Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 AS 1614/20 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 700/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches ersetzt nicht die erforderliche Prüfung des Anordnungsgrundes im Einzelfall. Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft, wenn die Antragsteller finanziell in der Lage sind, die Differenz zwischen den vom Antragsgegner übernommenen angemessenen Kosten der Unterkunft und den tatsächlichen Kosten zu bestreiten.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17. November 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1957 geb. Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für die Zeit vom 30.9.2020 bis 28.2.2021, insbesondere ohne Berücksichtigung eines kopfanteiligen Drittels der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Mutter des Bf zu 1. Die Bf sind verheiratet und beziehen als Bedarfsgemeinschaft vom Antrags- und Beschwerdegegner (Bg) SGB II-Leistungen. Sie sind beide selbständig tätig. Die Bf bewohnen eine 165 qm große Wohnung, davon werden nach eigenen Angaben 18 qm betrieblich genutzt. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung betragen 1.571,61 EUR bruttokalt zuzüglich 170 EUR Heizkostenvorauszahlung, insgesamt 1.741,61 EUR. Der Bg hat bereits zur Kostensenkung aufgefordert (Schreiben vom 28.12.2017) und übernimmt seit dem 1.7.2018 nur noch die aus seiner Sicht angemessenen Aufwendungen für KdUH. Im Rahmen eines vom Bg veranlassten Kontenabrufverfahrens wurde bekannt, dass die Bf jeweils verfügungsberechtigt über die Konten ihrer Mütter sind.
Laut Auskunft aus dem Melderegister vom 5.10.2020 ist die Mutter des Bf zu 1 am 1.2.2019 in die Wohnung der Bf eingezogen. Der Bf zu 1 bestätigte gegenüber der Gemeinde A. am 26.2.2019 als sog. Wohnungsgeber mit eigenhändiger Unterschrift, dass seine Mutter am 1.2.2019 in seine Mietwohnung eingezogen ist. Die Wohnungsgeberbestätigung enthielt den rechtlichen Hinweis darauf, dass mit der Unterschrift des Wohnungsgebers der Ein- bzw. Auszug der oben genannten Person in die oben bezeichnete Wohnung bestätigt werde und dass der Wohnungsgeber diese Bescheinigung ausstellen dürfe. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass der Wohnungsgeber ordnungswidrig handle, wenn er nicht dazu berechtigt sei und dass es verboten sei, eine Wohnanschrift für eine Anmeldung eines Wohnsitzes einem Dritten anzubieten oder zur Verfügung zu stellen, obwohl ein tatsächlicher Bezug der Wohnung durch einen Dritten weder stattfinde noch beabsichtigt sei. Ein Verstoß gegen dieses Verbot stelle eine Ordnungswidrigkeit dar und könne mit einer Geldbuße bis zu 50.000 EUR geahndet werden. Das Unterlassen einer Bestätigung des Ein- oder Auszuges sowie die falsche oder nicht rechtzeitige Bestätigung des Ein- oder Auszuges könnten als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen bis zu 1.000 geahndet werden.
Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 21.8.2020 wurden den Bf für September 2020 2.404,40 EUR bewilligt (davon 761,38 EUR bruttokalt zuzüglich 152,98 EUR Privatnutzungsanteil Heizkosten) und für die Zeit ab 1.10.2020 bis 28.2.2021 monatlich 2.099,60 EUR (davon 507,58 EUR, das sind 2/3 von 761,38 EUR zuzüglich 101,98 EUR Heizkosten, das sind 2/3 des privaten Heizkostenanteil) incl. jeweils eines Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Einkommen aus selbständiger Tätigkeit wurde dabei nicht bedarfsmindernd angerechnet. Ein Drittel der Aufwendungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) blieb ab Oktober 2020 unberücksichtigt, da dieses kopfanteilig der Mutter des Bf zu 1 zugerechnet wurde. Dagegen legte der Bf zu 1 mit Schreiben vom 16.9.2020 Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 21.11.2020 wurde die Erhöhung der Regelbedarfe zum 1.1.2021 angepasst.
Am 30.9.2020 stellte der Bevollmächtigte der Bf einen Eilantrag beim Sozialgericht München. Der Abzug eines Drittels der Aufwendungen für KdUH sei falsch, da die Mutter des Bf zu 1 nur in der Wohnung der Bf gemeldet sei, dort aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht habe. Die Mutter des Bf zu 1 habe sich bereits vor Beginn der Corona-Pandemie ins nicht europäische Ausland begeben. Eine genaue Adresse sei den Bf unbekannt. Als Meldeadresse sei die Adresse der Bf nach Wohnungsaufgabe im Rahmen der Vorsorgevollmacht hinterlegt worden. Zum Anordnungsgrund führte der Bevollmächtigte der Bf aus, dass nach der Entscheidung des BVerfG vom 12.5.2005 bei Unterschreitung von Leistungen in Höhe des Regelsatzes zuzüglich angemessener KdU ein Anordnungsgrund regelmäßig gegeben sei. Nach der vorgelegten Umzugsmeldung ist die Mutter des Bf zu 1 am 1.2.2019 in dessen Wohnung eingezogen. Vorgelegt wurde ferner eine notarielle Vorsorgeurkunde vom 23.10.2018, wonach die Mutter des Bf zu 1 den Bf Vollmacht zur Erledigung von Vermögensangelegenheiten, Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge, Angelegenheiten der Aufenthaltsbestimmung und von sonstigen persönlichen Angelegenheiten erteilt hat. Außerdem legte der Bf zu 1 eine eidesstattliche Versicherung vom 28.10.2020 vor, wonach ihm 1. der Aufenthaltsort seiner Mutter unbekannt ist und dass ihm 2. der Aufenthaltsort seit Januar 2019 unbekannt ist und er zuletzt im Januar 2019 Kontakt zu seiner Mutter hatte. Die Bf zu 2 versicherte am 28.10.2020 an Eidesstatt, dass ihr der Aufenthaltsort der Schwiegermutter seit Januar 2019 unbekannt ist und dass sie zuletzt im Oktober 2018 Kontakt zu ihr hatte.
Der Bg erwiderte mit Schriftsatz vom 7.10.2020, dass die Angaben der Bf wenig plausibel seien. Es erscheine lebensfremd, dass die Bf einerseits eine Vorsorgevollmacht hätten, andererseits aber nicht wüssten, wo die Mutter des Bf zu 1 sich aufhalte. Der Bf zu 1 habe gegenüber der Gemeinde A. am 26.2.2019 eine Wohnungsgeberbestätigung abgegeben. Anhand der vorliegenden Kontoauszüge der Mutter der Bf zu 1 für die Zeit vom 1.6.2019 bis 29.7.2020 ergeben sich Barauszahlungen ausschließlich in A-Stadt, jedoch keine Zahlungen für Miete. Etwaige Überweisungen oder Abhebungen im Ausland seien nicht ersichtlich. Die Mutter des Bf zu 1 erhalte weiterhin Pensionszahlungen und Zahlungen der Pflegekasse. Die Wohnung sei mit 147 qm auch genügend groß für 3 Personen. Außerdem verwies der Bg auf das Schreiben des Bf zu 1 vom 2.6.2020. Darin teilte dieser mit, dass die Mutter nicht Mitglied einer Haushalts- oder Bedarfsgemeinschaft sei. Weitere Auskünfte würden aus Datenschutzgründen nicht erteilt. Einer möglichen unangemeldeten Vor-Ort-Inaugenscheinnahme durch den Bg zur Prüfung einer möglichen Haus-/Wirtschaftsgemeinschaft sehe er "mit entspannter Gelassenheit entgegen. Dies stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mein erforderliches Einverständnis unter Verweis auf Artikel 13 GG dar."
Mit Beschluss vom 17.11.2020 wurde der Eilantrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch und -grund seien nicht glaubhaft gemacht. Anzuwenden sei die Mietobergrenze für einen 3-Personen-Haushalt.
Gegen den Beschluss, dem Bevollmächtigten am 19.11.2020 zugestellt, legte dieser am 17.12.2020 Beschwerde beim Bay. Landessozialgericht ein. Die Bf hätten mit einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass die Mutter des Bf zu 1 nicht in der Wohnung der Bf wohnhaft sei und der aktuelle Aufenthalt der Mutter den Bf nicht bekannt sei. Die Bf hätten diesbezüglich sämtliche Informationen offengelegt, die diesen über den Aufenthalt der Mutter des Bf zu 1 bekannt seien. Die Beweislast dafür, dass die Mutter nicht in der Wohnung der Bf lebe, liege nicht bei den Bf.
Der Bevollmächtigte der Bf beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17.11.2020 aufzuheben und den Bg im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Bf vorläufig SGB II-Leistungen für die Zeit vom 30.9.2020 bis 28.2.2021 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Bg beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine derartige Anordnung setzt sowohl einen Anordnungsanspruch im Sinne einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage, als auch einen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen gemäß § 86b Abs. 4 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2 und § 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft sein.
Ausgehend von der Begründung des Eilantrags, die sich im Kern allein auf die Nichtanwendung des Kopfteilprinzip stützt, da die Mutter des Bf zu 1 nicht im Haushalt der Bf leben soll, legt das Gericht den Eilantrag gemäß § 123 SGG dahingehend aus, dass dieser auf die Geltendmachung höherer KdUH für die Zeit vom 30.9.2020 bis 28.2.2021 beschränkt ist. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die KdUH ist zulässig (vgl. BSG vom 27.2.2008, B 14/11b AS 55/06 R, Rn 13).
Ein Anordnungsanspruch auf höhere KdUH nach § 22 Abs. 1 SGB II ist rein rechnerisch glaubhaft, da die Berechnung des 2/3 Anteils an den angemessenen KdUH durch den Bg und das Sozialgericht fehlerhaft vorgenommen wurde.
Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Dabei sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (vgl. u.a. BSG vom 25.3.2013, B 4 AS 67/12 R). Das Kopfteilprinzip ist entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten auch im vorliegenden Fall anzuwenden. Für eine hiervon ausnahmsweise abweichende Aufteilung der tatsächlichen Kosten gemäß einer entsprechenden vertraglichen Abrede gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Gegenteiliges wurde von den Bf auch nicht behauptet. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Bf fand nicht nur eine bloß formale Ummeldung der Mutter statt. Der Bf zu 1 hat vielmehr zusätzlich zum Meldevorgang mit seiner Wohnungsgeberbestätigung vom 26.2.2019 gegenüber der Meldebehörde bescheinigt, dass seine Mutter am 1.2.2019 tatsächlich bei ihm eingezogen ist. An dieser Bestätigung sind die Bf festzuhalten. Entsprechend dem bescheinigten Einzug im Februar 2019 hat die Mutter des Bf zu 1 ihre bisherige Wohnung in der L. in A-Stadt aufgegeben und unter der Adresse der Bf einen neuen Wohnsitz i.S.v. § 30 Abs. 1 SGB I begründet. Ein Auszug aus der Wohnung der Bf ist seither anhand objektiver Umstände dagegen nicht festzustellen. Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort bzw. gewöhnlichen Aufenthalt beispielsweise durch einen Auslandsaufenthalt steht der Beibehaltung eines bestehenden Wohnsitzes nicht entgegen, soweit der Aufenthalt zeitlich begrenzt und die jederzeitige Rückkehrmöglichkeit in die Wohnung gegeben ist (vgl. jurisPK, SGB I, § 30 Rn 46). Dementsprechend wäre es erforderlich gewesen glaubhaft zu machen, dass die Mutter des Bf zu 1 wieder ausgezogen ist, also ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt dauerhaft aufgegeben hat. Denn eine bloße vorübergehende Abwesenheit mit dem Willen wieder zurückzukehren hebt eine einmal begründete Wohnsitznahme nicht auf. Für eine derartige Aufgabe des Wohnsitzes gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Entsprechendes wurde von den Bf nicht vorgetragen.
Eine andere Bewertung ergibt sich entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten nicht durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Bf. Zur Glaubhaftmachung anspruchsbegründender Tatsachen kommt auch die Versicherung an Eides Statt nach § 202 SGG i.V.m. § 294 ZPO in Betracht. Den Beweiswert hat das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 128 SGG zu bewerten. Im konkreten Einzelfall kann die gerichtliche Beweiswürdigung allerdings ergeben, dass eine bestimmte Tatsache durch die Versicherung an Eides Statt nicht glaubhaft gemacht ist, etwa im Hinblick auf andere präsente Beweismittel (vgl. BVerfG vom 11.11.1993, 2 BvR 2451/93, Rn 5). So liegen die Verhältnisse hier. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Bestätigung des Bf zu 1 über den tatsächlichen Einzug der Mutter im Februar 2019 in Widerspruch zu den eidesstattlichen Versicherungen steht, wonach die Bf seit Oktober 2018 bzw. seit Januar 2019 keinen Kontakt mehr mit der Mutter gehabt haben wollen und ihnen seither deren Aufenthaltsort unbekannt sei. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit im konkreten Fall ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen zur Glaubhaftmachung der Tatsache, dass die Mutter der Bf zu 1 nicht bei den Bf wohnt, ungeeignet sind. Im Übrigen beinhalten sie keinerlei Angaben zu den Umständen eines etwaigen Auszugs.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten tragen die Bf die objektive Beweislast für die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen und damit für den Umfang der als Bedarf zu berücksichtigen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast trägt im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts jeder die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Das gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 13. Auflage 2020, § 103 Rn 19a). Für die Anwendung des Kopfteilprinzip ist die Anzahl der tatsächlich im Haushalt lebenden Personen maßgebend. Die Bf behaupten, sie seien nur zu zweit. Ob dies aufgrund eines Auszugs der Mutter zutrifft, kann der Bg nicht weiter ermitteln. Denn die Bf haben ausdrücklich ihre Zustimmung zu einem Hausbesuch in ihrem Faxschreiben von 2.6.2020 verweigert. Die Bf sind zwar nicht verpflichtet, einen Hausbesuch zu gestatten. Insbesondere kann ein solcher nicht erzwungen werden, jedoch geht die Nichterweislichkeit der Tatsache, dass aktuell nur noch 2 Personen im Haushalt wohnen, nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Bf.
Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung, die die private Nutzung betreffen (Abzug anteiliger Kosten für den betrieblich genutzten Raum mit 18 qm), sind folglich auf 3 Personen gleichmäßig zu verteilen. Das sind pro Kopf 466,72 EUR (1.571,61 EUR./. 165 qm x 147 qm = 1.400,16 EUR./. 3) zuzüglich 50,48 EUR Heizkosten pro Kopf (170 EUR./. 165 qm x 147 qm = 151,45 EUR./. 3). Betrieblich genutzte Räumlichkeiten zählen nicht zum Wohnbedarf i.S.v. § 22 SGB II (vgl. Eicher /Luik, SGB II, Kommentar, 4. Auflage 2017, § 22 Rn 40).
Ein ordnungsgemäßes Kostensenkungsverfahren wurde mit Schreiben des Bg vom 28.12.2017 durchgeführt. Seit 1.7.2018 werden nur noch die angemessenen KdU zuzüglich der Heizkosten anerkannt.
Für die Ermittlung der angemessenen Aufwendungen ist maßgebend die Anzahl der Personen, die zur Bedarfsgemeinschaft gehören (vgl. BSG vom 25.4.2018, B 14 AS 14/17 R). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts gehört die Mutter des Bf zu 1 gemäß § 7 Abs. 3 SGB II nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Demgemäß ist die angemessene Mietobergrenze für einen 2-Personenhaushalt zu ermitteln. Die Wohnung der Bf ist mit 147 qm, selbst wenn man weitere 20 qm für die Nutzung durch die Mutter abzieht, zu groß und mit 933,44 EUR bei summarischer Prüfung auch nach der Produkttheorie zu teuer. Nach den landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen vom 11.1.2012 (AllMBl 2012, S. 20) ist eine Wohnfläche für 2 Personen bis zu 65 qm abstrakt angemessen. Ob die vom Bg ermittelte angemessene Mietobergrenze von 761,38 EUR auf einem schlüssigen Konzept (vgl. hierzu u.a. BSG vom 22.9.2009, B 4 AS 18/09 R) beruht, kann im einstweiligen Rechtsschutz nicht abschließend geprüft werden. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 WoGG i.V.m. Anlage 1 ist eine Bruttokaltmiete von 697 EUR bei Mietenstufe VI zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10%, also 766,70 EUR angemessen. Dieser Wert ist entgegen der Auffassung des Bg nicht mehr durch 3 zu teilen (vgl. BSG vom 25.4.2018, B 14 AS 14/17 R, Rn 14 und 18).
Für den 30.9. ergibt sich unter Zugrundelegung der Werte des Wohngeldgesetzes eine Differenz von 1/30 von 5,32 EUR, mithin 0,18 EUR. Für die Monate Oktober bis Februar wurden jedoch nur 507,58 EUR anerkannt. Hieraus ergibt sich eine monatliche Differenz von monatlich 259,12 EUR. Wie bereits zutreffend vom Bg berücksichtigt, kommen noch 2/3 der tatsächlichen Heizkosten als Bedarf hinzu.
Unabhängig von der Ermittlung der angemessenen Mietobergrenze stellt sich allerdings die Frage nach der Hilfebedürftigkeit der Bf insgesamt. Denn offen ist, wie die Bf seit 1.7.2018 die fehlende Differenz bestritten haben. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der betriebliche Anteil durch den erzielten Gewinn abgedeckt werden konnte, war immer noch eine Bruttokaltmiete von monatlich rund 1.400 EUR zu bestreiten. Mietschulden sind nicht festzustellen. Bis Februar 2020 wurden vom Bg monatlich rund 700 EUR anerkannt, ab März 2020 rund 760 EUR. Unter der Voraussetzung, dass die Mutter nicht bei den Bf wohnt, ergibt sich seit 1.7.2018 bis 31.12.2020 eine Differenz von rund 20.400 EUR. Unter der Voraussetzung, dass die Mutter seit Februar 2019 dort wohnt und ein Drittel der Kosten übernimmt, ist es immer noch eine Differenz von fast 10.000 EUR über den gesamten Zeitraum. Dies lässt vermuten, dass die Bf über weitere Einnahmen verfügen. Unklar ist auch, wer die Bargeldabhebungen in A-Stadt tätigt. Sollten die Bf an der gebotenen Aufklärung nicht hinreichend mitwirken, ist ggf. eine Leistungsablehnung wegen nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit in Betracht zu ziehen.
Im Rahmen des Eilverfahrens können diese Fragen nicht abschließend geklärt werden. Die Frage der Hilfebedürftigkeit kann offen bleiben, da es hierauf im Ergebnis nicht entscheidungserheblich ankommt. Denn ungeachtet eines glaubhaften Anordnungsanspruches ist ein Anordnungsgrund vorliegend zu verneinen.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten gebietet die Entscheidung des BVerfG vom 12.5.2005, 1 BvR 569/05, nicht automatisch bei glaubhaftem Anordnungsanspruch den Erlass einer entsprechenden Regelungsanordnung. Anders als in dem dort zu entscheidenden Fall, sprechen hier keinerlei Umstände für eine bestehende Notlage der Bf.
Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gebietet eine Auslegung und Anwendung der die Einlegung von Rechtsbehelfen regelnden Vorschriften, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Je schwerer die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden. Die Beurteilung des Anordnungsgrundes darf nicht schematisch erfolgen. Das Gericht muss vielmehr prüfen, ob ein wesentlicher Nachteil im konkreten Einzelfall vorliegt. Daher ist bei der Prüfung, ob ein Anordnungsgrund für den Eilrechtsschutz in Bezug auf die Kosten der Unterkunft vorliegt, im Rahmen der wertenden Betrachtung zu berücksichtigen, welche negativen Folgen finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger Art ein Verlust gerade der konkreten Wohnung für die Betroffenen hätte (vgl. BVerfG vom 1.8.2017, 1 BvR 1910/12, Rn 12, 15, 16).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist ein Anordnungsgrund im hier zu prüfenden konkreten Einzelfall nicht glaubhaft. Der Bevollmächtigte hat zur Eilbedürftigkeit der Angelegenheit keinerlei konkrete Umstände dargelegt, aus denen sich schwerwiegende, drohende Nachteile für die Bf ergeben könnten. Nach Aktenlage liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass zumindest Mietschulden bestehen bzw. entstehen könnten. Auch sonstige Nachteile, die die Bf im Zusammenhang mit einem Wohnungsverlust erleiden könnten, sind nicht ersichtlich. Den Bf ist es seit 1.7.2018 gelungen, die fehlende Differenz aus irgendwelchen, dem Gericht unbekannten finanziellen Quellen zu bestreiten. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die volle Bestreitung der Mietkosten nunmehr nicht mehr möglich wäre. Auf dieser Grundlage sind derzeit dringliche, durch die vorliegende Entscheidung abzuwendende Nachteile nicht glaubhaft. Es ist den Bf zuzumuten, den Ausgang der Angelegenheit in der Hauptsache abzuwarten. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass der Bg eine Korrektur der Berechnung der anerkannten Bedarfe für KdUH noch im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens zumindest entsprechend der nach seiner Auffassung angemessenen Bruttokaltmiete vornimmt, so dass höchstens eine geringfügige Differenz von 5 EUR monatlich verbleiben würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1957 geb. Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für die Zeit vom 30.9.2020 bis 28.2.2021, insbesondere ohne Berücksichtigung eines kopfanteiligen Drittels der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Mutter des Bf zu 1. Die Bf sind verheiratet und beziehen als Bedarfsgemeinschaft vom Antrags- und Beschwerdegegner (Bg) SGB II-Leistungen. Sie sind beide selbständig tätig. Die Bf bewohnen eine 165 qm große Wohnung, davon werden nach eigenen Angaben 18 qm betrieblich genutzt. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung betragen 1.571,61 EUR bruttokalt zuzüglich 170 EUR Heizkostenvorauszahlung, insgesamt 1.741,61 EUR. Der Bg hat bereits zur Kostensenkung aufgefordert (Schreiben vom 28.12.2017) und übernimmt seit dem 1.7.2018 nur noch die aus seiner Sicht angemessenen Aufwendungen für KdUH. Im Rahmen eines vom Bg veranlassten Kontenabrufverfahrens wurde bekannt, dass die Bf jeweils verfügungsberechtigt über die Konten ihrer Mütter sind.
Laut Auskunft aus dem Melderegister vom 5.10.2020 ist die Mutter des Bf zu 1 am 1.2.2019 in die Wohnung der Bf eingezogen. Der Bf zu 1 bestätigte gegenüber der Gemeinde A. am 26.2.2019 als sog. Wohnungsgeber mit eigenhändiger Unterschrift, dass seine Mutter am 1.2.2019 in seine Mietwohnung eingezogen ist. Die Wohnungsgeberbestätigung enthielt den rechtlichen Hinweis darauf, dass mit der Unterschrift des Wohnungsgebers der Ein- bzw. Auszug der oben genannten Person in die oben bezeichnete Wohnung bestätigt werde und dass der Wohnungsgeber diese Bescheinigung ausstellen dürfe. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass der Wohnungsgeber ordnungswidrig handle, wenn er nicht dazu berechtigt sei und dass es verboten sei, eine Wohnanschrift für eine Anmeldung eines Wohnsitzes einem Dritten anzubieten oder zur Verfügung zu stellen, obwohl ein tatsächlicher Bezug der Wohnung durch einen Dritten weder stattfinde noch beabsichtigt sei. Ein Verstoß gegen dieses Verbot stelle eine Ordnungswidrigkeit dar und könne mit einer Geldbuße bis zu 50.000 EUR geahndet werden. Das Unterlassen einer Bestätigung des Ein- oder Auszuges sowie die falsche oder nicht rechtzeitige Bestätigung des Ein- oder Auszuges könnten als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen bis zu 1.000 geahndet werden.
Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 21.8.2020 wurden den Bf für September 2020 2.404,40 EUR bewilligt (davon 761,38 EUR bruttokalt zuzüglich 152,98 EUR Privatnutzungsanteil Heizkosten) und für die Zeit ab 1.10.2020 bis 28.2.2021 monatlich 2.099,60 EUR (davon 507,58 EUR, das sind 2/3 von 761,38 EUR zuzüglich 101,98 EUR Heizkosten, das sind 2/3 des privaten Heizkostenanteil) incl. jeweils eines Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Einkommen aus selbständiger Tätigkeit wurde dabei nicht bedarfsmindernd angerechnet. Ein Drittel der Aufwendungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) blieb ab Oktober 2020 unberücksichtigt, da dieses kopfanteilig der Mutter des Bf zu 1 zugerechnet wurde. Dagegen legte der Bf zu 1 mit Schreiben vom 16.9.2020 Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 21.11.2020 wurde die Erhöhung der Regelbedarfe zum 1.1.2021 angepasst.
Am 30.9.2020 stellte der Bevollmächtigte der Bf einen Eilantrag beim Sozialgericht München. Der Abzug eines Drittels der Aufwendungen für KdUH sei falsch, da die Mutter des Bf zu 1 nur in der Wohnung der Bf gemeldet sei, dort aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht habe. Die Mutter des Bf zu 1 habe sich bereits vor Beginn der Corona-Pandemie ins nicht europäische Ausland begeben. Eine genaue Adresse sei den Bf unbekannt. Als Meldeadresse sei die Adresse der Bf nach Wohnungsaufgabe im Rahmen der Vorsorgevollmacht hinterlegt worden. Zum Anordnungsgrund führte der Bevollmächtigte der Bf aus, dass nach der Entscheidung des BVerfG vom 12.5.2005 bei Unterschreitung von Leistungen in Höhe des Regelsatzes zuzüglich angemessener KdU ein Anordnungsgrund regelmäßig gegeben sei. Nach der vorgelegten Umzugsmeldung ist die Mutter des Bf zu 1 am 1.2.2019 in dessen Wohnung eingezogen. Vorgelegt wurde ferner eine notarielle Vorsorgeurkunde vom 23.10.2018, wonach die Mutter des Bf zu 1 den Bf Vollmacht zur Erledigung von Vermögensangelegenheiten, Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge, Angelegenheiten der Aufenthaltsbestimmung und von sonstigen persönlichen Angelegenheiten erteilt hat. Außerdem legte der Bf zu 1 eine eidesstattliche Versicherung vom 28.10.2020 vor, wonach ihm 1. der Aufenthaltsort seiner Mutter unbekannt ist und dass ihm 2. der Aufenthaltsort seit Januar 2019 unbekannt ist und er zuletzt im Januar 2019 Kontakt zu seiner Mutter hatte. Die Bf zu 2 versicherte am 28.10.2020 an Eidesstatt, dass ihr der Aufenthaltsort der Schwiegermutter seit Januar 2019 unbekannt ist und dass sie zuletzt im Oktober 2018 Kontakt zu ihr hatte.
Der Bg erwiderte mit Schriftsatz vom 7.10.2020, dass die Angaben der Bf wenig plausibel seien. Es erscheine lebensfremd, dass die Bf einerseits eine Vorsorgevollmacht hätten, andererseits aber nicht wüssten, wo die Mutter des Bf zu 1 sich aufhalte. Der Bf zu 1 habe gegenüber der Gemeinde A. am 26.2.2019 eine Wohnungsgeberbestätigung abgegeben. Anhand der vorliegenden Kontoauszüge der Mutter der Bf zu 1 für die Zeit vom 1.6.2019 bis 29.7.2020 ergeben sich Barauszahlungen ausschließlich in A-Stadt, jedoch keine Zahlungen für Miete. Etwaige Überweisungen oder Abhebungen im Ausland seien nicht ersichtlich. Die Mutter des Bf zu 1 erhalte weiterhin Pensionszahlungen und Zahlungen der Pflegekasse. Die Wohnung sei mit 147 qm auch genügend groß für 3 Personen. Außerdem verwies der Bg auf das Schreiben des Bf zu 1 vom 2.6.2020. Darin teilte dieser mit, dass die Mutter nicht Mitglied einer Haushalts- oder Bedarfsgemeinschaft sei. Weitere Auskünfte würden aus Datenschutzgründen nicht erteilt. Einer möglichen unangemeldeten Vor-Ort-Inaugenscheinnahme durch den Bg zur Prüfung einer möglichen Haus-/Wirtschaftsgemeinschaft sehe er "mit entspannter Gelassenheit entgegen. Dies stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mein erforderliches Einverständnis unter Verweis auf Artikel 13 GG dar."
Mit Beschluss vom 17.11.2020 wurde der Eilantrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch und -grund seien nicht glaubhaft gemacht. Anzuwenden sei die Mietobergrenze für einen 3-Personen-Haushalt.
Gegen den Beschluss, dem Bevollmächtigten am 19.11.2020 zugestellt, legte dieser am 17.12.2020 Beschwerde beim Bay. Landessozialgericht ein. Die Bf hätten mit einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass die Mutter des Bf zu 1 nicht in der Wohnung der Bf wohnhaft sei und der aktuelle Aufenthalt der Mutter den Bf nicht bekannt sei. Die Bf hätten diesbezüglich sämtliche Informationen offengelegt, die diesen über den Aufenthalt der Mutter des Bf zu 1 bekannt seien. Die Beweislast dafür, dass die Mutter nicht in der Wohnung der Bf lebe, liege nicht bei den Bf.
Der Bevollmächtigte der Bf beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17.11.2020 aufzuheben und den Bg im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Bf vorläufig SGB II-Leistungen für die Zeit vom 30.9.2020 bis 28.2.2021 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Bg beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine derartige Anordnung setzt sowohl einen Anordnungsanspruch im Sinne einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage, als auch einen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen gemäß § 86b Abs. 4 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2 und § 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft sein.
Ausgehend von der Begründung des Eilantrags, die sich im Kern allein auf die Nichtanwendung des Kopfteilprinzip stützt, da die Mutter des Bf zu 1 nicht im Haushalt der Bf leben soll, legt das Gericht den Eilantrag gemäß § 123 SGG dahingehend aus, dass dieser auf die Geltendmachung höherer KdUH für die Zeit vom 30.9.2020 bis 28.2.2021 beschränkt ist. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die KdUH ist zulässig (vgl. BSG vom 27.2.2008, B 14/11b AS 55/06 R, Rn 13).
Ein Anordnungsanspruch auf höhere KdUH nach § 22 Abs. 1 SGB II ist rein rechnerisch glaubhaft, da die Berechnung des 2/3 Anteils an den angemessenen KdUH durch den Bg und das Sozialgericht fehlerhaft vorgenommen wurde.
Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Dabei sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (vgl. u.a. BSG vom 25.3.2013, B 4 AS 67/12 R). Das Kopfteilprinzip ist entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten auch im vorliegenden Fall anzuwenden. Für eine hiervon ausnahmsweise abweichende Aufteilung der tatsächlichen Kosten gemäß einer entsprechenden vertraglichen Abrede gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Gegenteiliges wurde von den Bf auch nicht behauptet. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Bf fand nicht nur eine bloß formale Ummeldung der Mutter statt. Der Bf zu 1 hat vielmehr zusätzlich zum Meldevorgang mit seiner Wohnungsgeberbestätigung vom 26.2.2019 gegenüber der Meldebehörde bescheinigt, dass seine Mutter am 1.2.2019 tatsächlich bei ihm eingezogen ist. An dieser Bestätigung sind die Bf festzuhalten. Entsprechend dem bescheinigten Einzug im Februar 2019 hat die Mutter des Bf zu 1 ihre bisherige Wohnung in der L. in A-Stadt aufgegeben und unter der Adresse der Bf einen neuen Wohnsitz i.S.v. § 30 Abs. 1 SGB I begründet. Ein Auszug aus der Wohnung der Bf ist seither anhand objektiver Umstände dagegen nicht festzustellen. Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort bzw. gewöhnlichen Aufenthalt beispielsweise durch einen Auslandsaufenthalt steht der Beibehaltung eines bestehenden Wohnsitzes nicht entgegen, soweit der Aufenthalt zeitlich begrenzt und die jederzeitige Rückkehrmöglichkeit in die Wohnung gegeben ist (vgl. jurisPK, SGB I, § 30 Rn 46). Dementsprechend wäre es erforderlich gewesen glaubhaft zu machen, dass die Mutter des Bf zu 1 wieder ausgezogen ist, also ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt dauerhaft aufgegeben hat. Denn eine bloße vorübergehende Abwesenheit mit dem Willen wieder zurückzukehren hebt eine einmal begründete Wohnsitznahme nicht auf. Für eine derartige Aufgabe des Wohnsitzes gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Entsprechendes wurde von den Bf nicht vorgetragen.
Eine andere Bewertung ergibt sich entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten nicht durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Bf. Zur Glaubhaftmachung anspruchsbegründender Tatsachen kommt auch die Versicherung an Eides Statt nach § 202 SGG i.V.m. § 294 ZPO in Betracht. Den Beweiswert hat das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 128 SGG zu bewerten. Im konkreten Einzelfall kann die gerichtliche Beweiswürdigung allerdings ergeben, dass eine bestimmte Tatsache durch die Versicherung an Eides Statt nicht glaubhaft gemacht ist, etwa im Hinblick auf andere präsente Beweismittel (vgl. BVerfG vom 11.11.1993, 2 BvR 2451/93, Rn 5). So liegen die Verhältnisse hier. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Bestätigung des Bf zu 1 über den tatsächlichen Einzug der Mutter im Februar 2019 in Widerspruch zu den eidesstattlichen Versicherungen steht, wonach die Bf seit Oktober 2018 bzw. seit Januar 2019 keinen Kontakt mehr mit der Mutter gehabt haben wollen und ihnen seither deren Aufenthaltsort unbekannt sei. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeit im konkreten Fall ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen zur Glaubhaftmachung der Tatsache, dass die Mutter der Bf zu 1 nicht bei den Bf wohnt, ungeeignet sind. Im Übrigen beinhalten sie keinerlei Angaben zu den Umständen eines etwaigen Auszugs.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten tragen die Bf die objektive Beweislast für die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen und damit für den Umfang der als Bedarf zu berücksichtigen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast trägt im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts jeder die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Das gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 13. Auflage 2020, § 103 Rn 19a). Für die Anwendung des Kopfteilprinzip ist die Anzahl der tatsächlich im Haushalt lebenden Personen maßgebend. Die Bf behaupten, sie seien nur zu zweit. Ob dies aufgrund eines Auszugs der Mutter zutrifft, kann der Bg nicht weiter ermitteln. Denn die Bf haben ausdrücklich ihre Zustimmung zu einem Hausbesuch in ihrem Faxschreiben von 2.6.2020 verweigert. Die Bf sind zwar nicht verpflichtet, einen Hausbesuch zu gestatten. Insbesondere kann ein solcher nicht erzwungen werden, jedoch geht die Nichterweislichkeit der Tatsache, dass aktuell nur noch 2 Personen im Haushalt wohnen, nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Bf.
Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung, die die private Nutzung betreffen (Abzug anteiliger Kosten für den betrieblich genutzten Raum mit 18 qm), sind folglich auf 3 Personen gleichmäßig zu verteilen. Das sind pro Kopf 466,72 EUR (1.571,61 EUR./. 165 qm x 147 qm = 1.400,16 EUR./. 3) zuzüglich 50,48 EUR Heizkosten pro Kopf (170 EUR./. 165 qm x 147 qm = 151,45 EUR./. 3). Betrieblich genutzte Räumlichkeiten zählen nicht zum Wohnbedarf i.S.v. § 22 SGB II (vgl. Eicher /Luik, SGB II, Kommentar, 4. Auflage 2017, § 22 Rn 40).
Ein ordnungsgemäßes Kostensenkungsverfahren wurde mit Schreiben des Bg vom 28.12.2017 durchgeführt. Seit 1.7.2018 werden nur noch die angemessenen KdU zuzüglich der Heizkosten anerkannt.
Für die Ermittlung der angemessenen Aufwendungen ist maßgebend die Anzahl der Personen, die zur Bedarfsgemeinschaft gehören (vgl. BSG vom 25.4.2018, B 14 AS 14/17 R). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts gehört die Mutter des Bf zu 1 gemäß § 7 Abs. 3 SGB II nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Demgemäß ist die angemessene Mietobergrenze für einen 2-Personenhaushalt zu ermitteln. Die Wohnung der Bf ist mit 147 qm, selbst wenn man weitere 20 qm für die Nutzung durch die Mutter abzieht, zu groß und mit 933,44 EUR bei summarischer Prüfung auch nach der Produkttheorie zu teuer. Nach den landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen vom 11.1.2012 (AllMBl 2012, S. 20) ist eine Wohnfläche für 2 Personen bis zu 65 qm abstrakt angemessen. Ob die vom Bg ermittelte angemessene Mietobergrenze von 761,38 EUR auf einem schlüssigen Konzept (vgl. hierzu u.a. BSG vom 22.9.2009, B 4 AS 18/09 R) beruht, kann im einstweiligen Rechtsschutz nicht abschließend geprüft werden. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 WoGG i.V.m. Anlage 1 ist eine Bruttokaltmiete von 697 EUR bei Mietenstufe VI zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10%, also 766,70 EUR angemessen. Dieser Wert ist entgegen der Auffassung des Bg nicht mehr durch 3 zu teilen (vgl. BSG vom 25.4.2018, B 14 AS 14/17 R, Rn 14 und 18).
Für den 30.9. ergibt sich unter Zugrundelegung der Werte des Wohngeldgesetzes eine Differenz von 1/30 von 5,32 EUR, mithin 0,18 EUR. Für die Monate Oktober bis Februar wurden jedoch nur 507,58 EUR anerkannt. Hieraus ergibt sich eine monatliche Differenz von monatlich 259,12 EUR. Wie bereits zutreffend vom Bg berücksichtigt, kommen noch 2/3 der tatsächlichen Heizkosten als Bedarf hinzu.
Unabhängig von der Ermittlung der angemessenen Mietobergrenze stellt sich allerdings die Frage nach der Hilfebedürftigkeit der Bf insgesamt. Denn offen ist, wie die Bf seit 1.7.2018 die fehlende Differenz bestritten haben. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der betriebliche Anteil durch den erzielten Gewinn abgedeckt werden konnte, war immer noch eine Bruttokaltmiete von monatlich rund 1.400 EUR zu bestreiten. Mietschulden sind nicht festzustellen. Bis Februar 2020 wurden vom Bg monatlich rund 700 EUR anerkannt, ab März 2020 rund 760 EUR. Unter der Voraussetzung, dass die Mutter nicht bei den Bf wohnt, ergibt sich seit 1.7.2018 bis 31.12.2020 eine Differenz von rund 20.400 EUR. Unter der Voraussetzung, dass die Mutter seit Februar 2019 dort wohnt und ein Drittel der Kosten übernimmt, ist es immer noch eine Differenz von fast 10.000 EUR über den gesamten Zeitraum. Dies lässt vermuten, dass die Bf über weitere Einnahmen verfügen. Unklar ist auch, wer die Bargeldabhebungen in A-Stadt tätigt. Sollten die Bf an der gebotenen Aufklärung nicht hinreichend mitwirken, ist ggf. eine Leistungsablehnung wegen nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit in Betracht zu ziehen.
Im Rahmen des Eilverfahrens können diese Fragen nicht abschließend geklärt werden. Die Frage der Hilfebedürftigkeit kann offen bleiben, da es hierauf im Ergebnis nicht entscheidungserheblich ankommt. Denn ungeachtet eines glaubhaften Anordnungsanspruches ist ein Anordnungsgrund vorliegend zu verneinen.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten gebietet die Entscheidung des BVerfG vom 12.5.2005, 1 BvR 569/05, nicht automatisch bei glaubhaftem Anordnungsanspruch den Erlass einer entsprechenden Regelungsanordnung. Anders als in dem dort zu entscheidenden Fall, sprechen hier keinerlei Umstände für eine bestehende Notlage der Bf.
Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gebietet eine Auslegung und Anwendung der die Einlegung von Rechtsbehelfen regelnden Vorschriften, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren. Je schwerer die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden. Die Beurteilung des Anordnungsgrundes darf nicht schematisch erfolgen. Das Gericht muss vielmehr prüfen, ob ein wesentlicher Nachteil im konkreten Einzelfall vorliegt. Daher ist bei der Prüfung, ob ein Anordnungsgrund für den Eilrechtsschutz in Bezug auf die Kosten der Unterkunft vorliegt, im Rahmen der wertenden Betrachtung zu berücksichtigen, welche negativen Folgen finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger Art ein Verlust gerade der konkreten Wohnung für die Betroffenen hätte (vgl. BVerfG vom 1.8.2017, 1 BvR 1910/12, Rn 12, 15, 16).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist ein Anordnungsgrund im hier zu prüfenden konkreten Einzelfall nicht glaubhaft. Der Bevollmächtigte hat zur Eilbedürftigkeit der Angelegenheit keinerlei konkrete Umstände dargelegt, aus denen sich schwerwiegende, drohende Nachteile für die Bf ergeben könnten. Nach Aktenlage liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass zumindest Mietschulden bestehen bzw. entstehen könnten. Auch sonstige Nachteile, die die Bf im Zusammenhang mit einem Wohnungsverlust erleiden könnten, sind nicht ersichtlich. Den Bf ist es seit 1.7.2018 gelungen, die fehlende Differenz aus irgendwelchen, dem Gericht unbekannten finanziellen Quellen zu bestreiten. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die volle Bestreitung der Mietkosten nunmehr nicht mehr möglich wäre. Auf dieser Grundlage sind derzeit dringliche, durch die vorliegende Entscheidung abzuwendende Nachteile nicht glaubhaft. Es ist den Bf zuzumuten, den Ausgang der Angelegenheit in der Hauptsache abzuwarten. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass der Bg eine Korrektur der Berechnung der anerkannten Bedarfe für KdUH noch im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens zumindest entsprechend der nach seiner Auffassung angemessenen Bruttokaltmiete vornimmt, so dass höchstens eine geringfügige Differenz von 5 EUR monatlich verbleiben würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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