L 7 AS 1634/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 32 AS 5309/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1634/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 28.08.2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte Kinderbetreuungskosten zu übernehmen hat.

Die Kläger zu 1) und 2) bezogen 2014 in Bedarfsgemeinschaft mit dem 2005 geborenen Kläger zu 3), dem 2007 geborenen Kläger zu 4), der 2008 geborenen Klägerin zu 5), dem 2009 geborenen Kläger zu 6), dem 2011 geborenen Kläger zu 7), der 2012 geborenen Klägerin zu 8) und der 2013 geborenen Klägerin zu 9) vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit Bescheid vom 28.04.2014 bewilligte der Beklagte Leistungen vom 01.05.2014 bis zum 31.10.2014. Änderungsbescheide ergingen am 19.05.2014, 03.06.2014, 11.07.2014 und 19.08.2014, die geringfügige Änderungen des Leistungsanspruchs zum Gegenstand hatten. Am 22.05.2014 beantragten die Kläger beim Beklagten eine Zusicherung zur Kostenübernahme für einen Umzug aus ihrer bisherigen Wohnung H-Str. 3 in die H-Str. 2 in M und am 19.06.2014 darüber hinaus die Übernahme von Kosten für die Kinderbetreuung während ihres für den 03.07.2014 geplanten Umzuges. Die Kläger zu 1) und 2) müssten beim Umzug zugegen sein und könnten sich nicht um die Kläger zu 3) bis 9) kümmern, die nicht über Betreuungsplätze verfügten. Die Betreuung der Kläger zu 3) und 4) müsse an den Umzugstagen für die Zeit nach der Schule stattfinden, die Betreuung der Kläger zu 5) bis 9) von 7 bis 15 Uhr. Mit Schreiben vom 30.06.2014 stellten die Kläger klar, einen Anspruch auf Kinderbetreuungskosten auch über den Zeitraum des Umzuges hinaus geltend zu machen. Soweit die Stadt M keine Betreuung anbiete, würden Kosten für die Ersatzbeschaffung gemäß § 16 a SGB II geltend gemacht, "um dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen". Wenn der Beklagte der Auffassung sei, die Kosten seien durch die Stadt M zu übernehmen, werde um Weiterleitung des Antrages gebeten. Ab dem 01.07.2014 werde die Betreuung durch einen "qualifizierten Babysitter" wahrgenommen. Die Kosten betrügen 9 EUR pro Stunde je Kind. Anträge für die Betreuung der Kinder im Rahmen der frühkindlichen Förderung seien gestellt, die Klägerin zu 5) habe ab dem 01.08.2014 einen Kita-Platz.

Die Kläger zogen am 03.07.2014 und 04.07.2014 von der Wohnung H-Str. 3 in M in die Wohnung H-Str. 2 in M. Gemäß einem Aktenvermerk vom 21.07.2014, der auf Angaben eines Mitarbeiters des von den Klägern betrauten Umzugsunternehmen beruht, waren die Kläger zu 1) und 2) während des Umzugs nicht anwesend, sondern gingen spazieren. Mit Schreiben vom 09.07.2014 beantragten die Kläger durch das Sozialberatungszentrum M beim Beklagten über die bereits geltend gemachte Übernahme der Betreuungskosten an den Umzugstagen hinaus die generelle Übernahme von Kinderbetreuungskosten für die Kläger zu 5) bis 9) bis zur Zuweisung eines Betreuungsplatzes. Unabhängig von einem Anspruch nach dem SGB VIII bestehe dieser auch als Mehrbedarf nach dem SGB II. Die Kostenübernahme wurde auch bei der Stadt M beantragt, der Beklagte werde aber vorrangig in der Leistungspflicht gesehen. Mit Schreiben ebenfalls vom 09.07.2014 beantragten die Kläger bei der Stadt M die Übernahme von Betreuungskosten bis zur Zuweisung eines Betreuungsplatzes.

Mit Bescheid vom 11.07.2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Bewilligung eines Mehrbedarfs für die Kinderbetreuung ab. Er habe bei seiner Entscheidung auch die Bescheide vom 19.05.2014 und 03.06.2014 überprüft. Der Mehrbedarf sei nicht anzuerkennen, weil es sich bei der Betreuung von Kindern nicht um eine atypische Lebenslage handele.

Am 19.08.2014 erhoben die Kläger, vertreten durch das Sozialberatungszentrum M, Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.07.2014. Sie nahmen weiterhin Bezug auf § 21 Abs. 6 SGB II.

Die Stadt M lehnte den Antrag auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten mit Bescheid vom 21.08.2014 ab. Bei der von den Klägern in Anspruch genommenen Betreuung durch die Firma "N" handele es sich nicht um eine frühkindliche Förderung nach § 24 Abs. 2 SGB VIII in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege oder um eine Förderung in einer Tageseinrichtung auf der Grundlage von § 24 Abs. 3 SGB VIII, denn diese verfüge nicht über eine dementsprechende Erlaubnis. Ein Anspruch auf einen Betreuungsplatz sei indes noch nicht gegeben, weil er gemäß § 4 Satz 2 des Sächsischen Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen erst nach Ablauf von sechs Monaten nach der Anmeldung des Betreuungsbedarfs entstehe.

Am 29.08.2014 zogen die Kläger nach I. Der Beklagte hatte die Bewilligung der Leistungen für die Kläger bereits mit Bescheid vom 05.08.2014 zum 01.09.2014 aufgehoben.

Am 22.09.2014 erhoben die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid der Stadt M vom 21.08.2014. Eine mögliche Arbeitsaufnahme müsse zumindest durch Leistungen nach § 16 a SGB II unterstützt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2014 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.07.2014 zurück. Sowohl die Bewilligung von Leistungen für die Kinderbetreuung bis zum Erhalt eines Betreuungsplatzes als auch für die Kinderbetreuung während des Umzugs schieden aus. Ein atypischer Bedarf iSd § 21 Abs. 6 SGB II liege nicht vor. Die Betreuung auch mehrerer Kinder sei Aufgabe der Eltern und nicht mit den anderen von der Norm erfassten Ausnahmekonstellationen vergleichbar. Soweit es um Kosten für die Kinderbetreuung während des Umzugs gehe, liege kein wiederkehrender Bedarf vor, denn der Umzug sei an zwei Tagen bewältigt worden. Die Kinderbetreuungskosten stellten auch keinen unabweisbaren Bedarf nach § 24 Abs. 1 SGB II dar. Für einen Anspruch nach § 16 a SGB II fehle es an einem entsprechenden Vortrag. Der Bescheid ist am 13.12.2014 gegen Empfangsbekenntnis an das Sozialberatungszentrum M abgesandt worden, ein Empfangsbekenntnis liegt jedoch nicht vor. Auch eine Erinnerung des Beklagten an die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses ist nicht ersichtlich.

Am 17.12.2014 haben die Kläger beim Sozialgericht Dortmund Klage gegen den Bescheid vom 11.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2014 erhoben. Sie haben vorgetragen, es seien Kosten iHv mindestens 999 EUR bei der Firma "N" angefallen. Die Klage werde aber nicht hierauf beschränkt. Die Nachvollziehung weiterer Kosten sei schwierig, weil ihre Wohnung in I kürzlich ausgebrannt sei. Die von den Klägern beigefügten Rechnungen der Firma "N" weisen für den 01.07.2014 jeweils drei Betreuungsstunden für die Kläger zu 6) bis 8) sowie für den 03.07.2014 und 04.07.2014 jeweils sieben Betreuungsstunden für die Kläger zu 6) bis 8) aus. Weiter werden für den 08.07.2014 für die Kläger zu 6) bis 8) sechs Betreuungsstunden und für den 09.07.2014 und 17.07.2014 jeweils sieben Betreuungsstunden ausgewiesen. Der Stundensatz beläuft sich jeweils auf 9 EUR.

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid vom 11.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2014 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II als Mehrbedarf für Kinderbetreuung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Stadt M hat den Widerspruch der Kläger vom 22.09.2014 gegen den Bescheid vom 21.08.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2015 zurückgewiesen. Im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch nach § 16 a SGB II sei eine Kopie des Widerspruchs an den Beklagten weitergeleitet worden.

Die Kläger haben am 16.02.2015 beim Verwaltungsgericht M Klage gegen den Bescheid der Stadt M vom 21.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2015 erhoben. Der Anspruch ergebe sich aus § 36 a Abs. 3 SGB VIII (Selbstbeschaffung), jedenfalls aber aus § 16 a SGB II. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht M am 05.08.2016 haben die Kläger die Abtrennung ihres Antrags nach § 16 a SGB II und die Verweisung der Klage an das Sozialgericht beantragt. Mit Urteil vom 05.08.2016 hat das Verwaltungsgericht die Anträge auf Abtrennung und Verweisung abgelehnt und die Klage abgewiesen. Aus § 36 a SGB VIII ergebe sich kein Anspruch. Im Hinblick auf einen möglichen Antrag nach § 16 a SGB II fehle es an einem behördlichen Vorverfahren, denn die Stadt M habe die Kostenübernahme lediglich auf der Grundlage von § 36 a SGB VIII geprüft. Nach erfolgreichem Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat das Sächsische OVG den dortigen Rechtsstreit mit Beschluss vom 14.02.2018 an das SG Dortmund verwiesen. Mit Beschluss vom 11.05.2018 hat das SG Dortmund den Rechtsstreit an das LSG Nordrhein-Westfalen verwiesen (Aktenzeichen: L 19 AS 756/18).

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28.08.2018 abgewiesen. Das Begehren der Kläger sei auf Überprüfung der Bewilligungsbescheide für die Monate Mai 2014 bis August 2014 bzw Oktober 2014 gerichtet gewesen. Die Übernahme von Kinderbetreuungskosten scheitere schon am Vorrang von § 10 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII. Im Hinblick auf einen möglichen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II seien die Ausführungen des Widerspruchsbescheides zutreffend. Bei den Kinderbetreuungskosten handele es sich auch nicht um umzugsspezifische Kosten iSd § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II.

Am 05.10.2018 haben die Kläger gegen den ihnen am 05.09.2018 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 28.08.2018 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2014 zu verpflichten, die Bescheide vom 28.04.2014, 19.05.2014, 03.06.2014, 11.07.2014 und 19.08.2014 zu ändern und ihnen Leistungen für die Inanspruchnahme von Kinderbetreuung zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist maßgeblich auf den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.

Im Verfahren L 19 AS 756/18 hat die Stadt M, der der Beklagte die in § 16 a SGB II aufgeführten kommunalen Leistungen mit Beschluss vom 28.01.2011 zum 01.01.2011 übertragen hat, sich am 14.01.2019 dazu verpflichtet, über den im Widerspruchsschreiben vom 22.09.2014 gestellten Antrag der Kläger auf Übernahme der Kosten für Kinderbetreuung für die Zeit vom 01.07.2014 bis zum 28.08.2014 nach § 16 a SGB II innerhalb von drei Monaten zu entscheiden. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 11.04.2019 hat die Stadt M den Antrag abgelehnt. Der Beklagte vertritt im hiesigen Berufungsverfahren die Auffassung, auch dieses Verfahren habe sich durch den Vergleichsschluss im Berufungsverfahren L 19 AS 756/18 erledigt.

Der Senat hat dem Sozialberatungszentrum M unter der aktenkundigen Adresse aufgegeben, mitzuteilen, wann der Widerspruchsbescheid vom 13.11.2014 zugegangen ist, und gegebenenfalls das entsprechende Empfangsbekenntnis zu übersenden. Es ist dem Senat nicht möglich gewesen, das Schreiben an das Sozialberatungszentrum M unter der aktenkundigen Adresse zuzustellen oder eine Nachfolgeadresse zu ermitteln. Der Beklagte hat mitgeteilt, ihm seien weder die aktuelle Adresse noch eine Rechtsnachfolge bekannt. Auch der Klägerbevollmächtigte hat sich weder zu der ursprünglichen Anfrage des Senats noch zu seiner Kenntnis über eine Rechtsnachfolge bzw. die aktuelle Anschrift des Sozialberatungszentrums M geäußert.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Streitgegenstand des Verfahrens ist bei sachgerechter Auslegung des klägerischen Begehrens allein die Bewilligung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 6 SGB II für die von ihnen in Anspruch genommene Kinderbetreuung bzw. die Übernahme entsprechender Kosten als Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II, nicht jedoch die Übernahme von aufgrund der im streitgegenständlichen Zeitraum fehlenden konkreten Aussicht einer Eingliederung der Kläger zu 1) und 2) in Arbeit ohnehin nicht in Betracht kommenden Eingliederungsleistungen gemäß § 16 a SGB II. Aus der vergleichsweisen Regelung im Verfahren L 19 AS 756/18, die eine Entscheidung der Stadt M über Leistungen für Kinderbetreuung auf der Grundlage von § 16 a SGB II für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 28.08.2014 (Umzug nach I) vorsieht und damit den auch im hiesigen Verfahren streitigen Gesamtzeitraum regelt, ergibt sich, dass die Beteiligten übereinstimmend von einer Zuständigkeit der Stadt M für die Bescheidung eines Anspruchs nach § 16 a SGB II ausgegangen sind und das entsprechende Begehren von den Klägern nicht in einem Verfahren gegen einen anderen Träger weiterverfolgt werden sollte. Diese Einigung steht materiell-rechtlich im Einklang mit der Übertragung der Aufgaben gemäß § 16 a SGB II auf die Stadt M durch den Beklagten ab dem 01.01.2011. Ein möglicher Anspruch auf Kinderbetreuungskosten nach § 16 a SGB II und ein möglicher Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II stellen auch keinen identischen Streitgegenstand dar und sind voneinander abtrennbar, denn anders als Mehrbedarfe nach § 21 SGB II sind Eingliederungsleistungen nicht vom allgemeinen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erfasst (vgl. zu beidem Silbermann in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 37 Rn. 37) und damit in einem gesonderten Verfahren zu beantragen und zu bescheiden.

Aufgrund der maßgeblichen Ausrichtung des Verfahrens auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II hat das Sozialgericht zutreffend einen Antrag der Kläger gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf teilweise Rücknahme der für die Zeit vom 01.05.2014 bis zum 31.10.2014 ergangenen Bewilligungsbescheide angenommen, denn Mehrbedarfe sind Gegenstand des regulären (Weiter-) Bewilligungsantrags und der regulären Bewilligungsbescheide (vgl. hierzu BSG Urteile vom 05.08.2015 - B 4 AS 9/15 R und vom 06.04.2010 - B 4 AS 3/10 R). Die Bezugnahme des Beklagten auf die laufenden Bewilligungsbescheide im Bescheid vom 11.09.2014 zeigt, dass der Beklagte das Begehren der Kläger auch als Antrag gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfasst und hierüber entschieden hat. In zeitlicher Hinsicht ist das Begehren der Kläger aufgrund ihres Umzugs nach I am 29.08.2014 und der Aufhebung der laufenden Bewilligung durch den Beklagten zum 01.09.2014 auf die Monate Mai 2014 bis August 2014 begrenzt.

Die Klage ist nicht wegen Verfristung unzulässig. Zwar wäre die Klage bei Anwendung der Vorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt, außerhalb der Klagefrist des § 87 Satz 1 SGG erhoben, denn bei Annahme einer Aufgabe des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2014 am selben Tag wäre die Klagefrist am 16.12.2014 abgelaufen, so dass die Klageerhebung am 17.12.2014 verspätet wäre. Bedient sich eine Behörde einer bestimmten Zustellungsart - wie z.B. hier einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 5 VwZG - ist ein Rückgriff auf die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht möglich, wenn die Zustellung scheitert oder nicht mehr nachvollzogen werden kann. Dies ist hier der Fall, denn das Zustellungsdatum des ausweislich eines Vermerks gegen Empfangsbekenntnis versandten Widerspruchsbescheides vom 13.12.2014 ist nicht feststellbar, weil das Empfangsbekenntnis nicht in der Verwaltungsakte des Beklagten auffindbar ist und sein Verbleib auch durch weitere Ermittlungen des Senats nicht nachvollzogen werden konnte. Bei einem Rückgriff auf die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II im Fall einer gescheiterten oder nicht nachvollziehbaren Zustellung durch Empfangsbekenntnis würden die spezifischen Voraussetzungen der besonderen Zustellungsart unterlaufen, für die die Behörde sich bewusst entschieden hat. So gilt bei einer Zustellung durch Empfangsbekenntnis ein Dokument erst dann als zugestellt, wenn es in die Hände des zeichnungsberechtigten Bediensteten gelangt und dieser den Empfang mit Datum und Unterschrift bestätigt, es also als zugestellt annimmt (Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 5 VwZG Rn.112). Die willentliche Annahme des Dokuments ist mithin Voraussetzung für die Zustellung und ihr maßgeblicher Zeitpunkt, auch wenn es hierbei zu Verzögerungen gekommen ist (Sadler, VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 5 VwZG Rn.112). Kann das Datum der Zustellung durch Verlust des Empfangsbekenntnisses nicht mehr festgestellt werden, geht dies zu Lasten der Behörde, wenn der Verlust bzw. die fehlende Rücksendung nicht in die Sphäre des Empfängers fallen. Anhaltspunkte dafür gibt es hier aber nicht, insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Beklagte die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses angemahnt oder eine weitere Zustellung versucht hat.

Die auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet.

Ein Anspruch der Kläger auf die Übernahme von Kinderbetreuungskosten folgt nicht aus § 21 Abs. 6 SGB II. Die Kläger zu 3) bis 9) sind unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt Inhaber eines entsprechenden Anspruchs, denn § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II knüpft an das erhebliche Abweichen von einem durchschnittlichen Bedarf an, das hier allenfalls in der Sondersituation der Kläger zu 1) und 2) gesehen werden kann. Auch die Kläger zu 1) und 2) haben keinen Anspruch auf die Übernahme von Kinderbetreuungskosten gemäß § 21 Abs. 6 SGB II. Der in § 10 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII statuierte Vorrang des SGB VIII vor dem SGB II, von dem gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII nur § 3 Abs. 2 SGB II, die §§ 14 bis 16g SGB II, § 19 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 28 Abs. 6 SGB II und Leistungen nach § 6b Abs. 2 BKGG in Verbindung mit § 28 Abs. 6 SGB II, nicht jedoch § 21 Abs. 6 SGB II ausgenommen sind, spricht dafür, dass ein entsprechender Anspruch aufgrund eines Vorrangs der Vorschriften des Jugendhilferechts schon dem Grunde nach ausscheidet. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, denn hier liegt keine für einen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II erforderliche Härtefallkonstellation in der Gestalt eines in Sondersituationen auftretenden Bedarfs nicht erfasster Art oder atypischen Ursprungs oder eines höheren, überdurchschnittlichen Bedarfs, der nicht von der statistischen Durchschnittsbetrachtung umfasst wird, vor (vgl. zu den Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 SGB II BSG Urteil vom 08.05.2019 - B 14 AS 6/18 R). Die Betreuung von Kindern wird regelhaft von den Eltern wahrgenommen, die hierzu rechtlich verpflichtet sind (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine atypische Sondersituation, die die Annahme eines Bedarfs iSd § 21 Abs. 6 SGB II ermöglicht, ergibt sich nicht allein daraus, dass die Kläger zu 1) und 2) eine besonders große Anzahl von Kindern zu betreuen hatten, denn sie waren nicht durch außerhäusliche Pflichten - insbesondere eine Erwerbstätigkeit - gebunden und konnten die Erziehungsaufgaben zu zweit wahrnehmen.

Eine - allenfalls für die Umzugstage einschlägige - Übernahme der Kinderbetreuungskosten als Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Kläger den Umzug mit der Hilfe eines Umzugsunternehmens durchgeführt haben und während des Umzugs nicht anwesend waren, sondern spazierengegangen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision iSv § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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