S 32 AS 674/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 32 AS 674/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 609/20
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Schlüssigkeit des Konzepts zur Festlegung der Angemessenheitsgrenzen nach dem SGB II für die Stadt Dessau-Roßlau.

Zur Repräsentativität der Datenerhebung im Hinblick auf das Verhältnis von Groß- zu Kleinvermietern.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Januar 2017. Streitig ist insbesondere die Höhe der anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft im Hinblick auf die abstrakte Angemessenheit.

Die am ... 1959 geborene Klägerin und ihr Ehemann leben gemeinsam in einer Mietwohnung in der J. in D.-R. mit einer Wohnfläche von 84,21 m² bei einer Gesamtnutzfläche der Liegenschaft von 1.149,61 m². Hierfür hatten sie im streitigen Zeitraum eine monatliche Miete von 380 EUR zu zahlen, wovon 320 EUR auf die Grundmiete und 60 EUR auf die Vorauszahlung für Betriebskosten (ohne Wasser) entfielen. Der Abschlag für Wasser und Abwasser betrug monatlich 42 EUR und für Fernwärme und zentrale Warmwasserbereitung 167 EUR.

Die Klägerin und ihr Ehemann bezogen vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Der Ehemann der Klägerin erzielte Einkommen aus einer Beschäftigung bei der Firma T. P. in monatlich unterschiedlicher Höhe. Die Auszahlung erfolgte jeweils im Folgemonat: im Oktober erhielt er 917,57 EUR (brutto 1.156 EUR), im November 1.017,43 EUR (brutto 1.281,80 EUR), im Dezember 834,93 EUR (brutto 1.051,88 EUR) und im Januar 948,28 EUR (brutto 1.194,68 EUR) ausgezahlt. Die monatlichen Fahrtkosten (Monatskarte) betrugen 34 EUR.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2013 hatte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. März 2014 bewilligt. Seiner Leistungsberechnung legte er die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) zugrunde. Zugleich wies er die Klägerin in einer im Bescheid enthaltenen Belehrung darauf hin, ihre derzeitigen Unterkunfts- und Heizkosten seien unangemessen und überstiegen den nach der Richtlinie der Stadt D.-R. angemessenen Betrag für Unterkunft (Grundmiete und Betriebskosten inkl. Wasser) von 402 EUR und Heizung von 105 EUR. Er forderte sie auf, auf eine Reduzierung der Kosten hinzuwirken. Er werde die tatsächlichen KdUH nur noch bis April 2014 übernehmen und danach sei der Differenzbetrag von der Klägerin und ihrem Ehemann selbst zu tragen. Ab Mai 2014 hatte der Beklagte im Rahmen seiner Leistungsberechnung lediglich die seiner Ansicht nach angemessene Bruttokaltmiete (BKM) von 402 EUR und angemessene Heizkosten berücksichtigt.

Die Firma F + B ... GmbH hatte für die Stadt D.-R. im Jahr 2014 die Erstellung des qualifizierten Mietspiegels vorgenommen. Anschließend hatte sie im März 2014 einen Methoden- und Ergebnisbericht erstellt. Auf dieser Grundlage hatte der Stadtrat der Stadt D.-R. am 29. April 2014 die mit Wirkung zum 1. Mai 2014 in Kraft getretene Unterkunftsrichtlinie des Beklagten, die "Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt D.-R.", beschlossen. Die Angemessenheitsgrenzwerte sind im September 2014 im Amtsblatt der Stadt D.-R. veröffentlicht worden. Danach war für einen Zweipersonenhaushalt eine BKM von monatlich 326,40 EUR angemessen.

Mit Bescheid vom 12. März 2015 hatte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2015 bewilligt. Seiner Leistungsberechnung legte er die bisher gewährte BKM von 402 EUR und Heizkosten von 105,50 EUR zugrunde. Zugleich wies er die Klägerin in einer im Bescheid enthaltenen Belehrung darauf hin, ihre derzeitigen Unterkunfts- und Heizkosten seien unangemessen und überstiegen den angemessenen Betrag für Unterkunft (Grundmiete und Betriebskosten inkl. Wasser) von 326,40 EUR und Heizung von 102 EUR. Er forderte sie erneut auf, auf eine Reduzierung der Kosten hinzuwirken. Er werde die bisherigen KdUH von 507,50 EUR nur noch bis September 2015 übernehmen und danach sei der Differenzbetrag zu den tatsächlichen Kosten von der Klägerin und ihrem Ehemann selbst zu tragen.

Am 25. Mai 2016 hatte der Stadtrat der Stadt D.-R. unter Berücksichtigung einer an den Verbraucherpreisindex angelehnten Anpassung höhere Angemessenheitsgrenzen mit Wirkung zum 1. Mai 2016 beschlossen. Danach war für einen Zweipersonenhaushalt eine BKM von monatlich 336,84 EUR angemessen.

Am 29. August 2016 beantragte die Klägerin für sich und ihren Ehemann die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. Oktober 2016. Mit Bescheid vom 20. September 2016 bewilligte der Beklagte ihnen für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Januar 2017 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 592,04 EUR. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte er die seiner Ansicht nach angemessene BKM von 336,86 EUR zzgl. Heizkosten von 102 EUR. Zudem berücksichtigte er aufgrund des schwankenden Einkommens des Ehemanns ein monatliches Brutto-Durchschnittseinkommen von 1.088 EUR.

Mit Bescheid vom 26. November 2016 erfolgte die Anpassung des Regelsatzes ab Januar 2017. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Leistungsbewilligung weiterhin vorläufig erfolge. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 3. Februar 2017 verwarf der Beklagte als unzulässig.

Mit Bescheid vom 23. März 2017 gewährte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Januar 2017 in Höhe von 544,88 EUR für Oktober, von 449,42 EUR für November, von 617,12 EUR für Dezember und von 526,04 EUR für Januar. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte er eine BKM von monatlich 336,86 EUR zzgl. Heizkosten von 102 EUR. Er rechnete das Einkommen des Ehemanns nach tatsächlichem Zufluss an. Zugleich machte er mit Erstattungsbescheiden bei endgültiger Festsetzung vom gleichen Tag gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann jeweils eine Erstattung von 119,35 EUR geltend.

Dagegen erhob die Klägerin am 27. Februar 2017 Widerspruch.

Die Klägerin hat am 6. April 2017 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe ihre Leistungen drastisch gekürzt und ihren Widerspruch nicht bearbeitet. Die tatsächlichen Mietkosten seien angemessen und vom Beklagten zu übernehmen. Den Angemessenheitsgrenzen der Stadt D.-R. liege kein schlüssiges Konzept zugrunde. Insbesondere seien die Mietpreise von privaten Vermietern nicht in repräsentativer Weise einbezogen worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2017 hat der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2020 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und die Festsetzungs- und Erstattungsbescheide vom 23. Februar 2017 insoweit zurückgenommen, als damit eine Erstattung von mehr als jeweils 115,24 EUR gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann (insgesamt 230,48 EUR) geltend gemacht werden. Er hat dabei auf Anraten des Gerichts das durchschnittliche Einkommen des Ehemanns angerechnet. Sodann hat die Klägerin das Teilanerkenntnis angenommen, den Streitgegenstand auf die Kosten der Unterkunft beschränkt und klargestellt, dass die Heizkosten nicht streitig seien.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

die Bescheide vom 23. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2017 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 11. September 2020 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr weitere Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Januar 2017 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält seine Entscheidung für rechtmäßig und verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie auf die übersandten Unterlagen zum Konzept der Stadt D.-R ...

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Dokumentation der Kammer zum Konzept der Stadt D.-R. entsprechend der mit der Ladung übersandten Erkenntnismittelliste verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage hat nach Annahme des Teilanerkenntnisses keinen Erfolg (mehr).

Sie ist zulässig. Zwar war zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 6. April 2017 das nach § 78 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Vorverfahren noch nicht abgeschlossen. Mit Erlass des Widerspruchsbescheids am 8. Juni 2017 ist dies jedoch in zulässiger Weise nachgeholt worden (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 13. Auflage 2020, § 78 Rn. 3).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft.

Streitgegenständlich sind nur noch die Bescheide des Beklagten vom 23. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2017 in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 11. September 2020. Der Beklagte hat durch den angefochtenen Bescheid vom 23. März 2016 eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch der Klägerin und ihres Ehemannes getroffen, nachdem er zunächst durch die Bescheide vom 20. September 2016 und 26. November 2016 vorläufige Entscheidungen getroffen hatte. Diese abschließende Entscheidung durch den Bescheid vom 23. März 2016 ersetzt und erledigt mit ihrem Erlass im Sinne des § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) die vorläufigen Entscheidungen über den Leistungsanspruch der Klägerin, ohne dass es einer Aufhebung oder Änderung dieser vorläufigen Entscheidungen bedarf (BSG, Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 13/12 R und Urteil vom 26. Juli 2016, B 4 AS 54/15 R, juris).

Die Klägerin hat die Klage auf die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft und insoweit in zulässiger Weise auf einen abgrenzbaren Teil der Leistungen begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 119/10 R, juris Rn. 32 m.w.N.).

Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs gegen die Klägerin ist § 41a Abs. 6 Satz 1, 3 SGB II in der Fassung vom 26. Juli 2016. Danach sind die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen. Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind zu erstatten.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten im Zeitraum von Oktober 2016 bis Januar 2017 Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II), der aber nicht über die bisher aufgrund des Bescheids vom 23. März 2017 und des Teilanerkenntnisses vom 11. September 2020 gewährten Leistungen hinausgeht.

Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum Berechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a SGB II noch nicht erreicht, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, ist erwerbsfähig und hilfebedürftig. Sie bildet mit ihrem Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II. Die Klägerin verfügt weder über bedarfsdeckendes Einkommen noch über ein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes anrechenbares Vermögen.

Die Klägerin hat in der Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Januar 2017 lediglich Anspruch auf hälftige Berücksichtigung bzw. Übernahme der vom Beklagten im Rahmen eines schlüssigen Konzepts ermittelten angemessenen BKM von monatlich 336,84 EUR (hier wegen Rundung 336,86EUR) für die Unterkunft (dazu unter 1.) zuzüglich angemessener Heizungs- und Warmwasserkosten von monatlich 102 EUR (dazu unter 2.).

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

1.

Die "Angemessenheit" der zu berücksichtigenden Unterkunftskosten unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 119/10 R, juris Rn. 36; Berlit in LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 22 Rn. 61; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 22 Rn. 73, 91).

Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in einem gestuften Verfahren zu erfolgen: zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (BKM) zu ermitteln. Sodann ist die konkrete (subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteile vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R u.a., juris Rn. 19 m.w.N.).

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen ist unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie vorzunehmen. Dabei sind in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en) sowie der angemessene Wohnungsstandard zu bestimmen. Sodann ist die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept zu ermitteln. Schließlich sind die angemessenen kalten Betriebskosten einzubeziehen. Dabei müssen nicht die Faktoren Wohnungsgröße und Wohnungsstandard jeweils für sich angemessen sein. Es reicht, dass das Produkt aus Wohnfläche und -standard eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ("Referenzmiete") ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, juris Rn. 13). Daher hat der Grundsicherungsträger den Quadratmeterpreis für entsprechende Wohnungen zu ermitteln. Dieser ist mit der angemessenen Wohnungsgröße zu multiplizieren und so die angemessene BKM festzustellen.

a)

Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist nach der Rechtsprechung des LSG Sachsen-Anhalt, der die Kammer folgt, im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 zurückzugreifen (vgl. Urteil des 5. Senats vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, juris Rn. 37 f.; vgl. auch BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 61/12 R, juris Rn. 21), da es in Sachsen-Anhalt keine Wohnbauförderung (mehr) gibt. Danach waren Wohnflächen für einen Zweipersonenhaushalt bis zu 60 m² förderfähig. Die Größe der von den Klägern bewohnten Wohnung mit einer Wohnfläche von 84,21 m² übersteigt diese Grenze. Eine Überschreitung dieses Wohnflächenwerts allein führt jedoch noch nicht zur Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft.

b)

Das Konzept des Beklagten ist geeignet, die Angemessenheit des Bedarfs für die Kosten der Unterkunft der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum zu definieren. Die "Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt D.-R." (im Folgenden: Konzept) genügt den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept.

Nach der Rechtsprechung des BSG setzt ein Konzept zur Ermittlung der angemessenen BKM ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum voraus. Von der Schlüssigkeit (Nachvollziehbarkeit und Folgerichtigkeit) eines Konzepts ist auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09, juris Rn. 19 ff.):

Die Datenerhebung muss ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolgen;

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete/Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße);

Angaben über den Beobachtungszeitraum;

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen wie z.B. Mietspiegel);

Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten;

Validität der Datenerhebung;

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung;

Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert, Kappungsgrenze).

Zwar hat das BSG betont, dass für den kommunalen Träger grundsätzlich Methodenfreiheit besteht. Der Grundsicherungsträger ist bei der Ermittlung des abstrakt angemessenen Mietpreises nicht zu einer bestimmten Vorgehensweise verpflichtet. Er ist jedoch sind verpflichtet, die von ihm gewählte Methode und die Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen, damit die Gerichte prüfen können, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in den Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 143; BSG, Urteile vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R u.a., juris Rn. 25; Luik, a.a.O. Rn. 91 mit weiteren Erläuterungen).

Die dem Konzept des Beklagten zugrundeliegenden Daten sind ausreichend transparent und prüfbar, da er diese dem Gericht (anonymisiert) zur Verfügung gestellt hat. Auch hat die F+B Angaben über den Beobachtungszeitraum getätigt, die Art und Weise der Datenerhebung festgelegt, anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze eingehalten sowie Schlüsse aus den ausgewerteten Daten gezogen und begründet (ebenso SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 14. Dezember 2018, S 3 AS 1773/15, juris Rn. 43).

c)

Soweit der Beklagte die gesamte Stadt D.-R. als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Die Stadt D.-R. gliedert sich in 2 Stadtteile (ehemalige Stadt D. sowie ehemalige Stadt R.) sowie in 25 Stadtbezirke. Die Datenerhebung erfolgte auch im gesamten Stadtgebiet. Da der Konzeptersteller für die Datenerhebung eine repräsentative Zufallsauswahl gewählt hat, wurden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet berücksichtigt. Anhand der vorgelegten Übersicht des Beklagten lässt sich nachweisen, dass Daten aus allen Innenstadtteilen (Nord, Mitte, Süd sowie R.) sowie Randbezirken mit eher ländlichem Charakter erhoben worden sind. Lediglich für den ländlicheren Stadtbezirk Rodleben mit 1.407 Einwohner (Stichtag: 31. Dezember 2013) konnten keine Wohnungen nachgewiesen werden. Dies fällt jedoch bezogen auf den gesamten Vergleichsraum nicht ins Gewicht (ebenso SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 14. Dezember 2018, S 3 AS 1773/15, juris Rn. 45).

d)

Den Gegenstand der Beobachtung hat der Konzeptersteller im Einzelnen nachvollziehbar definiert.

Er hat im Rahmen der Datenerhebung zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels für die Stadt D.-R. durch Zufallsauswahl aus der Grundgesamtheit aller mietspiegelrelevanten Wohnungen einen Datenbestand von 2.387 Mieten ermittelt, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder geändert wurde. Diese Daten hat er dem Konzept zugrunde gelegt. Durch den Rückgriff auf die Daten aus dem Mietspiegel wird erreicht, dass eine erhebliche Anzahl aktuell zu zahlender Mieten in die Datenerhebung einfließt. (vgl. zur Verwendung von Mietspiegeldaten BSG, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12, juris Rn. 30). Darüber hinaus hat die F+B weitere Daten mit einbezogen, die über den Zeitraum von vier Jahren hinausreichen. Hier ist der Datenbestand auf insgesamt 4.515 Mietdaten erweitert worden. Hinzugenommen wurden weitere 406 Daten für Sozialwohnungen, also Wohnungen, deren Höchstgrenze gesetzlich festgelegt wurde. Die Datengrundlage für das Konzept des Beklagten bildet demnach zunächst die Erhebung von reinen Bestandsmieten. Nach Bereinigung der Daten um 425 Fälle, die fehlende oder unplausible Daten enthielten, nicht erhebungsrelevant waren (Eigentümer, Untermieter) oder nicht den Mindestanforderungen an eine Wohnungsausstattung (ohne Bad, WC und/oder Sammelheizung) entsprachen, flossen 4.291 Mieten in die Auswertung ein.

Die Datenerhebung der Bestandsmieten erfolgte zum Stichtag 31. Juli 2013 (Methoden- und Ergebnisbericht S. 5). Soweit auf S. 8 des Methoden- und Ergebnisberichts als Stichtag der 1. Oktober 2012 benannt ist, geht die Kammer davon aus, dass es sich um einen Schreibfehler handelt. Dem Musterfragebogen ist zu entnehmen, dass sich die Erhebung auf den Monat Juli 2013 bezieht.

Zur Bestimmung der konkreten Angemessenheit wurden aus den Bestandsmieten als Neuvertragsmieten alle bis zu einem Jahr vor dem Erhebungsstichtag (also im Zeitraum August 2012 bis Juli 2013) tatsächlich realisierten Mietverträge ermittelt (Methoden- und Ergebnisbericht S. 16). Hier standen 2.597 Mietdaten zur Verfügung. Diese sind der ermittelten Referenzmiete gegenübergestellt worden, um zu prüfen, ob zu diesem Wert auch tatsächlich aktueller Wohnraum zur Verfügung steht (siehe unter j).

Außerdem wurden zur Ergebniskontrolle Angebotsmieten des Quartals Juli bis September 2013 aus folgenden Quellen erhoben: einschlägige Websites im Internet (z.B. ImmoScout 24), überregionale Tageszeitungen (FAZ, Welt etc.) und lokale Medien wie Mitteldeutsche Zeitung, Wochenspiegel und Supersonntag, vgl. Methoden- und Ergebnisbericht S. 18. Hieraus wurden - für die gesamte Stadt D.-R. - nach Daten- und Dublettenbereinigung 169 Mietangebote ermittelt. Auch diese Daten sind der ermittelten Referenzmiete zur Kontrolle gegenübergestellt worden (siehe unter j).

e)

Nach Auffassung der Kammer ist diese Datenerhebung des Beklagten repräsentativ. Der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten ist dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt in der Stadt D.-R. zuverlässig abzubilden.

Die Repräsentativität ist eine Eigenschaft von Datenerhebungen, die es ermöglicht, aus einer kleineren Stichprobe Aussagen über eine wesentlich größere Menge zu treffen. Voraussetzung dafür ist, dass die Teilerhebung in der Verteilung aller interessierenden Merkmale der Gesamtmasse entspricht, das heißt, ein zwar verkleinertes, aber sonst wirklichkeitsgetreues Abbild darstellt (vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder, Marktforschung: Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, 12. Auflage 2009, S. 50). Die Stichprobe/Erhebung muss in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale der Grundgesamtheit möglichst ähnlich sein. Konkret bedeutet dies im Rahmen der Prüfung der Schlüssigkeit der Ermittlung der angemessenen Referenzmiete, dass ein breites Spektrum der Mietwohnungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts in die Datenerhebung Eingang gefunden haben muss. Dabei kann Wohnraum, der keinen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten gibt - wie in Herbergen, Wohnheimen oder solcher, für den im Rahmen von verwandtschaftlichen Verhältnissen nur "Gefälligkeitsmieten" gezahlt werden - unberücksichtigt bleiben (LSG Thüringen, Urteil vom 8. Juli 2015, L 4 AS 718/14, juris Rn. 70). Insofern sind der Ausschluss von Wohnungen in Heimen, möblierter Wohnungen, gewerblich oder teilgewerblich genutzter Wohnungen, Hausmeisterwohnungen und Untermietverhältnissen für die Kammer nachvollziehbar.

Die Herausnahme von Einfamilienhäusern begegnet nach Auffassung der Kammer ebenfalls keinen Bedenken, da Wohnungen in Einfamilienhäusern für den D.-R. Wohnungsmarkt nicht prägend sind. Unterstellt man den von F+B angegebenen Wert von 810 vermieteten Wohnungen in Einfamilienhäusern als wahr, so ergibt dies lediglich einen Anteil von 2,7 Prozent. Auch wenn die Kammer diesen Wert im Zensus 2011 nicht ermitteln konnte, so erscheint er gleichwohl plausibel. Denn von den insgesamt laut Zensus 2011 vorhandenen 12.184 Wohnungen in Einfamilienhäusern bzw. Gebäuden mit nur einer Wohnung dürften die meisten vom Eigentümer bewohnt gewesen sein. Da in D.-R. insgesamt 14.616 Wohnungen vom Eigentümer bewohnt waren, dürfte die Anzahl an vermieteten Wohnungen in Einfamilienhäusern bzw. Gebäuden mit einer Wohnung tatsächlich vernachlässigungsfähig sein.

Ausweislich des Zensus 2011 gab es zum Stichtag 9. Mai 2011 in der Stadt D.-R. insgesamt 52.475 Wohnungen in Wohngebäuden, von denen 30.480 Wohnungen zu Wohnzwecken vermietet waren (auch mietfrei) und 7.337 Wohnungen leer standen. Bei den übrigen Wohnungen handelt es sich um Ferienwohnungen (42) und von Eigentümern bewohnten Wohnungen (14.616), die für die Wiedergabe der Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts unbeachtlich sind. Von den 30.480 vermieteten Wohnungen sind weitere 410 Wohnungen in Wohnheimen, die im Zensus explizit ausgewiesen sind, abzuziehen, so dass 29.660 vermietete Wohnungen verbleiben.

Die im Konzept eingeflossenen 4.921 Bestandsmieten stellen einen Anteil von rund 16,6 Prozent der vermieteten Wohnungen dar und bieten damit Gewähr, dass eine hinreichende Anzahl an Wohnungsdaten in die Datenerhebung eingeflossen ist (mindestens 10 Prozent BSG, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, juris Rn. 16; nunmehr hat das BSG in seiner Entscheidung vom 3. September 2020 klargestellt, dass es sich hierbei nicht um eine starre Grenze von mindestens 10 Prozent handelt, vgl. B 14 AS 34/19 R, Terminbericht, juris).

Die Daten sind entgegen der Auffassung der Kläger auch im Hinblick auf das Verhältnis von Groß- zu Kleinvermietern hinreichend repräsentativ (vgl. hierzu jüngst BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R, Terminbericht vorliegend, juris). Nach dem Zensus 2011 standen von den 52.475 Wohnungen in Wohngebäuden insgesamt 27.436 im Eigentum von Privatpersonen (20.742) und Gemeinschaften von Wohnungseigentümern (6.694). Zieht man hiervon die 14.616 vom Eigentümer bewohnten Wohnungen ab, dürften 12.820 vermietbare Wohnungen verbleiben. Dies stellt eine Quote von rund 34 Prozent kleinerer Vermieter im Verhältnis zu 37.817 vermietbaren Wohnungen (vermietet und leerstehend) dar. Demgegenüber hatten alle 25.039 im Eigentum von Genossenschaften (9.185), kommunalen Wohnungsunternehmen (12.294), privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen (2.200) oder sonstigen als größere Unternehmen anzusehende Vermieter (1.360) stehenden Wohnungen einen Anteil von knapp 67 Prozent an allen vermietbaren Wohnungen. Ein direkter Bezug allein zu den 29.660 vermieteten Wohnungen lässt sich nicht herzustellen, da sich aus dem Zensus 2011 nicht ableiten lässt, welcher Vermietergruppe die leerstehenden Wohnungen zuzuordnen sind.

Im Rahmen der Datenauswertung zur Festlegung der Angemessenheitsgrenze wurden 4.921 Mietdaten ausgewertet. Hiervon stammten nach Angaben des Konzepterstellers lediglich 623 Daten aus der Kleinvermieterbefragung (12,7 Prozent). Die Repräsentativität ergibt sich gleichwohl aus dem Umstand, dass die Datenerhebung auf der Basis einer realitätsabbildenden Zufallsauswahl beruht. Die Bruttostichprobe der Großvermieterbefragung ergab 4.579 Fälle, von denen ein Rücklauf in 4.317 Fällen erfolgte. Hier konnten Daten aus Bestandsdateien übernommen werden. Im Rahmen der schriftlichen Kleinvermieterbefragung erfolgte bei einer Bruttostichprobe von 5.274 Fällen ein Rücklauf in lediglich 623 Fällen. Die Stichprobenziehung erfolgte also rein zufällig aus der entsprechenden Grundgesamtheit unter Berücksichtigung der Anteile an Groß- und Kleinvermietern. Der erheblich geringere Rücklauf bei Kleinvermietern ist nach Auffassung der Kammer in einem solchen Fall hinzunehmen und führt nicht zur Verneinung der Repräsentativität der Daten. Insoweit ist zu beachten, dass aufgrund der Freiwilligkeit der Teilnahme die Rückläuferquote vom Konzeptersteller nicht beeinflusst werden kann (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. Dezember 2018, L 4 AS 11/16, juris Rn. 85). Die Kammer kann zudem kein derartiges Missverhältnis erkennen, dass die realitätsgerechte Wiedergabe der örtlichen Gegebenheiten zu verneinen ist (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 28. März 2018, L 11 AS 52/16, juris; bestätigt durch BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R, Terminbericht). Hierbei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass im Stadtgebiet D.-R. zum Zeitpunkt der Erhebung kein angespannter Wohnungsmarkt geherrscht hat, der die Annahme befürworten würde, dass die Mietpreise in Wohnungen von Kleinvermietern höher als in Wohnungen von Großvermietern seien. Die im Vergleich zum Landes- oder Bundesdurchschnitt deutlich höhere Leerstandsquote (D.-R. 14 Prozent; Sachsen-Anhalt 9,5 Prozent; Bundesrepublik 4,5 Prozent; Zensus 2011) lässt darauf schließen, dass es offensichtlich mehr Wohnungsangebote als Nachfrager gab und sich dies auch auf eine sich annähernde Preisgestaltung beider Vermietergruppen, die in einem Wettbewerb zueinander stehen, ausgewirkt hat.

f)

Soweit in die Datenauswertung auch Wohnungen mit einer Größe von weniger als 35 m² eingeflossen sind, ist dies nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. Solche Wohnungen weisen zwar im Vergleich zu größeren Wohnungen einen höheren Mietpreis pro m² auf, so dass sich hier ggf. eine Verzerrung zugunsten der Kläger ergibt. Auch wenn die Leistungsbezieher nicht auf solche kleinen Wohnungen verwiesen werden können, sind sie nach Auffassung der Kammer jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn sie für den Wohnungsmarkt des Vergleichsraums üblich bzw. prägend sind. Im Stadtgebiet D.-R. gibt es eine Vielzahl an Wohnungen mit einer Größe von 32 m², 27 m² oder 24 m². Es handelt sich hierbei um Ein-Raum-Wohnungen, die in Plattenbauweise überwiegend in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts errichtet worden sind. Da dieser Wohnungstyp in D.-R. verbreitet ist, prägt er auch den örtlichen Wohnungsmarkt und ist in die Erhebung zur realitätsgerechten Abbildung einzubeziehen (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 19. Dezember 2013, L 7 AS 637/12, juris Rn. 156).

g)

Die Einbeziehung von Mieten, die älter als vier Jahre sind, ist nach Auffassung der Kammer ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar liegen diesen Mieten häufig langjährige Mietverhältnisse zugrunde, ohne dass die Miete zwischenzeitlich an die aktuelle Marktlage angepasst worden wäre. Dies führt dazu, dass es teilweise nicht möglich sein wird, Wohnungen zu den Bestandsmieten neu anzumieten. Das BSG führt in einer Entscheidung (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015, B 4 AS 44/14 R, juris Rn. 22) zu dieser Problematik aus: Bei der Festlegung der Angemessenheitsobergrenze müssen auch Angebotsmieten einbezogen werden. Anders ist dies nur bei einem Rückgriff auf Mietspiegeldaten, weil hier von vornherein nur solche Mieten berücksichtigt werden, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart worden sind (vgl. zur Aktualität von Mietspiegeldaten: BSG Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, juris Rn. 30 m.w.N.). Nicht unbeachtlich ist, dass der Gesetzgeber in § 558 Abs. 2 BGB in der Fassung vom 21. Dezember 2019 für die ortsübliche Vergleichsmiete nicht mehr auf Werte aus den letzten vier, sondern sechs Jahren abstellt. Dies dürfte sich in Zukunft auch auf die Erstellung von Mietspiegeln auswirken.

Für die Festlegung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch Satzungsregelung ist in § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 ausdrücklich bestimmt, dass in die Auswertung sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen sollen.

In die Datenauswertung des Beklagten sind sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten eingeflossen. Zudem hat der Konzeptersteller eine Ergebniskontrolle anhand der ermittelten Angebotsmieten vorgenommen (siehe dazu unter j). Durch die Erhebung von aktuellen Angebotsmieten und deren Gegenüberstellung mit den erhobenen Bestandsmieten wird sichergestellt, dass die ermittelten Mietpreise es den Grundsicherungsempfängern erlauben, zu den angegebenen Preisen auch tatsächlich Wohnraum anmieten zu können (zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b 18/06 R, juris Rn. 22).

h)

Den abstrakt angemessenen Wert für einfachen Wohnungsstandard hat der Beklagte nach Auffassung der Kammer nachvollziehbar festgelegt. Da die Mietdaten nicht nur im unteren Wohnungsmarktsegment, sondern über alle Wohnungsbestände mit einfachem, mittlerem und gehobenem Wohnungsstandard erhoben wurden, hat der Konzeptersteller eine plausible Ableitung für das untere Wohnungsmarktsegment vorgenommen.

Er hat im Rahmen einer Bedarfsabschätzung ermittelt, dass ca. 5.200 Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und ca. 900 Haushalte, die Sozialhilfe beziehen, im Stadtgebiet D.-R. existieren. Weiterhin gebe es ca. 1.400 Wohngeldbezieher. Die F+B ist davon ausgegangen, dass jeder Fall auch ein Haushalt ist, der eine Wohnung nachfragt. Dem wurden ein Sicherheitszuschlag von zehn Prozent für die Haushalte mit Niedrigeinkommensempfänger und ein Sicherheitsaufschlag von fünf Prozent aller Haushalte hinzugerechnet. Dies ergab einen Anteil an Haushalten, die auf preiswerten Wohnraum angewiesen sind, von 31,6 Prozent. Soweit das LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 17. Dezember 2018, L 4 AS 11/16, juris Rn. 91) darauf abstellt, dass dieser Wert nach Haushaltsgröße differiert und die Armutsgefährungs- und somit auch die Nachfragerquote insbesondere bei Ein- und Fünfpersonenhaushalten höher als der Durchschnittswert aller Haushalte liegt, spielt dies für die Beurteilung des hier vorliegenden Zweipersonenhaushalts keine Rolle.

Für die Festlegung der abstrakt angemessenen Kaltmiete hat sich der Beklagte nach Stadtratsbeschluss vom 29. April 2014 unter Berücksichtigung eines weiteren Sicherheitszuschlags auf den Schwellenwert des 40 Prozent-Quantils entschieden. Das bedeutet, dass 40 Prozent aller erhobenen Mieten unterhalb dieses Grenzwerts liegen. Dies ist nicht zu beanstanden, denn die Bestimmung des Grenzwerts beruht auf einem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren und auf der Grundlage repräsentativer Daten.

Der so - nach einem schlüssigen Konzept - ermittelte Nettokaltmietwert beträgt für einen Zweipersonenhaushalt 4,14 EUR/m².

i)

Hinzu addiert sich der durchschnittliche Wert für die kalten Betriebskosten. Hierfür hat der Konzeptersteller aus den erhobenen Mietdaten die kalten Betriebskostenvorauszahlungen nach Wohnungsgrößenklassen getrennt und jeweils den arithmetischen Mittelwert festgelegt. Diese Vorgehensweise ist methodisch nicht zu beanstanden, denn sie ist unter Einhaltung mathematisch-statistischer Grundsätze erfolgt. Auch sind die kalten Betriebskosten nicht wie die Heizkosten gesondert auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Deshalb ist es zulässig, beim Fehlen statistischer Daten zur Bestimmung der Betriebskosten gerade im unteren Wohnsegment auf die Durchschnittswerte aus den jeweiligen Mietverhältnissen zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R, juris Rn. 34; BSG, Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 13/12 R, juris Rn. 27).

Für einen Zweipersonenhaushalt ergeben sich durchschnittliche Betriebskosten von 1,30 EUR/m².

Die so ermittelte abstrakte Referenzmiete (BKM) beträgt 326,40 EUR ([4,14 EUR + 1,30 EUR] x 60 m²).

j)

Zur Feststellung der konkreten Angemessenheit ist dieser Referenzmietwert sowohl den Neuvertragsmieten als auch dem tatsächlichen Angebot gegenübergestellt worden. Von den für einen Haushalt von zwei Personen erhobenen 547 Neuvertragsmieten waren 303 zu dem Referenzmietwert anmietbar (vgl. Methoden- und Ergebnisbericht, S. 17). Von den für einen Haushalt von zwei Personen erhobenen 40 Angebotsmieten waren 10 zu dem Referenzmietwert anmietbar (vgl. Methoden- und Ergebnisbericht, S. 21). Da hier 25 Prozent der Angebotsmieten und 55,5 Prozent der Neuvertragsmieten nach ihrem Produktwert aus Quadratmetern und Quadratmeterpreis innerhalb des Referenzmietwerts gelegen haben, ist es nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden, dass der Konzeptersteller keine weitere Korrektur des bereits ermittelten Referenzmietwerts vorgenommen hat. Denn diese Daten bestätigen, dass angemessener Wohnraum auch in ausreichendem Maße anmietbar war. Zwar ist der den Angebotsmieten gegenübergestellte Wert hier geringer als der gegenüber den Neuvertragsmieten. Dies liegt jedoch daran, dass nur ein Teil des Wohnungsangebots über Internetportale und die Presse angeboten bzw. zu den dort angebotenen Preisen tatsächlich realisiert wird. Die Kammer hält hier den Wert der Neuvertragsmieten für ausschlaggebender, denn zu diesen Preisen sind Mietverhältnisse letztlich tatsächlich abgeschlossen worden.

k)

Nach Auffassung der Kammer folgte auch die Indexfortschreibung für die Zeit ab dem 1. Mai 2016 anerkannten statistischen Grundsätzen. Bezüglich des Zeitraumes und der Vorgehensweise hat sich die F+B an der Veränderung des Verbraucherpreisindexes und damit an den Vorgaben, die gesetzlich (§ 558d Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch) für die Aktualisierung qualifizierter Mietspiegel vorgesehen sind mit einer Aktualisierung nach Ablauf von zwei Jahren, orientiert. Da das BSG generell auch qualifizierte Mietspiegel als taugliche Grundlage zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten erachtet, hat die Kammer bezüglich dieser Vorgehensweise keine Bedenken. Demnach ist im Zeitraum von Juli 2013 bis Dezember 2015 ein Anstieg in Höhe von 2,3 Prozent zu ermitteln. Für einen Zweipersonenhaushalt ergibt sich hieraus eine maximal angemessene BKM von 336,84 EUR.

l)

Soweit die Kosten der Unterkunft den angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gleichwohl als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf sonstige Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Der Beklagte hatte die Klägerin erstmals mit Bescheid vom 29. Oktober 2013 und nach Inkrafttreten seiner Richtlinie erneut mit Bescheid vom 12. März 2015 auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG erfordert eine wirksame Kostensenkungsaufforderung die Bezeichnung der angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft durch das Jobcenter und stellt ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen Aufwendungen einzutreten (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R, juris Rn. 33; BSG, Urteil vom 15. Juni 2016, B 4 AS 36/15 R, juris Rn. 15 m.w.N.). Jedenfalls die Kostensenkungsaufforderung vom 12. März 2015 erfüllt die Anforderungen an ein solches Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden darüber aufgeklärt, dass der Beklagte die seiner Ansicht nach unangemessenen KdUH längstens bis zum 30. September 2015 übernimmt.

Die Darlegungslast für eine fehlende Möglichkeit und/oder die Unzumutbarkeit der geforderten Kostensenkung liegt zunächst beim Leistungsberechtigten. Nur bei schlüssiger Darlegung vergeblicher Suchaktivitäten liegt die Beweislast für eine zumutbare Kostensenkung bei der Behörde. Es müssen daher stets Einwände zur Unmöglichkeit eines Wohnungswechsels vorgebracht werden (BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 4 AS 43/06 R, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 32/09 R, juris Rn. 13). Für den hier streitigen Bewilligungszeitraum von Oktober 2015 bis März 2016 war auch die Frist von sechs Monaten abgelaufen, ohne dass die Klägerin durchgreifende Gründe für eine Unzumutbarkeit der Kostensenkung oder eine Unmöglichkeit eines Umzugs geltend gemacht hat (konkrete Angemessenheit).

2.

Zu der angemessenen BKM von 336,84 EUR kommen noch die angemessenen Heizkosten von 100,50 EUR pro Monat. Auch Heizkosten werden nach § 22 Abs. 1 SGB II nur dann in tatsächlicher Höhe übernommen, wenn diese angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG ist regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen, wenn ein bestimmter Grenzwert des von der c. gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Bundesweiten Heizspiegel" überschritten wird (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 70/08 R, juris Rn. 19). Ein Indiz für unangemessene Heizkosten liegt dann vor, wenn die tatsächlichen Heizkosten die Obergrenze aus dem Produkt des Werts für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in m²) überschreiten. Dabei ist auf den jeweiligen bundesweiten Heizspiegel abzustellen, der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R, juris Rn. 25).

Dies ist der Grenzwert des zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung (hier Bescheid vom 20. September 2016) vorliegenden bundesweiten Heizspiegels 2015 (Abrechnungsjahr 2014). Dieser wurde am 8. Oktober 2015 veröffentlicht. Danach errechnen sich für die mit Fernwärme beheizte Wohnung der Klägerin, welche sich in einem Gebäude mit einer Gesamtfläche von 1.149,61 m² befindet, angemessene Heizkosten von monatlich 100,50 EUR (20,10 EUR mal 60 m² geteilt durch 12 Monate). Selbst wenn man aufgrund der Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung auf den Grenzwert des zum Zeitpunkt der endgültigen Leistungsbewilligung (Bescheid vom 23. März 2017) vorliegenden bundesweiten Heizspiegel 2016 (Abrechnungsjahr 2015) abstellt, ergäben sich keine höheren angemessenen Heizkosten. Nach diesem am 2. November 2016 veröffentlichten Heizspiegel errechnen sich ebenfalls angemessene Heizkosten von 100,50 EUR.

Bei Überschreiten dieses Grenzwerts obliegt es den Klägern, Gründe dafür vorzubringen, dass ihre Aufwendungen im Einzelfall gleichwohl als angemessen anzusehen sind. Hierzu haben sie jedoch nichts vorgetragen und klargestellt, dass die Höhe der übernommenen Heizkosten nicht angegriffen wird. Soweit der Beklagte hier Heizkosten von 102 EUR berücksichtigt hat, war dies durch die Kammer nicht zu verbösern.

3.

Die Kostensenkung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil ein Umzug unwirtschaftlich wäre. Die Differenz zwischen den tatsächlichen und den als angemessen berücksichtigten Aufwendungen beträgt im streitigen Zeitraum monatlich 151,66 EUR. Angesichts dieser Differenz drängt sich eine Gesamtwirtschaftlichkeitsprüfung (KdUH im Vergleich zu den mit einem Umzug verursachten Kosten eines Umzugs) nicht auf.

Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Januar 2017 sind für die Klägerin neben dem im Berechnungsbogen zum Bescheid vom 23. März 2017 ausgewiesenen Regelbedarf die gewährte angemessene BKM von 336,86 EUR zuzüglich Heizkosten von 102 EUR je zur Hälfte pro Monat zu berücksichtigen. Es ergab sich ein monatlicher Bedarf der Klägerin von 583,43 EUR bzw. ab Januar 2017 von 587,43 EUR.

4.

Von diesem Bedarf ist das Einkommen des Ehemanns aus seiner Beschäftigung als Taxifahrer abzusetzen. Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Recht dieses Einkommen nicht mehr nach dem tatsächlichen Zufluss, sondern gemäß § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II nach dem Durchschnitt (1.171,09 EUR brutto bzw. 929,55 EUR netto) berücksichtigt. Es ergab sich ein anrechenbares Einkommen von monatlich 632,44 EUR.

Hieraus errechnet sich ein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft von monatlich 534,42 EUR und der Klägerin von monatlich 267,21 EUR in der Zeit von Oktober bis Dezember 2016 und von 542,42 EUR bzw. 271,21 EUR im Januar 2017. Abzüglich vorläufig bewilligter Leistungen verbleibt ein Erstattungsanspruch zu Lasten der Klägerin von 115,24 EUR.

Nach Annahme des abgegebenen Teilanerkenntnisses war die Klage daher abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Obsiegenquote der Klägerin in Form des angenommenen Teilanerkenntnisses war im Verhältnis zu den begehrten Leistungen so gering, dass eine Beteiligung des Beklagten an den Kosten nicht angezeigt war.

III.

Die Berufung war zuzulassen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt 340,56 EUR und erreicht nicht die Beschwerdesumme von 750 EUR für eine Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Die Berufung ist jedoch gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Notwendig ist insofern, dass die Streitsache eine bislang ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtssicherheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, § 144 Rn. 28). Die Frage der Schlüssigkeit des Konzepts zur Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt D.-R. hat im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle, auf die dieses angewendet wird, nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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