Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 26 (12) Kr 113/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 3/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05. November 1997 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Auskunft.
Die Klägerin zahlte ihrem Versicherten Hxxx Hxxxxxx (im Folgenden: der Versicherte) in der Zeit vom 05.10.1992 bis 13.03.1993 für 160 Kalendertage Krankengeld in Höhe von insgesamt DM 21.760,00 brutto bzw. DM 19.148,80 netto.
Der frühere Geschäftsführer der Beklagten Pxxxxxx gab in einer Verdienstbescheinigung zur Berechnung von Krankengeld am 11.11.1992 an, der Versicherte sei seit dem 26.08.1992 arbeitsunfähig. Wegen einer Vorerkrankung auf Grund derselben Krankheit habe Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts vom 20. bis 21.08.1992 bestanden. Das volle Arbeitsentgelt sei während der Arbeitsunfähigkeit bis 04.10.1992 gezahlt worden. Demgegenüber teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12.07.1993 mit, eine Unterbrechungsmeldung könne nicht ausgestellt werden. Der Versicherte habe während der gesamten Dauer der Arbeitsunfähigkeit sein Gehalt weiter bezogen. Auf Anfrage der Klägerin ergänzte die Beklagte mit Schreiben vom 09.11.1993, der Versicherte habe im streitigen Zeitraum das volle Arbeitsentgelt erhalten und die Zahlungen seien in der monatlichen Gehaltsabrechnung als Gehalt aus gewiesen worden. Sie legte die Abrechnung für Dezember 1992 vor mit einem Gehalt von brutto DM 9.850,00, VWL-Arbeitgeberanteil von DM 52,0, privater Autonutzung in Höhe von DM 676,60 und einem Gesamtverdienst von DM 10.578,60 brutto bzw. DM 7.473,39 netto.
Mit Schreiben vom 10.06.1996 forderte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung des überzahlten Krankengeldes in Höhe von DM 21.760,00. Der Schadensersatzanspruch ergebe sich aus § 98 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (SGB X) sowie aus § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 98 SGB X. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.05.1994 - 1 RS 2/92 - BSGE 74, 139 ff. - SozR 3-1300 § 98 Nr. 1 stehe dem nicht entgegen. Die Beklagte lehnte die Erfüllung der Schadensersatzforderung mit Schreiben vom 24.05.1996 ab. Eine Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch bestehe nicht. Zur Begründung verwies sie auf die vorgenannte Entscheidung des BSG vom 04.05.1994.
Mit ihrer am 14.08.1996 erhobenen Klage hat die Klägerin schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 21.760,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 29.06.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 05.11.1997 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 21.760,00 DM zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klage sei mit dem Hauptanspruch begründet. Der von der Klägerin begehrte Schadensersatz folge aus einer positiven Forderungsverletzung im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten. Die Beklagte habe ihre Auskunftspflicht verletzt, indem sie der Klägerin fälschlich mit teilte, der Versicherte habe eine Vergütungsfortzahlung infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 04.10.1992 erhalten, obschon er seine Vergütung in Wahrheit ohne Unterbrechung erhalten hatte. Infolge dessen habe die Klägerin dem Versicherten in einem Zeitraum Krankengeld gezahlt, in dem der Anspruch gem. § 49 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) - geruht habe. Die Beklagte habe diese Falschauskunft jedenfalls fahrlässig erteilt. Denn am 11.11.1992 habe schon längst festgestanden, dass die Vergütung über den 04.10.1992 hinaus fortgezahlt worden sei. Der betreffende Mitarbeiter der Beklagten habe damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB analog außer Acht gelassen. Dieses Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen sei der Beklagten gem. § 278 Satz 1 BGB analog zuzurechnen. Da die Klägerin das überzahlte Krankengeld wegen des Vertrauensschutzes nicht vom Versicherten gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 und 2 SGB X zurückerhalten könne, sei durch die Falschauskunft der Beklagten in adäquat kausaler Weise ein Schaden in Höhe von DM 21.760,00 entstanden. Die öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung resultiere aus dem besonders engen Verhältnis, in dem sich die Beteiligten als Sozialversicherungs- bzw. Krankenversicherungsträger einerseits und Arbeitgeber andererseits gegenüber stünden. Anders als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall, der dem Urteil vom 04.05.1994 zu Grunde liege, habe die Beklagte vorliegend auch genau um Gegenstand und Reichweite der Fürsorgepflicht sowie um die aus einer Pflichtverletzung resultierenden Konsequenzen gewußt. Deshalb sei nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der positiven Forderungsverletzung ein Schadensersatzanspruch anzunehmen, auch wenn entsprechende notwendige gesetzliche Regelungen fehlten. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob § 98 SGB X als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden dürfe. Es könne auch auf sich beruhen, ob die abschließende Schadensersatzregelung des § 145 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eine analoge Anwendung im Bereich des SGB X oder des SGB V im Sinne eines beredten Schweigens des Gesetzgebers ausschließe. Der Zinsanspruch sei unbegründet. Er ergebe sich insbesondere nicht aus § 44 Abs. 1 SGB I, da der Schadensersatzanspruch keine Geldleistung im Sinne des SGB darstelle. Im Übrigen gebe es keinen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Verzinsungsanspruch.
Gegen dieses ihr am 10.12.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.01.1998 Berufung eingelegt. Das erstinstanzliche Urteil könne keinen Bestand haben. Eine entsprechende Anwendung der Grundsätze über die positive Vertragsverletzung scheide aus. Das erstinstanzliche Gericht habe den Anwendungsbereich und die Reichweite der im Zivilrecht entwickelten positiven Forderungsverletzung verkannt. Dieses Rechtsinstitut habe im Zivilrecht nie dazu gedient, eine vom Gesetzgeber explizit erwähnte Leistungsverpflichtung um eine sinnvoll oder notwendig erachtete Rechtsfolge anzureichern. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass seit Anfang des Jahrhunderts Gesetzeslücken in Bezug auf vertragliche Schlechtleistungen geblieben seien, ohne dass man in diesem Zusammenhang vernünftigerweise von einem beredten Schweigen des Gesetzgebers ausgehen könne. Allerdings müssten bei einer Anwendung der Grundsätze der positiven Vertragsverletzung im öffentlichen Recht die gleichen Beschränkungen gelten, die zutreffenderweise im Bürgerlichen Recht entwickelt worden seien. Das Sozialgericht habe keine plausible Erklärung dafür gegeben, dass der Gesetzgeber es in § 98 SGB X schlicht vergessen hätte, die Rechtsfolge des Schadensersatzes bei schuldhafter Verletzung der Auskunftsverpflichtung anzuordnen, während dies zum Beispiel in § 145 Nr. 2 AFG (a.F.) explizit geschehen sei. Zu Recht habe das BSG in der Entscheidung vom 04.05.1994 die vereinzelt geregelten Schadensersatzpflichten als nicht verallgemeinerungsfähig angesehen. Das Bundessozialgericht habe damit die Rechtsfolge des Schadensersatzanspruches schlecht hin, auf welche Anspruchslage auch immer gestützt, verneint. Rein vorsorglich werde der Klägerin, wenn man eine Schadensersatz pflicht der Beklagte dem Grunde nach anerkennen wollte, ein überwiegendes Verschulden hinsichtlich der Schadenshöhe angelastet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05. November 1997 abzuändern und die Klage im vollen Umfange abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat sowohl den "Anstellungsvertrag für außertarifliche Angestellte" beigezogen, mit dem die Beklagte mit dem Versicherten am 01.04.1979 ein Arbeitsverhältnis begründet hatte, als auch den zwischen diesen Beteiligten geschlossen Aufhebungsvertrag vom 28.03.1993, durch den das Anstellungsverhältnisses zum 30.09.1993 beendet worden ist.
Die Verwaltungsakte der Kläger hat neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des dem Versicherten in der Zeit vom 05.10.1992 - 13.03.1993 gezahlten Krankengeldes in Höhe von DM 21.760,00 zu. Zur Überzeugung des Senats berechtigt eine Verletzung der in § 98 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (SGB X) - normierten Auskunftspflicht des Arbeitgebers den Leistungsträger bzw. die Einzugsstelle nicht zum Schadensersatz.
Bei der von der Klägerin erhobenen Leistungsklage handelt es sich um die zutreffende Klageart. Denn es gibt keine Vorschrift, nach der die Klägerin berechtigt wäre, einen Schadensersatzanspruch bei Verletzung der Auskunftspflichten des § 98 SGB X durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl. für die Konstellation des Anspruchs gegen den Arbeitgeber auf Schadensersatz wegen unrichtiger Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung gem. § 145 AFG a.F. das Urteil des BSG vom 12.02.1980 - 7 RAr 26/79 - = BSGE 49, 291).
Es spricht nach Aktenlage vieles dafür, dass es im Zeitraum vom 05.10.1992 - 13.03.1993 zu einer Überzahlung von Krankengeld gekommen ist. Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch- Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ruht der Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten. Nur Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld gelten nicht als Arbeitsentgelt, soweit sie zusammen mit dem Krankengeld das Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Der für Personalangelegenheiten zuständige Mitarbeiter der Beklagten hat rückblickend nach Abschluss des Aufhebungsvertrages mit dem Versicherten vom 28.03.1993 erklärt, der Versicherte habe im vorgenannten Zeitraum sozialversicherungspflichtiges Gehalt bezogen. Die Beiträge zur Sozialversicherung seien ordnungsgemäß abgeführt worden. In dem Aufhebungsvertrag vom 28.03.1993 ist unter Ziff. 3 geregelt, auf die Rückzahlung des überzahlten Gehaltes während der mehrmonatigen Krankheit des Versicherten werde verzichtet. Die vorgelegte Bezügemitteilung des Versicherten für Dezember 1992 weist eine reguläre Gehaltszahlung aus und nicht nur eine Aufstockung des Krankengeldes auf Höhe des Nettogehalts, wie dies bei einer Krankheitsdauer von mehr als sechs Wochen unter § 7 Ziff. 2 des Anstellungsvertrages des Versicherten geregelt war. Schließlich hat die Beklagte dem Senat auf seine Anfrage geantwortet, die Tantieme für 1992 in Höhe von DM 25.000 sei entsprechend Ziff. 4 des Aufhebungsvertrages mit dem Gehalt für Juni 1993 zur Auszahlung gebracht worden. Dies sei die letzte Tantieme gewesen, die der Versicherte von der Beklagten erhalten habe. Unstreitig hat die Klägerin dem Versicherten Krankengeld in Höhe von DM 21.760 brutto im Zeitraum vom 05.10.1992 - 13.03.1993 gezahlt. Ursächlich hierfür war die Angabe des bei der Beklagten bis Ende 1992 tätigen Geschäftsführers Pxxxxxx in einer Verdienstbescheinigung zur Berechnung von Krankengeld vom 11.11.1992, der Versicherte erhalte aufgrund einer am 26.08.1992 erneut eingetretenen Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit weiterhin das volle Arbeitsentgelt nur bis 04.10.1992.
Das Sozialgericht hat hierdurch den objektiven Tatbestand einer positiven Forderungsverletzung als erfüllt angesehen, nämlich eine Pflichtverletzung der Beklagten durch falsche Angabe in der Verdienstbescheinigung, und Verursachung eines Schadens bei der Klägerin, nämlich die Weiterzahlung des Krankengeldes trotz Ruhens gem. § 49 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Ferner ist es von einem Verschulden der Beklagten ausgegangen, das sich bei dem Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung nur auf die Pflichtverletzung und nicht auch auf den daraus entstehenden Schaden beziehen muss. Schließlich hat es zwischen dem Verhalten der Beklagten und der Pflichtverletzung sowie zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden einen adäquaten Kausalzusammenhang bejaht. Da eine schuldhafte positive Forderungsverletzung regelmäßig einen Anspruch auf Ersatz des durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens begründet (entsprechende Anwendung der §§ 280, 286 BGB), hat das Sozialgericht in sich konsequent den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz als begründet angesehen.
Nach Auffassung des Senats berechtigt eine Verletzung der in § 98 Abs. 1 SGB X normierten Auskunftspflicht des Arbeitgebers aber den Leistungsträger/die Einzugsstelle nicht zum Schadensersatz.
Das SGB X regelt weder unter dem 3. Titel "Zusammenarbeit der Leistungsträger mit Dritten" noch an einer anderen Stelle einen Schadensersatzanspruch bei Verletzung dieser Auskunftspflicht des Arbeitgebers. § 98 SGB X normiert lediglich die Pflicht des Arbeitgebers, soweit es in der Sozialversicherung im Einzelfall für die Erbringung von Sozialleistungen erforderlich ist, auf Verlangen dem Leistungsträger oder der zuständigen Einzugsstelle Auskunft über die Art und Dauer der Beschäftigung, den Beschäftigungsort und das Arbeitsentgelt zu erteilen. Eine Vorschrift strafenden Charakters enthält § 98 Abs. 5 SGB X, wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig dieser Auskunftspflicht nicht nachkommt und die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu DM 5.000 geahndet werden kann.
Die fehlende spezialgesetzliche Regelung darf nicht durch eine im Gesetz nicht enthaltene Schadensersatzpflicht im Wege der Analogie ersetzt werden. Schon im Hinblick auf den Eingriffscharakter des Auskunftsverlangens ist eine klare gesetzliche Grundlage für die Inanspruchnahme auf Schadensersatz zu fordern (so schon BSG, Urteil vom 18.11.1993 - 12 RK 26/92 - BSGE 73, 217 ff. = SozR 3-2200 § 393a Nr. 3). Schon allein deshalb sind die vereinzelt geregelten Schadensersatzpflichten Dritter bei Verletzung der Auskunftspflicht (z. B. nach § 145 AFG a.F. des Arbeitgebers oder sonstiger Personen, nach § 47 Abs. 4 BAFöG der Eltern und des Ehegatten) nicht analogiefähig. Aus der fehlenden Erwähnung des § 98 SGB X im Katalog der zum Schadensersatz führenden Pflichtverletzungen in § 145 AFG a.F. sowie aus dem Umstand, dass hinsichtlich der Ahndung als Ordnungswidrigkeit in § 98 Abs. 5 SGB X und in § 230 AFG a.F. unterschiedliche Haftungsmaßstäbe bestimmt sind, ist auf den abschließenden Charakter der in § 145 AFG enthaltenen Regelung zu schließen. Darüber hinaus ist das Problem einer Schadensersatzpflicht bei Verletzung der Auskunftspflicht nach § 98 SGB X seit Jahren bekannt. Deshalb hat die Rechtsprechung (so das LSG Schleswig-Holstein, 1. Senat, in seinem Urteil vom 25.02.1992 - L 1 S 32/90 - und nachgehend das BSG in seinem Urteil vom 04.05.1994 - 1 RS 2/92 - BSGE 74, 139 ff. = SozR 3-1300 § 98 Nr. 1) es bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre für zutreffend erachtet, die Untätigkeit des Gesetzgebers als sog. beredtes Schweigen zu deuten. Dem schließt sich der Senat, nicht zuletzt im Hinblick auf die zwischenzeitig erneut vergangene Zeitspanne gesetzgeberischer Untätigkeit, im vollen Umfang an. Das BSG hat den Gesetzgeber in seinem Urteil vom 04.05.1994 ausdrücklich aufgefordert, soweit er eine Schadensersatzpflicht für erforderlich hielte, etwa weil eine Verwirklichung von Rückerstattungsansprüchen nur in begrenztem Maße in Betracht komme, diese spezialgesetzlich vorzusehen. Ihrer Einführung im Wege des Richterrechts steht ent gegen, dass damit im Ergebnis die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftung für Vermögensschäden unterlaufen würde.
Eine analoge Anwendung des Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB scheitert zudem daran, dass § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB X kein Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschrift ist. Ziel der Regelung des § 98 ist nämlich, den Leistungsträger bei seiner Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 20 SGB X) zu entlasten und die ihm dazu ohnehin eröffneten Befugnisse (§ 21 SGB X) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung gegenüber denjenigen Personen zu erweitern, die - wie der Arbeitgeber - Zugang zu den maßgeblichen Informationen besitzen. Damit dient § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB X der rechtmäßigen Aufgabenerfüllung und nicht dem Vermögensschutz. Auch aus der Ordnungswidrigkeiten regelung des § 98 Abs. 5 SGB X kann nicht auf den Schutzgesetzcharakter der Gesamtregelung geschlossen werden. Denn die Belange des Leistungsträgers ist durch die Erstattungsansprüche gegenüber dem Leistungsempfänger wegen zu Unrecht erbrachter Leistungen nach den §§ 44 ff. SGB X ausreichend abgesichert (BSG, Urteil vom 04.05.1994, a.a.O).
Mangels planwidriger gesetzlicher Lücke gibt es bei unrichtiger Auskunft nach § 98 Abs. 1 SGB X auch keine Schadensersatzpflicht entsprechend den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung/ Vertragsverletzung. Zusätzlich erscheint äußerst fraglich, ob es sich bei der zwischen Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger nach § 98 SGB X bestehenden öffentlich-rechtlichen Beziehung um eine Art öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses handelt, aus dessen Verhältnis sich Schadensersatzpflichten ergeben können. Die dem Arbeitgeber in § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB X auferlegte Auskunft pflicht darf im Hinblick auf die gesetzlich nicht geregelte Sanktion nicht durch die Konstruktion eines haftungserzeugenden Auskunftsrechtsverhältnisses angereichert werden. Denn vorliegend wird der Arbeitgeber als Außenstehender nur mit der Heranziehung zu Auskünften zu Sozialleistungszwecke "in Dienst genommen". Er steht nicht in einem Versicherungsverhältnis, wie dies zwischen dem versicherungspflichtigen Mitglied und seiner Krankenkasse besteht. Auch aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber seine Auskunft richtig, vollständig und rechtzeitig erteilen muss, begründet neben dieser Hauptpflicht nicht eine Nebenpflicht, deren Verletzung zum Schadensersatz verpflichtet (so ausdrücklich das BSG in seinem Urteil vom 04.05.1994, a.a.O.; anderer Ansicht: Kummer, Die Auskunftspflicht des Arbeitgebers gegenüber den Trägern der Sozialversicherung, DAngVers. 1992, 193 ff. sowie OLG Düsseldorf vom 07.02.1992 - 22 U 195/91 - NJW 1992, 150 ff.).
Anhaltspunkte für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, der eine vorsätzliche Schädigung voraussetzen würde, sind nicht ersichtlich. Daß die Voraussetzungen hierfür erfüllt seien, wird von der Klägerin selbst auch nicht geltend gemacht.
Nach vorstehendem Ergebnis kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob bei einer Verpflichtung zum Ersatz sowie bei der Bestimmung der Höhe des zu leistenden Ersatzes ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin analog § 254 BGB zu berücksichtigen wäre wegen möglicherweise unzureichender Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen den Versicherten als Leistungsempfänger nach § 45 SGB X.
Dementsprechend war das sozialgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt, § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist ein Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Auskunft.
Die Klägerin zahlte ihrem Versicherten Hxxx Hxxxxxx (im Folgenden: der Versicherte) in der Zeit vom 05.10.1992 bis 13.03.1993 für 160 Kalendertage Krankengeld in Höhe von insgesamt DM 21.760,00 brutto bzw. DM 19.148,80 netto.
Der frühere Geschäftsführer der Beklagten Pxxxxxx gab in einer Verdienstbescheinigung zur Berechnung von Krankengeld am 11.11.1992 an, der Versicherte sei seit dem 26.08.1992 arbeitsunfähig. Wegen einer Vorerkrankung auf Grund derselben Krankheit habe Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts vom 20. bis 21.08.1992 bestanden. Das volle Arbeitsentgelt sei während der Arbeitsunfähigkeit bis 04.10.1992 gezahlt worden. Demgegenüber teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12.07.1993 mit, eine Unterbrechungsmeldung könne nicht ausgestellt werden. Der Versicherte habe während der gesamten Dauer der Arbeitsunfähigkeit sein Gehalt weiter bezogen. Auf Anfrage der Klägerin ergänzte die Beklagte mit Schreiben vom 09.11.1993, der Versicherte habe im streitigen Zeitraum das volle Arbeitsentgelt erhalten und die Zahlungen seien in der monatlichen Gehaltsabrechnung als Gehalt aus gewiesen worden. Sie legte die Abrechnung für Dezember 1992 vor mit einem Gehalt von brutto DM 9.850,00, VWL-Arbeitgeberanteil von DM 52,0, privater Autonutzung in Höhe von DM 676,60 und einem Gesamtverdienst von DM 10.578,60 brutto bzw. DM 7.473,39 netto.
Mit Schreiben vom 10.06.1996 forderte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung des überzahlten Krankengeldes in Höhe von DM 21.760,00. Der Schadensersatzanspruch ergebe sich aus § 98 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (SGB X) sowie aus § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 98 SGB X. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.05.1994 - 1 RS 2/92 - BSGE 74, 139 ff. - SozR 3-1300 § 98 Nr. 1 stehe dem nicht entgegen. Die Beklagte lehnte die Erfüllung der Schadensersatzforderung mit Schreiben vom 24.05.1996 ab. Eine Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch bestehe nicht. Zur Begründung verwies sie auf die vorgenannte Entscheidung des BSG vom 04.05.1994.
Mit ihrer am 14.08.1996 erhobenen Klage hat die Klägerin schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 21.760,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 29.06.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 05.11.1997 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 21.760,00 DM zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klage sei mit dem Hauptanspruch begründet. Der von der Klägerin begehrte Schadensersatz folge aus einer positiven Forderungsverletzung im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten. Die Beklagte habe ihre Auskunftspflicht verletzt, indem sie der Klägerin fälschlich mit teilte, der Versicherte habe eine Vergütungsfortzahlung infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 04.10.1992 erhalten, obschon er seine Vergütung in Wahrheit ohne Unterbrechung erhalten hatte. Infolge dessen habe die Klägerin dem Versicherten in einem Zeitraum Krankengeld gezahlt, in dem der Anspruch gem. § 49 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) - geruht habe. Die Beklagte habe diese Falschauskunft jedenfalls fahrlässig erteilt. Denn am 11.11.1992 habe schon längst festgestanden, dass die Vergütung über den 04.10.1992 hinaus fortgezahlt worden sei. Der betreffende Mitarbeiter der Beklagten habe damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB analog außer Acht gelassen. Dieses Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen sei der Beklagten gem. § 278 Satz 1 BGB analog zuzurechnen. Da die Klägerin das überzahlte Krankengeld wegen des Vertrauensschutzes nicht vom Versicherten gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 und 2 SGB X zurückerhalten könne, sei durch die Falschauskunft der Beklagten in adäquat kausaler Weise ein Schaden in Höhe von DM 21.760,00 entstanden. Die öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung resultiere aus dem besonders engen Verhältnis, in dem sich die Beteiligten als Sozialversicherungs- bzw. Krankenversicherungsträger einerseits und Arbeitgeber andererseits gegenüber stünden. Anders als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall, der dem Urteil vom 04.05.1994 zu Grunde liege, habe die Beklagte vorliegend auch genau um Gegenstand und Reichweite der Fürsorgepflicht sowie um die aus einer Pflichtverletzung resultierenden Konsequenzen gewußt. Deshalb sei nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der positiven Forderungsverletzung ein Schadensersatzanspruch anzunehmen, auch wenn entsprechende notwendige gesetzliche Regelungen fehlten. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob § 98 SGB X als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden dürfe. Es könne auch auf sich beruhen, ob die abschließende Schadensersatzregelung des § 145 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eine analoge Anwendung im Bereich des SGB X oder des SGB V im Sinne eines beredten Schweigens des Gesetzgebers ausschließe. Der Zinsanspruch sei unbegründet. Er ergebe sich insbesondere nicht aus § 44 Abs. 1 SGB I, da der Schadensersatzanspruch keine Geldleistung im Sinne des SGB darstelle. Im Übrigen gebe es keinen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Verzinsungsanspruch.
Gegen dieses ihr am 10.12.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.01.1998 Berufung eingelegt. Das erstinstanzliche Urteil könne keinen Bestand haben. Eine entsprechende Anwendung der Grundsätze über die positive Vertragsverletzung scheide aus. Das erstinstanzliche Gericht habe den Anwendungsbereich und die Reichweite der im Zivilrecht entwickelten positiven Forderungsverletzung verkannt. Dieses Rechtsinstitut habe im Zivilrecht nie dazu gedient, eine vom Gesetzgeber explizit erwähnte Leistungsverpflichtung um eine sinnvoll oder notwendig erachtete Rechtsfolge anzureichern. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass seit Anfang des Jahrhunderts Gesetzeslücken in Bezug auf vertragliche Schlechtleistungen geblieben seien, ohne dass man in diesem Zusammenhang vernünftigerweise von einem beredten Schweigen des Gesetzgebers ausgehen könne. Allerdings müssten bei einer Anwendung der Grundsätze der positiven Vertragsverletzung im öffentlichen Recht die gleichen Beschränkungen gelten, die zutreffenderweise im Bürgerlichen Recht entwickelt worden seien. Das Sozialgericht habe keine plausible Erklärung dafür gegeben, dass der Gesetzgeber es in § 98 SGB X schlicht vergessen hätte, die Rechtsfolge des Schadensersatzes bei schuldhafter Verletzung der Auskunftsverpflichtung anzuordnen, während dies zum Beispiel in § 145 Nr. 2 AFG (a.F.) explizit geschehen sei. Zu Recht habe das BSG in der Entscheidung vom 04.05.1994 die vereinzelt geregelten Schadensersatzpflichten als nicht verallgemeinerungsfähig angesehen. Das Bundessozialgericht habe damit die Rechtsfolge des Schadensersatzanspruches schlecht hin, auf welche Anspruchslage auch immer gestützt, verneint. Rein vorsorglich werde der Klägerin, wenn man eine Schadensersatz pflicht der Beklagte dem Grunde nach anerkennen wollte, ein überwiegendes Verschulden hinsichtlich der Schadenshöhe angelastet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05. November 1997 abzuändern und die Klage im vollen Umfange abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat sowohl den "Anstellungsvertrag für außertarifliche Angestellte" beigezogen, mit dem die Beklagte mit dem Versicherten am 01.04.1979 ein Arbeitsverhältnis begründet hatte, als auch den zwischen diesen Beteiligten geschlossen Aufhebungsvertrag vom 28.03.1993, durch den das Anstellungsverhältnisses zum 30.09.1993 beendet worden ist.
Die Verwaltungsakte der Kläger hat neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des dem Versicherten in der Zeit vom 05.10.1992 - 13.03.1993 gezahlten Krankengeldes in Höhe von DM 21.760,00 zu. Zur Überzeugung des Senats berechtigt eine Verletzung der in § 98 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (SGB X) - normierten Auskunftspflicht des Arbeitgebers den Leistungsträger bzw. die Einzugsstelle nicht zum Schadensersatz.
Bei der von der Klägerin erhobenen Leistungsklage handelt es sich um die zutreffende Klageart. Denn es gibt keine Vorschrift, nach der die Klägerin berechtigt wäre, einen Schadensersatzanspruch bei Verletzung der Auskunftspflichten des § 98 SGB X durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl. für die Konstellation des Anspruchs gegen den Arbeitgeber auf Schadensersatz wegen unrichtiger Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung gem. § 145 AFG a.F. das Urteil des BSG vom 12.02.1980 - 7 RAr 26/79 - = BSGE 49, 291).
Es spricht nach Aktenlage vieles dafür, dass es im Zeitraum vom 05.10.1992 - 13.03.1993 zu einer Überzahlung von Krankengeld gekommen ist. Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch- Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ruht der Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten. Nur Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld gelten nicht als Arbeitsentgelt, soweit sie zusammen mit dem Krankengeld das Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Der für Personalangelegenheiten zuständige Mitarbeiter der Beklagten hat rückblickend nach Abschluss des Aufhebungsvertrages mit dem Versicherten vom 28.03.1993 erklärt, der Versicherte habe im vorgenannten Zeitraum sozialversicherungspflichtiges Gehalt bezogen. Die Beiträge zur Sozialversicherung seien ordnungsgemäß abgeführt worden. In dem Aufhebungsvertrag vom 28.03.1993 ist unter Ziff. 3 geregelt, auf die Rückzahlung des überzahlten Gehaltes während der mehrmonatigen Krankheit des Versicherten werde verzichtet. Die vorgelegte Bezügemitteilung des Versicherten für Dezember 1992 weist eine reguläre Gehaltszahlung aus und nicht nur eine Aufstockung des Krankengeldes auf Höhe des Nettogehalts, wie dies bei einer Krankheitsdauer von mehr als sechs Wochen unter § 7 Ziff. 2 des Anstellungsvertrages des Versicherten geregelt war. Schließlich hat die Beklagte dem Senat auf seine Anfrage geantwortet, die Tantieme für 1992 in Höhe von DM 25.000 sei entsprechend Ziff. 4 des Aufhebungsvertrages mit dem Gehalt für Juni 1993 zur Auszahlung gebracht worden. Dies sei die letzte Tantieme gewesen, die der Versicherte von der Beklagten erhalten habe. Unstreitig hat die Klägerin dem Versicherten Krankengeld in Höhe von DM 21.760 brutto im Zeitraum vom 05.10.1992 - 13.03.1993 gezahlt. Ursächlich hierfür war die Angabe des bei der Beklagten bis Ende 1992 tätigen Geschäftsführers Pxxxxxx in einer Verdienstbescheinigung zur Berechnung von Krankengeld vom 11.11.1992, der Versicherte erhalte aufgrund einer am 26.08.1992 erneut eingetretenen Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit weiterhin das volle Arbeitsentgelt nur bis 04.10.1992.
Das Sozialgericht hat hierdurch den objektiven Tatbestand einer positiven Forderungsverletzung als erfüllt angesehen, nämlich eine Pflichtverletzung der Beklagten durch falsche Angabe in der Verdienstbescheinigung, und Verursachung eines Schadens bei der Klägerin, nämlich die Weiterzahlung des Krankengeldes trotz Ruhens gem. § 49 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Ferner ist es von einem Verschulden der Beklagten ausgegangen, das sich bei dem Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung nur auf die Pflichtverletzung und nicht auch auf den daraus entstehenden Schaden beziehen muss. Schließlich hat es zwischen dem Verhalten der Beklagten und der Pflichtverletzung sowie zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden einen adäquaten Kausalzusammenhang bejaht. Da eine schuldhafte positive Forderungsverletzung regelmäßig einen Anspruch auf Ersatz des durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens begründet (entsprechende Anwendung der §§ 280, 286 BGB), hat das Sozialgericht in sich konsequent den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz als begründet angesehen.
Nach Auffassung des Senats berechtigt eine Verletzung der in § 98 Abs. 1 SGB X normierten Auskunftspflicht des Arbeitgebers aber den Leistungsträger/die Einzugsstelle nicht zum Schadensersatz.
Das SGB X regelt weder unter dem 3. Titel "Zusammenarbeit der Leistungsträger mit Dritten" noch an einer anderen Stelle einen Schadensersatzanspruch bei Verletzung dieser Auskunftspflicht des Arbeitgebers. § 98 SGB X normiert lediglich die Pflicht des Arbeitgebers, soweit es in der Sozialversicherung im Einzelfall für die Erbringung von Sozialleistungen erforderlich ist, auf Verlangen dem Leistungsträger oder der zuständigen Einzugsstelle Auskunft über die Art und Dauer der Beschäftigung, den Beschäftigungsort und das Arbeitsentgelt zu erteilen. Eine Vorschrift strafenden Charakters enthält § 98 Abs. 5 SGB X, wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig dieser Auskunftspflicht nicht nachkommt und die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu DM 5.000 geahndet werden kann.
Die fehlende spezialgesetzliche Regelung darf nicht durch eine im Gesetz nicht enthaltene Schadensersatzpflicht im Wege der Analogie ersetzt werden. Schon im Hinblick auf den Eingriffscharakter des Auskunftsverlangens ist eine klare gesetzliche Grundlage für die Inanspruchnahme auf Schadensersatz zu fordern (so schon BSG, Urteil vom 18.11.1993 - 12 RK 26/92 - BSGE 73, 217 ff. = SozR 3-2200 § 393a Nr. 3). Schon allein deshalb sind die vereinzelt geregelten Schadensersatzpflichten Dritter bei Verletzung der Auskunftspflicht (z. B. nach § 145 AFG a.F. des Arbeitgebers oder sonstiger Personen, nach § 47 Abs. 4 BAFöG der Eltern und des Ehegatten) nicht analogiefähig. Aus der fehlenden Erwähnung des § 98 SGB X im Katalog der zum Schadensersatz führenden Pflichtverletzungen in § 145 AFG a.F. sowie aus dem Umstand, dass hinsichtlich der Ahndung als Ordnungswidrigkeit in § 98 Abs. 5 SGB X und in § 230 AFG a.F. unterschiedliche Haftungsmaßstäbe bestimmt sind, ist auf den abschließenden Charakter der in § 145 AFG enthaltenen Regelung zu schließen. Darüber hinaus ist das Problem einer Schadensersatzpflicht bei Verletzung der Auskunftspflicht nach § 98 SGB X seit Jahren bekannt. Deshalb hat die Rechtsprechung (so das LSG Schleswig-Holstein, 1. Senat, in seinem Urteil vom 25.02.1992 - L 1 S 32/90 - und nachgehend das BSG in seinem Urteil vom 04.05.1994 - 1 RS 2/92 - BSGE 74, 139 ff. = SozR 3-1300 § 98 Nr. 1) es bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre für zutreffend erachtet, die Untätigkeit des Gesetzgebers als sog. beredtes Schweigen zu deuten. Dem schließt sich der Senat, nicht zuletzt im Hinblick auf die zwischenzeitig erneut vergangene Zeitspanne gesetzgeberischer Untätigkeit, im vollen Umfang an. Das BSG hat den Gesetzgeber in seinem Urteil vom 04.05.1994 ausdrücklich aufgefordert, soweit er eine Schadensersatzpflicht für erforderlich hielte, etwa weil eine Verwirklichung von Rückerstattungsansprüchen nur in begrenztem Maße in Betracht komme, diese spezialgesetzlich vorzusehen. Ihrer Einführung im Wege des Richterrechts steht ent gegen, dass damit im Ergebnis die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftung für Vermögensschäden unterlaufen würde.
Eine analoge Anwendung des Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB scheitert zudem daran, dass § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB X kein Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschrift ist. Ziel der Regelung des § 98 ist nämlich, den Leistungsträger bei seiner Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 20 SGB X) zu entlasten und die ihm dazu ohnehin eröffneten Befugnisse (§ 21 SGB X) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung gegenüber denjenigen Personen zu erweitern, die - wie der Arbeitgeber - Zugang zu den maßgeblichen Informationen besitzen. Damit dient § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB X der rechtmäßigen Aufgabenerfüllung und nicht dem Vermögensschutz. Auch aus der Ordnungswidrigkeiten regelung des § 98 Abs. 5 SGB X kann nicht auf den Schutzgesetzcharakter der Gesamtregelung geschlossen werden. Denn die Belange des Leistungsträgers ist durch die Erstattungsansprüche gegenüber dem Leistungsempfänger wegen zu Unrecht erbrachter Leistungen nach den §§ 44 ff. SGB X ausreichend abgesichert (BSG, Urteil vom 04.05.1994, a.a.O).
Mangels planwidriger gesetzlicher Lücke gibt es bei unrichtiger Auskunft nach § 98 Abs. 1 SGB X auch keine Schadensersatzpflicht entsprechend den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung/ Vertragsverletzung. Zusätzlich erscheint äußerst fraglich, ob es sich bei der zwischen Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger nach § 98 SGB X bestehenden öffentlich-rechtlichen Beziehung um eine Art öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses handelt, aus dessen Verhältnis sich Schadensersatzpflichten ergeben können. Die dem Arbeitgeber in § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB X auferlegte Auskunft pflicht darf im Hinblick auf die gesetzlich nicht geregelte Sanktion nicht durch die Konstruktion eines haftungserzeugenden Auskunftsrechtsverhältnisses angereichert werden. Denn vorliegend wird der Arbeitgeber als Außenstehender nur mit der Heranziehung zu Auskünften zu Sozialleistungszwecke "in Dienst genommen". Er steht nicht in einem Versicherungsverhältnis, wie dies zwischen dem versicherungspflichtigen Mitglied und seiner Krankenkasse besteht. Auch aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber seine Auskunft richtig, vollständig und rechtzeitig erteilen muss, begründet neben dieser Hauptpflicht nicht eine Nebenpflicht, deren Verletzung zum Schadensersatz verpflichtet (so ausdrücklich das BSG in seinem Urteil vom 04.05.1994, a.a.O.; anderer Ansicht: Kummer, Die Auskunftspflicht des Arbeitgebers gegenüber den Trägern der Sozialversicherung, DAngVers. 1992, 193 ff. sowie OLG Düsseldorf vom 07.02.1992 - 22 U 195/91 - NJW 1992, 150 ff.).
Anhaltspunkte für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, der eine vorsätzliche Schädigung voraussetzen würde, sind nicht ersichtlich. Daß die Voraussetzungen hierfür erfüllt seien, wird von der Klägerin selbst auch nicht geltend gemacht.
Nach vorstehendem Ergebnis kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob bei einer Verpflichtung zum Ersatz sowie bei der Bestimmung der Höhe des zu leistenden Ersatzes ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin analog § 254 BGB zu berücksichtigen wäre wegen möglicherweise unzureichender Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen den Versicherten als Leistungsempfänger nach § 45 SGB X.
Dementsprechend war das sozialgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt, § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG.
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