Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 KR 4484/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf onkologische Behandlung mit Protonenstrahlen nach den vom Bundesverfassungsgericht (Entscheidung vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98) entwickelten, und in § 2 Abs. 1a SGB V normierten Anforderungen an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung der Aufwendungen für eine Protonentherapie. Die im Jahre 1949 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin (nunmehr: Versicherte) ist am xx.xx.2019 verstorben. Der Rechtsstreit wird von ihrem Ehemann, der mit der Versicherten zum Zeitpunkt ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, weitergeführt.
Die Versicherte erkrankte im März 2017 an einem Urothelkarzinom. Noch im April 2017 sowie anschließend im Juli 2017 nach Verdacht auf ein Rezidiv eines Rektumkarzinoms wurde sie vom Klinikum C-Stadt sowie von der M-Klinik A-Stadt operativ versorgt.
Danach wandte sie sich an die P. AG R. (Trägerin des R. Center, nunmehr R. Klinik), die ihr am 01.08.2018 einen Kostenvoranschlag über 29.550 EUR für die Anwendung einer Protonenbestrahlung ausfertigte. Eine Protonentherapie sei für das vorliegende Harnblasenkarzinom eine geeignete Behandlungsform. Diese Therapie würde im Vergleich zu einer herkömmlichen Strahlentherapie eine bessere Konzentration der Strahlung auf den Tumor und somit eine bessere Schonung des den Tumor umgebenden gesunden Gewebes ermöglichen. Hierdurch käme es zu deutlich geringeren Nebenwirkungen. Die Behandlung würde aus voraussichtlich 28 Einzel-Bestrahlungen bestehen, welche von Montag bis Freitag durchgeführt würden. Die Kostenübernahme seitens der Krankenkasse sei zu klären. Hierbei sei auch nachzufragen, ob die Abrechnung der Vergütung pauschal gemäß Modell AOK Bayern oder nach Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gewünscht sei. Die R. Klinik beantragte mit Schreiben vom 27.07.2018 sodann die Kostenübernahme für die Versicherte bei der Beklagten. Die Beklagte verbescheidete den Antrag mit Bescheid vom 13.08.2018 ablehnend. Die beantragte ambulante Therapie sei nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Es handle sich daher um eine neue Behandlungsmethode. Es liege keine Empfehlung über die Anerkennung des therapeutischen Nutzens der ambulanten Protonentherapie durch den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vor. Die Universitäts Protonen Therapie D-Stadt im Universitätsklinikum C. in D-Stadt biete für onkologische Erkrankungen ebenfalls eine Protonenbehandlung an. Protonen sollten vor allem bei solchen Patienten zum Einsatz kommen, bei denen eine reguläre Strahlentherapie aufgrund der Lage der Krebstumoren zu anderen lebenswichtigen Strukturen nicht möglich sei. Die Beklagte habe mit dieser Klinik einen Vertrag geschlossen. Die Behandlung könne dort natürlich nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass die D-Städter Strahlentherapeuten ebenfalls eine Indikation für die Bestrahlung mit Partikeln sehen würden und das vorliegende Krankheitsbild im Behandlungsvertrag abgebildet sei. Weitere Alternativen für die Behandlung seien das E-Städter Ionenstrahltherapiezentrum sowie das Westdeutsche Protonentherapiezentrum F-Stadt, mit denen die Beklagte ebenfalls Verträge abgeschlossen habe.
Hiergegen erhob die Versicherte am 06.09.2018 Widerspruch. Wenn die Ablehnung nur darauf abzielen würde, dass die Behandlung ambulant vorgesehen sei, sei sie gerne bereit, diese auch stationär vornehmen zu lassen. Die Behandlung würde ja generell von der Beklagten nicht abgelehnt werden, da sie ja der Versicherten Kliniken genannt habe, die die Behandlung durchführen würden. Andere Krankenkassen würden die Behandlungskosten übernehmen.
Die Beklagte ließ daraufhin ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK Bayern) erstellen. Mit Gutachten vom 10.10.2018 wird dargelegt, dass die von den Ärzten empfohlene adjuvante Therapie (Radiotherapie, Chemotherapie) von der Versicherten abgelehnt worden sei. Im Juni 2018 sei ein ausgedehntes Rezidiv im kleinen Becken diagnostiziert worden. Daraufhin sei die streitgegenständliche Protonentherapie beantragt worden. Unklar sei, ob derzeit Fernmetastasen bestehen würden. Eine Operation sei chirurgisch geprüft und als nicht möglich erachtet worden. Eine Strahlen- oder Chemotherapie gemäß der Empfehlung des interdisziplinären Tumorboards der M-Klinik A-Stadt sei von der Versicherten abgelehnt worden. Bei einem ausgedehnten Rezidiv eines Urothelkarzinoms mit Differentialdiagnostik Rektumkarzinom nach zweimaliger Voroperation sei die Einleitung einer Therapie medizinisch nachvollziehbar und die Versicherte habe einen Anspruch auf eine Therapie. Eine lebensbedrohliche und potentiell tödlich verlaufende Erkrankung würde bei der Versicherten vorliegen. Als Therapie würde eine Hochpräzisionsbestrahlung mit verschiedenen Bestrahlungstechniken zur Verfügung stehen. Die Strahlentherapie auch in Kombination mit Chemotherapie sei ein etabliertes und wirksames Verfahren zur Behandlung sowohl von inoperativen Urothel- als auch Rektumkarzinomen. Eine Protonentherapie sei hierbei eine Spezialform der perkutanen Strahlentherapie, d.h. wenn eine Strahlentherapie mittels Photonen wirksam ist, dann sei auch eine solche mit Protonen wirksam. Durch die strahlenbiologische und physikalische Wirkungsweise der Partikel im Körper könne ermöglicht werden, eine hohe Dosis im Bereich eines Tumors zu erzielen mit einer nur geringen Strahlenbelastung des gesunden umgebenden Gewebes. Wie gemäß Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie vom Juni 2015 ausgeführt, sei nicht für jede Indikation geklärt, ob ein physikalischer Vorteil der Protonentherapie auch zu einem relevanten klinischen Vorteil führen würde. Ob im Falle der Versicherten eine Strahlentherapie am Linearbeschleuniger als vertragliche Methode geprüft worden sei, sei den eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen. Im Schreiben der R. Klinik werde nur allgemein auf die häufig bessere Dosisverteilung einer Protonenbestrahlung im Vergleich zu einer Photonenbestrahlung hingewiesen. Ein definierter Vorteil einer Protonentherapie im Vergleich zu einer Photonentherapie ließe sich anhand der Unterlagen letztlich weder bejahen noch verneinen.
Die Protonentherapie eines Urothelkarzinomrezidivs sei bisher vom G-BA nicht bewertet worden. Daher stelle die Behandlung mangels positiven Votums keine Leistung für die gesetzliche Krankenkasse dar. Somit könne auch nicht über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet werden. Der G-BA habe zwar eine stationäre Protonentherapie im Krankenhaus (die R. Klinik ist insoweit im Krankenhausplan des Freistaats Bayern geführt) zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung als möglich angesehen, jedoch sei vorliegend zweifelhaft, ob eine Behandlung unter stationären Bedingungen vorliegend erforderlich sei. Sofern die Behandlung stationär erfolgen würde, bestehe die Möglichkeit, diese nach DRG abzurechnen, sofern keine primäre oder sekundäre Fehlbelegung vorliegen würde.
Bezüglich der Voraussetzungen für eine Kostenerstattung aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nunmehr kodifiziert in § 2 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei der zweite Punkt nicht erfüllt, da eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung stehen würde. Mit einer Strahlentherapie am Linearbeschleuniger oder an den Protonenzentren in D-Stadt, E-Stadt oder F-Stadt hätten Behandlungsalternativen auf Vertragsbasis zur Verfügung gestanden, sofern die Indikation an der entsprechenden Einrichtung bestätigt werden würde.
Daraufhin empfahl die Beklagte mit Schreiben vom 17.10.2018 eine Kontaktaufnahme mit den Vertragskliniken in D-Stadt, E-Stadt und F-Stadt. Gleichwohl hat die Versicherte die Behandlung in der Klinik R. in der Zeit vom 11.10.2018 bis zum 21.10.2018 ambulant durchführen lassen. Für diese Therapie sind insgesamt Kosten in Höhe von 29.550 EUR entstanden und von der Versicherten privat bezahlt worden.
Mit weiterer Widerspruchsbegründung vom 29.11.2018 des anwaltlichen Klägerbevollmächtigten wird eine Kostenerstattung geltend gemacht, da die Ablehnungsentscheidung rechtswidrig gewesen sei. Die durchgeführte Behandlung habe zu einer Reduktion des Tumorvorkommens um 70 % geführt. Damit sei ein wesentliches Therapieziel, namentlich die Linderung einer Krankheit, erreicht worden. Es würde nicht einleuchten, weshalb die Versicherte nur mit einem Vertragspartner der Beklagten die Behandlung durchführen lassen könne, da ihr damit jeglicher Einfluss auf die Bestimmung des Vertragspartners genommen würde. Eine auswärtige Behandlung sei aufgrund der im konkreten Fall erforderlichen Bluttransfusionen nicht möglich und aus gesundheitlicher Sicht auch nicht zumutbar gewesen. Die Versicherte habe in den Zeiträumen vom 02.07.2018 bis zum 06.07.2018 und am 17.09.2018 in der M-Klinik A-Stadt und an den Tagen 13.07.2018, 23.07.2018, 31.07.2018, 01.08.2018 und 21.08.2018 im MVZ A-Stadt jeweils zwei Beutel Bluttransfusionen erhalten. Zumindest müsse die Beklagte im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens die Ausnahmesituation des vorliegenden Falls berücksichtigen. So habe zum Beispiel die AOK Bayern mit der R. Klinik einen Behandlungsvertrag geschlossen. Eine Versagung des Kostenanspruchs alleine aufgrund des nicht richtig ausgewählten Orts sei nicht gerechtfertigt und gleichheitswidrig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2018 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Es würde eine Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) vorliegen, für die keine Empfehlung des G-BA vorliegen würde. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, kodifiziert in § 2 Abs. 1a SGB V, würde zu keiner anderen Einschätzung führen. Die M-Klinik habe den Krankheitsfall der Versicherten zweimal im Tumorboard besprochen und der Versicherten ein onkologisches Gespräch angeboten bzw. empfohlen. Die Diagnostik sei auch noch nicht in allen Punkten abgeschlossen gewesen. Aus Sicht der M-Klinik hätte eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung wie zum Beispiel eine Radio- und Chemotherapie zur Verfügung gestanden. Gegenteilige ärztliche Aussagen seien im Widerspruchsverfahren nicht übersandt worden. Daher seien die Kriterien von § 2 Abs. 1a SGB V nicht erfüllt. Auch der MDK Bayern habe bestätigt, dass als vertragliche Behandlungsmöglichkeit die Photonenbestrahlung infrage gekommen sei. Es würden keine wissenschaftlich gesicherten Ergebnisse vorliegen, die eine Überlegenheit der beantragten Protonentherapie gegenüber der vertraglichen Alternative belegen würden. Ein Notfall habe ebenfalls nicht vorgelegen, so dass ein Erstattungsanspruch ausscheiden würde.
Hiergegen richtet sich die Klage der Versicherten zum Sozialgericht München vom 27.12.2018, die vom Kläger nach deren Tod weitergeführt wurde. Nach Urothelkarzinom und einem Rektumkarzinom als Rezidiv sei bei der Versicherten ein Teil der Blase entfernt worden und nach Darm-OP ein künstlicher Darmausgang verlegt worden. In der Folge sei allerdings an der Blasenwand erneut Krebs aufgetreten und im Darm sei es zu starken Blutungen mit großem Blutverlust und der Erforderlichkeit von Bluttransfusion gekommen. Eine weitere operative Behandlung sei nach Aussage der zuständigen Ärzte nicht möglich gewesen. Aus diesem Grund habe sich die Versicherte auf ärztlichen Rat hin entschieden, die streitgegenständliche Protonentherapie durchzuführen. Es werde davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1a SGB V vorliegen würden.
Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2018 verurteilt, die Kosten für die streitgegenständliche, ambulant durchgeführte Protonentherapie in der R. Klinik in Höhe von 29.550 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angegriffenen Widerspruchsbescheid und auf das zugrunde liegende Gutachten des MDK Bayern.
Auf Bitte des Gerichts wurden seitens der Klägerbevollmächtigten alle Befundberichte bezüglich der Krebserkrankungen der Versicherten vorgelegt. Auf Nachfrage des Gerichts wurde seitens der Klägerbevollmächtigten am 19.08.2019 unter Vorlage der Rechnung vom 26.11.2018 über 29.550 EUR bestätigt, dass eine ambulante Protontherapie durchgeführt worden sei.
Mit richterlichem Hinweis vom 16.09.2019 wies das Gericht darauf hin, dass nach seinerzeitigem Stand weder eine Notfallbehandlung noch ein Fall von § 2 Abs. 1a SGB V vorgelegen habe. Mit Schriftsatz vom 27.09.2019 wurde sodann von der Klägerbevollmächtigten dargelegt, dass durch die Größe des Tumors und durch das hierdurch bedingte Abdrücken der Versorgung im rechten Bein eine Thrombose ausgelöst worden sei. Daher sei eine unmittelbare Behandlung notfallmäßig erforderlich geworden. Ein weiteres Zuwarten sei nicht möglich gewesen. Auch sei die angegriffene Entscheidung rechtswidrig, da die AOK Bayern diese Therapie in der R. Klinik noch zahlen würde und die Beklagte dies früher auch gemacht habe. Die Protonentherapie in der von der Beklagten vorgeschlagenen Kliniken sei von der Versicherten nicht abgelehnt worden, sondern sei erkrankungsbedingt unmöglich gewesen. Die Versicherte habe aufgrund ihrer schweren Krebserkrankung weder die Wegstrecke in das Zentrum der Universitäts Protonen Therapie D-Stadt noch in das Therapiezentrum E-Stadt auf sich nehmen können. Auf Nachfrage des Gerichts wird weiter am 28.10.2019 ausgeführt, dass ein Schriftstück bezüglich der Reiseunfähigkeit niemals ausgestellt worden sei. Jedoch habe der behandelnde Arzt Dr. E. vom Krebszentrum MVZ Prof. S. in A-Stadt ausdrücklich von einer weiten Anreise nach D-Stadt, E-Stadt oder F-Stadt ärztlich abgeraten. Grund sei gewesen, dass die Versicherte zum maßgeblichen Zeitpunkt eine starke Thrombose im rechten Bein gehabt und laufend Blut verloren habe.
Das Gericht hat sodann Beweis erhoben durch Einholung des Befundberichts des MVZ Prof. S. Dieses führte am 17.01.2020 aus, dass sich die Behandlung vom 13.07.2018 bis zum 20.08.2018 erstreckt habe. Die Versicherte habe über Atemnot bei Belastung und eine allgemeine Schwäche aufgrund einer GI-Blutung unter oraler Antikoagulation gelitten. Auch habe sie über Schmerzen bei deutlichem Ödem des rechten Beins bei tiefer Beinvenenthrombose geklagt. Es sei ein fortgeschrittenes Urothelkarzinom festgestellt worden und die Blutungsquelle in der M-Klinik evaluiert worden. Nach Pausieren der Antikoagulation habe die Blutung gestoppt werden können. Aufgrund der doch leider dann wieder andauernden Blutung sei wiederholt eine Transfusion notwendig geworden, worunter sich der Allgemeinzustand immer verbessert habe. Die Versicherte habe eine systemische Therapie mit einem Checkpointinhibitor oder eine Chemotherapie wiederholt abgelehnt. Auch eine indizierte stationäre Behandlung habe die Versicherte in Kenntnis der schwerwiegenden Erkrankung abgelehnt. Dr. E. habe zumindest eine lokale Radiatio zur Kontrolle der Beschwerden empfohlen, worauf sich die Versicherte in der R. Klinik vorgestellt habe.
Dr. E. habe im Oktober 2018 keinen Kontakt zu der Versicherten gehabt. Der letzte Kontakt habe am 21.08.2019 zur Transfusion von Erythrozytenkonzentrat bestanden. In Anbetracht der bestehenden GI-Blutung und des Harnstaus habe stets die Indikation zu einer stationären Versorgung bestanden. Bei dieser Blutung sei ein so langer Transport zu den Kliniken in F-Stadt, E-Stadt oder D-Stadt nicht zu rechtfertigen gewesen.
Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Beauftragung des Onkologen Dr. F. mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens (Beweisanordnung vom 04.02.2020).
Der Sachverständige legte sein Gutachten vom 11.05.2020 vier Tage später dem Gericht vor. Er würdigte ausführlich den in den Akten enthaltenen medizinischen Sachverhalt. Bei der Versicherten habe ein Urothelkarzinom (Erstdiagnose April 2017), ein Rektumkarzinom (Erstdiagnose Juli 2017), eine tiefe Venenthrombose (07.06.2018), eine chronische Niereninsuffizienz (Juni 2019), eine Poliurie (März 2017), ein Zustand nach rezidivierenden oberen GI-Blutungen (Mai 2019), eine Hypothyreose, ein Ex-Nikotinabusus, eine Diclofenac-Unverträglichkeit und eine Osteopenie vorgelegen.
Bei der Klägerin sei auch aus ex ante-Sicht eine vollständige Blasenentfernung leitliniengerecht gewesen, wobei unklar sei, weshalb diese nicht erfolgte. Es finde sich hingegen der Hinweis, dass die vom interdisziplinären Tumorboard empfohlene adjuvante Nachbehandlung mittels Strahlentherapie und Chemotherapie von der Versicherten abgelehnt worden sei. Im Juli 2017 sei ein fortgeschrittenes Karzinom des Enddarms diagnostiziert worden mit der Anlage eines endständigen Descendostomas. Ohne aktenkundige zytostatische Behandlung sei im Juli 2018 ein Rezidiv im Bereich des kleinen Beckens festgestellt worden.
Aus den beiden aktenkundigen Berichten von Dr. E. vom 16.07.2018 und vom 17.01.2020 gehe nicht hervor, dass er die Vorstellung der Versicherten in der R. Klinik zur Protonenbestrahlung empfohlen habe. Nach Ablehnung der zytostatischen Maßnahmen sei bei festgestelltem inoperablem Befund und aufgrund der Niereninsuffizienz eine lokale Strahlentherapie dringend und möglichst ohne Verzögerung indiziert gewesen. Trotz der mittelgradig eingeschränkten Nierenfunktion sei zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich/theoretisch auch eine zytostatische Chemotherapie möglich gewesen (vergleiche Blatt 25 des Gutachtens zu den vorhandenen Zytostatika). Zur Strahlen-Behandlung des inoperablen Blasentumors hätten zwei Behandlungsmodalitäten zur Verfügung gestanden: die Bestrahlung mittels Photonen oder mittels Protonen. Beide Bestrahlungsarten könnten mittels Hochpräzisionsbestrahlungsgeräten mit hoher Genauigkeit im Zielbereich des Tumors bei größtmöglicher Schonung des umgebenden gesunden Gewebes durchgeführt werden. Dabei sei es durch die strahlenbiologische und physikalische Wirkweise der Protonenpartikel im Körper möglich, im Vergleich zur Photonentherapie die Strahlendosis im Bereich des Tumors noch präziser zu verabreichen.
Von den Behandlern in der R. Klinik sei als Argument für die zu bevorzugende Wahl der Protonentherapie das Ziel einer Schonung der in unmittelbarer Tumornachbarschaft gelegenen Dünndarmschlingen genannt worden. Hierzu sei jedoch auszuführen, dass bei endoskopisch und auch bildgebend vorliegendem Verdacht einer tumorösen Infiltration und dadurch bedingten rezidivierenden Blutungen in diesem Fall eine Aussparung des Kontaktbereichs im kleinen Becken und der benachbarten, überwiegend wahrscheinlich tumorös infiltrierten Darmschlingen gar nicht indiziert gewesen sei. Es habe also insofern kein Hinderungsgrund für die herkömmliche Photonentherapie bestanden.
Zudem könnten bei beiden Therapieformen gleichwertig ausreichend hohe Dosierungen erzielt werden. Bei der hier angewandten Protonentherapie seien auch unter Zielvolumeneingrenzung im Tumorkern nicht mehr als 60 Gy (Gray) Gesamt-Strahlendosis verabreicht worden. Bei gleicher Bestrahlungsintensität würde sich die biologische Wirksamkeit der beiden Bestrahlungsformen auf das Tumorgewebe nicht unterscheiden.
Ein Vorteil der Protonentherapie im Hinblick auf die Verträglichkeit der Behandlung sei im Fall der Versicherten theoretisch durchaus möglich und nicht unwahrscheinlich. Im Einzelfall sei dies naturgemäß nicht nachweisbar, somit also spekulativ. Auch ließe sich nicht nachweisen, ob im Fall der Versicherten durch die Protonentherapie ein prognostischer Vorteil zu erzielen gewesen sei. Auch dies sei nicht ausgeschlossen. Die im Vergleich zur Behandlung mit Protonen nicht so scharf abgrenzbaren Strahlenvolumina der Photonentherapie mit dadurch bedingter vergleichsweise geringerer Schonung des umliegenden gesunden Gewebes führe aus onkologischer Sicht andererseits zu dem Vorteil, dass bildgebend nicht nachgewiesene Tumor-Ausläufer mit der Photonen-Linear-Beschleunigungermethode sicherer erfasst würden. Damit würde theoretisch eine bessere lokale Tumorkontrolle erzielt werden.
Im Hinblick auf die schweren Gesundheitsstörungen der Versicherten im Juli/ August / September 2018 sei eine Transportfähigkeit zu den Protonenzentren in E-Stadt, D-Stadt oder F-Stadt nicht gegeben. Bei der Versicherten habe im Oktober 2018 somit eine lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen. Die streitige Protonentherapie sei vorliegend nicht als stationäre Leistung erbracht worden. Als andere, allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode habe die systemische zytostatische Chemotherapie und Immuntherapie zur Verfügung gestanden, alleine oder in Kombination mit einer perkutanen Strahlentherapie mittels Linearbeschleuniger (Photonenbestrahlung). Diese habe auch ohne begleitende Verabreichung von Zytostatika wohnortnah zur Verfügung gestanden, beispielsweise im Klinikum G. Der Versicherten wäre es unter Berücksichtigung des Krankheitsstandes möglich gewesen, dort in angemessener Zeit behandelt zu werden.
Durch die angewandte Protonentherapie-Behandlung habe eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden, nicht jedoch auf Heilung. In Bezug auf die Wirksamkeit würde sich die Behandlung der angewandten Protonentherapie nicht nachweislich von der zur Verfügung stehenden Standardtherapie mittels Photonenbestrahlung unterscheiden. Ein größerer Heilerfolg der angewandten Protonentherapie im Vergleich zu einer Photonenbestrahlung sei nicht zu erwarten gewesen.
Die Versicherte sei im Oktober 2018 reiseunfähig gewesen. Eine Reise sei auch nicht mittels eines Krankentransportfahrzeugs zumutbar gewesen. Sowohl die streitgegenständliche Protonentherapie als auch eine alternative Bestrahlung mit Photonen sei im Oktober 2018 unaufschiebbar gewesen. Jedoch sei im Oktober 2018 bzw. vor Oktober 2018 eine Photonenbestrahlung möglich gewesen.
Die Beklagte sah sich sodann in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, da eine Photonenbestrahlung als Kassenleistung vor Oktober 2018 oder im Oktober 2018 möglich gewesen wäre und medizinisch gleich geeignet gewesen sei. Der Kläger ließ am 08.06.2020 vortragen, dass es für ihn nicht nachvollziehbar sei, dass der Sachverständige annehmen würde, dass eine Behandlung mit Photonenbestrahlung wohnortnah in A-Stadt beispielsweise im Klinikum G. möglich gewesen sei. Vor Beginn der hier streitgegenständlichen Protonentherapie habe der Kläger für die Versicherte eben gerade die Möglichkeiten einer wohnortnahen Photonenbestrahlung ermittelt und sich hierbei sogar schriftlich per Fax am 23.07.2018 mit dem Cyberknife-Zentrum des Klinikum G. in A-Stadt in Verbindung gesetzt und dort leider nur telefonisch die Rückantwort erhalten, dass mit dem Cyberknife nur kleine Herde behandelt werden könnten, nicht aber die vorliegend betroffenen großflächigen Bereichen. Mit ergänzender Stellungnahme vom 23.07.2020 führte der Sachverständige aus, dass eine Behandlung mit dem Cyberknife-Verfahren in dem Fall der Versicherten nicht indiziert gewesen sei und in den zur Verfügung gestellten Unterlagen keine Erwähnung gefunden habe, sodass er es in seinem Gutachten vom 11.05.2020 nicht eigens erörtert habe. Bei der Strahlentherapie werde eine hohe Dosis ionisierender Strahlen in einen lokal begrenzten Körperbereich (das sogenannte Zielvolumen) eingestreut. Bei der Brachy-Therapie werde eine Strahlenquelle in unmittelbarer Nähe oder direkt innerhalb des zu bestrahlenden Gebiets platziert. Bei der Tele-Therapie (um die es hier gehe) befinde sich die Strahlenquelle in räumlicher Entfernung zum Tumor. Dabei würden die meist im Körperinneren liegenden Tumoren von außen durch die Haut hindurch bestrahlt (perkutane Strahlentherapie). Bei der Tele-Therapie könnten Photonen (ultraharte Röntgenstrahlung) oder Protonen zum Einsatz kommen. Letztere würden sich in ihrer Wirkung auf bestrahltes Gewebe kaum von Photonen unterscheiden. Die streng lokalisierte Energieabgabe in der Tiefe des Gewebes würde auch Probleme bergen: Bereits geringfügige Lageabweichungen des Patienten könnten zu erheblichen Abweichungen zwischen angestrebter und tatsächlich erzielter Dosisverteilung im kranken Gewebe führen. Hieraus würde sich eine relative Kontraindikation der Protonenbestrahlung bei Tumoren mit möglicher Infiltration in angrenzenden Darmschlingen ergeben, wie es im Fall der Versicherten beschrieben wurde.
Die Bestrahlung mit Photonen habe in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung gemacht und ermögliche auch bei komplexen Zielvolumina eine exakte Anpassung der Dosisverteilung an das Zielvolumen. Damit ließe sich die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Nebenwirkungen reduzieren. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei die Photonenbestrahlung mit diesen modernen Techniken wohnortnah an fünf verschiedenen Orten angeboten worden (vergleiche Bl. 206 der Gerichtsakte).
Bei dem Cyberknife-Verfahren würden hingegen hochenergetische Photonenstrahlen aus einem Linearbeschleuniger auf den Tumor gelenkt. Der Strahler sei an einen Roboterarm befestigt, der mit dem computergesteuerten Lokalisierungssystem gekoppelt sei. Das System verfolge und korrigiere während der Behandlung alle Bewegungen des Patienten, die innerhalb einer Spannbreite von 10 mm liegen würden. Damit sei es möglich, Tumore im Bereich der Wirbelsäule und im Bereich von beweglichen Organen wie Lunge, Leber oder Bauchspeicheldrüse zu bestrahlen. Besonders kleinere Tumore mit klarer Abgrenzung und an nicht gut operablen Stellen seien für dieses Verfahren indiziert. Daher sei die Ablehnung der Behandlung im Cyberknife-Zentrum verständlich. Das Europäische Cyberknife-Zentrum sei nicht Bestandteil der Universitätsklinik G., sondern eine Privatpraxis. Unklar bliebe, wer die Versicherte an dieses Zentrum verwiesen habe, ob es sich um ein Missverständnis oder einfach um einen Versuch von ihr gehandelt habe.
Trotz dieser ergänzenden Stellungnahme führte die Aktivpartei am 01.09.2020 aus, dass unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 1a SGB V die vorliegend streitgegenständliche Behandlung zulasten der Beklagten zu erstatten sei. Der Kläger bitte um eine gerichtliche Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist möglich, da die Beteiligten diesem zugestimmt haben.
Das Verfahren war durch den Tod der Versicherten aufgrund ihrer prozessualen Vertretung nicht unterbrochen (§§ 202 SGG - i.V.m. § 246 Abs. 1 S. 1 Zivilprozessordnung). Der Kläger als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten (§ 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I) ist prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert. Insbesondere ist der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf eine "laufende Geldleistung" gerichtet, da die Versicherte zu einer Vorfinanzierung für mehrere Zeitabschnitte gezwungen war (vgl. BSG, Urteil vom 08. September 2015 - B 1 KR 14/14 R -, Rn. 24, juris, zur dort ebenfalls strittigen Protonentherapie). Auch lebten der Kläger und die Versicherte zur Zeit des Todes der Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt.
Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Hierbei ist der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht gem. § 59 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) erloschen, da der Anspruch zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten bereits gerichtsanhängig war.
Die Versicherte und der Kläger als ihr Sonderrechtsnachfolger hatten bzw. haben jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der verauslagten Kosten in Höhe von 29.550 EUR. Die angegriffenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) auf Erstattung der Kosten für die streitgegenständliche Behandlung der Versicherten. Diese Kosten für die Beschaffung der ärztlichen Behandlung sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte.
Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG) in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10, 11 m.w.N). Die Bestimmung erfasst hier nur Kosten, die dem Versicherten bei regulärer Leistungserbringung nicht entstanden wären. Andere Kosten, etwa die Verpflichtung gegenüber einem anderen als dem krankenversicherungsrechtlich zulässigen Leistungserbringer oder Zahlungen, die einem Leistungserbringer ohne Rechtsgrund zugewendet werden, lösen keinen Kostenerstattungsanspruch aus, weil sonst die krankenversicherungsrechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung durch den Anspruch auf Kostenerstattung ohne weiteres durchbrochen werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2007 - Az.: B 1 KR 14/07 m.w.N., nach juris). Voraussetzung für eine Kostenerstattung in beiden Fällen des § 13 Abs. 3 SGB V ist auch, dass zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (bei Alternative 1: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Alternative 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Kausalzusammenhang besteht, ohne den die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ist. Dies bedeutet einmal, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese nicht ausnahmsweise unaufschiebbar war, nur zu ersetzen sind, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung abgelehnt hatte; ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 1997 - Az.: 1 BK 31/96 und vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 8/06, nach juris).
Der Beschaffungsweg wurde lediglich formal eingehalten, da die Leistung erst nach der Ablehnungsentscheidung vom 13.08.2018 in Anspruch genommen wurde. Jedoch ist festzustellen, dass die Versicherte von vorneherein fest entschlossen war, eine Protenentherapie durchzuführen. Die behandelnde onkologische M-Klinik hat in beiden Arztbriefen vom 06.07.2018 und vom 17.07.2018 eine Vertragsbehandlung, namentlich eine Chemotherapie sowie eine Bestrahlung mit Photonen nach Histologiegewinnung, vorgeschlagen. Beides wurde von der Versicherten abgelehnt. Es liegt mithin kein Versagen der vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten vor, sondern diese sind von der Klägerin individuell abgelehnt worden aus dem Gericht nicht bekannten Gründen. Die Versicherte hat sich somit eigenmächtig gegen die Empfehlungen des Tumorboards gestellt und sich für die Behandlung in der R. Klinik entschieden. Entgegen der Ausführungen des Klägers wurde die Behandlung auch nicht positiv von Dr. E. empfohlen (vgl. die Ausführungen des Sachverständigen hierzu). Demnach ist die Ablehnung nicht kausal für die Selbstbeschaffung (vgl. BSG, Urteil vom 08. September 2015 - B 1 KR 14/14 R -, Rn. 10, juris).
Unabhängig hiervon besteht kein Anspruch auf Erstattung nach § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB V, da kein Sachleistungsanspruch auf Durchführung der Protonenbehandlung bestand. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Die Versicherte hatte keinen Leistungsanspruch. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris). Die von der Versicherten selbstbeschaffte Leistung zählt nicht dazu. Es lag eine ambulante Behandlung vor. Diese Auffassung der Aktivpartei wurde vom Sachverständigen bestätigt. Die Versicherte hatte keinen Anspruch auf die streitgegenständliche ambulante Versorgung, weil es an der gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V erforderlichen positiven Empfehlung des G-BA fehlt.
Die Therapie ist auch "neu" im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V, denn sie ist bislang für die spezifische Tumor-Erkrankung der Versicherten nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten (vgl. zu dieser Definition BSG, Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R -, juris Rn. 20 m.w.N.). Die damit gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V erforderliche Empfehlung in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V hat der G-BA bislang nicht abgegeben. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstrittig.
Eine der in der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen zum Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, bei denen trotz fehlender G-BA-Empfehlung eine Behandlung zu Lasten der GKV zu erbringen ist, liegt nicht vor. Insbesondere liegen die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1a SGB V nicht vor.
Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, eine von § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Wie die Beweisaufnahme ergeben hat, handelt es sich bei der Krebserkrankung der Versicherten - insoweit unstrittig - um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat jedoch überzeugend dargelegt, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung stand. Bei dieser Leistung handelt es sich um die systemische zytostatische Standardtherapie (welche von der Versicherten abgelehnt wurde) in Kombination mit einer Photonen-Strahlentherapie. Rechtlich unerheblich ist hierbei, dass die Protonen-Therapie zunächst gut angeschlagen hat. Vielmehr kommt es alleine auf das Bestehen leitliniengerechter Therapieoptionen an, die vorliegend gegeben waren.
Nach der schlüssigen und nachvollziehbaren Aussage von Dr. F. kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass diese alternative leitliniengerechte Behandlung angeschlagen und die Lebensqualität der Versicherten verbessert hätte. Vielmehr hätte eine solche leitliniengerechte Behandlung - insbesondere die systemische und Immun-Therapie mitsamt der gesamten Entfernung der Harnblase - ggf. zu einer weitreichenderen Verbesserung der Situation der Versicherten geführt.
Dr. F. hat auch überzeugend dargelegt, dass die Photonen-Strahlentherapie im spezifischen Fall der Protonentherapie nicht unterlegen ist. Vielmehr waren bei der konkreten Strahlungsintensität, mit der die Versicherte behandelt wurde, beide Verfahren strahlenbiologisch mindestens gleich wirksam. Zwar wäre gegebenenfalls eine bessere Verträglichkeit und ein prognostischer Vorteil bei der Protenentherapie möglich, dies konnte vom Sachverständigen aber nicht mit Gewissheit festgestellt werden. Zudem hat die von der Versicherten gewählte Methode den Nachteil, dass bildgebend nicht nachgewiesene Tumorausläufer mit der Protonentherapie nicht so sicher erfasst werden wie mit einem Photonen-Linear-Beschleuniger. Der Sachverständige spricht insoweit sogar nachvollziehbar von einer relativen Kontraindikation, da der Tumor bereits in das umliegende Gewebe streute und somit die größere Punktgenauigkeit der Protenentherapie sogar kontraproduktiv ist.
Daher ist nach Überzeugung der Kammer ein Ausnahmefall von § 2 Abs. 1a SGB V nicht gegeben, da eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung stand.
Auch die Aussage des Sachverständigen, dass die Protonentherapie zu einem palliativen Effekt geführt hat, so dass die Versicherte während der Restlebensdauer ein lebenswerteres Leben führen konnte, führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Das Gesetz stellt beim zweiten Kriterium der möglichen Leitlinienbehandlung gerade nicht auf die Heilungschancen der strittigen Methode ab; dieser Umstand wird vielmehr vom dritten Kriterium umfasst. Nach den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat und die in § 2 Abs. 1a SGB V kodifiziert wurden, müssen alle Kriterien kumulativ vorliegen. Dies ist wie dargelegt nicht der Fall.
Ein Systemversagen wurde bereits nicht geltend gemacht noch kann die Kammer ein solches vorliegend erkennen. Insbesondere hätte der Versicherten die gesamte Infrastruktur der Maximalversorgung zur Verfügung gestanden, die eine Photonentherapie im vertraglichen Rahmen umfasst hätte.
Auch die Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB V sind nicht erfüllt. Unaufschiebbar im Sinne der gesetzlichen Regelung sind Leistungen, die im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich waren, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand. Diese Fallgruppe erfasst nicht nur Notfälle i. S. d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, bei denen ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss; unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn mit der Behandlung solange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann (vgl. BSG in SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 26). Die medizinische Dringlichkeit ist indes nicht allein ausschlaggebend. Die erste Fallgruppe setzt weiter voraus, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, kann die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden. § 13 Abs. 3 SGB V will lückenlos alle Sachverhalte der berechtigten Selbstbeschaffung von Leistungen in Fällen des Systemversagens erfassen. Bei seiner Auslegung müssen deshalb die Merkmale der beiden Fallgruppen so aufeinander abgestimmt werden, dass dieser Zweck erreicht wird.
Nach diesen Grundsätzen liegt keine Unaufschiebbarkeit vor. Zwar hat die Beweiserhebung ergeben, dass die Versicherte im Oktober 2018 dringend einer Strahlenbehandlung bedurfte und hier auch nicht zugewartet werden konnte. Auch hat die Beweiserhebung ergeben, dass die Versicherte nicht transportfähig war und daher ein Transport - auch mittels Krankentransportfahrzeug - in die Protonen-Zentren in E-Stadt, D-Stadt oder F-Stadt nicht zumutbar gewesen wäre. Jedoch hat der Sachverständige Dr. F. überzeugend dargelegt, dass im Oktober 2018 fünf Therapiezentren in Wohnortnähe die Versicherte zeitnah mit einer Photonen-Therapie hätten behandeln können. Da diese Photonentherapie strahlentherapeutisch der Protonentherapie mindestens gleichwertig gewesen wäre, konnte die Krankenkasse leitliniengerechte und wirksame Leistungen rechtzeitig erbringen. Es lag mithin im Oktober 2018 kein Unvermögen der Beklagten zur Leistung vor, die eine sofortige Inanspruchnahme der Protonentherapie rechtfertigt hätte (vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 08. September 2015 - B 1 KR 14/14 R -, Rn. 17, juris).
Nach allem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG, folgt dem Ausgang des Rechtsstreits und berücksichtigt, dass der Sonderrechtsnachfolger ebenfalls gerichtskostenprivilegiert ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung der Aufwendungen für eine Protonentherapie. Die im Jahre 1949 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin (nunmehr: Versicherte) ist am xx.xx.2019 verstorben. Der Rechtsstreit wird von ihrem Ehemann, der mit der Versicherten zum Zeitpunkt ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, weitergeführt.
Die Versicherte erkrankte im März 2017 an einem Urothelkarzinom. Noch im April 2017 sowie anschließend im Juli 2017 nach Verdacht auf ein Rezidiv eines Rektumkarzinoms wurde sie vom Klinikum C-Stadt sowie von der M-Klinik A-Stadt operativ versorgt.
Danach wandte sie sich an die P. AG R. (Trägerin des R. Center, nunmehr R. Klinik), die ihr am 01.08.2018 einen Kostenvoranschlag über 29.550 EUR für die Anwendung einer Protonenbestrahlung ausfertigte. Eine Protonentherapie sei für das vorliegende Harnblasenkarzinom eine geeignete Behandlungsform. Diese Therapie würde im Vergleich zu einer herkömmlichen Strahlentherapie eine bessere Konzentration der Strahlung auf den Tumor und somit eine bessere Schonung des den Tumor umgebenden gesunden Gewebes ermöglichen. Hierdurch käme es zu deutlich geringeren Nebenwirkungen. Die Behandlung würde aus voraussichtlich 28 Einzel-Bestrahlungen bestehen, welche von Montag bis Freitag durchgeführt würden. Die Kostenübernahme seitens der Krankenkasse sei zu klären. Hierbei sei auch nachzufragen, ob die Abrechnung der Vergütung pauschal gemäß Modell AOK Bayern oder nach Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gewünscht sei. Die R. Klinik beantragte mit Schreiben vom 27.07.2018 sodann die Kostenübernahme für die Versicherte bei der Beklagten. Die Beklagte verbescheidete den Antrag mit Bescheid vom 13.08.2018 ablehnend. Die beantragte ambulante Therapie sei nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Es handle sich daher um eine neue Behandlungsmethode. Es liege keine Empfehlung über die Anerkennung des therapeutischen Nutzens der ambulanten Protonentherapie durch den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vor. Die Universitäts Protonen Therapie D-Stadt im Universitätsklinikum C. in D-Stadt biete für onkologische Erkrankungen ebenfalls eine Protonenbehandlung an. Protonen sollten vor allem bei solchen Patienten zum Einsatz kommen, bei denen eine reguläre Strahlentherapie aufgrund der Lage der Krebstumoren zu anderen lebenswichtigen Strukturen nicht möglich sei. Die Beklagte habe mit dieser Klinik einen Vertrag geschlossen. Die Behandlung könne dort natürlich nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass die D-Städter Strahlentherapeuten ebenfalls eine Indikation für die Bestrahlung mit Partikeln sehen würden und das vorliegende Krankheitsbild im Behandlungsvertrag abgebildet sei. Weitere Alternativen für die Behandlung seien das E-Städter Ionenstrahltherapiezentrum sowie das Westdeutsche Protonentherapiezentrum F-Stadt, mit denen die Beklagte ebenfalls Verträge abgeschlossen habe.
Hiergegen erhob die Versicherte am 06.09.2018 Widerspruch. Wenn die Ablehnung nur darauf abzielen würde, dass die Behandlung ambulant vorgesehen sei, sei sie gerne bereit, diese auch stationär vornehmen zu lassen. Die Behandlung würde ja generell von der Beklagten nicht abgelehnt werden, da sie ja der Versicherten Kliniken genannt habe, die die Behandlung durchführen würden. Andere Krankenkassen würden die Behandlungskosten übernehmen.
Die Beklagte ließ daraufhin ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK Bayern) erstellen. Mit Gutachten vom 10.10.2018 wird dargelegt, dass die von den Ärzten empfohlene adjuvante Therapie (Radiotherapie, Chemotherapie) von der Versicherten abgelehnt worden sei. Im Juni 2018 sei ein ausgedehntes Rezidiv im kleinen Becken diagnostiziert worden. Daraufhin sei die streitgegenständliche Protonentherapie beantragt worden. Unklar sei, ob derzeit Fernmetastasen bestehen würden. Eine Operation sei chirurgisch geprüft und als nicht möglich erachtet worden. Eine Strahlen- oder Chemotherapie gemäß der Empfehlung des interdisziplinären Tumorboards der M-Klinik A-Stadt sei von der Versicherten abgelehnt worden. Bei einem ausgedehnten Rezidiv eines Urothelkarzinoms mit Differentialdiagnostik Rektumkarzinom nach zweimaliger Voroperation sei die Einleitung einer Therapie medizinisch nachvollziehbar und die Versicherte habe einen Anspruch auf eine Therapie. Eine lebensbedrohliche und potentiell tödlich verlaufende Erkrankung würde bei der Versicherten vorliegen. Als Therapie würde eine Hochpräzisionsbestrahlung mit verschiedenen Bestrahlungstechniken zur Verfügung stehen. Die Strahlentherapie auch in Kombination mit Chemotherapie sei ein etabliertes und wirksames Verfahren zur Behandlung sowohl von inoperativen Urothel- als auch Rektumkarzinomen. Eine Protonentherapie sei hierbei eine Spezialform der perkutanen Strahlentherapie, d.h. wenn eine Strahlentherapie mittels Photonen wirksam ist, dann sei auch eine solche mit Protonen wirksam. Durch die strahlenbiologische und physikalische Wirkungsweise der Partikel im Körper könne ermöglicht werden, eine hohe Dosis im Bereich eines Tumors zu erzielen mit einer nur geringen Strahlenbelastung des gesunden umgebenden Gewebes. Wie gemäß Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie vom Juni 2015 ausgeführt, sei nicht für jede Indikation geklärt, ob ein physikalischer Vorteil der Protonentherapie auch zu einem relevanten klinischen Vorteil führen würde. Ob im Falle der Versicherten eine Strahlentherapie am Linearbeschleuniger als vertragliche Methode geprüft worden sei, sei den eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen. Im Schreiben der R. Klinik werde nur allgemein auf die häufig bessere Dosisverteilung einer Protonenbestrahlung im Vergleich zu einer Photonenbestrahlung hingewiesen. Ein definierter Vorteil einer Protonentherapie im Vergleich zu einer Photonentherapie ließe sich anhand der Unterlagen letztlich weder bejahen noch verneinen.
Die Protonentherapie eines Urothelkarzinomrezidivs sei bisher vom G-BA nicht bewertet worden. Daher stelle die Behandlung mangels positiven Votums keine Leistung für die gesetzliche Krankenkasse dar. Somit könne auch nicht über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet werden. Der G-BA habe zwar eine stationäre Protonentherapie im Krankenhaus (die R. Klinik ist insoweit im Krankenhausplan des Freistaats Bayern geführt) zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung als möglich angesehen, jedoch sei vorliegend zweifelhaft, ob eine Behandlung unter stationären Bedingungen vorliegend erforderlich sei. Sofern die Behandlung stationär erfolgen würde, bestehe die Möglichkeit, diese nach DRG abzurechnen, sofern keine primäre oder sekundäre Fehlbelegung vorliegen würde.
Bezüglich der Voraussetzungen für eine Kostenerstattung aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nunmehr kodifiziert in § 2 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei der zweite Punkt nicht erfüllt, da eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung stehen würde. Mit einer Strahlentherapie am Linearbeschleuniger oder an den Protonenzentren in D-Stadt, E-Stadt oder F-Stadt hätten Behandlungsalternativen auf Vertragsbasis zur Verfügung gestanden, sofern die Indikation an der entsprechenden Einrichtung bestätigt werden würde.
Daraufhin empfahl die Beklagte mit Schreiben vom 17.10.2018 eine Kontaktaufnahme mit den Vertragskliniken in D-Stadt, E-Stadt und F-Stadt. Gleichwohl hat die Versicherte die Behandlung in der Klinik R. in der Zeit vom 11.10.2018 bis zum 21.10.2018 ambulant durchführen lassen. Für diese Therapie sind insgesamt Kosten in Höhe von 29.550 EUR entstanden und von der Versicherten privat bezahlt worden.
Mit weiterer Widerspruchsbegründung vom 29.11.2018 des anwaltlichen Klägerbevollmächtigten wird eine Kostenerstattung geltend gemacht, da die Ablehnungsentscheidung rechtswidrig gewesen sei. Die durchgeführte Behandlung habe zu einer Reduktion des Tumorvorkommens um 70 % geführt. Damit sei ein wesentliches Therapieziel, namentlich die Linderung einer Krankheit, erreicht worden. Es würde nicht einleuchten, weshalb die Versicherte nur mit einem Vertragspartner der Beklagten die Behandlung durchführen lassen könne, da ihr damit jeglicher Einfluss auf die Bestimmung des Vertragspartners genommen würde. Eine auswärtige Behandlung sei aufgrund der im konkreten Fall erforderlichen Bluttransfusionen nicht möglich und aus gesundheitlicher Sicht auch nicht zumutbar gewesen. Die Versicherte habe in den Zeiträumen vom 02.07.2018 bis zum 06.07.2018 und am 17.09.2018 in der M-Klinik A-Stadt und an den Tagen 13.07.2018, 23.07.2018, 31.07.2018, 01.08.2018 und 21.08.2018 im MVZ A-Stadt jeweils zwei Beutel Bluttransfusionen erhalten. Zumindest müsse die Beklagte im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens die Ausnahmesituation des vorliegenden Falls berücksichtigen. So habe zum Beispiel die AOK Bayern mit der R. Klinik einen Behandlungsvertrag geschlossen. Eine Versagung des Kostenanspruchs alleine aufgrund des nicht richtig ausgewählten Orts sei nicht gerechtfertigt und gleichheitswidrig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2018 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Es würde eine Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) vorliegen, für die keine Empfehlung des G-BA vorliegen würde. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, kodifiziert in § 2 Abs. 1a SGB V, würde zu keiner anderen Einschätzung führen. Die M-Klinik habe den Krankheitsfall der Versicherten zweimal im Tumorboard besprochen und der Versicherten ein onkologisches Gespräch angeboten bzw. empfohlen. Die Diagnostik sei auch noch nicht in allen Punkten abgeschlossen gewesen. Aus Sicht der M-Klinik hätte eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung wie zum Beispiel eine Radio- und Chemotherapie zur Verfügung gestanden. Gegenteilige ärztliche Aussagen seien im Widerspruchsverfahren nicht übersandt worden. Daher seien die Kriterien von § 2 Abs. 1a SGB V nicht erfüllt. Auch der MDK Bayern habe bestätigt, dass als vertragliche Behandlungsmöglichkeit die Photonenbestrahlung infrage gekommen sei. Es würden keine wissenschaftlich gesicherten Ergebnisse vorliegen, die eine Überlegenheit der beantragten Protonentherapie gegenüber der vertraglichen Alternative belegen würden. Ein Notfall habe ebenfalls nicht vorgelegen, so dass ein Erstattungsanspruch ausscheiden würde.
Hiergegen richtet sich die Klage der Versicherten zum Sozialgericht München vom 27.12.2018, die vom Kläger nach deren Tod weitergeführt wurde. Nach Urothelkarzinom und einem Rektumkarzinom als Rezidiv sei bei der Versicherten ein Teil der Blase entfernt worden und nach Darm-OP ein künstlicher Darmausgang verlegt worden. In der Folge sei allerdings an der Blasenwand erneut Krebs aufgetreten und im Darm sei es zu starken Blutungen mit großem Blutverlust und der Erforderlichkeit von Bluttransfusion gekommen. Eine weitere operative Behandlung sei nach Aussage der zuständigen Ärzte nicht möglich gewesen. Aus diesem Grund habe sich die Versicherte auf ärztlichen Rat hin entschieden, die streitgegenständliche Protonentherapie durchzuführen. Es werde davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1a SGB V vorliegen würden.
Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 13.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2018 verurteilt, die Kosten für die streitgegenständliche, ambulant durchgeführte Protonentherapie in der R. Klinik in Höhe von 29.550 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den angegriffenen Widerspruchsbescheid und auf das zugrunde liegende Gutachten des MDK Bayern.
Auf Bitte des Gerichts wurden seitens der Klägerbevollmächtigten alle Befundberichte bezüglich der Krebserkrankungen der Versicherten vorgelegt. Auf Nachfrage des Gerichts wurde seitens der Klägerbevollmächtigten am 19.08.2019 unter Vorlage der Rechnung vom 26.11.2018 über 29.550 EUR bestätigt, dass eine ambulante Protontherapie durchgeführt worden sei.
Mit richterlichem Hinweis vom 16.09.2019 wies das Gericht darauf hin, dass nach seinerzeitigem Stand weder eine Notfallbehandlung noch ein Fall von § 2 Abs. 1a SGB V vorgelegen habe. Mit Schriftsatz vom 27.09.2019 wurde sodann von der Klägerbevollmächtigten dargelegt, dass durch die Größe des Tumors und durch das hierdurch bedingte Abdrücken der Versorgung im rechten Bein eine Thrombose ausgelöst worden sei. Daher sei eine unmittelbare Behandlung notfallmäßig erforderlich geworden. Ein weiteres Zuwarten sei nicht möglich gewesen. Auch sei die angegriffene Entscheidung rechtswidrig, da die AOK Bayern diese Therapie in der R. Klinik noch zahlen würde und die Beklagte dies früher auch gemacht habe. Die Protonentherapie in der von der Beklagten vorgeschlagenen Kliniken sei von der Versicherten nicht abgelehnt worden, sondern sei erkrankungsbedingt unmöglich gewesen. Die Versicherte habe aufgrund ihrer schweren Krebserkrankung weder die Wegstrecke in das Zentrum der Universitäts Protonen Therapie D-Stadt noch in das Therapiezentrum E-Stadt auf sich nehmen können. Auf Nachfrage des Gerichts wird weiter am 28.10.2019 ausgeführt, dass ein Schriftstück bezüglich der Reiseunfähigkeit niemals ausgestellt worden sei. Jedoch habe der behandelnde Arzt Dr. E. vom Krebszentrum MVZ Prof. S. in A-Stadt ausdrücklich von einer weiten Anreise nach D-Stadt, E-Stadt oder F-Stadt ärztlich abgeraten. Grund sei gewesen, dass die Versicherte zum maßgeblichen Zeitpunkt eine starke Thrombose im rechten Bein gehabt und laufend Blut verloren habe.
Das Gericht hat sodann Beweis erhoben durch Einholung des Befundberichts des MVZ Prof. S. Dieses führte am 17.01.2020 aus, dass sich die Behandlung vom 13.07.2018 bis zum 20.08.2018 erstreckt habe. Die Versicherte habe über Atemnot bei Belastung und eine allgemeine Schwäche aufgrund einer GI-Blutung unter oraler Antikoagulation gelitten. Auch habe sie über Schmerzen bei deutlichem Ödem des rechten Beins bei tiefer Beinvenenthrombose geklagt. Es sei ein fortgeschrittenes Urothelkarzinom festgestellt worden und die Blutungsquelle in der M-Klinik evaluiert worden. Nach Pausieren der Antikoagulation habe die Blutung gestoppt werden können. Aufgrund der doch leider dann wieder andauernden Blutung sei wiederholt eine Transfusion notwendig geworden, worunter sich der Allgemeinzustand immer verbessert habe. Die Versicherte habe eine systemische Therapie mit einem Checkpointinhibitor oder eine Chemotherapie wiederholt abgelehnt. Auch eine indizierte stationäre Behandlung habe die Versicherte in Kenntnis der schwerwiegenden Erkrankung abgelehnt. Dr. E. habe zumindest eine lokale Radiatio zur Kontrolle der Beschwerden empfohlen, worauf sich die Versicherte in der R. Klinik vorgestellt habe.
Dr. E. habe im Oktober 2018 keinen Kontakt zu der Versicherten gehabt. Der letzte Kontakt habe am 21.08.2019 zur Transfusion von Erythrozytenkonzentrat bestanden. In Anbetracht der bestehenden GI-Blutung und des Harnstaus habe stets die Indikation zu einer stationären Versorgung bestanden. Bei dieser Blutung sei ein so langer Transport zu den Kliniken in F-Stadt, E-Stadt oder D-Stadt nicht zu rechtfertigen gewesen.
Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Beauftragung des Onkologen Dr. F. mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens (Beweisanordnung vom 04.02.2020).
Der Sachverständige legte sein Gutachten vom 11.05.2020 vier Tage später dem Gericht vor. Er würdigte ausführlich den in den Akten enthaltenen medizinischen Sachverhalt. Bei der Versicherten habe ein Urothelkarzinom (Erstdiagnose April 2017), ein Rektumkarzinom (Erstdiagnose Juli 2017), eine tiefe Venenthrombose (07.06.2018), eine chronische Niereninsuffizienz (Juni 2019), eine Poliurie (März 2017), ein Zustand nach rezidivierenden oberen GI-Blutungen (Mai 2019), eine Hypothyreose, ein Ex-Nikotinabusus, eine Diclofenac-Unverträglichkeit und eine Osteopenie vorgelegen.
Bei der Klägerin sei auch aus ex ante-Sicht eine vollständige Blasenentfernung leitliniengerecht gewesen, wobei unklar sei, weshalb diese nicht erfolgte. Es finde sich hingegen der Hinweis, dass die vom interdisziplinären Tumorboard empfohlene adjuvante Nachbehandlung mittels Strahlentherapie und Chemotherapie von der Versicherten abgelehnt worden sei. Im Juli 2017 sei ein fortgeschrittenes Karzinom des Enddarms diagnostiziert worden mit der Anlage eines endständigen Descendostomas. Ohne aktenkundige zytostatische Behandlung sei im Juli 2018 ein Rezidiv im Bereich des kleinen Beckens festgestellt worden.
Aus den beiden aktenkundigen Berichten von Dr. E. vom 16.07.2018 und vom 17.01.2020 gehe nicht hervor, dass er die Vorstellung der Versicherten in der R. Klinik zur Protonenbestrahlung empfohlen habe. Nach Ablehnung der zytostatischen Maßnahmen sei bei festgestelltem inoperablem Befund und aufgrund der Niereninsuffizienz eine lokale Strahlentherapie dringend und möglichst ohne Verzögerung indiziert gewesen. Trotz der mittelgradig eingeschränkten Nierenfunktion sei zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich/theoretisch auch eine zytostatische Chemotherapie möglich gewesen (vergleiche Blatt 25 des Gutachtens zu den vorhandenen Zytostatika). Zur Strahlen-Behandlung des inoperablen Blasentumors hätten zwei Behandlungsmodalitäten zur Verfügung gestanden: die Bestrahlung mittels Photonen oder mittels Protonen. Beide Bestrahlungsarten könnten mittels Hochpräzisionsbestrahlungsgeräten mit hoher Genauigkeit im Zielbereich des Tumors bei größtmöglicher Schonung des umgebenden gesunden Gewebes durchgeführt werden. Dabei sei es durch die strahlenbiologische und physikalische Wirkweise der Protonenpartikel im Körper möglich, im Vergleich zur Photonentherapie die Strahlendosis im Bereich des Tumors noch präziser zu verabreichen.
Von den Behandlern in der R. Klinik sei als Argument für die zu bevorzugende Wahl der Protonentherapie das Ziel einer Schonung der in unmittelbarer Tumornachbarschaft gelegenen Dünndarmschlingen genannt worden. Hierzu sei jedoch auszuführen, dass bei endoskopisch und auch bildgebend vorliegendem Verdacht einer tumorösen Infiltration und dadurch bedingten rezidivierenden Blutungen in diesem Fall eine Aussparung des Kontaktbereichs im kleinen Becken und der benachbarten, überwiegend wahrscheinlich tumorös infiltrierten Darmschlingen gar nicht indiziert gewesen sei. Es habe also insofern kein Hinderungsgrund für die herkömmliche Photonentherapie bestanden.
Zudem könnten bei beiden Therapieformen gleichwertig ausreichend hohe Dosierungen erzielt werden. Bei der hier angewandten Protonentherapie seien auch unter Zielvolumeneingrenzung im Tumorkern nicht mehr als 60 Gy (Gray) Gesamt-Strahlendosis verabreicht worden. Bei gleicher Bestrahlungsintensität würde sich die biologische Wirksamkeit der beiden Bestrahlungsformen auf das Tumorgewebe nicht unterscheiden.
Ein Vorteil der Protonentherapie im Hinblick auf die Verträglichkeit der Behandlung sei im Fall der Versicherten theoretisch durchaus möglich und nicht unwahrscheinlich. Im Einzelfall sei dies naturgemäß nicht nachweisbar, somit also spekulativ. Auch ließe sich nicht nachweisen, ob im Fall der Versicherten durch die Protonentherapie ein prognostischer Vorteil zu erzielen gewesen sei. Auch dies sei nicht ausgeschlossen. Die im Vergleich zur Behandlung mit Protonen nicht so scharf abgrenzbaren Strahlenvolumina der Photonentherapie mit dadurch bedingter vergleichsweise geringerer Schonung des umliegenden gesunden Gewebes führe aus onkologischer Sicht andererseits zu dem Vorteil, dass bildgebend nicht nachgewiesene Tumor-Ausläufer mit der Photonen-Linear-Beschleunigungermethode sicherer erfasst würden. Damit würde theoretisch eine bessere lokale Tumorkontrolle erzielt werden.
Im Hinblick auf die schweren Gesundheitsstörungen der Versicherten im Juli/ August / September 2018 sei eine Transportfähigkeit zu den Protonenzentren in E-Stadt, D-Stadt oder F-Stadt nicht gegeben. Bei der Versicherten habe im Oktober 2018 somit eine lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen. Die streitige Protonentherapie sei vorliegend nicht als stationäre Leistung erbracht worden. Als andere, allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode habe die systemische zytostatische Chemotherapie und Immuntherapie zur Verfügung gestanden, alleine oder in Kombination mit einer perkutanen Strahlentherapie mittels Linearbeschleuniger (Photonenbestrahlung). Diese habe auch ohne begleitende Verabreichung von Zytostatika wohnortnah zur Verfügung gestanden, beispielsweise im Klinikum G. Der Versicherten wäre es unter Berücksichtigung des Krankheitsstandes möglich gewesen, dort in angemessener Zeit behandelt zu werden.
Durch die angewandte Protonentherapie-Behandlung habe eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden, nicht jedoch auf Heilung. In Bezug auf die Wirksamkeit würde sich die Behandlung der angewandten Protonentherapie nicht nachweislich von der zur Verfügung stehenden Standardtherapie mittels Photonenbestrahlung unterscheiden. Ein größerer Heilerfolg der angewandten Protonentherapie im Vergleich zu einer Photonenbestrahlung sei nicht zu erwarten gewesen.
Die Versicherte sei im Oktober 2018 reiseunfähig gewesen. Eine Reise sei auch nicht mittels eines Krankentransportfahrzeugs zumutbar gewesen. Sowohl die streitgegenständliche Protonentherapie als auch eine alternative Bestrahlung mit Photonen sei im Oktober 2018 unaufschiebbar gewesen. Jedoch sei im Oktober 2018 bzw. vor Oktober 2018 eine Photonenbestrahlung möglich gewesen.
Die Beklagte sah sich sodann in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, da eine Photonenbestrahlung als Kassenleistung vor Oktober 2018 oder im Oktober 2018 möglich gewesen wäre und medizinisch gleich geeignet gewesen sei. Der Kläger ließ am 08.06.2020 vortragen, dass es für ihn nicht nachvollziehbar sei, dass der Sachverständige annehmen würde, dass eine Behandlung mit Photonenbestrahlung wohnortnah in A-Stadt beispielsweise im Klinikum G. möglich gewesen sei. Vor Beginn der hier streitgegenständlichen Protonentherapie habe der Kläger für die Versicherte eben gerade die Möglichkeiten einer wohnortnahen Photonenbestrahlung ermittelt und sich hierbei sogar schriftlich per Fax am 23.07.2018 mit dem Cyberknife-Zentrum des Klinikum G. in A-Stadt in Verbindung gesetzt und dort leider nur telefonisch die Rückantwort erhalten, dass mit dem Cyberknife nur kleine Herde behandelt werden könnten, nicht aber die vorliegend betroffenen großflächigen Bereichen. Mit ergänzender Stellungnahme vom 23.07.2020 führte der Sachverständige aus, dass eine Behandlung mit dem Cyberknife-Verfahren in dem Fall der Versicherten nicht indiziert gewesen sei und in den zur Verfügung gestellten Unterlagen keine Erwähnung gefunden habe, sodass er es in seinem Gutachten vom 11.05.2020 nicht eigens erörtert habe. Bei der Strahlentherapie werde eine hohe Dosis ionisierender Strahlen in einen lokal begrenzten Körperbereich (das sogenannte Zielvolumen) eingestreut. Bei der Brachy-Therapie werde eine Strahlenquelle in unmittelbarer Nähe oder direkt innerhalb des zu bestrahlenden Gebiets platziert. Bei der Tele-Therapie (um die es hier gehe) befinde sich die Strahlenquelle in räumlicher Entfernung zum Tumor. Dabei würden die meist im Körperinneren liegenden Tumoren von außen durch die Haut hindurch bestrahlt (perkutane Strahlentherapie). Bei der Tele-Therapie könnten Photonen (ultraharte Röntgenstrahlung) oder Protonen zum Einsatz kommen. Letztere würden sich in ihrer Wirkung auf bestrahltes Gewebe kaum von Photonen unterscheiden. Die streng lokalisierte Energieabgabe in der Tiefe des Gewebes würde auch Probleme bergen: Bereits geringfügige Lageabweichungen des Patienten könnten zu erheblichen Abweichungen zwischen angestrebter und tatsächlich erzielter Dosisverteilung im kranken Gewebe führen. Hieraus würde sich eine relative Kontraindikation der Protonenbestrahlung bei Tumoren mit möglicher Infiltration in angrenzenden Darmschlingen ergeben, wie es im Fall der Versicherten beschrieben wurde.
Die Bestrahlung mit Photonen habe in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung gemacht und ermögliche auch bei komplexen Zielvolumina eine exakte Anpassung der Dosisverteilung an das Zielvolumen. Damit ließe sich die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Nebenwirkungen reduzieren. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei die Photonenbestrahlung mit diesen modernen Techniken wohnortnah an fünf verschiedenen Orten angeboten worden (vergleiche Bl. 206 der Gerichtsakte).
Bei dem Cyberknife-Verfahren würden hingegen hochenergetische Photonenstrahlen aus einem Linearbeschleuniger auf den Tumor gelenkt. Der Strahler sei an einen Roboterarm befestigt, der mit dem computergesteuerten Lokalisierungssystem gekoppelt sei. Das System verfolge und korrigiere während der Behandlung alle Bewegungen des Patienten, die innerhalb einer Spannbreite von 10 mm liegen würden. Damit sei es möglich, Tumore im Bereich der Wirbelsäule und im Bereich von beweglichen Organen wie Lunge, Leber oder Bauchspeicheldrüse zu bestrahlen. Besonders kleinere Tumore mit klarer Abgrenzung und an nicht gut operablen Stellen seien für dieses Verfahren indiziert. Daher sei die Ablehnung der Behandlung im Cyberknife-Zentrum verständlich. Das Europäische Cyberknife-Zentrum sei nicht Bestandteil der Universitätsklinik G., sondern eine Privatpraxis. Unklar bliebe, wer die Versicherte an dieses Zentrum verwiesen habe, ob es sich um ein Missverständnis oder einfach um einen Versuch von ihr gehandelt habe.
Trotz dieser ergänzenden Stellungnahme führte die Aktivpartei am 01.09.2020 aus, dass unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 1a SGB V die vorliegend streitgegenständliche Behandlung zulasten der Beklagten zu erstatten sei. Der Kläger bitte um eine gerichtliche Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist möglich, da die Beteiligten diesem zugestimmt haben.
Das Verfahren war durch den Tod der Versicherten aufgrund ihrer prozessualen Vertretung nicht unterbrochen (§§ 202 SGG - i.V.m. § 246 Abs. 1 S. 1 Zivilprozessordnung). Der Kläger als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten (§ 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I) ist prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert. Insbesondere ist der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf eine "laufende Geldleistung" gerichtet, da die Versicherte zu einer Vorfinanzierung für mehrere Zeitabschnitte gezwungen war (vgl. BSG, Urteil vom 08. September 2015 - B 1 KR 14/14 R -, Rn. 24, juris, zur dort ebenfalls strittigen Protonentherapie). Auch lebten der Kläger und die Versicherte zur Zeit des Todes der Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt.
Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Hierbei ist der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht gem. § 59 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) erloschen, da der Anspruch zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten bereits gerichtsanhängig war.
Die Versicherte und der Kläger als ihr Sonderrechtsnachfolger hatten bzw. haben jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der verauslagten Kosten in Höhe von 29.550 EUR. Die angegriffenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) auf Erstattung der Kosten für die streitgegenständliche Behandlung der Versicherten. Diese Kosten für die Beschaffung der ärztlichen Behandlung sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte.
Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG) in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10, 11 m.w.N). Die Bestimmung erfasst hier nur Kosten, die dem Versicherten bei regulärer Leistungserbringung nicht entstanden wären. Andere Kosten, etwa die Verpflichtung gegenüber einem anderen als dem krankenversicherungsrechtlich zulässigen Leistungserbringer oder Zahlungen, die einem Leistungserbringer ohne Rechtsgrund zugewendet werden, lösen keinen Kostenerstattungsanspruch aus, weil sonst die krankenversicherungsrechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung durch den Anspruch auf Kostenerstattung ohne weiteres durchbrochen werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2007 - Az.: B 1 KR 14/07 m.w.N., nach juris). Voraussetzung für eine Kostenerstattung in beiden Fällen des § 13 Abs. 3 SGB V ist auch, dass zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (bei Alternative 1: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Alternative 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Kausalzusammenhang besteht, ohne den die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ist. Dies bedeutet einmal, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese nicht ausnahmsweise unaufschiebbar war, nur zu ersetzen sind, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung abgelehnt hatte; ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 1997 - Az.: 1 BK 31/96 und vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 8/06, nach juris).
Der Beschaffungsweg wurde lediglich formal eingehalten, da die Leistung erst nach der Ablehnungsentscheidung vom 13.08.2018 in Anspruch genommen wurde. Jedoch ist festzustellen, dass die Versicherte von vorneherein fest entschlossen war, eine Protenentherapie durchzuführen. Die behandelnde onkologische M-Klinik hat in beiden Arztbriefen vom 06.07.2018 und vom 17.07.2018 eine Vertragsbehandlung, namentlich eine Chemotherapie sowie eine Bestrahlung mit Photonen nach Histologiegewinnung, vorgeschlagen. Beides wurde von der Versicherten abgelehnt. Es liegt mithin kein Versagen der vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten vor, sondern diese sind von der Klägerin individuell abgelehnt worden aus dem Gericht nicht bekannten Gründen. Die Versicherte hat sich somit eigenmächtig gegen die Empfehlungen des Tumorboards gestellt und sich für die Behandlung in der R. Klinik entschieden. Entgegen der Ausführungen des Klägers wurde die Behandlung auch nicht positiv von Dr. E. empfohlen (vgl. die Ausführungen des Sachverständigen hierzu). Demnach ist die Ablehnung nicht kausal für die Selbstbeschaffung (vgl. BSG, Urteil vom 08. September 2015 - B 1 KR 14/14 R -, Rn. 10, juris).
Unabhängig hiervon besteht kein Anspruch auf Erstattung nach § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB V, da kein Sachleistungsanspruch auf Durchführung der Protonenbehandlung bestand. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Die Versicherte hatte keinen Leistungsanspruch. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris). Die von der Versicherten selbstbeschaffte Leistung zählt nicht dazu. Es lag eine ambulante Behandlung vor. Diese Auffassung der Aktivpartei wurde vom Sachverständigen bestätigt. Die Versicherte hatte keinen Anspruch auf die streitgegenständliche ambulante Versorgung, weil es an der gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V erforderlichen positiven Empfehlung des G-BA fehlt.
Die Therapie ist auch "neu" im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V, denn sie ist bislang für die spezifische Tumor-Erkrankung der Versicherten nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten (vgl. zu dieser Definition BSG, Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R -, juris Rn. 20 m.w.N.). Die damit gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V erforderliche Empfehlung in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V hat der G-BA bislang nicht abgegeben. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstrittig.
Eine der in der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen zum Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, bei denen trotz fehlender G-BA-Empfehlung eine Behandlung zu Lasten der GKV zu erbringen ist, liegt nicht vor. Insbesondere liegen die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1a SGB V nicht vor.
Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, eine von § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Wie die Beweisaufnahme ergeben hat, handelt es sich bei der Krebserkrankung der Versicherten - insoweit unstrittig - um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat jedoch überzeugend dargelegt, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung stand. Bei dieser Leistung handelt es sich um die systemische zytostatische Standardtherapie (welche von der Versicherten abgelehnt wurde) in Kombination mit einer Photonen-Strahlentherapie. Rechtlich unerheblich ist hierbei, dass die Protonen-Therapie zunächst gut angeschlagen hat. Vielmehr kommt es alleine auf das Bestehen leitliniengerechter Therapieoptionen an, die vorliegend gegeben waren.
Nach der schlüssigen und nachvollziehbaren Aussage von Dr. F. kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass diese alternative leitliniengerechte Behandlung angeschlagen und die Lebensqualität der Versicherten verbessert hätte. Vielmehr hätte eine solche leitliniengerechte Behandlung - insbesondere die systemische und Immun-Therapie mitsamt der gesamten Entfernung der Harnblase - ggf. zu einer weitreichenderen Verbesserung der Situation der Versicherten geführt.
Dr. F. hat auch überzeugend dargelegt, dass die Photonen-Strahlentherapie im spezifischen Fall der Protonentherapie nicht unterlegen ist. Vielmehr waren bei der konkreten Strahlungsintensität, mit der die Versicherte behandelt wurde, beide Verfahren strahlenbiologisch mindestens gleich wirksam. Zwar wäre gegebenenfalls eine bessere Verträglichkeit und ein prognostischer Vorteil bei der Protenentherapie möglich, dies konnte vom Sachverständigen aber nicht mit Gewissheit festgestellt werden. Zudem hat die von der Versicherten gewählte Methode den Nachteil, dass bildgebend nicht nachgewiesene Tumorausläufer mit der Protonentherapie nicht so sicher erfasst werden wie mit einem Photonen-Linear-Beschleuniger. Der Sachverständige spricht insoweit sogar nachvollziehbar von einer relativen Kontraindikation, da der Tumor bereits in das umliegende Gewebe streute und somit die größere Punktgenauigkeit der Protenentherapie sogar kontraproduktiv ist.
Daher ist nach Überzeugung der Kammer ein Ausnahmefall von § 2 Abs. 1a SGB V nicht gegeben, da eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung stand.
Auch die Aussage des Sachverständigen, dass die Protonentherapie zu einem palliativen Effekt geführt hat, so dass die Versicherte während der Restlebensdauer ein lebenswerteres Leben führen konnte, führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Das Gesetz stellt beim zweiten Kriterium der möglichen Leitlinienbehandlung gerade nicht auf die Heilungschancen der strittigen Methode ab; dieser Umstand wird vielmehr vom dritten Kriterium umfasst. Nach den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat und die in § 2 Abs. 1a SGB V kodifiziert wurden, müssen alle Kriterien kumulativ vorliegen. Dies ist wie dargelegt nicht der Fall.
Ein Systemversagen wurde bereits nicht geltend gemacht noch kann die Kammer ein solches vorliegend erkennen. Insbesondere hätte der Versicherten die gesamte Infrastruktur der Maximalversorgung zur Verfügung gestanden, die eine Photonentherapie im vertraglichen Rahmen umfasst hätte.
Auch die Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB V sind nicht erfüllt. Unaufschiebbar im Sinne der gesetzlichen Regelung sind Leistungen, die im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich waren, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand. Diese Fallgruppe erfasst nicht nur Notfälle i. S. d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, bei denen ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss; unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn mit der Behandlung solange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann (vgl. BSG in SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 26). Die medizinische Dringlichkeit ist indes nicht allein ausschlaggebend. Die erste Fallgruppe setzt weiter voraus, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, kann die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden. § 13 Abs. 3 SGB V will lückenlos alle Sachverhalte der berechtigten Selbstbeschaffung von Leistungen in Fällen des Systemversagens erfassen. Bei seiner Auslegung müssen deshalb die Merkmale der beiden Fallgruppen so aufeinander abgestimmt werden, dass dieser Zweck erreicht wird.
Nach diesen Grundsätzen liegt keine Unaufschiebbarkeit vor. Zwar hat die Beweiserhebung ergeben, dass die Versicherte im Oktober 2018 dringend einer Strahlenbehandlung bedurfte und hier auch nicht zugewartet werden konnte. Auch hat die Beweiserhebung ergeben, dass die Versicherte nicht transportfähig war und daher ein Transport - auch mittels Krankentransportfahrzeug - in die Protonen-Zentren in E-Stadt, D-Stadt oder F-Stadt nicht zumutbar gewesen wäre. Jedoch hat der Sachverständige Dr. F. überzeugend dargelegt, dass im Oktober 2018 fünf Therapiezentren in Wohnortnähe die Versicherte zeitnah mit einer Photonen-Therapie hätten behandeln können. Da diese Photonentherapie strahlentherapeutisch der Protonentherapie mindestens gleichwertig gewesen wäre, konnte die Krankenkasse leitliniengerechte und wirksame Leistungen rechtzeitig erbringen. Es lag mithin im Oktober 2018 kein Unvermögen der Beklagten zur Leistung vor, die eine sofortige Inanspruchnahme der Protonentherapie rechtfertigt hätte (vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 08. September 2015 - B 1 KR 14/14 R -, Rn. 17, juris).
Nach allem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG, folgt dem Ausgang des Rechtsstreits und berücksichtigt, dass der Sonderrechtsnachfolger ebenfalls gerichtskostenprivilegiert ist.
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