vorgaben – da eine Übergabe des Urteils in der Wohnung nicht möglich war – gemäß § 180 Satz 1 ZPO mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen am 04.06.2020 zugestellt worden. Eine an diesem Tag erfolgte Zustellung hat die Klägerin auch nicht bestritten. Die Zustellung ist auch zu Recht gegenüber der Klägerin selbst bewirkt worden, nachdem sie das hier streitgegenständliche Klageverfahren selbst eingeleitet hat und sich auch im Zuge des nachfolgenden, umfangreichen Schriftverkehrs zwischen der Klägerin und dem SG zu keiner Zeit ein Rechtsanwalt in diesem Verfahren legitimiert hat und die Klägerin erstinstanzlich auch zu keiner Zeit eine anwaltliche oder sonstige Prozessbevollmächtigung behauptet hat. Die Klägerin hat vielmehr erstmalig im Berufungsverfahren eine Bevollmächtigung behauptet.
Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts Anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung. Gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG). Die einmonatige Berufungsfrist hat somit am 05.06.2020 begonnen. Da der 04.07.2020 ein Sonnabend gewesen ist, hat die Frist am Montag, den 06.07.2020 geendet.
Die Berufung der Klägerin ist dagegen erst am 08.07.2020 und damit nach Fristablauf bei Gericht eingegangen. Weder ist zuvor eine Berufung der Klägerin beim LSG Baden-Württemberg oder beim SG eingegangenen, noch eine solche der angeblich mit der Prozessvertretung beauftragten Rechtsanwältin v. B.
Soweit die Klägerin zuletzt behauptet hat, sie habe am 04.07.2020 eine handschriftlich verfasste Berufung auf den Postweg gebracht, erachtet der Senat diesen Vortrag für eine reine Schutzbehauptung. Ein solches Schreiben ist nie beim LSG Baden-Württemberg eingegangen. Die Klägerin setzt sich mit diesem Vorbringen im Widerspruch zu ihrem sämtlichen vorherigen Vorbringen zur Begründung ihres Fristversäumnisses. So hat die Klägerin im Zuge ihrer Berufungseinlegung am 08.07.2020 wortreich erklärt, dass sie an einer früheren Berufungseinlegung aufgrund von Erkrankungen gehindert gewesen sei, zu deren Nachweis sie eine Reihe von Arbeitslosigkeitsbescheinigungen beigefügt hat, und dass sie auch von einer Berufungseinlegung durch ihre Rechtsanwältin v. B. ausgegangen sei. Wörtlich hat sie in dem mit 08.07.2020 datierten Schreiben ausgeführt: "Hiermit lege ich Berufung ein". In dem dem Berufungsschreiben beigefügten gesonderten Schriftsatz hat sie dann neuerlich ausgeführt, dass sie wegen Krankheit bisher nicht Berufung einlegen konnte: "Das habe ich eben getan". Sie gehe im Übrigen davon aus, dass die Berufung fristgerecht sei. In einer ersten Reaktion auf den richterlichen Hinweis auf eine möglicherweise verfristete Berufung hat die Klägerin im Ergebnis geltend gemacht, es sei Sache der Rechtsanwältin v. B. gewesen, fristgerecht Berufung einzulegen. Erst auf den neuerlichen richterlichen Hinweis hin, es habe sich auch weiterhin keine Rechtsanwältin für die Klägerin legitimiert und man gehe auch weiterhin von einer Verfristung aus, hat die Klägerin nun unter Verweis auf die Kopie (?) eines handschriftlich beschriebenen, nicht adressierten und beim LSG Baden-Württemberg oder dem SG niemals eingegangenen Notizzettel, angeblich am 04.07.2020 verfasst und auf den Postweg gebracht, behauptet, fristgerecht Berufung erhoben zu haben. Mit ihrer zuletzt abgegebenen Stellungnahme hat die Klägerin dagegen (neuerlich) eingeräumt, die Berufung nicht fristgerecht erhoben zu haben und letztlich eine Wiedereinsetzung beantragt.
Nach alledem ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin erstmalig mit Schreiben vom 08.07.2020 Berufung eingelegt hat und die behauptete Berufungseinlegung mit Schreiben vom 04.07.2020 schlichtweg gelogen ist.
Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten (§ 67 SGG), liegen nicht vor. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Die Fristversäumnis ist der Klägerin aber vorzuwerfen.
Die von der Klägerin behauptete anwaltliche Vertretung hat weder in 1. noch in 2. Instanz stattgefunden. Insbesondere war wie bereits ausgeführt im Wiederaufnahmeverfahren vor dem SG, welches die Klägerin selbst durch Schriftsatz vom 05.09.2019 eingeleitet hat, zu keiner Zeit eine Rechtsanwältin involviert. Die Klägerin selbst hat eingeräumt, zwischen ihr und der Rechtsanwältin v. B. sei es bereits zuvor zu einem Zerwürfnis gekommen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens eine Reihe von Schriftsätzen vorgelegt, in welchen die angeblich mit der Vertretung beauftragte Rechtsanwältin in weiteren sozialgerichtlichen Verfahren der Kläger mitgeteilt hat, diese nicht mehr zu vertreten, was dieses Zerwürfnis, zumindest aber den Unwillen der Rechtsanwältin, die Klägerin weiterhin zu vertreten, dokumentiert. Obgleich die Klägerin ihre Schriftsätze an den Senat regelmäßig auch nachrichtlich an die Rechtsanwältin v. B. gerichtet hat, hat sich diese dementsprechend bis heute nicht im streitgegenständlichen Verfahren legitimiert. Es kann dahingestellt bleiben, ob die angebliche Prozessbevollmächtigung eine weitere Schutzbehauptung der Klägerin ist, die, wie bereits dargelegt, einen bemerkenswert ambivalenten Umgang mit der Wahrheit demonstriert, oder ob die durchaus prozesserfahrene Klägerin angesichts der Vielzahl an Verfahren vor dem SG sowie einer Reihe weiterer sozialgerichtlicher Verfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg den Überblick verloren hat. Denn auch letzterer Fall vermag keine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, da auch in diesem Falle das Versäumnis der Berufungsfrist nicht ohne Verschulden der Klägerin eingetreten ist.
Soweit die Klägerin darüber hinaus ihre durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegte Erkrankung zur Begründung der Versäumung der Berufungsfrist anführt, vermag auch dies keine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen. Denn Krankheitszeiten sind nur bis einschließlich 22.06.2020 belegt; daneben wurde der Klägerin weiterhin "Reiseunfähigkeit" für den 01.07.2020 bescheinigt. Selbst wenn die Klägerin infolge der Arbeitsunfähigkeit außerstande gewesen sein sollte, handschriftlich und unter Gebrauch des ihr zur Verfügung stehenden Faxgerätes, wie dann ja am 08.07.2020 geschehen, Berufung einzulegen, hätten ihr zumindest noch 3 volle Tage zu einer fristgerechten Berufungseinlegung zur Verfügung gestanden. Da es hierzu keinerlei Begründung bedurft hätte, ist auch in Ansehung der von der Klägerin behaupteten Vielzahl an anderen Terminsachen nicht ersichtlich, weshalb ihr das unmöglich gewesen sein soll, weshalb das Fristversäumnis auch unter diesem Gesichtspunkt nicht ohne Verschulden erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
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