L 8 KR 31/20

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 687/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 31/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten eines selbst beschafften Echthaarersatzes, ein Tritec-Hair® Produkt, streitig.

Tritec-Hair® ist ein patentiertes Haarersatzsystem aus Echthaar mit permanenter Befestigung. An dem zu befestigenden Haarersatz oder Haarauffüller ist eine Tritec®-Folie angebracht, in die kleine Löcher eingearbeitet sind. Durch diese Löcher werden die darunterliegenden Eigenhaare gezogen. Der Hersteller verspricht mittels besonderer Techniken beim Anbringen des Haarersatzes und einer Befestigungsklammer ohne Hautkontakt einen angenehmen Tragekomfort ohne Ziehen und Druck (Internet Recherche vom 2. November 2020: https://www.xxxxxx).

Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an Alopezia androgenetica (permanenter Haarverlust ohne Nachwachsen der ausgefallenen Haare).

Bei der Beklagten ging mit Schreiben des Salons C. in C-Stadt vom 7. September 2016 der Antrag der Klägerin auf Genehmigung einer Echthaarversorgung bei endgültigem Haarverlust unter Vorlage der hautärztlichen Verordnung vom 5. September 2016 und der Mitteilung der voraussichtlichen Kosten einer Versorgung in Höhe von 2.390,00 EUR ein.

Mit Bescheid vom 15. September 2016 – ohne Rechtsmittelbelehrung - bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Versorgung mit "1x Haarersatz" in Höhe des vereinbarten Vertragspreises in Höhe von 905,11 EUR für eine Echthaarperücke und einem Eigenanteil in Höhe von 10,00 EUR. Ergänzend wies die Beklagte darauf hin, sollte die Klägerin sich für eine höherwertige Versorgung entscheiden, habe sie diese selbst zu tragen.

Am 1. November 2016 erwarb die Klägerin bei dem Salon C. eine Tritec® Haarintegration (Echthaarteil) zum Preis von 1.980,00 EUR zzgl. Mwst. Der Salon stellte der Klägerin nach Abzug der Zuzahlung der Beklagten in Höhe von 905,11 EUR den restlichen Betrag in Rechnung.

Die Klägerin erhob am 8. Dezember 2016 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. September 2016 und machte einen Anspruch auf Übernahme der vollständigen Kosten des erworbenen Haarersatzes wegen der konkreten Ausprägung des Haarausfalls geltend. Die anatomischen Verhältnisse gestatteten nicht die Versorgung mit einer Standardperücke. Auch würde die Versorgung mit einem Standardhaarsystem einem unbefangenen Dritten sofort auffallen. Das vorhandene Resthaar schließe die Versorgung mit einem Standardhaarsystem aus. Andernfalls sei sie gezwungen, das Resthaar zu beseitigen. Dies sei ein Eingriff in ihre grundgesetzlich geschützten Rechte.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2017 den Widerspruch der Klägerin zurück. Ein totaler oder teilweiser Haarverlust stelle bei einer Frau eine Behinderung dar, da der Verlust des Haupthaars bei der Frau eine entstellende Wirkung haben könne. Der Behinderungsausgleich umfasse jedoch nur die Versorgung, die notwendig sei, um den Verlust des natürlichen Haupthaares für einen unbefangenen Beobachter nicht sogleich erkennbar werden zu lassen. Haarersatzteile in Form von Perücken, Toupets, Teilbereichsperücken aus Kunsthaar bzw. in medizinisch begründeten Fällen aus Echthaar stellten die geeignete, notwendige und wirtschaftliche Versorgung dar. Wie bereits in der Vergangenheit habe sie (die Beklagte) die Kosten einer Versorgung in Höhe des Vertragspreises einer Perücke getragen: Mehrkosten habe die Klägerin selbst zu tragen. Zudem stelle das von der Klägerin gewählte Hairweaving (Haarverdichtung, Haarverwebung) keine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dar.

Dagegen hat die Klägerin am 13. Juli 2017 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben auf Zahlung von 1.064,89 EUR.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die von ihr gewählte Methode sei einem medizinischen Hilfsmittel gleichzustellen. Das Hairweaving/Haarwebesystem stelle in rechtlicher Hinsicht nicht anderes dar als eine besondere Ausprägung des Hilfsmittels Zweithaar. Das Tragen eines Gesamthaarsystems sei ihr nicht möglich wegen teilweise offenen Entzündungsstellen bei seborrhoitischen Ekzem. Das von ihr gewählte System sei wirtschaftlicher als eine Standardperücke, da es langlebiger sei. Ergänzend hat die Klägerin eine Bescheinigung von Dipl. med. D. vom 29. August 2017 vorgelegt. Danach weise der Kopf der Klägerin einen spärlichen Haarwuchs auf; deshalb sei das Tagen einer Perücke erforderlich. Ein bei der Klägerin bestehendes seborrhoitisches Ekzem erfordere eine Echthaarperücke.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft des Salons C. vom 8. Februar 2018 und durch Einholung eines Gutachtens von Amts wegen bei E. (Meister des Friseurhandwerks) vom 28. April 2018. Danach erschien die Klägerin zum Begutachtungstermin am 27. März 2018 mit einer selbstbeschafften Kunsthaarperücke sowie der streitigen Tritec® Haarintegration. Dazu führt der Sachverständige aus, im Oberkopfbereich weise die streitige Tritec® Haarintegration zwei Fehlstellen (Fehlen von Haar im Umfang von ca. 1 cm) auf. Im Zeitpunkt der Begutachtung sei im Oberkopfbereich der Klägerin eine spärliche Behaarung festzustellen bei einer gekürzten Haarlänge auf ca. 3 cm. Irritationen der Kopfhaut seien nicht festzustellen. Der Zustand der Kopfbehaarung zum Zeitpunkt der Begutachtung spreche mangels Haarfülle gegen die Verwendung der (mitgebrachten) Tritec® Haarintegration. Ein Vergleich der in Augenschein genommenen Kopfbehaarung zu der Kopfbehaarung auf den von der Klägerin mitgebrachten Fotos ergebe einen erheblichen Haarschwund. Es verbleibe nur die Möglichkeit der Versorgung mittels eines Standardhaarersatzteils in Form einer Perücke. Der Zustand der Kopfbehaarung spreche grundsätzlich nicht gegen die Verwendung einer Kunsthaarperücke ohne Tressen (Fäden, in deren Schlingen Kunsthaare befestigt werden). Die von der Klägerin verwendete Kunsthaarperücke sei unzureichend. Sie könne bei dauerhafter Verwendung und bereits bei üblicher Kopfbewegung und Kopfhautbewegung zu erheblichen Hautirritationen führen und weiteren Haarausfall hervorrufen. Zudem werde auch einem Laien auffallen, dass eine Kunsthaarperücke getragen werde, da das Kunsthaar glänzend sei und aufgrund von Weichmachern zu Verfilzungen neige.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. Januar 2020 die Klage abgewiesen. Die Klägerin besitze nicht den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten des selbstbeschafften Echthaarersatzes Tritec® Haarintegration in Höhe von 1.064,89 EUR. Weder habe die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht noch habe sie die Übernahme der vollständigen Kosten der streitigen Haarintegration zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin habe keinen entsprechenden Leistungsanspruch. Als bewegliche Sache stellten Perücken, Haarteile etc. Hilfsmittel dar, unabhängig davon, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sei. Auch handele es sich bei Perücken/Haarersatz nicht um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder Hilfsmittel mit geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen. Ein totaler Haarverlust stelle bei einer Frau eine Behinderung dar, die ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtige. Der von den Krankenkassen geschuldete Behindertenausgleich umfasse im Bereich des mittelbaren Behindertenausgleichs - wie vorliegend - nur den Basisausgleich der Behinderungsfolgen. Nicht gefordert werden könne ein Ausgleich im Sinne eines vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Aufgabe der GKV sei allein die medizinische Rehabilitation, eine darüberhinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation sei hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Der Haarersatz sei erforderlich, um das fehlende Haarwachstum und den endgültigen Haarverlust mittelbar auszugleichen. Dies beinhalte nicht die Wiederherstellung des ursprünglichen Aussehens der Frau durch die Perücke soweit wie möglich. Ziel der Hilfsmittelversorgung sei nicht die möglichst umfassende Rekonstruktion des verloren gegangenen früheren Zustands (Naturalrestitution), sondern nur die Gewährleistung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Der Behindertenausgleich umfasse nur die Versorgung, die notwendig sei, um den Verlust des natürlichen Haupthaares für einen unbefangenen Beobachter nicht sogleich erkennbar werden zu lassen. Auch bei einer möglichst naturgetreuen Rekonstruktion sei nicht zu verhindern, dass ein geschulter Beobachter den Haarersatz als solchen erkenne. Ein ausreichender Behindertenausgleich werde bei der Perückenversorgung nicht bereits infrage gestellt, wenn vertraute Personen oder Fachleute das Haupthaar als künstlich erkennen könnten. Anders sei es, wenn jedem Beobachter dies durch einen kurzen Blick auffalle. Die Beklagte habe der Klägerin rechtmäßig 905,11 EUR für den Erwerb eines Haarersatzes bewilligt. Ihre Leistungserbringung sei begrenzt auf die von ihr vertraglich vereinbarten Preise. Mehrkosten seien vom Versicherten zu tragen. Die Versorgung zu Vertragspreisen beruhe auf dem Wirtschaftlichkeitsgebot und entspreche dem Strukturprinzip der GKV. Danach erhalte der Versicherte die Leistungen im Grundsatz als kostenfreie Sach- und Dienstleistung, während den Krankenkassen es obliege, Verträge über Organisation, Abwicklung und Erbringung der Versorgung zu schließen. Dem folgend sei eine Versorgung nach Vertragspreisen für den Versicherten verbindlich, soweit der Vertragspreis für den Behindertenausgleich objektiv ausreichend sei. Dies sei der Fall, wenn sich der Versicherte die ihm zustehende Leistung mit einem Mindestmaß an Wahlmöglichkeit zumutbar beschaffen könne. Vorliegend sei der vereinbarte Preis i. H. v. 905,11 EUR objektiv ausreichend, um die Klägerin mit erforderlichen Haarersatz ausreichend zu versorgen. Ein atypischer Ausnahmefall sei weder substantiiert vorgetragen noch nachgewiesen. Die Notwendigkeit einer Versorgung mit einer Tritec® Haarintegration sei auch mit dem ärztlichen Attest vom 29. August 2017 nicht nachgewiesen. Aus dem Attest ergebe sich lediglich, dass die Klägerin an einem seborrhoitischen Ekzem mit verstärkter Schuppenbildung und Juckreiz leide und diese Probleme bei einer Echthaarperücke weniger auftrete als bei einer Kunsthaarperücke. Aus dem Attest ergebe sich nicht, dass die Klägerin nur mit einer Tritec® Haarintegration habe versorgt werden können. Dieser Nachweis habe auch das gerichtlich eingeholte Gutachten nicht erbracht. Der Gutachter habe am 27. März 2018 trotz Tragens einer Kunsthaarperücke bei der Klägerin Irritationen der Kopfhaut nicht festgestellt. Der Zustand der Kopfbedeckung spreche grundsätzlich nicht gegen die Verwendung einer Kunsthaarperücke (ohne Tressen).

Gegen das am 3. Februar 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. Februar 2020 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Die Klägerin vertritt ergänzend die Auffassung, ihre Versorgung mit dem streitigen Tritec® Haarintegration sei unaufschiebbar gewesen. Sie sei zwingend auf die Nutzung des Hilfsmittels angewiesen. Wegen des Verschleißes des vorhandenen sei ein entsprechender Ersatz dringend gewesen. Auch könnten die vertraglichen Vereinbarungen der Beklagten sich nicht zu ihren Lasten auswirken, da eine Versorgung zu den vereinbarten Vergütungssätzen in ihrem Fall nicht ausreichend gewesen wäre. Im Übrigen sei in Bezug auf das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten zu beachten, dass der Gutachter lediglich den Zustand Ihrer Kopfhaut und der Kopfbehaarung im Frühjahr 2018 in Augenschein genommen habe. Im Zeitpunkt des Bescheids der Beklagten vom 15. September 2016 sei jedoch die streitige Tritec® Haarintegration geeignet und erforderlich gewesen. Sie habe im Zeitpunkt ihres Antrags bei der Beklagten an einer ausgeprägten diffusen Alopezie gelitten; ihr Oberkopf sei weitgehend von Haar gelichtet gewesen, jedoch sei im erheblichen Umfang noch anderweitiges Resthaar vorhanden gewesen. Der Sachverständige gehe in seinem Gutachten nicht auf ihren vormaligen Zustand ein.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2020 und den Bescheid vom 15. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der selbstbeschafften Tritec® Haarintegration i.H.v. 1.064,89 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden.

Der Senat hat bei Dipl. - med. D. (Hautärztin) einen Befundbericht vom 19. Mai 2020 nebst einem Auszug aus der Patientenakte der Klägerin für den Zeitraum vom 20. April 2015 bis zum 30. Mai 2018 beigezogen und die Beteiligten zu einer Entscheidung des Rechtsstreits durch die Berufsrichter des Senats ohne mündliche Verhandlung angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache nicht begründet. Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit Urteil vom 16. Januar 2020 zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2000 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin besitzt über den von der Beklagten gewährten Betrag von 905,11 EUR für eine Echthaarperücke hinaus keinen Anspruch auf Erstattung der vollständigen Kosten des selbstbeschafften Echthaarersatz Tritec® Haarintegration.

Das Sozialgericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kostenerstattung eines selbstbeschafften Hilfsmittels nach § 13 Abs. 3 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 31 SGB IX a.F., § 34, § 2 Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V zutreffend aufgeführt. Auf dieser Grundlage ist es zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass diese vorliegend nicht erfüllt sind, da ein Anspruch der Klägerin auf eine Versorgung über den Vertragspreis in Höhe von 905,11 EUR hinaus mit einem Echthaarersatz Tritec® Haarintegration im Zeitpunkt ihrer Selbstbeschaffung am 1. November 2016 nicht nachgewiesen ist. Wegen der Begründung kann vollinhaltlich auf die Begründung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch die Berufungsbegründung der Klägerin kann zu keinem anderen Ergebnis führen.

Vorliegend kann der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht darauf gestützt werden, die streitigen Kosten seien der Klägerin entstanden, weil die Beklagte den streitigen Echthaarersatz Tritec® Haarintegration nicht rechtzeitig erbracht habe (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V). Denn der Kostenerstattungsanspruch sowohl wegen einer nicht rechtzeitigen Leistungserbringung (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) als auch wegen einer rechtswidrigen Ablehnung der Leistungserbringung (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V) erfordert einen originären Leistungs- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten (Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V 7. Aufl., § 13 Rn. 22 m.w.N.). Die Vorschrift gibt damit abweichend von dem Sach- und Dienstleistungsprinzip der GKV dem Versicherten einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Leistung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung nicht oder nicht in gebotener Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Vorliegend fehlt es aber, wie das Sozialgericht dargelegt hat, an dem Nachweis eines originären Leistungsanspruchs der Klägerin auf eine Versorgung mit dem streitigen Echthaarersatz Tritec® Haarintegration zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung am 1. November 2016.

Der Einwand der Klägerin, der gerichtliche Sachverständige habe den Zustand von Haar und Kopfhaut erst im Frühjahr 2018 in Augenschein genommen und dieser Zustand sei nicht mit dem vergleichbar, der im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Versorgung bestanden habe, begründet kein anderes Ergebnis. Die Klägerin hat bei der Begutachtung durch den Sachverständigen E. Fotografien vorgelegt, aus denen sich nach ihren Angaben der Zustand der Kopfbehaarung zum Zeitpunkt der Befestigung der Tritec® Haarintegration ergab. Der Sachverständige hat in Kenntnis dieser Lichtbilder nicht festgestellt, dass eine Versorgung der Klägerin ausschließlich mit der Tritec® Haarintegration möglich gewesen wäre und eine Versorgung mit einer normalen Echthaarperücke nicht ausgereicht hätte. Der Sachverständige hat lediglich zu der zur Begutachtung mitgebrachten, von der Klägerin ebenfalls selbstgeschafften Kunsthaarperücke ausgeführt, diese sei unzureichend und könne bei dauerhafter Verwendung und bereits bei üblicher Kopfbewegung und Kopfhautbewegung zu erheblichen Hautirritationen führen und weiteren Haarausfall hervorrufen und auch Laien würden bei dieser erkennen, dass es sich hierbei um eine Kunsthaarperücke handele, da das Kunsthaar glänzend sei und aufgrund von Weichmachern zu Verfilzungen neige. Die Versorgung mit einer Kunsthaarperücke stand jedoch nie zur Diskussion, sondern die Beklagte hat der Klägerin den Vertragspreis für die Beschaffung einer Echthaarperücke bewilligt. Für den Senat ergibt sich auch kein Anhaltspunkt, weshalb eine Versorgung der Klägerin mit einer normalen Echthaarperücke im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung nicht ausreichend gewesen wäre. Die vorgelegte Bescheinigung der Hautärztin Dipl.-Med. D. vom 29. August 2017 bescheinigt zwar ein seborrhoisches Ekzem mit verstärkter Schuppenbildung besonders im Kopfbereich, enthält aber keine Ausführungen dahingehend, dass nur eine Versorgung mit der Tritec® Haarintegration geeignet sei. Vielmehr führt Frau D. aus, die Hauptprobleme träten bei einer Echthaarperücke weniger auf. Die von der Klägerin behaupteten "teilweise offenen Entzündungsstellen" waren bei der Begutachtung durch den Sachverständigen E. nicht feststellbar und sind auch auf den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern, welche den Zustand im Zeitpunkt der Versorgung mit der Tritec® Haarintegration dokumentieren, nicht zu erkennen.

Auch der im Berufungsverfahren eingeholte Befundbericht von Dipl. - med. D. vom 19. Mai 2020 und der Auszug aus der Patientenakte der Klägerin enthalten keine Anhaltspunkte, die das Ergebnis des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen auf der Grundlage seiner Inaugenscheinnahme des Kopfes der Klägerin und der Auswertung der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Fotos zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung erschüttern könnten.

Somit besitzt die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der über die preisbegrenzte Hilfsmittelversorgung (§ 33 Abs. 7 Satz 2 SGB V in Verbindung mit § 126, § 127 SGB V) hinausgehenden Kosten.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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