Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 311/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 295/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 R 10/19 R
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 231 Abs. 1 S 1 SGB 6); Arbeitgeberwechsel; Rückkehr zum früheren Arbeitgeber
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 23.10.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2015 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, dass er für die am 01.11.2005 aufgenommene Beschäftigung bei der D. Bank AG nicht von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit ist. Er begehrt die Feststellung, dass der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 gemäß § 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) weiterhin Gültigkeit hat.
Der 1961 geborene Kläger wurde auf seinen Antrag vom 18.01.1989 als Rechtsanwalt mit Bescheid vom 01.03.1989 gemäß § 7 Abs. 2 AVG von der Versicherungspflicht befreit. Der Kläger ist Mitglied des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg sowie Mitglied der C ...
Mit Schreiben vom 29.07.2014 beantragte der Kläger die Bestätigung, dass er für die Tätigkeit beim jetzigen Arbeitgeber, der D. Bank AG, aufgrund der Befreiung vom 01.03.1989 i.V.m. dem Schreiben der Beklagten vom 18.08.1989 weiterhin von der Versicherungspflicht befreit ist. Der Kläger teilte mit, er sei im Oktober 1989 als Angestellter in die D. Bank AG eingetreten. Außer einem kurzen Zeitraum März bis Oktober 2005, bei der er bei einem anderen Unternehmen im Angestelltenverhältnis tätig gewesen sei, sei er seit November 2005 wieder bei der D. angestellt. Er gehe davon aus, dass die Befreiung gemäß § 7 Abs. 2 AVG personenbezogen sei. Im Übrigen bestünde Vertrauensschutz insofern, als er seit 25 Jahren Beiträge an das Versorgungswerk zahle. Auch sei sein Fall mit der BSG-Rechtsprechung (zu Syndikus-Anwälten) nicht vergleichbar. Den dort entschiedenen Fällen lägen andere Sachverhalte zugrunde. Mit Bescheid vom 23.10.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI für die am 01.11.2005 aufgenommen Beschäftigung als Syndikus-Anwalt der D. Bank AG ab und führte aus, der Kläger sei nicht als Rechtsanwalt beim Arbeitgeber beschäftigt. Die Mitgliedschaft beim berufsständischen Versorgungswerk bestehe nicht wegen der Beschäftigung als Syndikus-Anwalt. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, die Befreiung vom 01.03.1989 sei eine personenbezogene Befreiung, sodass es auf die jetzige Tätigkeit nicht ankomme, im Übrigen habe er zu keinem Zeitpunkt behauptet, Syndikus-Anwalt bei der D. Bank AG zu sein. Da seine Befreiung vom 01.03.1989 eine personenbezogene und nicht eine tätigkeitsbezogene Befreiung gewesen sei, gelte insofern das Urteil des BSG (Az.: B 5 RE 13/14) nicht. Im Übrigen genieße er Vertrauensschutz. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2015 zurück und führte unter anderem aus, dass die Beschäftigung bei der D. Bank AG nicht zu einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer oder in der berufsständischen Versorgung führe. Eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht sei nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI daher ausgeschlossen. Auch die Vorschrift des § 7 Abs. 2 AVG umfasse nur tätigkeitsbezogene Befreiungen. Mit Schreiben vom 18.08.1989 sei lediglich mitgeteilt worden, dass die mit Bescheid vom 01.03.1989 ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen aufzuheben sei. Nicht bestätigt worden sei, dass der Bescheid vom 01.03.1989 für jede weitere Beschäftigung oder Tätigkeit gelte. Bezüglich des Vertrauensschutzes werde auf die ergangene Rechtsprechung des BSG verwiesen.
Der Kläger hat am 23.02.2015 Klage zum Sozialgericht München erhoben und im Laufe des Verfahrens mitgeteilt, dass die Neuregelung der §§ 46 ff Bundesrechtsanwaltsordnung nicht für ihn gelte, da er zu keiner Zeit als Syndikus-Anwalt tätig gewesen sei. Es komme allein darauf an, ob die Befreiung nach § 7 Abs. 2 AVG noch Gültigkeit habe. Im Übrigen genieße er Vertrauensschutz. Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 05.07.2017 und 14.07.2017 das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg sowie die C. gemäß § 75 Abs. 2 bzw. 75 Abs. 1 SGG beigeladen.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 13.09.2017 von der Absicht in Kenntnis gesetzt, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. Den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20.01.2015 aufzuheben. 2. Festzustellen, dass der Kläger durch Bescheid der BfA vom 01.03.1089 von der gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft und unwiderruflich befreit wurde. 3. Die Beklagte zu verpflichten, sämtliche an sie seit August 2014 abgeführten Rentenversicherungsbeiträge des Klägers an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg abzuführen. 4. Der Beklagten die Kostentragungspflicht aufzuerlegen.
Hilfsweise: 1. Die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht rückwirkend seit 01.12.1988 zu befreien. 2. Die Beklagte zu verpflichten, sämtliche an sie seit August 2014 abgeführten Rentenversicherungsbeiträge des Klägers an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg abzuführen. 3. Der Beklagten die Kostentragungspflicht aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Beigezogen war die Verwaltungsakte der Beklagten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte und der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.
Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist für die Tätigkeit bei der D. Bank AG nicht von der Versicherungspflicht befreit.
Der Kläger wurde mit Bescheid vom 01.03.1989 als Rechtsanwalt aufgrund der Mitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht befreit. Diese Befreiung gilt jedoch nicht für die bei der D. Bank AG ausgeübte Tätigkeit. Der in § 7 Abs. 2 AVG enthaltene Befreiungstatbestand ist nach Aufhebung des AVG in § 6 SGB VI geregelt. Für die Befreiungen, die nach dieser Vorschrift ausgesprochen wurden, schreibt § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI vor, dass die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder Tätigkeit beschränkt ist. Der Kläger gibt selbst an, nicht als Syndikus-Rechtsanwalt bei der jetzigen Arbeitgeberin tätig zu sein. Da die Befreiung entgegen der Auffassung des Klägers nicht personenbezogen, sondern tätigkeitsbezogen erfolgte und erfolgt, musste der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 nicht aufgehoben werden (vgl. hierzu auch LSG Berlin Bandenburg vom 04.09.2013, L 1 KR 125/12 mit weiteren Nachweisen).
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 05.12.2017 (B 12 KR 11/15 R) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Befreiungsbescheide jeweils mit dem Wechsel in der Beschäftigung ihre Wirkung verloren. Das BSG führt in o.g. Urteil weiter aus, dass die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung abstellt, wobei eine "andere Beschäftigung" schon dann vorliegt, wenn eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird.
Der Kläger hatte 1989 eine Befreiung von der Versicherungspflicht für seine Tätigkeiten in der Rechtsanwaltskanzlei E. in E-Stadt erhalten. Die Tätigkeit bei der D. Bank AG ist daher eine "andere Beschäftigung". Durch den Wechsel der Tätigkeiten musste der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 nicht aufgehoben werden.
Aus dem Schreiben vom 18.08.1989 ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger für jedwede Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit ist. Insoweit kann aus diesem Schreiben kein Vertrauensschutz abgeleitet werden.
Das Schreiben vom 18.08.1989 enthält auch keine Zusicherung i.S. des § 34 SGB X. Vielmehr wird der Kläger zur Klärung seiner Frage, ob er als freier Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei der Versicherungspflicht unterliegt, an die zuständige Einzugsstelle verwiesen. I.ü. gibt die Beklagte im Schreiben vom 18.08.1989 lediglich die Gesetzeslage wieder; es erfolgt jedoch gerade keine Subsumtion und Beantwortung der Frage, ob weiterhin Versicherungspflicht als freier Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei bestünde.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Der Kläger ist nicht aufgrund seiner Beschäftigung bei der D. Bank AG Pflichtmitglied in der berufsständigen Versorgungeinrichtung.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten und auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich Kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI für die bei der D. Bank AG ausgeübte Tätigkeit nicht erfüllt. Der Kläger gibt selbst an, nicht als Syndikus-Anwalt dort beschäftigt zu sein. Für sogenannte Syndikus-Anwälte hat das BSG mit Urteil vom 03.04.2014 (B 5 RE 3/14 R) klargestellt, dass selbst Syndikus-Anwälte bei nichtanwaltlicher Arbeitgebern nicht gemäß § 6 Abs. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit werden können.
Der Kläger genießt auch keinen Vertrauensschutz im Rahmen des § 231 SGB VI. Der Kläger ist nicht nach § 6 Abs. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit. Auch bezieht sich - wie oben ausgeführt - der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 nicht auf die jetzige Tätigkeit, so dass die Voraussetzungen für den in § 231 SGB VI normierten Vertrauensschutz nicht erfüllt sind.
Im Übrigen würde es sich bei der Prüfung, inwieweit gemäß § 231 Abs. 4 b, c SGB VI rückwirkend von der Versicherungspflicht befreit werden kann, um eine neues Verwaltungsverfahren handeln, welches zunächst von den zuständigen Rechtsträgern durchgeführt werden müsste (vgl. LSG Sachsen vom 06.09.2016, L 4 R 391/15, LSG Baden-Württemberg vom 20.07.2017, L 1 R 3495/15).
Da der Kläger weder durch den Bescheid der Beklagten vom 01.03.1989 dauerhaft und unwiderruflich von der Versicherungspflicht für jedwede Tätigkeit befreit ist, noch der Kläger gemäß § 6 SGB VI von der Versicherungspflicht als Beschäftigter bei der D. Bank AG befreit werden kann, waren sowohl der Antrag als auch der Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Ihre Kosten waren daher nicht zu erstatten.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, dass er für die am 01.11.2005 aufgenommene Beschäftigung bei der D. Bank AG nicht von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit ist. Er begehrt die Feststellung, dass der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 gemäß § 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) weiterhin Gültigkeit hat.
Der 1961 geborene Kläger wurde auf seinen Antrag vom 18.01.1989 als Rechtsanwalt mit Bescheid vom 01.03.1989 gemäß § 7 Abs. 2 AVG von der Versicherungspflicht befreit. Der Kläger ist Mitglied des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg sowie Mitglied der C ...
Mit Schreiben vom 29.07.2014 beantragte der Kläger die Bestätigung, dass er für die Tätigkeit beim jetzigen Arbeitgeber, der D. Bank AG, aufgrund der Befreiung vom 01.03.1989 i.V.m. dem Schreiben der Beklagten vom 18.08.1989 weiterhin von der Versicherungspflicht befreit ist. Der Kläger teilte mit, er sei im Oktober 1989 als Angestellter in die D. Bank AG eingetreten. Außer einem kurzen Zeitraum März bis Oktober 2005, bei der er bei einem anderen Unternehmen im Angestelltenverhältnis tätig gewesen sei, sei er seit November 2005 wieder bei der D. angestellt. Er gehe davon aus, dass die Befreiung gemäß § 7 Abs. 2 AVG personenbezogen sei. Im Übrigen bestünde Vertrauensschutz insofern, als er seit 25 Jahren Beiträge an das Versorgungswerk zahle. Auch sei sein Fall mit der BSG-Rechtsprechung (zu Syndikus-Anwälten) nicht vergleichbar. Den dort entschiedenen Fällen lägen andere Sachverhalte zugrunde. Mit Bescheid vom 23.10.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI für die am 01.11.2005 aufgenommen Beschäftigung als Syndikus-Anwalt der D. Bank AG ab und führte aus, der Kläger sei nicht als Rechtsanwalt beim Arbeitgeber beschäftigt. Die Mitgliedschaft beim berufsständischen Versorgungswerk bestehe nicht wegen der Beschäftigung als Syndikus-Anwalt. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, die Befreiung vom 01.03.1989 sei eine personenbezogene Befreiung, sodass es auf die jetzige Tätigkeit nicht ankomme, im Übrigen habe er zu keinem Zeitpunkt behauptet, Syndikus-Anwalt bei der D. Bank AG zu sein. Da seine Befreiung vom 01.03.1989 eine personenbezogene und nicht eine tätigkeitsbezogene Befreiung gewesen sei, gelte insofern das Urteil des BSG (Az.: B 5 RE 13/14) nicht. Im Übrigen genieße er Vertrauensschutz. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2015 zurück und führte unter anderem aus, dass die Beschäftigung bei der D. Bank AG nicht zu einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer oder in der berufsständischen Versorgung führe. Eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht sei nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI daher ausgeschlossen. Auch die Vorschrift des § 7 Abs. 2 AVG umfasse nur tätigkeitsbezogene Befreiungen. Mit Schreiben vom 18.08.1989 sei lediglich mitgeteilt worden, dass die mit Bescheid vom 01.03.1989 ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen aufzuheben sei. Nicht bestätigt worden sei, dass der Bescheid vom 01.03.1989 für jede weitere Beschäftigung oder Tätigkeit gelte. Bezüglich des Vertrauensschutzes werde auf die ergangene Rechtsprechung des BSG verwiesen.
Der Kläger hat am 23.02.2015 Klage zum Sozialgericht München erhoben und im Laufe des Verfahrens mitgeteilt, dass die Neuregelung der §§ 46 ff Bundesrechtsanwaltsordnung nicht für ihn gelte, da er zu keiner Zeit als Syndikus-Anwalt tätig gewesen sei. Es komme allein darauf an, ob die Befreiung nach § 7 Abs. 2 AVG noch Gültigkeit habe. Im Übrigen genieße er Vertrauensschutz. Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 05.07.2017 und 14.07.2017 das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg sowie die C. gemäß § 75 Abs. 2 bzw. 75 Abs. 1 SGG beigeladen.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 13.09.2017 von der Absicht in Kenntnis gesetzt, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. Den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20.01.2015 aufzuheben. 2. Festzustellen, dass der Kläger durch Bescheid der BfA vom 01.03.1089 von der gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft und unwiderruflich befreit wurde. 3. Die Beklagte zu verpflichten, sämtliche an sie seit August 2014 abgeführten Rentenversicherungsbeiträge des Klägers an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg abzuführen. 4. Der Beklagten die Kostentragungspflicht aufzuerlegen.
Hilfsweise: 1. Die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht rückwirkend seit 01.12.1988 zu befreien. 2. Die Beklagte zu verpflichten, sämtliche an sie seit August 2014 abgeführten Rentenversicherungsbeiträge des Klägers an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg abzuführen. 3. Der Beklagten die Kostentragungspflicht aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Beigezogen war die Verwaltungsakte der Beklagten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte und der Klageakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.
Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist für die Tätigkeit bei der D. Bank AG nicht von der Versicherungspflicht befreit.
Der Kläger wurde mit Bescheid vom 01.03.1989 als Rechtsanwalt aufgrund der Mitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht befreit. Diese Befreiung gilt jedoch nicht für die bei der D. Bank AG ausgeübte Tätigkeit. Der in § 7 Abs. 2 AVG enthaltene Befreiungstatbestand ist nach Aufhebung des AVG in § 6 SGB VI geregelt. Für die Befreiungen, die nach dieser Vorschrift ausgesprochen wurden, schreibt § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI vor, dass die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder Tätigkeit beschränkt ist. Der Kläger gibt selbst an, nicht als Syndikus-Rechtsanwalt bei der jetzigen Arbeitgeberin tätig zu sein. Da die Befreiung entgegen der Auffassung des Klägers nicht personenbezogen, sondern tätigkeitsbezogen erfolgte und erfolgt, musste der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 nicht aufgehoben werden (vgl. hierzu auch LSG Berlin Bandenburg vom 04.09.2013, L 1 KR 125/12 mit weiteren Nachweisen).
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 05.12.2017 (B 12 KR 11/15 R) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Befreiungsbescheide jeweils mit dem Wechsel in der Beschäftigung ihre Wirkung verloren. Das BSG führt in o.g. Urteil weiter aus, dass die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung abstellt, wobei eine "andere Beschäftigung" schon dann vorliegt, wenn eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird.
Der Kläger hatte 1989 eine Befreiung von der Versicherungspflicht für seine Tätigkeiten in der Rechtsanwaltskanzlei E. in E-Stadt erhalten. Die Tätigkeit bei der D. Bank AG ist daher eine "andere Beschäftigung". Durch den Wechsel der Tätigkeiten musste der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 nicht aufgehoben werden.
Aus dem Schreiben vom 18.08.1989 ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger für jedwede Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit ist. Insoweit kann aus diesem Schreiben kein Vertrauensschutz abgeleitet werden.
Das Schreiben vom 18.08.1989 enthält auch keine Zusicherung i.S. des § 34 SGB X. Vielmehr wird der Kläger zur Klärung seiner Frage, ob er als freier Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei der Versicherungspflicht unterliegt, an die zuständige Einzugsstelle verwiesen. I.ü. gibt die Beklagte im Schreiben vom 18.08.1989 lediglich die Gesetzeslage wieder; es erfolgt jedoch gerade keine Subsumtion und Beantwortung der Frage, ob weiterhin Versicherungspflicht als freier Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei bestünde.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Der Kläger ist nicht aufgrund seiner Beschäftigung bei der D. Bank AG Pflichtmitglied in der berufsständigen Versorgungeinrichtung.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten und auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich Kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI für die bei der D. Bank AG ausgeübte Tätigkeit nicht erfüllt. Der Kläger gibt selbst an, nicht als Syndikus-Anwalt dort beschäftigt zu sein. Für sogenannte Syndikus-Anwälte hat das BSG mit Urteil vom 03.04.2014 (B 5 RE 3/14 R) klargestellt, dass selbst Syndikus-Anwälte bei nichtanwaltlicher Arbeitgebern nicht gemäß § 6 Abs. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit werden können.
Der Kläger genießt auch keinen Vertrauensschutz im Rahmen des § 231 SGB VI. Der Kläger ist nicht nach § 6 Abs. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit. Auch bezieht sich - wie oben ausgeführt - der Befreiungsbescheid vom 01.03.1989 nicht auf die jetzige Tätigkeit, so dass die Voraussetzungen für den in § 231 SGB VI normierten Vertrauensschutz nicht erfüllt sind.
Im Übrigen würde es sich bei der Prüfung, inwieweit gemäß § 231 Abs. 4 b, c SGB VI rückwirkend von der Versicherungspflicht befreit werden kann, um eine neues Verwaltungsverfahren handeln, welches zunächst von den zuständigen Rechtsträgern durchgeführt werden müsste (vgl. LSG Sachsen vom 06.09.2016, L 4 R 391/15, LSG Baden-Württemberg vom 20.07.2017, L 1 R 3495/15).
Da der Kläger weder durch den Bescheid der Beklagten vom 01.03.1989 dauerhaft und unwiderruflich von der Versicherungspflicht für jedwede Tätigkeit befreit ist, noch der Kläger gemäß § 6 SGB VI von der Versicherungspflicht als Beschäftigter bei der D. Bank AG befreit werden kann, waren sowohl der Antrag als auch der Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Ihre Kosten waren daher nicht zu erstatten.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved