L 11 KA 6/20 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 178/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 6/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10. Januar 2019 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe:

I.

Die Antragsgegner zu 1) bis 3) wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf, mit welchem dieses den Rechtsweg zu den Sozialgerichten als zulässig angesehen hat.

Im zugrunde liegenden Eilverfahren begehrt die Antragstellerin, den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Kennzeichnung "MVZ" in verschiedenen näher bezeichneten Gestaltungen zu benutzen bzw. benutzen zu lassen (Anträge zu 1. bis 3.), mit einem im Einzelnen beschriebenen Organigramm und der Darstellung von MVZ-Strukturen trotz fehlender Zulassung bzw. Zulassungsfähigkeit der darin aufgeführten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zu werben und schließlich näher bezeichnete MVZ zu gründen, zu führen bzw. zu leiten (Anträge zu 5. und 6.).

Der Anspruch auf Unterlassung ergebe sich - so die Antragstellerin - aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). In ihrem Internetauftritt www.mvzd.com erweckten die Antragsgegner den unzutreffenden Eindruck, bei der Antragsgegnerin zu 1) handele es sich um ein MVZ im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), obwohl sie weder über eine entsprechende Zulassung verfüge noch eine solche beantragt habe. Damit täusche sie sowohl Vertragsärzte, bei denen sie um die Übernahme ihrer Praxen werbe, als auch Patienten über ihre Fähigkeit, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen. Soweit die Antragsgegner dabei angäben, das "MVZ B GmbH" gründen und u.a. durch dieses andere MVZ gründen, führen und leiten zu wollen, sei dies gleichfalls irreführend, weil die Anforderungen des § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht erfüllt sei, wonach MVZ unter ärztlicher Leitung stehen müssten. Überdies seien die Voraussetzungen nicht gegeben, unter denen nach § 95 Abs. 1a SGB V ein MVZ gegründet werden könne. Die Antragstellerin hält den Sozialgerichtsweg gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für eröffnet.

Die Antragsgegner rügen den beschrittenen Rechtsweg zu den Sozialgerichten und beantragen, im Wege der Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) den Rechtsstreit an das zuständige Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verweisen. Schwerpunkt des geltend gemachten Anspruchs sei eine behauptete wettbewerbsrechtliche Irreführung, sodass keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege. Da der Anspruch ausschließlich auf Normen gestützt werde, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliege, handele es sich auch nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Das SG hat den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für zulässig erachtet (Beschluss vom 10. Januar 2019). Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Die Antragsgegner haben gegen den ihnen am 15. Januar 2019 zugestellten Beschluss am 13. Februar 2019 Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerin fingiere eine sozialgerichtliche Streitigkeit, indem sie behaupte, die Antragsgegnerin zu 1) erfülle nicht die Voraussetzungen des § 95 SGB V. Dieser Vortrag sei jedoch im Streitfall nicht maßgeblich, denn die Antragsgegnerin zu 1) sei zum einen ausschließlich eine 100%ige Trägergesellschaft von MVZ und zum anderen berechtigt, ein solches selbst zu gründen. Dies werde durch Beschlüsse des Zulassungsausschusses Ärzte Chemnitz bestätigt. Kern des vorliegenden Rechtsstreits bildeten demgegenüber allein wettbewerbsrechtliche Ansprüche.

Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen. Da es um die Untersagung des Gebrauchs der Bezeichnung "MVZ" gehe, für welche die Voraussetzungen bei der Antragsgegnerin zu 1) nicht vorlägen, gehe es um eine im Schwerpunkt sozialgerichtliche Streitigkeit. Aus Sicht der Antragstellerin seien gerade die Gründung und der Betrieb mehrerer MVZ durch eine Trägergesellschaft unzulässig. Es sei ihre Aufgabe, gemäß § 75 Abs. 1 SGB V die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspreche. Das Werben für ein Konstrukt, das nach ihrer Rechtsansicht nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche, sowie die Darstellung im Internet, dieses Konstrukt sei bereits genehmigt, gefährde den gesetzlichen Gewährleistungsauftrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Düsseldorf vom 10. Januar 2019, in welchem der gewählte Rechtsweg für zulässig erklärt worden ist, ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft. Da das SGG die in § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG genannte sofortige Beschwerde nicht kennt, tritt an deren Stelle die Beschwerde nach § 172 SGG (Senat, Beschluss vom 26. September 2018, L 11 KA 15/18 B m.w.N., juris). Sie ist von den Antragsgegnern form- und fristgerecht eingelegt worden.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für die von der Antragstellerin geltend gemachten Unterlassungsansprüche ergibt sich jedenfalls aus § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG.

a) Die Zulässigkeit des Rechtswegs richtet sich nach dem Streitgegenstand. Dieser wird durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, d.h. durch den Klageantrag und den Klagegrund im Sinne eines bestimmten Lebenssachverhaltes festgelegt. Da Streitigkeiten unabhängig davon, ob sie zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind, nach § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG immer schon dann - umfassend und auch dann wenn von ihnen Dritte betroffen sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. März 2011 - B 6 KA 11/10 R - BSGE 108, 35 ff. - juris-Rn. 17; BSG, Urteil vom 11. September 2019 - B 6 KA 2/18 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 38 - Rn 20) - den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen sind, wenn sie "Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung" betreffen, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge wesentlich von Bestimmungen des Zivilrechtswegs oder des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung im SGB V geprägt wird. Dabei kann im Einzelfall auch ein enger sachlicher Zusammenhang mit der Tätigkeit einer Krankenkasse oder - wie im vorliegenden Fall - einer KV ausreichen (vgl. zum Vorstehenden BSG, Beschluss vom 21. Juli 2016 - B 3 SF 1/16 R - SozR 4-1500 § 51 Nr. 16 - juris-Rn. 8 m.w.N.). Ist Gegenstand des Rechtsstreits ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch, kommt danach eine Rechtswegzuständigkeit für die Zivilgerichtsbarkeit nur dann in Betracht, wenn der geltend gemachte Verstoß nicht auf einem durch das SGB V gesondert geregelten Rechtsverhältnis, sondern ausschließlich auf der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Normen beruht, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliegt (BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 - B 1 KR 16/18 R - BSGE 128, 300 ff. - juris-Rn. 9; BGH, Beschluss vom 9. November 2006 - I ZB 28/06 - NJW 2007, 1819 - juris-Rn. 13; jeweils m.w.N.) Sobald der Sozialgerichtsweg auf dieser Grundlage auch nur für einen Teil des Streitgegenstands eröffnet ist, kommt eine Teilverweisung an ein Zivilgericht nicht in Betracht, weil das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet (BSG, Beschluss vom 30. Juli 2014 - B 14 AS 8/14 B - juris).

b) Im vorliegenden Fall stützt die Antragstellerin ihren wettbewerbsrechtlichen Anspruch maßgeblich auf einen Sachverhalt, der durch Normen des SGB V geregelt wird, die sich spezifisch an Leistungserbringer nach diesem Gesetz bzw. deren Rechtsträger richten. Insoweit ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Antragsgegnerin zu 1) für sich in Anspruch nimmt, eine Trägergesellschaft von MVZ zu sein und ein solches gründen zu können. Insoweit ist sie Normadressatin des § 95 Abs. 1a SGB V als einer speziellen Bestimmung des SGB V. Ebenfalls unstreitig ist, dass die Antragsgegnerin zu 1) ihrem Webauftritt zufolge mit der Übernahme von Praxen "durch die eG" wirbt und dabei z.B. Möglichkeiten des Einbringens von Vertragsarztsitzen in bzw. der Nachfolgebesetzung durch ein MVZ beschreibt, wie sie in den Vorschriften des § 103 Abs. 4a bzw. 4c SGB V und damit wiederum in spezifischen Normen des SGB V geregelt sind. Die Wahrnehmung dieser Möglichkeiten setzt wiederum jedoch das Vorhandensein eines zugelassenen MVZ voraus, das die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V erfüllt. Dass die Antragsgegnerin zu 1) - ungeachtet ihrer Firmierung - selbst ein MVZ ist und dass sie in der Lage ist, ein solches - ggf. unter Einschaltung einer Zwischengesellschaft - wirksam und zulassungsfähig zu gründen, wird von der Antragstellerin indessen gerade in Abrede gestellt. Die Frage, ob eine "Irreführung" im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG vorliegt, beurteilt sich mithin maßgeblich nach Vorschriften des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts.

Es kommt hinzu, dass die Antragstellerin ihre Antragsbefugnis aus ihrem in § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelten Sicherstellungsauftrag ableitet, der sie verpflichtet, die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung eines Streitwertes war nicht erforderlich, da für die Zurückweisung einer sonstigen Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - durch Nr. 7504 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz eine Festgebühr vorgesehen ist.

Der Beschluss ist nicht mit der weiteren Beschwerde anfechtbar, weil es sich um einen Zwischenstreit im einstweiligen Rechtsschutz handelt (BSG, Beschluss vom 6. März 2019 - B 3 SF 1/18 R - SozR 4-1750 § 17a Nr. 15 - juris-Rn. 13 ff. m.w.N.).
Rechtskraft
Aus
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