S 14 KR 249/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 249/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 BA 4/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen.

Die Beigeladene stellte am 3.7.2000 einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Beklagten (Bl. 1 VA). In dem Antrag wurde angegeben, dass sie Kuriersendungen von Kunden zu den angegebenen Adressen befördere. Die Tätigkeit werde seit September 1994 ausgeübt (Bl. 1 VA). Sie sei nicht für mehrere Auftraggeber tätig. Es würden keine Weisungen hinsichtlich der Ausführung ihrer Tätigkeit erteilt werden. (Bl. 2 VA).

Die Klägerin und die Beigeladene schlossen folgenden Vertrag, in welchem die Klägerin als A. und die Beigeladene als Unternehmer bezeichnet wird:

1. Die A. unterhält eine Vermittlungszentrale. Der Unternehmer erhält über die Funkzentrale Aufträge zur Durchführung von Transportdienstleistungen gegen Kreditscheine. Verwendung finden ausschließlich die von der A. verwendeten Vordrucke für das Kreditverfahren.
2. Der Unternehmer erhält von der A. ein Funkgerät für die Dauer der Tätigkeit für die A. Zur Sicherstellung, dass zum gewünschten Zeitpunkt ein Funkgerät für den Unternehmer zur Verfügung steht, hat dieser sich in die Anwesenheitsliste für Zweiradkuriere einzutragen. Diese Liste wird wöchentlich erstellt und liegt im Stadtbüro aus. Der Unternehmer verpflichtet sich das Funkgerät sorgfältig zu behandeln. Der Unternehmer haftet für alle an und durch die Funkanlage entstandenen Schäden während seines Besitzes, die er vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Die A. behält den Anspruch auf Zahlung der Vermittlungsgebühr gem. 7. auch dann, wenn aufgrund des Verschuldens des Unternehmers die Funkanlage nicht benutzbar ist. Im Übrigen sind die Bestimmungen der Deutschen Bundespost Bestandteil dieses Vertrages.
3. Die A. hat für die Funkanlage eine Schwachstromversicherung abgeschlossen Die Versicherung beinhaltet Schutz bei Diebstahl- und Elementarschäden. Lehnt die Versicherung eine Schadensregulierung ab, haftet der Unternehmer für alle entstandenen Schäden. Die Kosten für die Schwachstromversicherung trägt die A. Bei einem Elementar- oder Diebstahlschaden hat der Unternehmer unverzüglich die Polizei und die A. zu unterrichten.
4. Der Unternehmer verpflichtet sich, am 15. und an jedem Monatsletzten alle bis dahin ordnungsgemäß unterschriebenen Kreditscheine der A. gegenüber abzurechnen und zu übergeben. Der Unternehmer bekommt den erzielten Umsatz der Kreditscheine von der A. gutgeschrieben.
5. Am 15. und am 30. des laufenden Monats erhält der Unternehmer jeweils 50%, den, nach Abzug sämtlicher Forderungen der A. an den Unternehmer, verbleibenden Betrag des Vormonats per Verrechnungsscheck. Fällt der 15. bzw. 30. des laufenden Monats auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzt. Feiertag, gilt der darauffolgende Werktag als vereinbart. Erreicht der Unternehmer gegenüber der A. ein Negativsaldo, so ist der Unternehmer innerhalb von 3 Werktagen zum Ausgleich der A. gegenüber verpflichtet. Die A. ist ausschließlich Vermittler und übernimmt keine Haftung für abgeschlossene Fahraufträge. Die A. kann die Vermittlung von Fahraufträgen nicht garantieren. Für den Fall, dass die A. Aufträge wegen technischer Störung der Zentrale oder durch technische Störung des Netzbetreibers nicht vermitteln kann, entfällt jede Haftung von der A. Für den Fall, daß die A. aus eigenem Verschulden Aufträge nicht vermitteln kann, entfällt die Verpflichtung des Unternehmers, für diesen Zeitraum Vermittlungsgebühr zu zahlen. Eine weitergehende Haftung der A. ist ausgeschlossen. Soweit Schadensersatzansprüche von der A. gegenüber Dritten bestehen, tritt die A. diese Schadenersatzansprüche auf Verlangen an den Unternehmer ab und unterstützt ihn auch sonst bei der Durchsetzung.
7. Der Unternehmer zahlt der A. monatlich, spätestens am 30. des laufenden Monats, jeweils im Voraus eine Vermittlungsgebühr in Höhe von DM 100,- zuzügl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Außerdem behält die A. eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 15% des Gesamtumsatzes des Unternehmers ein.
8. Die A. schließt für den Unternehmer eine Transportversicherung ab für deren Kosten die A. aufkommt. Lehnt in einem Schadensfall die Transportversicherung die Übernahme und Regulierung eines Schadens ab, so haftet der Unternehmer für den Schaden, wenn ihn an dem Entstehen Vorsatz oder Fahrlässigkeit trifft.
9. Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Vertrag kann mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsletzten von beiden Parteien mit eingeschriebenem Brief gekündigt werden. Bei einer Kündigung dieses Vertrages ist der Unternehmer verpflichtet, die Funkanlage an dem Tag der A. auszuhändigen, an dem der Vertrag endet. Kommt der Unternehmer dieser Verpflichtung nicht nach, so ist er bis zur Herausgabe der Funkanlage zur Zahlung der Vermittlungsgebühr verpflichtet.
10. Mit der Unterzeichnung dieses Vertrages akzeptiert der Unternehmer die Funkordnung sowie die Geschäftsbedingungen der A. jeweils in der neuesten Fassung.
11. Der Unternehmer ist selbstständiger Gewerbetreibender. Er hat nach Abschluss dieses Vertrages unverzüglich sein Gewerbe bei den zuständigen Behörden anzumelden, sowie alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Durchführung eines selbstständigen Gewerbes notwendig sind. Für die Einhaltung aller gewerberechtlichen und steuerrechtlichen Vorschriften ist der Unternehmer allein verantwortlich.
12. Der Unternehmer verpflichtet sich, während und nach Beendigung des Vertrages mit der A. keine, der ihm vermittelten Kunden zur Durchführung von Kurierfahrten, abzuwerben. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiergegen verpflichtet sich der Unternehmer eine Vertragsstrafe von DM 3.000,00 zu zahlen. Vereinbarungen, die in diesem Vertrag nicht enthalten sind, sind zwischen den Parteien nicht getroffen worden. Soweit die Parteien Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages vornehmen, bedürfen diese der Schriftform. Zur Sicherung sämtlicher Ansprüche gegen den Unternehmer werden künftige Lohn- und Gehaltsforderungen sowie Provisionen und ähnliches des Unternehmers an die A. abgetreten.
13. Sollten Bestimmungen dieses Vertrages oder eine künftig in ihm genommene Bestimmung ganz oder teilweise nicht rechtswirksam oder nicht durchführbar sein oder ihre Rechtswirksamkeit oder Durchführbarkeit später verlieren, so soll hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen des Vertrages nicht berührt werden. Das gleiche gilt, wenn sich herausstellen sollte, dass der Vertrag eine Regelungslücke enthält. Anstelle der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung oder zur Ausfüllung der Lücke soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Parteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck des Vertrages gewollt haben würden, sofern sie bei Abschluß des Vertrages oder bei der späteren Aufnahme bedacht hätten. Dies gilt auch, wenn die Unwirksamkeit einer Bestimmung etwa auf einem in dem Vertrag vorgeschrieben Maß der Leistung oder Zeit beruht (Bl. 37- 39 S 9 KR 683/03).

In einem am 19.9.2000 eingegangenen Schreiben führt die Beigeladene aus, dass sie von September 1994 bis August 2000 bei der Klägerin beschäftigt war. Diese Firma sei ihr einziger Auftraggeber gewesen. Sie habe keine vergleichbare Tätigkeit bei einer anderen Firma ausgeübt. In der Zeit ihrer fristlosen Kündigung habe sie sich stationär im Sankt Katharinen Krankenhaus Frankfurt befunden. Anlass ihrer fristlosen Kündigung war, dass sie das Schreiben der Beklagten vom 18.8.2000 blanko unterschreiben sollte.

Bei der Überprüfung ihres Schreibens sei angekreuzt, dass sie für mehrere Auftraggeber tätig sei. Ihrer Ansicht nach sei diese Antwort nicht korrekt; sie wollte mit gutem Gewissen leben und keine kriminellen Handlungen begehen. Im Juni 2000 sollten alle so genannten Beschäftigten die Fragebögen der Firma in einem unverschlossenen Umschlag zurückgeben ansonsten hätte sie sofort gehen müssen. Außerdem sei sie gefragt worden, ob sie einen guten Rechtsanwalt hätte (Bl. 6 VA).

Mit Schreiben vom 19.4.2001 hörte die Beklagte die Klägerin und die Beigeladene an. Sie teilte mit, dass sie beabsichtige, das Vorliegen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV festzustellen (Bl. 7, 26 VA).

Die Klägerin teilte mit, dass sie der Ansicht sei, dass kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe. Die Tätigkeit der Gesellschaft sei die Vermittlung von Kurier Dienstleistungen jeglicher Art. Sie stellten einzig und allein die Verbindung zwischen den Auftraggebern und dem selbständigen Kurierdienstfahrer her. Dafür erhielten sie von den selbständigen Kurierdienstfahrern eine Provision für die vermittelten Umsätze. Die Firma sei nicht der Auftraggeber der Kurierdienstfahrer. Die Aufträge entstünden zwischen dem jeweiligen Auftraggeber und den Kurierdienstfahrern. Die Beigeladene sei nicht in dem Betrieb der Klägerin eingegliedert. Die Beigeladene und die übrigen Kurierdienstfahrer seien im wesentlich frei in der Einteilung der Arbeitszeit und der Gestaltung der Arbeitsleistung. Sie können selbst entscheiden, ob sie einen Auftrag annehmen oder in nicht. Insgesamt gäbe es keine persönliche Abhängigkeit. Die Beigeladene könne auch selbst die Preise anbieten. Es stünde ihr auch frei, die Aufträge persönlich auszuführen oder von eigenen Mitarbeitern die Auftragsdurchführung erledigen zu lassen. Hinsichtlich des unternehmerischen Risikos sei zu beachten, dass die Fahrräder eines Fahrradkuriers von höchster Qualität sein. Dementsprechend lägen die Anschaffungskosten fast immer im Bereich eines kleingebrauchten Pkws. Die Fahrräder unterlägen hohen Belastungen müssten wie auch die Pkws regelmäßig gewartet werden. (Bl. 43- 46 VA).

Mit Bescheid vom 24.7.2001 stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit als Fahrradkurier bei der Beklagten im Zeitraum vom September 1994 bis August 2000 im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübte (Bl. 11, 38 VA).

Die Klägerin legte gegen den Bescheid Widerspruch ein.

Die Beigeladene nahm im Widerspruchsverfahren Stellung. Sie führte aus: "Der Kurierdienst habe per Funk an die Kurierdienstfahrer die Aufträge, die telefonisch von verschiedenen Firmen im Auftrag gegeben wurden, an die Fahrer weitergeleitet, so dass der angeforderte Fahrer dieses auszuführen hatte. Weigerte sich ein Fahrer hieß es, es warten täglich jede Menge darauf diesen Job machen zu dürfen. Ich bringe Euch 15-20 Fahrer, die darauf scharf sein. Bei diesem Statusfeststellungsverfahren haben viele Kuriere das Unternehmen verlassen, aus ihr nicht so erklärlichen Gründen. Sie persönlich habe zwei Festtouren gefahren, da sie zwei schulpflichtige Kinder habe und keiner ihrer Kollegen diese Touren übernehmen wollte. Sie habe die Touren mit ihrem eigenen Bike gefahren. Die Reparaturkosten seien von den Kurieren zu begleichen gewesen; diese mussten auch die fällige Umsatzsteuer von 16 % an das zuständige Finanzamt überweisen. Die Klägerin habe Verträge mit den Unternehmen gehabt, da hätte sie keine Preise aushandeln können. (Bl. 18, 19 VA).

Aus einem Auszug des Handelsregisters geht hervor, das Gegenstand des Unternehmens der Klägerin die Durchführung von Transportdienstleistungen aller Art soweit diese nicht durch Gesetz oder Verordnung genehmigungspflichtig sind (Bl. 61 VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.1.2003 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 24.7.2001 zurückgewiesen (Bl. 85 VA).

Die Klägerin erhob am 25.2.2003 Klage beim Sozialgericht Frankfurt (S 9 KR 683/03). Im Verfahren wurde vorgetragen, dass die Klägerin in der Zeit der Zusammenarbeit mit der Beigeladenen neben der Vermittlung von Kurierfahrten selbst überhaupt keine eigenen Kurier Dienstleistungen angeboten habe. Erst seit Ende des Jahres 1999 neben der Vermittlung von Kurierdienstaufträgen eigene Kurierdienstleistungen, jedoch nur im Bereich von PKW kurieren, durch eigene Fahrzeug 2 angestellte Fahrer angeboten (Bl. 23 GA). Die Kuriere konnten selbst entscheiden, welche Kurierauftrag ausgeführt werde und welche nicht. Es bestünde keine Verpflichtung etwa bestimmte Mindestzeiträume abzudecken. Die Summe der von der Beigeladenen zu 1 im Monatsverlauf direkt an die Klägerin übermittelten Rechnung schwanke zwischen 800 DM-2200 DM. Es seien von ihr folgende Rechnung in der Summe gestellt wurden: 1997 14.467 DM 1998 14.389,59 DM 1999 11.446,85 DM 2000 8043,88 DM (Bl. 24 GA). Die Klägerin habe als Gegenleistung für die Vermittlung der Kurierfahrten eine monatlich pauschale Vermittlungsgebühr von 100 DM erhalten (Bl. 25 GA).

Die Beigeladene wurde zum Verfahren S 9 KR 683/03 beigeladen.

In einer Stellungnahme der Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren führte dieser aus, dass sie nie eigene Verträge mit anderen Kurierunternehmen geschlossen habe auch nicht mit dem Kunden der Klägerin. Sie führte aus, dass wenn es den Fahrern frei stünde, Verträge mit den Kunden abzuschließen, würden die im Anschlussvertrag (Anl. K1) der für der Klägerin Punkt 12 geltend gemachte Vertragsstrafe greifen (3000 DM) (Bl. 56-57 GA). Die angebliche Liste galt nicht für sie, dass sie nur ihre 2 festen Touren fahren durfte und nur wenn ein Fahrer erkrankte oder Urlaub machte sei sie Lückenbüser gewesen. Anfang Juli 2000 bekamen alle Fahrer ein Schreiben für die Statusfeststellung und sollten dieses anschließend in einem nicht verschlossenen Briefumschlag in die Kurierzentrale zurückbringen. Am 23.8.2000 kann daraufhin ein Schreiben von der BfA solle die sämtlichen Auftraggeber (Phantomfirmen) nennen und Herr C. teilte mir am Telefon mit, wir müssten wiederum dieses Schreiben blanko in die Firma bringen (Bl. 56, 57 S 9 KR 683/03).

Die Beigeladene teilte im Verfahren mit, dass sie eine Umsatzauflistung vorgelegt bekommen habe und sie habe dann die Rechnung entsprechend ausführen müssen (Bl. 7780 GA).

In der mündlichen Verhandlung vom 14.6.2007 führte Herr F. für die Klägerin aus: "Nach meiner Erinnerung wurden bis zum Jahre 1999 einschließlich von der Beigeladenen etwa zur Hälfte die sogenannten Festtouren gefahren. Erst ab dem Jahre 2000 wurden von ihr fast ausschließlich diese Festtouren gefahren. Die Festtour wurde pro Monat ca. mit 500 DM als Durchschnittswert vergütet. Pro Stunde fielen als Vergütung 35 DM pro Tour an. Meine Angaben beziehen sich auf die Zeit von 1997 bis 1999.

Auf Befragen des Gerichtes erklärt die Beigeladene: In der Zeit von 1994 bis 1996 bin ich für verschiedenste Kunden gefahren. In der Zeit ab dem Jahre 1997 bis zum Jahr 2000 hat der Anteil der sogenannten Festtouren 90 bis 95 % ausgemacht. Wenn ich gerade 1997 gesagt habe, dann meine ich Herbst 1997. Ich habe im Jahre 1995 für die Klägerin Werbung gemacht und diese Werbung abgegeben an verschiedenen Stellen in A-Stadt, auch bei Werbeagenturen. Hierfür wurde mir eine Vergütung von 500 DM gezahlt. Ich habe mich immer unter starkem Druck gefühlt von Seiten der Mitarbeiter der Klägerin Aufträge anzunehmen. Mir wurde gesagt: "Ich kann auch 15 bis 20 andere Kurierfahrer besorgen, die den Job haben wollen."

Die Beteiligten schlossen folgenden Vergleich: 1. Das Widerspruchsverfahren wird neu eröffnet. Im Hinblick darauf erklären die Beteiligten diesen Rechtsstreit für erledigt. 2. Die Kostenentscheidung dieses Rechtsstreits richtet sich danach, wie das Widerspruchsverfahren ausgehen wird bzw. ein sich daran anschließendes Klageverfahren. 3. Die Beklagte wird insbesondere zu prüfen haben durch Befragung anderer Fahrradkuriere, die für die Klägerin tätig waren, wie die Art der Zusammenarbeit der Klägerin mit der Beigeladenen war.

Allen Beteiligten wird aufgegeben, Namen und ladungsfähige Adressen dieser Fahrradkuriere zu benennen (Bl. 156 S 9 KR 683/03).

Mit Bescheid vom 18.10.2007 stellte die Beklagte fest, dass das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Beurteilung der Tätigkeit der Beigeladenen als Fahrradkurier neu eröffnet werde Bl. 217 VA).

Die Beigeladene wandte sich im Verfahren S 9 KR 482/07 gegen den Abschluss des Vergleiches. Mit Gerichtsbescheid vom 24.9.2009 wurde festgestellt, dass der Vergleich vom 14.6.2007 in dem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Frankfurt S 9 KR 683/03 wirksam geschlossen ist (Bl. 59 S 9 KR 482/07).

Die Beklagte versuchte nachfolgend im schriftlichen Wege Kollegen der Beigeladenen zu befragen (Bl. 306-312). Herr G. teilte mit, dass ihm die Beigeladene nicht in seiner Zeit als Kurier bei der Klägerin tätig gewesen sei (Bl. 331 VA). Als Fahrradkurier werde bei der Klägerin, wie bei den meisten Kurierdiensten, ein eigenständiges Arbeiten verlangt. Dies beinhalte eigene Arbeitskleidung und ein eigenes Fortbewegungsmittel (Rad, Moped, Auto etc.) für welches der Fahrer selbst verantwortlich sei. All diese Kosten seien ausschließlich vom Fahrer zu tragen. Alle Kosten inklusive Krankenversicherung, Berufsgenossenschaftsbeiträge, Unfallversicherung, Rentenversicherung und die eines Finanzamts zu zahlende Mehrwerts-Einkommenssteuer seien ausschließlich vom Fahrer zu tragen. Wegen dem niedrigen Gehaltsgewinn hatten die meisten ferner nicht die Möglichkeit gehabt, Renten- und Krankenversicherungsbeiträge zu zahlen. Die Abgaben an das Finanzamt und an die Berufsgenossenschaft seien Pflicht gewesen. Bei Krankheit gab es keine Lohnfortzahlung, bei Urlaub ebenfalls nicht. Auch in dieser Zeit hätte es diese Abgabenpflicht gewesen. Alle Kosten die zur Durchführung der Tätigkeit notwendig sein, dies beinhalte Kauf, Instandhaltung und Wartung der Fahrräder seien ausschließlich vom Fahrer zu tragen. Die Arbeitskleidung, welche bei der Tätigkeit als Fahrradkurier zu teuer ist, mussten vom Fahrer selbst bezahlt werden. Die Klägerin habe in Absprache mit den Fahrern gute und teure Fahrradbekleidung gesorgt und mit eigener Werbung versehen. Diese konnte dann genutzt werden, musste aber vom Fahrer bezahlt werden, dies geschah prozentual und als Abzug vom Umsatz. Die Klägerin drehte als Vermittler zwischen Kunden und Fahrer ein und disponiert die in der Zentrale einkommenden Aufträge. Dafür verlange sie vom erbrachten Umsatz eine Provision und eine feste Gebühr für das von der Klägerin verliehene Funkgerät. Die Arbeitszeiten konnten von den Kurierfahrern individuell gestaltet werden. Ein guter Umsatz und eine positive Auftragslage waren jedoch von der umsatzstarken Tageszeit abhängig (Bl. 331 VA).

Rechnungsunterlagen für das Jahr 1997, 1998 1999 und 2000 wurden durch die Klägerin mit Schreiben vom 12.1.2012 vorgelegt (Bl. 369 Buchst. s 373 VA).

Mit Bescheid vom 28.3.2012 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen fest, dass der Bescheid vom 24.7. 2001 dahingehend abgeändert wird, dass in der von der Beigeladenen ausgeübten Beschäftigung als Fahrradkurier für die Klägerin Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Die Versicherungspflicht beginnt am 1.9.1994 (Bl. 376, 377 VA).

Die Klägerin legte gegen den Bescheid Widerspruch ein (Bl. 387-390 VA).

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.5.2013 zurückgewiesen (Bl. 410 VA).

Die Klägerin hat am 20.6.2013 Klage beim Sozialgericht Frankfurt erhoben.

Mit Beschluss vom 14.10.2013 erfolgte die Beiladung der Beigeladenen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der angegriffene Bescheid rechtswidrig sei. Die Beigeladene sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht abhängig beschäftigt als Fahrradkurier gewesen.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2003, ergänzt durch den Bescheid vom 28.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1.) bei der Klägerin von September 1994 bis August 2000 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand und somit nicht versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der angegriffene Bescheid rechtmäßig sei. Zur weiteren Begründung verweist sie auf den angegriffenen Bescheid.

Die Beigeladene teilt die Ansicht der Beklagten und ist der Meinung, sie sei abhängig beschäftigt gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Prozessakten S 9 KR 683/03 und S 9 KR 482/07 sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15.3.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 28.3.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Aus diesem Grund ist die Klage abzuweisen.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist als Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis anzusehen. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Für die Bestimmung, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ist auf das Gesamtbild der die tatsächlichen Verhältnisse prägenden Umstände abzustellen. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten sowie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen wurden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. (LSG Niedersachsen Bremen, Urteil vom 20.3.2013, Az.: L 2 R 372/12).

Für eine selbständige Tätigkeit spricht die Freiheit die Arbeitszeit. Nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen und der Befragung der Beteiligten, geht die Kammer davon aus, dass es der Beigeladenen freistand zu entscheiden, wann sie für die Klägerin tätig werde.

Für eine selbständigen Tätigkeit spricht die Tatsache, dass die Beigeladene sich zur aus Führung der Kurierfahrten eines eigenen Fahrrads bediente und für dessen Unterhaltung allein zuständig war.

Aus dem Umstand das die Beigeladene im Fall von Krankheit und Urlaub keinen Anspruch auf Lohn vor Zahlung hat, spricht zwar als Indiz für eine selbständigen Tätigkeit, jedoch überwiegend in einer Gesamtbetrachtung die Merkmale der abhängigen Beschäftigung.

Nach Ansicht der Kammer überwiegen bei der von der Beigeladenen ausgeübten Tätigkeit die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Die Kammer geht davon aus, dass die Beigeladene in die Organisation der Klägerin in der Form eingegliedert war, dass diese ihr das Fahren fester Touren zugewiesen hat und die Beigeladene dem nachkam. Hierbei wird auf die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung im Rahmen des Verfahrens S 9 KR 683/03 Bezug genommen.

Für die Eingliederung in die Umsetzung der Klägerin spricht auch, dass die Beigeladene mit einem Funkgerät der Klägerin ausgestattet worden ist. Darüber hinaus ergab die mündliche Verhandlung vom 15.3.2018, dass sich die Kurierfahrer in einen Dienstplan eintragen mussten.

Des Weiteren ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin tatsächlich in der Lage gewesen sei, die Preise mit den Kunden frei zu verhandeln. Insbesondere nach Ausführung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 15.3.2018 geht die Kammer davon aus, dass eine feste Preisliste bestand, die Grundlage der Vermittlung von Aufträgen zwischen der Klägerin und den Kunden war. Nur in Ausnahmefällen, wenn ein besonderes Interesse des Kunden an der Durchführung eines Auftrages durch einen spezifischen Kurier bestand, konnten andere Preise verhandelt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beigeladene über diese Rechtsmacht verfügte.

Des Weiteren spricht gegen eine selbstständige Tätigkeit, dass die Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum allein für die Klägerin tätig gewesen ist. Der Vortrag der Klägerin, dass dieser frei gewesen wäre für weitere Auftraggeber tätig zu seien steht sowohl die vertragliche Regelung Nr. 12 zwischen der Klägerin und der Beigeladenen entgegen als auch der Umstand, dass die Möglichkeit für andere Auftraggeber tätig zu sein im Fall der Klägerin eher hypothetischer Natur gewesen ist.

Die Regelung, wonach sich die Beigeladene verpflichtet während und nach Beendigung des Vertrages mit der Klägerin keinen, der ihr vermittelten Kunden zur Durchführung von Kurierfahrten abzuwerben und für dessen Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 3000 DM vorgesehen ist, spricht gegen die Möglichkeit der Beigeladenen frei am Markt tätig zu werden.

Ebenfalls für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung spricht der Umstand, dass vertraglich zwischen der Klägerin und der Beigeladenen der Abschluss einer Transportversicherung zulasten der Klägerin erfolgte (Nr. 8 des Vertrages).

In einer Gesamtabwägung überwiegen nach Ansicht der Kammer die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung, so dass der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und die Klage daher abzuweisen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, 3 GKG.

Gegen die Entscheidung ist das Rechtsmittel der Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG statthaft.
Rechtskraft
Aus
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