L 7 R 78/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 147/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 78/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. Dezember 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Die 1965 geborene Klägerin erlernte vom 1. November 1983 bis 31. August 1984 den Beruf der Verkäuferin. In der Folgezeit war sie von 1985 bis November 2013 als Arbeiterin in einem Unternehmen der Automobil-Zulieferindustrie tätig. Danach war sie arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos; sie bezog bis zum 26. November 2014 Krankengeld und ab dem 27. November 2014 Arbeitslosengeld. Seit dem 10. Oktober 2016 ist sie erneut als Lagerhilfskraft versicherungspflichtig beschäftigt mit einer Arbeitszeit von vier Stunden, zwischenzeitlich von Mai bis November 2017 sechs Stunden arbeitstäglich. Bei ihr besteht ein Grad der Behinderung von 40.

Vom 30. Juli bis 10. September 2013 absolvierte sie eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik K., wo sie mit den Diagnosen mittelgradige depressive Episode, Tinnitus aurium, Rückenschmerzen im Zervikalbereich und Spannungskopfschmerz für sechs Stunden und mehr leistungsfähig für die letzte Tätigkeit als Lagerarbeiterin entlassen wurde.

Am 6. Juli 2015 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Einholung medizinischer Unterlagen bei der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. D., auf die Bezug genommen wird, veranlasste die Beklagte die gutachterliche Untersuchung der Klägerin durch den Facharzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Anästhesiologie Dr. Z ... Im Gutachten vom 14. August 2015 stellte dieser die Diagnosen haltungs- und belastungsabhängige Dorsalgien und Lumbalgien bei Osteochondrose, geringe Bandscheibenschäden ohne wesentliche Neuroforameneinengungen mit guter Beweglichkeit der Wirbelsäule und fehlendem neurologischen Defizit, rezidivierende depressive Störung, derzeit allenfalls leichtgradige Episode, Verdacht auf Sinusitis axillaris links, Sehminderung auf dem rechten Auge unklarer Ursache sowie Verdacht auf somatoforme Störung. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei der Klägerin nicht mehr zumutbar. Sie sei jedoch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Mit Bescheid vom 20. August 2015 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den hiergegen am 1. September 2015 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2015 zurück. Da die Klägerin nach dem 1. Januar 1961 geboren sei, komme auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht.

Hiergegen hat die Klägerin am 12. Januar 2016 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat Dr. D. als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat unter dem 16. Mai 2016 mitgeteilt, während in früheren Jahren Schmerzen und Depressionen als Folge von Verlusten und Verpasstem im Vordergrund gestanden hätten, stünden seit Dezember 2014 die neurologischen Beschwerden im Vordergrund. Wegen am 15. Januar 2016 geklagter Beschwerden in Form einer pelzigen Zunge, rechtsseitiger Gefühlsstörungen mit Kraftminderung sowie Seh- und Geruchsstörungen sei eine stationäre Einweisung in die Neurologische Klinik am Klinikum O. erfolgt. Die neurologischen Defizite führten zu einem schweren seelischen Beeinträchtigungserleben. Aus ihrer Sicht seien die neurologischen Defizite nicht ganz so beeinträchtigend wie die psychischen Störungen. Aktuell sei der Widerstand der Patientin jedoch groß, eine Arbeitsstelle anzutreten, solange keine Klarheit zur Verdachtsdiagnose "Multiple Sklerose" bestehe. Beigefügt war der Arztbrief des Chefarztes der Neurologischen Klinik am Klinikum O. Prof. Dr. S. vom 24. März 2016 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 17. bis 18. März 2016 mit den Diagnosen Verdacht auf Multiple Sklerose, differenzialdiagnostisch Neuroborreliose. Eine Kernspintomographie des Kopfes habe keinerlei Raumforderung, entzündliche Herde oder Ischämien ergeben. Ein EEG habe keine Hinweise auf epileptische Potentiale erbracht. Die Ergebnisse der Liquordiagnostik stünden noch aus. Weiter vorgelegt wurde ein Arztbrief der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen am Klinikum F. vom 11. Juli 2016, in welchem Prof. Dr. Dr. S. die Diagnosen einer craniomandibulären Dysfunktion, Geschmackssinnverlust, Kiefergelenkschmerzen links sowie eine chronische Myalgie der Kaumuskulatur, linksseitig führend, genannt hat. Ursächlich sei eine Bisssenkung im Seitenzahnbereich, die mit einer eckzahngeführten mittigen Schiene behandelt werden solle.

Das SG hat weiter Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E., Leiter der Sektion forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum F., mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 2. September 2016 hat Prof. Dr. E. ausgeführt, seitens des psychiatrischen Fachgebiets leide die Klägerin unter einem depressiven Syndrom. Auf neurologischem Fachgebiet habe ein aktuell nicht nachweisbares somatisch-vegetatives Syndrom vorgelegen. Aktuell bestehe eine depressive Episode. Differenzialdiagnostisch komme eine organische affektive Störung bei unbekannter Grunderkrankung in Betracht. Unter Annahme aktueller Arbeitsunfähigkeit bei fehlender Behandlung der depressiven Episode bzw. des depressiven Syndroms könnten leichte körperliche Tätigkeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne Tätigkeiten mit geistigen Anforderungen, ohne Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruchung nach erfolgreicher Therapie nach wenigen Wochen mindestens sechs Stunden täglich durchgeführt werden. Bei erfolgloser Therapie könnten die Tätigkeiten nur drei bis weniger als sechs Stunden durchgeführt werden. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, die vom Sachverständigen als erforderlich erachtete Therapie werde bereits seit 2013 - bisher ohne Erfolg - durchgeführt.

Mit Gerichtsbescheid vom 5. Dezember 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin seit der Begutachtung bei Prof. Dr. E. am 23. August 2016 ein drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen bestehe. Dieser Zustand habe jedoch bisher nicht über sechs Monate hinaus angedauert, sodass keine Erwerbsminderung vorliege. Deshalb seien die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfüllt. Hinsichtlich des Verdachts auf eine Multiple Sklerose oder Neuroborreliose habe der Sachverständige ausgeführt, diese habe sich in den Untersuchungen nicht bestätigt.

Gegen den am 10. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10. Januar 2017 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, der Sachverständige Prof. Dr. E. habe zutreffend festgestellt, dass sie bis zum erfolgreichen Abschluss der für notwendig erachteten Behandlung in erwerbsmindernder Weise erkrankt sei. Der Beginn der Erkrankung sei auf den 24. Februar 2013, den Tag des Todes ihrer Mutter, zu datieren. Sie habe ihre Mutter in der Zeit vor deren Tod mindestens dreimal die Woche im Pflegeheim besucht und sei dort jeweils mindestens zwei Stunden zur Betreuung geblieben. Mit dem Tod ihrer Mutter sei sie zwar von der tätigen Fürsorge entlastet worden, jedoch zugleich in ein seelisches Loch gefallen, aus dem sie sich bislang nicht habe befreien können. Seither stehe sie bei dem Arzt für Psychotherapie und psychosomatische Medizin K. in Behandlung, ohne dass bisher eine Heilung bewirkt worden sei.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2015 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2015 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Arzt K. hat auf Anforderung des Senats in der sachverständigen Zeugenaussage vom 27. März 2017 mitgeteilt, zu Behandlungsbeginn im Jahr 2013 habe die Klägerin über massive Antriebsschwäche, Lustlosigkeit, Stimmungsschwankungen, Morgentief, Konzentrationsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen geklagt. Anfang 2014 sei eine neurologische Symptomatik, gekennzeichnet durch Parästhesien und Taubheitsgefühle an den Extremitäten, ein sehr lästiger Tinnitus und Geschmacksstörungen mit nachfolgender Appetitlosigkeit hinzugetreten. Diese neurologische Symptomatik habe sich im Jahr 2016 so massiv verstärkt, dass die Verdachtsdiagnose Multiple Sklerose gestellt worden sei, die bis heute nicht habe gesichert werden können. Hinsichtlich des psychischen Befundes hat er eine depressive Stimmungslage mit deutlich eingeschränkten emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten genannt.

Die Beklagte hat sozialmedizinische Stellungnahmen der Internistin Dr. P. und der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. D. vorgelegt. Dr. P. hat in der Stellungnahme vom 7. April 2014 ausgeführt, aus internistischer Sicht ergebe sich keine Erkrankung von sozialmedizinsicher Relevanz. Dr. D. hat eine weitere gutachterliche Abklärung angeregt.

Der Senat hat daraufhin Prof. Dr. S3, Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I am Psychiatrischen Zentrum ..., W., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im fachpsychiatrischen Gutachten vom 20. November 2017 hat Prof. Dr. S3 die Diagnosen einer Dysthymia, einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert, einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, eines Spannungskopfschmerzes, sonstiger Koordinationsstörungen bei Verdacht auf Polyneuropathie, einer Störung des Geruchs- und Geschmackssinns sowie eines Tinnitus aurium links gestellt. Auf Grund der Kombination einer depressiven Störung mit der undifferenzierten Somatisierungsstörung und der Disposition zu Spannungskopfschmerzen sei die psychosoziale Stressbelastbarkeit der Klägerin reduziert. Zu vermeiden seien Arbeitsumstände, die zu erhöhter psychovegetativer Stressbelastung führten - etwa durch erhöhten Zeitdruck (z. B. Akkordarbeit mit hoher Taktfrequenz oder Nachtarbeit). Gleiches gelte für Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte sowie mit unmittelbarem Publikumskontakt verbunden mit der Notwendigkeit einer flexiblen Reaktion auf Anliegen des Gegenübers. Auch Tätigkeiten mit anhaltend hoher Anforderung an die Aufmerksamkeitsleistung seien nicht mehr zumutbar. Auf Grund der Koordinationsstörungen seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten auf unebenem Boden oder Tätigkeiten bei mangelhaften Beleuchtungsverhältnissen nicht mehr leidensgerecht. Die Störung des Geruchs- und Geschmackssinns schließe Tätigkeiten aus, die Anforderungen an dieses sensorische Vermögen stellten wie Tätigkeiten in der Lebensmittelproduktion, im Umgang mit Chemikalien und des Angewiesenseins auf das Geruchsorgan bei Störung im Produktionsprozess. Der linksseitige Tinnitus schließe Tätigkeiten mit erhöhter Lärmexposition aus. Wegen vorbeschriebener degenerativer Veränderungen im Wirbelsäulenbereich könnten nur noch anhaltend leichte Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel bis maximal fünf Kilogramm und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit Lasten bis zu zehn Kilogramm verrichtet werden. Darüber hinaus gehende besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sei die Klägerin noch in der Lage, arbeitstäglich sechs Stunden und mehr zu arbeiten. Auch die von der Klägerin berichtete aktuelle Arbeitsleistung von sechs Stunden werktäglich spreche nicht für eine substanzielle Ausdauerleistungsminderung. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt. Sie sei in der Lage, ihren PKW sowie öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Zusammengefasst sei das jetzt festgestellte Defizitprofil in Bezug auf die qualitative Einsetzbarkeit der Klägerin schon seit der Entlassung aus der Reha-Klinik K. im September 2013 anzunehmen. Die in der Vergangenheit gestellte Verdachtsdiagnose Multiple Sklerose sei nach den vorliegenden Befunden bisher nicht verifiziert worden, es habe sich auch kein klinisches Bild ergeben, dass dieser Erkrankung entsprechen würde.

Der Senat hat den endgültigen Arztbrief der Neurologischen Klinik am Klinikum O. vom 12. Mai 2016 beigezogen. Darin hat Dr. K. ausgeführt, der Liquor habe keine Hinweise auf eine Neuroborreliose oder Multiple Sklerose und ebenso keinen Hinweis auf eine Herpes- oder Varizellenenzephalitis erbracht.

Die Klägerin hat weiter den Arztbrief des Prof. Dr. E., Ärztlicher Direktor der Kliniken B., vom 1. Februar 2018 über eine stationäre Behandlung vom 16. Januar 2018 bis 2. Februar 2018 vorgelegt, in welchem u.a. die Diagnosen eines schweren Fibromyalgie-Syndroms sowie einer rezidivierenden Depression, derzeit hochgradig ausgeprägt, genannt werden. Dr. D. hat hierzu in der Sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11. April 2018 ausgeführt, dem Entlassungsbericht sei zwar eine zwischenzeitliche Beschwerdeverschlechterung der depressiven Symptomatik, verbunden mit einer erhöhten Schmerzwahrnehmung und beschriebenen Ängsten, zu entnehmen. Der Klägerin sei es jedoch gelungen, von der stationären multimodalen Krankenhausbehandlung zu profitieren, so dass die Leistungsbeurteilung des Prof. Dr. S3 weiterhin Bestand habe.

Auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin DR. W. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 20. September 2018 hat DR. W. die Diagnosen chronisches Schmerzsyndrom vom Fibromyalgietyp, paranoide Persönlichkeitsstörung, Dysthymie sowie Tinnitus aurium genannt. Bei der Klägerin liege eine komplexe Störung vor, die in mehreren Phasen in unterschiedlichem Gewand aufgetreten sei. Über mehrere Jahre sei die Symptomatik eher als depressive Störung und Überforderung, insbesondere bei Konflikten mit einem Arbeitskollegen und durch den Tod der Mutter, interpretiert worden. Später habe sich das Beschwerdebild gewandelt, wobei zunehmend somatische Beschwerden in den Vordergrund getreten seien, gepaart mit vegetativen und funktionellen Beschwerden, die als chronisches Schmerzsyndrom vom Fibromyalgietyp zu klassifizieren seien. Eine eigentlich depressive Symptomatik sei nicht erkennbar. Die Klägerin sei vor allem beeinträchtigt durch anhaltende Schmerzen und Schlafstörungen mit Morgensteife. Sie könne noch eine abwechslungsreiche Tätigkeit ohne einseitige Belastungen, ohne Heben und Tragen von Lasten über fünf Kilogramm bzw. kurzzeitig zehn Kilogramm, ohne Arbeiten im Akkord, unter Zeitdruck, Nachtschicht, in Nässe oder Kälte verrichten. Die derzeit ausgeübte Tätigkeit – Verpacken von Metallteilen – erscheine insgesamt nicht als ideale Beschäftigung. Die Klägerin könne dauerhaft eine Tätigkeit mit den genannten Einschränkungen noch vier Stunden täglich ausüben, wobei an einzelnen Tagen durchaus mehr möglich wäre. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.

Dr. D. ist in der Sozialmedizinischen Stellungnahme vom 9. November 2018 der Leistungsbeurteilung durch DR. W. entgegengetreten und hat ausgeführt, dieser habe die nach der aktuellen Leitlinie zur Schmerzbegutachtung erforderliche Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung der von der Klägerin (subjektiv) dargestellten Beschwerdesymptomatik nicht ausreichend durchgeführt bzw. berücksichtigt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), da die Klägerin Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 20. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2015 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2015 abgelehnt hat. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), mit der sie die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung geltend macht. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht sie – zu Recht – nicht geltend, weil diese Rente nur an Versicherte gewährt werden kann, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGBVI]), die Klägerin jedoch im Jahr 1965 geboren ist.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs.1 Satz 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs.1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI) erfüllt. Zur Überzeugung des Senats ist die Klägerin jedoch nicht erwerbsgemindert.

Im Vordergrund des Beschwerdebildes der Klägerin steht zwischenzeitlich die Schmerzerkrankung, die vom Sachverständigen Prof. Dr. S3 als undifferenzierte Somatisierungsstörung, von Prof. Dr. E. im Arztbrief vom 1. Februar 2018 als Fibromyalgie-Syndrom und von DR. W. im Gutachten vom 20. September 2018 als chronisches Schmerzsyndrom vom Fibromyalgietyp beschrieben worden ist, unter das auch ein großer Teil der vegetativen und funktionellen Symptomatik der Klägerin zu subsummieren sei. Der Senat lässt es dahingestellt, wie die Schmerzerkrankung der Klägerin diagnostisch einzuordnen ist. Denn entscheidend ist nicht die jeweils gestellte Diagnose, sondern vielmehr, welche Leistungseinschränkungen hieraus resultieren. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist es nicht genügend, sich mit der Frage des Vorliegens einer Fibromyalgie-Erkrankung auseinanderzusetzen, maßgeblich sind vielmehr die aus einer Erkrankung resultierenden konkreten Leistungseinschränkungen. Maßgeblich ist deshalb nicht die Diagnosestellung, sondern das Ausmaß der negativen Beeinflussung von – dauerhaften – Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen (BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2003 – B 13 RJ 179/03 B – juris Rdnr. 6; BSG, Beschluss vom 8. Oktober 2018 – B 5 R 112/18 B – juris Rdnr. 10). Prof. Dr. E. hat im Arztbrief vom 1. Februar 2018 insoweit ausgeführt, die Klägerin habe unter stärksten Schmerzen am ganzen Körper, ausgeprägten Schlafstörungen mit konsekutiver Erschöpfung, Tagesmüdigkeit und Abgeschlagenheit sowie multiplen funktionellen und vegetativen Beschwerden gelitten. Die fibromyalgietypischen Tenderpoints seien hochgradig druckdolent gewesen (18/18 Tenderpoints positiv). Demgegenüber hat Prof. Dr. S3 die multiplen und wiederholt zu körperlichen Abklärungen führenden gastrointestinalen, kardio-pulmonalen sowie die Sensibilität und Schmerzen des Bewegungsapparats betreffenden Beschwerden als undifferenzierte Somatisierungsstörung (ICD-10: F 45.1) klassifiziert. Er hat hierzu ausgeführt, die Klägerin habe eindrücklich von gastrointestinalen Reaktionsweisen auf psychosoziale Stressbelastungen, etwa in Bezug auf die Entwicklung von "Magenproblemen" im Zusammenhang mit einer finanziell schwierigen Situation nach Kauf einer Eigentumswohnung, episodischen Schmerzphasen, typischerweise im Zusammenhang mit Stresserfahrungen am Arbeitsplatz (etwa im Zusammenhang mit einer Belästigung durch den Vorgesetzten am Arbeitsplatz), über ein breites Spektrum von gastrointestinalen Beschwerden (Übelkeit, Gefühl der Überblähung, schlechter Geschmack im Mund, extrem belegte Zunge, Regogitation, Gefühl des Erbrechens, mehrfach monatlich Durchfälle) sowie kardiologisch pulmonale Beschwerden (Atemlosigkeit ohne Überanstrengung, Schmerzen im Brustbereich), weiterhin Schmerzen an den Extremitäten sowie deutliche unangenehme Taubheits- und Kribbelgefühle berichtet. Mehrere dieser Beschwerden seien somatisch abgeklärt worden (Magenspiegelung, kardiale Abklärung, neurologische Abklärung), ohne dass ein somatischer Befund erhoben werden konnte. Damit liegt ein weitgehend übereinstimmendes Beschwerdebild vor. Lediglich eine Überprüfung der Tenderpoints hat durch Prof. Dr. S3 nicht stattgefunden. Auch DR. W. hat im Gutachten vom 20. September 2018 die Diagnose einer Fibromyalgie nicht mehr gestellt und lediglich ein chronisches Schmerzsyndrom vom Fibromyalgietyp diagnostiziert als Ausdruck einer komplexen Störung, die in mehreren Phasen in unterschiedlichem Gewand aufgetreten sei. Nachdem zunächst über mehrere Jahre die Symptomatik als depressive Störung und Überforderung, insbesondere bei der Arbeit und durch den Tod der Mutter, interpretiert worden sei, habe sich das Beschwerdebild gewandelt und es seien zunehmend somatische Beschwerden und vor allem Schmerzen in den Vordergrund getreten, gepaart mit zahlreichen vegetativen und funktionellen Störungen.

Des Weiteren bestehen eine Dysthymie in Verbindung mit einer rezidivierenden depressiven Störung im Sinne einer "Doppel-Depression", die sich einerseits in einer langjährig bestehenden leichten Verstimmung, die nicht den Ausprägungsgrad einer depressiven Episode erreicht, und andererseits in wiederkehrenden, typischerweise durch externe Belastungsmomente ausgelösten gravierenden depressiven Einzelepisoden äußert. Hierzu hat Prof. Dr. S3 in für den Senat überzeugender Weise ausgeführt, dass bei der Klägerin in der Vergangenheit wiederholt eine phasenhaft aufgetretene deutliche Depressivität vorgelegen hat, etwa im Zusammenhang mit dem Tod der Eltern (der Vater starb, als die Klägerin zwölf Jahre alt war, die Mutter verstarb 2013), wobei aufgrund der stationär-psychosomatischen Behandlung in der Klinik K. vom 30. Juli bis 10. September 2013 eine Besserung erzielt werden konnte und Dr. Z. bei der gutachterlichen Untersuchung am 13. August 2015 eine zu diesem Zeitpunkt allenfalls leichtgradige Episode feststellen konnte. Auch Prof. Dr. E. hat im Gutachten vom 2. September 2016 eine depressive Episode diagnostiziert, wobei innerhalb weniger Wochen mit einer wesentlichen Besserung zu rechnen sei. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass Prof. Dr. E. im Februar 2018 die Diagnose einer rezidivierenden Depression, derzeit hochgradig ausgeprägt, gestellt hat. Denn bei der nachfolgenden gutachterlichen Untersuchung durch DR. W. am 3. und 4. September 2018 war eine eigentlich depressive Symptomatik nicht mehr erkennbar. Daraus resultieren lediglich Phasen einer Arbeitsunfähigkeit in den Zeiten des Auftretens einer stärker ausgeprägten Depression, die jedoch eine Zeitspanne von sechs Monaten nicht überschreiten und deshalb rentenrechtlich unbeachtlich bleiben.

Bei der Klägerin besteht weiter eine diskrete Zwangssymptomatik, die sich in Kontrollgängen z.B. beim Verlassen der Wohnung oder Abstellen des PKW äußert, die jedoch nicht den Ausprägungsgrad einer klinisch relevanten Zwangsstörung erreicht. Soweit Prof. Dr. E. im Arztbrief vom 1. Februar 2018 als Diagnose ein Paniksyndrom genannt hat, findet sich im weiteren Arztbrief lediglich die Angabe in der psychologischen Testdiagnostik, im PHQ-D-Gesundheitsfragebogen für Patienten seien Paniksyndrome vorhanden. In der Epikrise wird ausgeführt, im Vordergrund der Behandlung hätten die Paniksyndrome gestanden, ohne jedoch anzugeben, welche Paniksyndrome aufgetreten sind. Auch die von DR. W. diagnostizierte paranoide Persönlichkeitsstörung, die er damit begründet hat, es fänden sich deutliche Hinweise auf paranoide Inhalte, insbesondere im Bereich der Männer-Beziehungen, ist in diesem Symptomkomplex zu verorten. Hierzu hat Prof. Dr. S3 in für den Senat überzeugender Weise ausgeführt, bei der Klägerin lägen zukunfts- und körperbezogene Sorgen vor, die nach Ausprägungsgrad vollkommen situationsadäquat seien. Pathologische Ängste - etwa im Sinne von Panikattacken, Phobien oder einer generalisierten Angststörung - konnte er nicht feststellen. Auch eine klinisch krankheitswerte Persönlichkeitsstörung konnte er nicht feststellen, zumal die Ergebnisse der von ihm durchgeführten Persönlichkeitsdiagnostik zwar verschiedene Auffälligkeiten ergaben, die jedoch angesichts des klinischen Bildes und der Lebensbewältigung die Einordnung als krankheitswerte Persönlichkeitsstörung nicht rechtfertigen und darüber hinaus auch für die Diagnose einer wahnhaften Erkrankung ausreichend Belege fehlen.

Die von Prof. Dr. S3 gestellte Diagnose eines Spannungskopfschmerzes, seit einem halben Jahr hochfrequent auftretend, bis zu mehrtägig andauernd, typischerweise im Nacken beginnend und von dort nach oben hinter die Augen beidseitig ziehend, ist im Arztbrief des Prof. Dr. E. vom 1. Februar 2018 nicht mehr enthalten. Lediglich in der Ananmese werden Kopfschmerzen genannt, jedoch nicht mehr bei den dort gestellten Diagnosen. Ebenso hat die Klägerin gegenüber DR. W. keine spezifischen Kopfschmerzen genannt, sondern angegeben, die Schmerzen würden "überall" auftreten; DR. W. hat auch keine entsprechende Diagnose gestellt. Weiter bestehen ein Tinnitus aurium links, verstärkt bei Stress und körperlicher Belastung, sowie anamnestisch eine Störung des Geruchs- und Geschmacksinns.

Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung liegt bei der Klägerin nicht vor, sodass auch insoweit keine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich ist. Im Arztbrief des Prof. Dr. E. vom 1. Februar 2018 ist hierzu ausdrücklich ausgeführt, differenzialdiagnostisch hätten keine entzündlich-rheumatischen Erkrankungen als Ursache für die akute Schmerzexazerbation festgestellt werden können, insbesondere habe sich kein Hinweis für eine rheumatoide Arthritis, Polymyalgia rheumatica oder für eine Kollagenose gefunden. Auch der von Dr. S3 geäußerte Verdacht auf Polyneuropathie, den er wegen der von der Klägerin geäußerten Koordinationsstörungen gestellt hat, konnte nicht bestätigt werden. Entsprechende Beschwerden hat die Klägerin nachfolgend weder während der stationären Behandlung in der Klinik noch bei der gutachterlichen Untersuchung durch DR. W. geäußert. Die früher gestellten Verdachtsdiagnosen einer Neuroborreliose sowie einer Multiplen Sklerose konnten nicht bestätigt werden. So hat eine im März 2016 am Klinikum O. durchgeführte Kernspintomographie des Kopfes keinerlei Raumforderung und keine entzündlichen Herde oder Ischämien ergeben. Das gleichfalls durchgeführte EEG hat gleichfalls keine Hinweise auf epileptische Potentiale erbracht. Auch die durchgeführte Liquoranalyse hat keine Hinweise auf eine Neuroborreliose oder Multiple Sklerose und ebenso keine Hinweise auf eine Herpes- oder Varizellenenzephalitis ergeben. Schließlich hat auch kein klinisches Bild vorgelegen, das einer Erkrankung an Multipler Sklerose entsprechen würde.

Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen bei der Klägerin haltungs- und belastungsabhängige Dorsalgien und Lumbalgien bei Osteochondrose ohne wesentliche Neuroforameneinengungen mit guter Beweglichkeit der Wirbelsäule ohne neurologische Defizite. Der Senat stützt sich hierbei auf das von Dr. Z. für die Beklagte erstellte Verwaltungsgutachten vom 14. August 2015, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird. Eine freie Beweglichkeit der Gelenke wird auch durch die im Rahmen des stationären Aufenthalts in der Klinik im Januar 2018 erhobenen Befunde bestätigt. Dort war der Fuß-Boden-Abstand 0 cm, der Nacken- und Schürzengriff war unauffällig, die Extension/Flexion der Ellenbogengelenke beidseits betrug 0°/0°/150°, die Extension/Flexion des Hüftgelenks betrug beidseits 0°/0°/90°, die Abduktion/Aduktion des Hüftgelenks beidseits 45°/0°/15° und die Extension/Flexion der Kniegelenke beidseits 0°/0°/130°. Danach bestand lediglich eine Druckschmerzhaftigkeit am gesamten Körper.

Wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen kann die Klägerin keine Tätigkeiten mehr verrichten, die zu erhöhter psychovegetativer Stressbelastung führen wie z.B. Akkordarbeit mit hoher Taktfrequenz oder Nachtarbeit. Auch Tätigkeiten mit anhaltenden psychovegetativen Belastungen wie z.B. erhöhte Verantwortung für Personen oder Sachwerte, unmittelbarem Publikumskontakt oder der Notwendigkeit einer flexiblen Reaktion auf Anliegen des Gegenübers sind der Klägerin nicht mehr zumutbar. Schließlich sind Tätigkeiten mit anhaltend hoher Aufmerksamkeitsleistung wie Tätigkeiten mit Kontrollfunktion nicht mehr zumutbar. Wegen der Koordinationsstörungen sind auch Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, auf unebenem Boden oder Tätigkeiten bei mangelhaften Beleuchtungsverhältnissen auszuschließen. Die Störung des Geruchs- und Geschmackssinns steht Tätigkeiten entgegen, die Anforderungen an dieses sensorische Vermögen stellen, der linksseitig bestehende Tinnitus aurium schließt Tätigkeiten mit erhöhter Lärmexposition aus. Schließlich kann die Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel bis fünf Kilogramm und gelegentlich bis maximal zehn Kilogramm ausüben.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats - in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. S3 - fest, dass die Klägerin in der Lage ist, noch mindestens sechs Stunden täglich jedenfalls eine körperlich leichte Tätigkeit mit den genannten qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von Prof. Dr. E. erstatteten Gutachten vom 2. September 2016. Soweit er wegen einer depressiven Episode eine aktuelle Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden angenommen hat, lässt sich daraus schon keine mindestens sechs Monate andauernde zeitliche Leistungseinschränkung ableiten. Der Senat folgt auch nicht der Beurteilung des zeitlichen Leistungsvermögens durch den Sachverständigen DR. W., der eine tägliche Arbeitszeit von vier Stunden noch für zumutbar erachtet hat, wobei die Klägerin "zweifellos" in der Lage sei, an einzelnen Tagen mehr zu arbeiten. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin derzeit vier Stunden täglich als Lagerhilfskraft arbeitet und hierbei Gewichte von bis zu 15 Kilogramm zu bewegen hat. Für das Vorliegen eines Leistungsvermögens für eine mindestens sechsstündige Tätigkeit spricht zudem, dass die Klägerin von Mai bis Oktober 2017 wieder eine sechsstündige Tätigkeit ausgeübt hat und nunmehr ausweislich ihrer Angaben im Erörterungstermin am 26. April 2018 in einem Arbeitsverhältnis mit einer Arbeitszeit von vier Stunden täglich steht, ohne dass für eine Reduzierung der Arbeitszeit gesundheitliche Gründe maßgeblich waren. Insoweit ist weiter zu berücksichtigen, dass es sogar bei ihrem jetzigen Arbeitgeber Arbeitsplätze in der Qualitätskontrolle gibt, auf denen die Klägerin nach ihren eigenen Angaben gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. S3 sechs Stunden täglich arbeiten könnte. Unbeachtlich ist insoweit, ob die Klägerin auch einen entsprechenden Arbeitsplatz erhalten kann. Denn das Risiko, keinen dem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten, ist nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen und vermag einen Rentenanspruch wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zu begründen.

Die gesundheitlichen Einschränkungen sind weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch körperlich leichte Tätigkeiten (wenn auch mit qualitativen Einschränkungen) in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteile vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 79/09 R - BSGE 109, 189 - und 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris Rdnr. 26 ff.). In der Rechtsprechung des BSG werden hierbei als Fallgruppen Einschränkungen genannt aufgrund schwerer spezifischer Leistungsbehinderung wie z. B. Einarmigkeit bei gleichzeitiger Einäugigkeit (SozR 2200 § 1246 Nr. 30), der Notwendigkeit von zwei zusätzlich erforderlichen Arbeitspausen von je 15 Minuten (SozR 2200 § 1246 Nr. 136) oder von drei zusätzlich erforderlichen Arbeitspausen von zehn Minuten je Arbeitstag (BSG, Urteil vom 20. August 1997 - 13 RJ 39/96 -), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, Erforderlichkeit eines halbstündigen Wechsels vom Sitzen zum Gehen (SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8) oder Einschränkungen aufgrund regelmäßig einmal in der Woche auftretender Fieberschübe (SozR 3-2200 § 1247 Nr. 14). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist dagegen insbesondere nicht erforderlich im Falle des Ausschlusses von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind, bei Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen, bei Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen, sowie bei Ausschluss von Tätigkeiten, die häufiges Bücken erfordern (vgl. zu allem BSG Großer Senat SozR 3–2600 § 44 Nr. 8 m.w.N.; vgl. weiter Senatsurteil vom 23. April 2011 - L 7 R 5711/11 -). Der Senat ist der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen der Klägerin es ihr erlaubt, die oben genannten Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, auszuüben. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass sie über die für die Ausübung einer ungelernten Tätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz nicht verfügt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - BSGE 109, 189 - juris Rdnr. 29). Auch eine Einschränkung der Wegefähigkeit ist nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved