S 5/27 KA 2031/04

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 5/27 KA 2031/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 55/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten und die Kosten der Beklagten. Ihr werden auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen auferlegt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Betrages von 451.328,67 Euro.

Die Beklagte schloss mit dem Beigeladenen am 17. Dezember 2001 einen Gesamtvertrag (u.a.) über die Gesamtvergütung 2002. Ausdrücklich wurde die diesbezügliche Vereinbarung dabei mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen in Hessen und zugleich auch für Klägerin (im Rechtskreis West) getroffen. In einer Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003 zur Anlage 1 vom 17. Dezember 2001 zum Gesamtvertrag erfolgte eine Umstellung der Berechnung der Gesamtvergütung, abweichend vom Inhalt des Vertrages vom 17. Dezember 2001, der die Berechnung der Gesamtvergütung nach einer Versichertenpauschale vorsah, wieder auf mitgliederbezogene Kopfpauschalen, und zwar auf Grund des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3526); ausdrücklich wurde (auch) diese Vereinbarung mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen, deren Mitglieder ihren Wohnsitz in Hessen haben, geschlossen. In Nr. 3 dieser Vereinbarung vom 20. Juni 2003 wurde festgehalten, wie das vorgenannte Gesetz vom 11. Dezember 2001 für den Bereich der Betriebskrankenkassen ab dem 1. Januar 2002 umgesetzt wird; danach gelten die Bestimmungen des Vertrages vom 17. Dezember 2001 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003 auch für die Betriebskrankenkassen, die ihren Sitz außerhalb Hessens und deren Mitglieder ihren Wohnsitz in Hessen haben (WOP-Kassen genannt) (Nr. 3.1. der Vereinbarung vom 20. Juni 2003). In der Anlage B zu Nr. 3.1. der Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003 werden Feststellungen zu den Ausgangsbeträgen je Mitglied gemäß Art. 2 §§ 1 und 2 des Gesetzes vom 11. Dezember 2001 getroffen, und zwar bezogen auf die einzelnen Betriebskrankenkassen, wobei zu den aufgeführten Betriebskrankenkassen auch die Klägerin gehört.

Am 21. April 2004 hat die Klägerin gegen die Beklagte bei dem Sozialgerichts Frankfurt am Main Klage erhoben. Mit Beschluss vom 3. September 2004 ist der Beigeladene zum Verfahren beigeladen worden.

Die Klägerin hat nach ihrem Vorbringen an die Beklagte für das Quartal 4/02 eine Gesamtvergütung in Höhe von 4.812.045,16 Euro gezahlt, und zwar davon - ihrer Ansicht nach - ohne Rechtsgrund - als Überzahlung - in Höhe von 451.328,67 Euro, deren (Rück-)Zahlung sie auf dem Klageweg von der Beklagen begehrt. Nach ihrem Vorbringen im Einzelnen ist als Ausgangsbetrag für die für das Jahr 2002 zu vereinbarende Gesamtvergütung für sie im Rechtskreis West für das Quartal 4/02 ein Betrag von 131,12 Euro anzusetzen, der sich unter Einbeziehung der Veränderungsrate 2002 (1,84 Prozent) auf 133,53 Euro erhöht. Bei 28.131 Mitgliedern ergibt sich hieraus, so die Klägerin weiter, ein Vergütungsbetrag von 3.756.332,43 Euro. Zählt man zu diesem Betrag die von der Beklagten ermittelten Beträge für die außerhalb der Gesamtvergütung zu vergütenden Leistungen hinzu, so ergibt sich ein Gesamtbetrag von 4.360.716,49 Euro. Stellt man diesem Betrag den von der Beklagten angeforderten Gesamtbetrag von 4.812.045,16 Euro gegenüber, so beläuft sich die Differenz zwischen diesen beiden Beträgen auf den von der Klägerin eingeklagten Betrag von 451.328,67 Euro, den die Klägerin ihrer Ansicht nach zu viel an die Beklagte gezahlt hat und nunmehr von der Beklagten zurückverlangt.

Ihre Klageforderung stützt sie im Wesentlichen darauf, dass die vereinbarte Gesamtvergütung gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität - unter Einbeziehung der Veränderungsrate - verstoße. Dieser Verstoß müsse auch im vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden, da er zur Nichtigkeit und damit Unwirksamkeit der gesamtvertraglichen Regelung geführt habe. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität im Sinne des § 71 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) schütze dabei jede einzelne Krankenkasse; hierzu weist die Klägerin darauf hin, dass sie im Ergebnis für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 ihren Beitragssatz von 13,50 Prozent auf 14,50 Prozent habe anheben müssen. Ein weiterer Verstoß, der zur Nichtigkeit des Gesamtvertrages geführt habe, liege darin, dass keine Regelung im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V, wonach, soweit die Gesamtvergütung auf der Grundlage von Einzelleistungen vereinbart wird, der Betrag des Ausgabenvolumens nach § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V zu bestimmen sowie eine Regelung zur Vermeidung der Überschreitung dieses Betrages zu treffen ist, vereinbart worden sei. Auch verstoße die Regelung in Nr. 3.1. der Vereinbarung vom 20. Juni 2003, wonach zu den WOP-Kassen nur Betriebskassenkassen gezählt werden, die ihren Sitz außerhalb Hessens haben, gegen gesetzliche Vorgaben, woraus sich ebenfalls eine Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarung ergebe; sie, die Klägerin, sei kein Mitglied des Beigeladenen und habe als Betriebskrankenkasse ihren Sitz innerhalb Hessens.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, an sie 451.328,67 Euro zu zahlen.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.

Sie halten die Klageforderung für unbegründet. Ihrer Ansicht nach ist die getroffene gesamtvertragliche Regelung - mit Wirkung auch gegenüber der Klägerin - rechtswirksam und nicht nichtig; die Klägerin könne im vorliegenden Rechtsstreit mit der Beklagten keine gerichtliche Überprüfung des danach auf sie entfallenden Gesamtvergütungsbetrages von 4.812.045,16 Euro erreichen. Die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität sei durch das Beanstandungsrecht der Aufsichtsbehörde hinreichend abgesichert, und im vorliegenden Fall habe das Hessische Sozialministerium als Aufsichtsbehörde nach Vorlage der Ergänzungsvereinbarung am 29. August 2003, was insoweit zutrifft, festgestellt, dass Beanstandungen im Sinne von § 71 Abs. 4 Satz 2 SGB V nicht erhoben werden. Im Übrigen sei, so die Beklagte, Adressat des Grundsatzes und Gebotes der Beitragssatzstabilität der Beigeladene als zuständiger Landesverband, nicht die Klägerin als einzelne Krankenkasse; hierzu ist seitens des Beigeladenen ergänzend geltend gemacht worden, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht vorliege.

Im Übrigen wird, auch hinsichtlich des sonstigen Vorbringens der Beteiligten, ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Zahlung eines Betrages von 451.328,67 Euro verlangen.

Nach § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte vom 11. Dezember 2001 schlossen die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen Gesamtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen. Mit der Übertragung dieser Kompetenz zum Abschluss von Verträgen über die vertragsärztliche Versorgung auf den zuständigen Landesverband der Krankenkassen war diesem die Rechtsmacht zugewiesen worden, die beteiligten Krankenkassen zur Zahlung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung zu verpflichten. Das hat zur Folge, dass eine Krankenkasse sogar einen Gesamtvertrag gegen sich gelten lassen muss, den ein Landesverband abgeschlossen hat, dem sie selbst nicht angehört. An den von ihrem Landesverband bzw. von dem wegen des Wohnsitzes ihres Mitglieds zuständigen Krankenkassen-Landesverband geschlossenen Gesamtvertrag ist die einzelne Kasse gebunden. Diese Bindung schließt es grundsätzlich aus, dass die Krankenkasse im Streit mit der Kassenärztlichen Vereinigung die Vereinbarkeit einer Gesamtvergütungsvereinbarung mit den diesbezüglichen gesetzlichen Vorgaben überprüfen lassen kann. Die einzelne Krankenkasse kann danach im Rechtsstreit mit der Kassenärztlichen Vereinigung grundsätzlich auch keine gerichtliche Überprüfung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2005 - B 6 KA 71/04 R, BSGE 95, S. 141 ff. = in Juris dokumentiert, dort Leitsätze 1 und 2 sowie Rn. 18; BSG, Urteil vom 28. September 2005 - B 6 KA 72/04 R, S. 7; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. April 2007 - L 5 KA 560/07 ER-B, in Juris dokumentiert, dort Rn. 83, jeweils mit weit. Nachw.).

Im Einzelnen handelt es sich bei den Gesamtvergütungsvereinbarungen um so genannte Normsetzungsverträge, durch die unmittelbare Rechtswirkungen auch gegenüber den nicht am Vertragsschluss Beteiligten und damit im vorliegenden Zusammenhang auch gegenüber den einzelnen Krankenkassen begründet werden (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2005 - B 6 KA 71/04 R, a.a.O., Rn. 24; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V - Gesetzliche Krankenversicherung, Kommentar, Erg.-Lfg. 8/06 - XII/06, § 85 SGB V, Rn. 19; Schnapp in Schnapp, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens 2006, Kapitel B, Rn. 101, S. 64, jeweils mit weit. Nachw.). Verträge mit den einzelnen Krankenkassen mussten nach alledem nicht geschlossen werden, auch wenn die einzelne Krankenkasse gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 11. Dezember 2001 nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen zu entrichten hatte (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 22; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). In diesem Sinne wurde auf Grund der Einführung des Wohnortprinzips im Rahmen der Vergütungsverträge für jede Krankenkasse, deren Versicherte im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung wohnten, eine Gesamtvergütung vereinbart (vgl. dazu Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte, Bundesrats-Drucksache 336/01, B., Zu Art. 1, zu Nr. 6, S. 7).

Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin an die Vereinbarungen zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen vom 17. Dezember 2001 und 20. Juni 2003 dem Grunde nach gebunden, auch wenn sie selbst nicht Mitglied des Beigeladenen war, und zwar mit der Folge, dass sie dem Grunde nach zur Zahlung der danach auf sie entfallenden Gesamtvergütung an die Beklagte verpflichtet war und im vorliegenden Rechtsstreit mit der Beklagten keine gerichtliche Überprüfung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung erreichen konnte. Etwas anderes hätte insoweit nur dann gegolten, wenn nicht, wie im vorliegenden Fall, die Rechtswirksamkeit der gesamtvertraglichen Gesamtvergütungszahlungspflicht dem Grunde nach streitig gewesen wäre, sondern, diese Wirksamkeit unterstellt, der Streit sich auf die Erfüllung der aus dem Gesamtvertrag folgenden, als solche dem Grunde nach unstreitigen, Verpflichtungen bezogen hätte, ggf. auch in Bezug auf eine Rückabwicklung zunächst vorgenommener Zahlungen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 30; Engelhard, a.a.O., Rn. 45).

Im Einzelnen wurde eine Bindung der Klägerin an die getroffenen Vereinbarungen auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass - in Nr. 3.1. der Vereinbarung vom 20. Juni 2003 - als WOP-Kassen nur Betriebskrankenkassen mit Sitz außerhalb Hessens bezeichnet wurden. Gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 11. Dezember 2001 wurde die Klägerin in die Bindungswirkung der Vereinbarungen einbezogen, und dementsprechend ist auch die Neuregelung in § 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 11. Dezember 2001 getroffen worden. In Übereinstimmung hiermit haben die Vertragspartner die Vereinbarung vom 17. Dezember 2001 mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen in Hessen zugleich auch für die Klägerin, den Rechtskreis West betreffend, geschlossen, ebenso wie die Vereinbarung vom 20. Juni 2003 mit Wirkung für die Betriebskrankenkassen, deren Mitglieder ihren Wohnsitz in Hessen hatten, getroffen wurde; hinzu kommt, dass in der Anlage B zu Nr. 3.1. der Ergänzungsvereinbarung vom 20. Juni 2003 die Klägerin ausdrücklich aufgeführt ist. Aus alledem folgt, dass es sich bei der Formulierung in Nr. 3.1. der Vereinbarung vom 20. Juni 2003 um eine redaktionell nicht hinreichend genaue Formulierung handelt, deren Sinn und Zweck und damit Regelungsgehalt aber eindeutig in dem Sinne feststand, dass auch die Klägerin als Betriebskrankenkasse mit Sitz innerhalb Hessens mit ihren Mitgliedern, die ihren Wohnsitz in Hessen hatten, von der Vereinbarung erfasst wurde. Eine Nichtigkeit der getroffenen gesamtvertraglichen Vereinbarungen mit ihrer Bindung zu Lasten der Klägerin konnte danach nicht bejaht werden.

Etwas anderes hätte allenfalls dann gegolten, wenn sonstige Nichtigkeitsgründe in Bezug auf die gesamtvertraglichen Vereinbarungen vorliegen würden und die Klägerin nicht gehindert wäre, gegenüber der Beklagten diese Nichtigkeit geltend zu machen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 24; LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 85). Das Vorliegen entsprechender Nichtigkeitsgründe war jedoch zu verneinen. Derartige Nichtigkeitsgründe könnten sich nur aus § 58 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ergeben, weil der Gesamtvertrag - ungeachtet seiner (auch) normativen Wirkung gegenüber am Vertragsschluss nicht beteiligten Dritten - ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 53 ff. SGB X ist. Koordinationsrechtliche öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X, zu denen auch Gesamtverträge gehören, können nach § 58 Abs. 1 SGB X nichtig sein, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergibt. Um den besonderen Bestandsschutz öffentlich-rechtlicher Verträge auch in ihren obligatorischen und nicht nur in ihren normativ Dritte bindenden Teilen zu gewährleisten, kann die Nichtigkeit allerdings nicht durch jeden Verstoß gegen Rechtsvorschriften ausgelöst werden. Lediglich qualifizierte Rechtsverstöße in vertragsärztlichen Normverträgen können die Nichtigkeit des entsprechenden Vertrages zur Folge haben. Dabei kommt in erster Linie der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB in Frage (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 24; LSG Baden-Württemberg, a.a.O., jeweils mit weit. Nachw.). Verbote, die in diesem Sinne zu einer Nichtigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge führen, können dabei in zweierlei Hinsicht bestehen: einmal als Vertragsformverbot in dem Sinne, dass zwingende Rechtsnormen bestehen, die den Abschluss eines Vertrages im Sinne einer Regelung der in Frage stehenden Angelegenheit durch Vertrag schlechthin verbieten, und zum anderen im Sinne eines Vertragsinhaltsverbotes in dem Sinne, dass die Rechtsordnung den Inhalt des Vertrages als solchen, insbesondere die Herbeiführung des mit dem Vertrag bezweckten Erfolges bzw. das Erreichen des mit ihm bezweckten Zieles schlechthin verbietet (vgl. BSG, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; Engelmann in von Wulffen, SGB X - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, Kommentar, 5. Aufl., 2005, § 58 SGB X, Rn. 6; Krasney in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand September 1994, § 58 SGB X, Rn. 5; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Aufl., 2005, § 59 VwVfG, Rn. 11; Fehling in Fehling/Kastner/Wahrendorf, Verwaltungsrecht - VwVfG/VwGO, Kommentar, 2006, § 59 VwVfG, Rn. 14 f.; Huber/Storr, Haftung aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis zwischen Krankenkasse und Landesverband, VSSR 2006, S. 245 ff., 262, jeweils mit weit. Nachw.). Der Nichtigkeitsgrund des Gesetzesverstoßes gemäß § 134 BGB setzt danach voraus, dass sich das gesetzliche Verbot gegen die Vornahme gerade eines Vertrages der vorliegenden Art zwischen den Vertragsparteien richtet. Verstöße lediglich gegen den Grundsatz der materiellen Gesetzmäßigkeit allein stellen als solche grundsätzlich noch keinen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot dar. Das gilt auch für Verstöße gegen Vorschriften, aus denen sich ergibt, dass eine bestimmte Regelung nicht zulässig ist (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., mit weit. Nachw.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei den Regelungen in § 85 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 4 SGB V nicht um Verbotsgesetze in dem dargelegten Sinne (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 25; LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 86). Entsprechendes gilt in Bezug auf eine Nichtbeachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität im Sinne des § 71 SGB V, der gemäß § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten ist (vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 19. Juli 2006 - B 6 KA 44/05 R, in Juris dokumentiert, dort Rn. 16, 18 f.; BSG, Urteil vom 27. April 2005 - B 6 KA 22/04 R, in Juris dokumentiert, dort Rn. 17; BSG, Urteil vom 10. Mai 2000 - B 6 KA 20/99 R, BSGE 86, S. 126 ff. = in Juris dokumentiert, dort Rn. 48). Dieser Grundsatz enthält zwar nicht nur einen unverbindlichen "Programmsatz", sondern eine verbindliche gesetzliche Vorgabe für den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen, der im Verhältnis zu den anderen Kriterien für die Festsetzung der Gesamtvergütung sogar Vorrang zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2000, a.a.O., Rn. 38, 41, 43; BSG, Urteil vom 19. Juli 2006, a.a.O., Rn. 15; Engelhard, a.a.O., Erg.-Lfg. 8/03 - XII/03, § 85 SGB V, Rn. 56, 57b, mit weit. Nachw.), wobei gerade das Bundessozialgericht den hohen Rang dieses Grundsatzes herausgestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2006, a.a.O., Rn. 17 f.; BSG, Urteil vom 10. Mai 2000, a.a.O., Rn. 48, 53). Andererseits hat das Bundessozialgericht zugleich aber auch betont, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität kein generelles Verbot von Beitragssatzerhöhungen enthält (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2000, a.a.O., Rn. 48). Er markiert eine rechtlich verbindliche Obergrenze, aber keine absolute Obergrenze im Sinne eines generellen Verbots (vgl. Engelhard, a.a.O., Rn. 57b, mit weit. Nachw.). Hinzu kommt, dass sich dieser Grundsatz gemäß §§ 71 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V nicht an die einzelne Krankenkasse richtet, sondern an die Vertragspartner des Gesamtvertrages. Dementsprechend kann sich die diesbezügliche Verpflichtung nicht darauf beziehen, dass Beitragserhöhungen bei jeder einzelnen Krankenkasse, für die die Vereinbarung mit verbindlicher Wirkung geschlossen wird, ausgeschlossen werden, sondern nur darauf, dass dies insgesamt der Fall ist. Im Übrigen ergäben sich anderenfalls nicht nur - besonders bei einer Vielzahl betroffener Krankenkassen wie etwa im Bereich der Betriebskrankenkassen - praktische Umsetzungsschwierigkeiten, sondern es würde die jeweils finanziell schwächste Krankenkasse das höchstzulässige Maß der Erhöhung der Gesamtvergütungen bestimmen, was eine unangemessene Bevorteilung der übrigen Krankenkassen und eine gravierende Benachteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen nach sich ziehen würde (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 21. Mai 2003 S 3 KA 49/01, in Juris dokumentiert, dort Rn. 37; Engelhard, a.a.O., Rn. 57c).

Schließlich sind die Wirkungen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität jedenfalls in Bezug auf Schiedssprüche als Entscheidungen der Schiedsämter, die - gegenüber den betroffenen Krankenkassen - ebenfalls Normsetzungsverträge darstellen (vgl. Schnapp, a.a.O., mit weit. Nachw.), geklärt. Verstöße führen hier lediglich zur Rechtswidrigkeit und damit zu einer Aufhebung, nicht aber, weitergehend, zu einer Nichtigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2006, a.a.O., Rn. 14, 21; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - B 6 KA 25/04 R, in Juris dokumentiert, dort Rn. 20; BSG, Urteil vom 27. April 2005, a.a.O., Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. Mai 2000, a.a.O., Rn. 36, 56, 59). Zudem erfolgt die Überprüfung der Gesamtvergütungsvereinbarungen auf Rechtsverstöße gemäß § 71 Abs. 4 SGB V durch die Aufsichtsbehörden, die beim Vorliegen eines Rechtsverstoßes eine Beanstandung vornehmen können (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2005 - B 6 KA 6/04 R, BSGE 95, 86 ff. = in Juris dokumentiert, dort Rn. 20). Dabei dient die vorgeschriebene Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden gerade dazu, die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in den Vergütungsverträgen abzusichern; verletzen die Verträge geltendes Recht, können sie beanstandet werden (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2000, a.a.O., Rn. 36, 41; BSG, Urteil vom 31. August 2005, a.a.O., Rn. 20), wobei die gesetzlich vorgegebene Beschränkung der Überprüfung der Gesamtvergütungsvereinbarung - allein - durch die Aufsichtsbehörde vor allem auf Gründen der Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Vergütungssystems beruht (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2005, a.a.O., Rn. 22) und damit auf den gleichen Gründen, die letztlich dazu geführt haben, dass die einzelne Krankenkasse im Rechtsstreit mit der Kassenärztlichen Vereinigung keine gerichtliche Überprüfung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung erreichen kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2005, a.a.O., Rn. 19 ff.).

Aus alledem folgt - auch - für den vorliegenden Zusammenhang, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität nur zu einer Rechtswidrigkeit, nicht aber zu einer Nichtigkeit der gesamtvertraglichen Vereinbarungen führen kann. Ob ein solcher Verstoß vorliegt, brauchte daher im vorliegenden Zusammenhang nicht geprüft zu werden, denn im Ergebnis ändert sich nichts an dem dargelegten Grundsatz, dass die einzelne Krankenkasse im Rechtsstreit mit der Kassenärztlichen Vereinigung keine gerichtliche Überprüfung der auf sie entfallenden Gesamtvergütung erreichen kann. Entsprechendes gilt in Bezug auf den von der Klägerin geltend gemachten Verstoß gegen die Vorgabe des § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V, betreffend - nach Ansicht der Klägerin nicht getroffene - Regelungen zur Vermeidung von Überschreitungen des Betrages des Ausgabenvolumens für Einzelleistungen. Auch ein derartiger Verstoß, falls er vorliegen sollte, lässt die Wirksamkeit der Vereinbarung der Gesamtvergütung unberührt. Bei alledem konnte außer Betracht bleiben, ob und inwieweit eine Pflicht des Beigeladenen bestand, beim Abschluss der gesamtvertraglichen Vereinbarungen auch - auf die individuelle Situation der Klägerin als einzelner Kasse Rücksicht zu nehmen (vgl. dazu Huber/Storr, a.a.O., S. 256). Diese Frage betrifft eventuelle Ansprüche der Klägerin gegen den Beigeladenen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren.

Alles in allem konnte die Klage danach keinen Erfolg haben, so dass sie abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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