Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 68/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 13/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10. Dezember 1998 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die dem Kläger im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Krankengeld-(Krg)-Anspruch über den 20.12.1997 hinaus zusteht.
Der 1954 geborene, jetzt 45 Jahre alte, bei der Beklagten pflichtversicherte Kläger hat keine Berufsausbildung durchlaufen. Er war zunächst (von 1969 bis 1976) als Fabrikarbeiter und Bergmann beschäftigt, arbeitete dann aber seit 1976 bei verschiedenen Firmen, insbesondere im Gartenbaubereich als Maschinist und Baggerführer. Nach seinen Angaben durchlief er eine längere gezielte Anlernzeit als Baggerfahrer (1978 bei der Fa. L. in G.-B.). Zuletzt arbeitete er als Baggerführer und selbständig arbeitender Vorarbeiter bei der Fa. Garten- und Landschaftsbau- und Tiefbaufirma C. T. in G. mit einem Brutto-Monatsverdienst von 4762,11 DM.
Seit dem 07.11.1996 war er wegen wiederkehrenden Lumboischialgien bei Bandscheibenverschleiß und abgelaufener Scheuermann scher Erkrankung (konkret: akute Wurzelreizung, dann Bandscheibenvorfälle) arbeitsunfähig erkrankt. Für die Zeit ab 07.12.1996 (die Lohnfortzahlung endete bereits am 06.12.19996) erhielt er zunächst 72,09 DM, ab 01.01.1997 dann 64,47 DM tägliches Krg (x 30 = 1934,10 DM mtl.). Zuletzt hatte die behandelnde Ärztin am 09.12.1997 eine bis zum 20.12.1997 befristete Arbeitsunfähigkeits-(AU)-Bescheinigung ausgestellt, aufgrund derer der Kläger offenbar bis zum Freitag, den 19.12.1997, Krg-Leistungen erhalten hatte.
Zum 31.01.1997 wurde das Beschäftigungsverhältnis beendet. Der Kläger war ab März als Arbeitsloser beim Arbeitsamt (AA) gemeldet, erhielt jedoch wegen seiner Erkrankung zunächst keine Leistungen.
Der von der LVA Rheinprovinz auf den im Januar 1997 gestellten Rentenantrag gehörte chirurgische Sachverständige Dr. I. hielt den Kläger für leistungseingeschränkt. Er hielt nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten für zumutbar. Es bestehe eine deutlich eingeschränkte Belastbarkeit der Wirbelsäule. Als Baggerfahrer, seinem bisher ausgeübten Beruf, sei er nicht mehr einsetzbar. Eine Rente wegen Erwerbsminderung erhielt der Kläger nicht, weil die LVA ihn noch für fähig hielt, zumutbare Beschäftigungen als Baustellenmagaziner und Werkzeugausgeber zu verrichten (Bescheid vom 25.11.1997).
Der MDK-Gutachter Dr. B. verwies auf Bandscheibenvorwölbungen und -vorfälle im Lendenwirbelsäulenbereich. Er schloß sich der Leistungsbeurteilung der LVA an. Der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig und nur auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar (14.11.97).
Daraufhin setzte die Beklagte das Ende der AU auf den 19.12.1997 fest, weil der Kläger trotz seiner Beschwerden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt sein könne (Schreiben vom 16.12.1997).
Demgegenüber bescheinigte die behandelnde Ärztin Dr. V. auf dem Auszahlungsschein vom 16.12.1997 eine weitere AU für 4 Wochen und wies darauf hin, daß der Kläger trotz des Urteils des sozialmedizinischen Dienstes nicht einsatzfähig sei.
Auch der Gutachter des arbeitsamtsärztlichen Dienstes vertrat die Auffassung, der Kläger sei nicht mehr als Baggerfahrer einsatzfähig (Jan. 1998).
Ab 20.12.1997 gewährte das AA G. dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 334,20 DM wöchentlich (x13:3= 1448,20 DM mtl.).
In einem am 22.12.1997 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 18.12.1997 wandte sich der Kläger gegen die Einstellung der Krg-Zahlung. Nach Anhörung des Klägers und Einholung sowie Mitteilung (an den Kläger) eines weiteren ärztlichen Berichtes von dem behandelnden Orthopäden Dr. Lange wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19.02.1998 zurück.
Mit der am 05.03.1998 bei dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er brauche sich als Baggerfahrer nicht auf andere Tätigkeiten verweisen zu lassen, zumal die zuletzt verrichtete Beschäftigung heute ein Lehrberuf sei. Zudem werde im Gutachten ärztlicherseits ausdrücklich herausgestellt, daß er arbeitsunfähig sei. Die Meldung als Arbeitsloser sei nur für den Fall der Beendigung des Krg erfolgt, um einen Anspruch auf Alg sicherzustellen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 16.12.1997 sowie den Widerspruchsbescheid vom 19.02.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 19.12.1997 Krg wegen Arbeitsunfähigkeit zu zahlen und die Geldleistung ab dem 16.01.1998 mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe keine Berufsausbildung durchlaufen. Somit sei der Kreis der zumutbaren Tätigkeiten weit zu ziehen. Wie bereits die LVA Rheinprovinz in ihrem ablehnenden Rentenbescheid betont habe, könne der Kläger auf Tätigkeiten wie Baustellenmagaziner oder Werkzeugausgeber verwiesen werden. Auch sei das Gutachten des MDK verbindlich. Wenn die behandelnde Ärztin auf dem Zahlschein vom 18.12.1997 dennoch AU bejaht habe, sei das unerheblich. Der Kläger könne die Leistungen der BA in Anspruch nehmen.
Das SG hat die Unterlagen der LVA Westfalen (als Reha-Träger) und der BA beigezogen.
Sodann hat es mit Urteil vom 10.12.1998 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 19.12.1997 hinaus Krg zu gewähren. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, bei der Prüfung, ob ein Versicherter nach beendetem Arbeitsverhältnis auf eine andere Tätigkeit als die zuletzt verrichtete verwiesen werden dürfe, bevor ihm Krg zustehe, komme es auf die individuellen Verhältnisse des Versicherten an. Bei ungelernten Arbeitnehmern hänge die Leistungsgewährung davon ab, ob die Krankenkasse dem Versicherten eine u.a. wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit konkret benannt habe und diese Tätigkeit entsprechende Fähigkeiten und Anforderungen wie der Ausgangsberuf habe (Hinweis auf Bundessozialgericht -BSG- in BSGE 61, 66; BSG SozR 2200 § 183 Nr. 51; SozR 3-2200, § 182 Nr. 9). Eine solche Überprüfung sei seitens der Beklagten jedoch nicht erfolgt. Sie habe lediglich pauschal auf die von der LVA Rheinprovinz bei der Ablehnung des Rentenanspruchs genannten Verweisungstätigkeiten hingewiesen, ohne selbst Zumutbarkeitskriterien zu nennen.
Das am 18.12.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.01.1999 mit der Berufung angefochten. Sie vertritt die Auffassung, mit Urteil vom 08.08.1995 habe das BSG klargestellt, daß die in § 192 Abs. 1 Nr. SGB V angeordnete Erhaltung der Mitgliedschaft nicht bedeute, daß daß auch der die Mitgliedschaft auslösende Tatbestand, also das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis, aufrechterhalten bleibe oder als aufrechterhalten gelte. Da das Beschäftigungsverhältnis des Klägers am 31.01.1997 geendet habe, zähle der Kläger nicht mehr zum Kreis der Arbeitnehmer. Er müsse sich wie ein Arbeitsloser auf alle zumutbaren Beschäftigungen verweisen lassen (Hinweise auf BSG 08.08.95 - 1 RK 21/94; BSG 21.09.95 - 11 RAr 35/95).
Die Beklagte hat den Klageanspruch für den 19. und 20.12.1997 entsprechend der AU-Bescheinigung vom 09.12.1997 anerkannt.
Im übrigen beantragt sie,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10.12.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt die Meinung, die Beklagte habe kein konkretes Betätigungsfeld benannt und auch nicht individuell auf seine Person bezogen überprüft, ob ihm nach seiner Aus- und Vorbildung eine bestimmte Tätigkeit zumutbar wäre. Die Auffassung, daß für ihn die für Arbeitslose geltenden Kriterien zugrunde zu legen wären, treffe nicht zu.
Der Senat hat zu Art und sozialer Bewertung der vom Kläger zuletzt verrichteten Beschäftigung Beweis erhoben und dazu eine Auskunft der Fa. T. eingeholt sowie berufskundliche Unterlagen über die Tätigkeit eines Baumaschinenführers eingeholt (Grundwerk aus bildungs- und berufskundlicher Informationen Nr. 546; Gutachten des Bausachverständigen P.; Auskunft des Verbandes der Metallindustrie). Der Arbeitgeber hat bestätigt, daß der Kläger als Baggerfahrer und Vorarbeiter eingesetzt war. Tarifvertraglich eingestuft sei er in die Lohngruppe M III (lt. Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des Baugewerbes in Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 21.05.1997: Facharbeitertätigkeit unterhalb der Vorarbeiterebene); seit 1999 übe er seine Beschäftigung wieder aus. Der Sachverständige P. hat geäußert, daß Baumaschinenführer als Facharbeiter anzusehen seien (Seite 6 seines Gutachtens). Der Lohntarifvertrag der Bauindustrie 1997 ist mündlich erörtert worden.
Wegen der näheren Einzelheiten nimmt der Senat ergänzend Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakten, der über den Kläger geführten Verwaltungsakte und der beigezogenen Reha-Akte der LVA Westfalen. Alle diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zutreffend und überzeugend hat schon das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Denn dieser verstößt gegen geltendes Recht und widerspricht der ständigen und gefestigten Rechtsprechung des BSG. Dementsprechend steht dem Kläger weiteres Krankengeld zu.
Streitig ist im Berufungsverfahren nur noch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 16.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.1998 und die dem Grunde nach ausgesprochene Verurteilung der Beklagten, dem Kläger über den 19.12.1997 hinaus Krankengeld zu gewähren. Über einen vom Kläger erstinstanzlich zunächst geltend gemachten zusätzlichen Verzinsungsanspruch hat der Senat mangels Entscheidung des SG nicht zu befinden. Diese Problematik ist vom Kläger auch nicht aufgegriffen worden. Außer Streit ist der Krg-Anspruch für den 19. und 20.12.1997, nachdem die Beklagte der Sache nach jedenfalls diesen Anspruch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anerkannt hat. Ihre Berufung ist insoweit auf die Leistungszeit ab dem 21.12.1997 beschränkt.
Richtige Klageart ist die Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 SGG. Insbesondere reicht eine Anfechtungsklage gegen den ergangenen Bescheid nicht aus. Denn hier geht es vorrangig um einen Anspruch auf Wieder- oder Weiterbewilligung von Krg (für zunächst vier Wochen, wie von der behandelnden Ärztin bescheinigt), nachdem die vorangegangene Leistungsbewilligung bis zum 20.12.1997 gereicht hatte.
Die den Krg-Anspruch tragenden Voraussetzungen des § 44 SGB V sind erfüllt, wobei davon auszugehen ist, daß dem Kläger jedenfalls ein Krankengeld-Spitzbetrag unter Berücksichtigung des gezahlten Alg zusteht. Die genannte Vorschrift setzt voraus, daß eine Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig gemacht hat. Dies trifft vorliegend zu. Der Begriff der AU ist gesetzlich nicht definiert. Nach der ständigen Rspr. des BSG, wie sie etwa im maßgeblichen Grundlagen-Urteil vom 09.12.1986 - 8 RK 12/85 - (BSGE 61, 66 ff.) zusammengefaßt ist, liegt AU vor, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, seine zuletzt verrichtete Tätigkeit auszuüben. Wie das SG zutreffend herausgehoben hat, ist aber AU bei Versicherten, deren Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet worden ist, erst anzunehmen, wenn auch eine andere, gleichartige Beschäftigung nicht mehr verrichtet werden kann. Dabei kommt es nicht auf die Zumutbarkeitskriterien an, die rentenversicherungsrechtlich etwa im Bereich der Mehrstufenlehre bei der BU-Rente zum Tragen kommen. Für den Anspruch auf Krg kommt es vielmehr darauf an, ob der Versicherte eine ähnliche Beschäftigung wie zuletzt hätte verrichten können. In diesem Zusammenhang hat das BSG (a.a.0.) deshalb auch von einer "gleichgearteten" Beschäftigung gesprochen, um deutlich zu machen, daß der Kreis der Tätigkeiten, die außer der bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit als krankenversicherungsrechtliche "Verweisungstätigkeiten" in Betracht kommen, sehr eng ist (so auch BSG in: USK 8633 und SozR 2200 § 183 Nr. 51, letzteres Urteil auch vom SG zitiert; siehe auch Großer Senat des BSG in: BSGE 53, 22).
Hat der Versicherte zuletzt einen anerkannten Ausbildungsberuf (siehe dazu das Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe, Stand 1998) ausgeübt, so scheiden Tätigkeiten außerhalb dieses Berufes aus. Wie die Beweiserhebung ergeben hat, war der Kläger zuletzt als Baggerfahrer und Vorarbeiter in der (Facharbeiter-) Lohngruppe M III des Baugewerbe-Tarifvertrages für NRW eingesetzt (so auch zuletzt die unbestrittene und dem Akteninhalt entsprechende Auskunft des Arbeitgebers vom 08.11.1999). Diese Tätigkeit entspricht, wie beispielsweise dem beigezogenen und den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Gutachten des Sachverständigen P., einer Facharbeitertätigkeit (vgl. zur Facharbeiterqualität beim Baumaschinenführer selbst vor dem Anerkennungszeitpunkt als Ausbildungsberuf: BSG in: VdK-Mitteilungen 1983, Nr. 2 S. 39). Es kommt nicht darauf an, daß der Kläger diesem Beruf nicht in einer förmlichen Ausbildung erlernt hat, was schon deshalb nicht möglich ist, weil sich das Berufsbild des Baumaschinenführers erst im Laufe der Jahre entwickelt hat (vgl. etwa die Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluß "Geprüfter Baumaschinenführer" vom 12.12.1977 (BGBl. I S. 2539)). Wenn die Beklagte demgegenüber im übrigen meint, der Kläger könne durchaus auf allgemeine Tätigkeiten des Arbeitsmarktes verwiesen werden, weil es allein darauf ankomme, ob der Versicherte die Ausbildung abgeschlossen habe, so unterliegt sie einem Rechtsirrtum. Denn das BSG hat in der maßgeblichen Grundsatzentscheidung in BSGE 61, 66 ff. allein darauf abgestellt, ob der Versicherte in einem Ausbildungsberuf tätig geworden ist. An keiner Stelle hat das BSG verlangt, der Versicherte müßte eine Ausbildung förmlich durchlaufen haben. Eine solche Forderung würde auch den anerkannten generellen Grundsätzen für die soziale Bewertung und Einschätzung von Erwerbstätigkeiten widersprechen. So richtet sich etwa der Wert einer verrichteten Beschäftigung sowohl im Recht der Erwerbsminderung nach SGB VI als auch im Rahmen von § 30 Abs. 2 BVG nicht allein danach, ob ein Betroffener eine Ausbildung durchlaufen hat, sondern nach dem Gesamtgepräge der von ihm verrichteten Tätigkeit, wozu die Dauer der Beschäftigung in einem anerkannten Ausbildungsberuf ebenso gehört wie etwa die tarifliche Einstufung, die als Indiz für eine Beschäftigung in einem Ausbildungsberuf (Facharbeitertätigkeit) gehört.
Selbst bei ungelernten Tätigkeiten ist krankenversicherungsrechtlich nur eine eingeschränkte Verweisung möglich. Dabei hängt die Möglichkeit einer Verweisung nicht nur von der Art der Arbeit, von den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten ab, sondern auch von der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit ab. Diese liegt dann nicht vor, wenn die Einkommenseinbuße im Verweisungsberuf 10 % und mehr beträgt. Daß diese Voraussetzung erfüllt ist, liegt nahe, zumal für den körperlich erheblich behinderten Kläger nur noch einfachere, weitaus geringer bezahlte Hilfstätigkeiten möglich wären. Dem braucht indes nicht näher nachgegangen zu werden, da der Kläger schon als Facharbeiter nicht auf andere Tätigkeiten verweisbar ist. Allein die Feststellung, daß ein Versicherter noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne, reicht zur Versagung der Krg-(Weiter-)Zahlung nicht aus (BSG, Urt. v. 15.12.1993, Az: 1 RK 20/93 in: Die Leistungen 1994, S. 471).
Mithin könnte die Beklagte den Kläger allenfalls auf vergleichbare "gleichgeartete" Facharbeitertätigkeiten zumutbar verweisen, bevor sie ihm weiteres Krankengeld gewährt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich lediglich um gleichwertige Tätigkeiten innerhalb eines Betriebes handeln muß oder aber auch um andere identische oder gleichartige Tätigkeiten im Wohnbereich des Versicherten. Solche Tätigkeiten hat weder die Beklagte benannt noch sind sie ersichtlich. In Betracht kämen etwa aus dem großen Spektrum der Baumaschinenführerarbeit allenfalls Tätigkeiten etwa als Laderfahrer, als Raupenfahrer, als Kranführer in einem Industriebetrieb. Aber alle diese Tätigkeiten sind mit einem hohen Anteil an Tätigkeit im Sitzen verbunden, so daß sie als Verweisungstätigkeit ausscheiden.
Die von der Beklagten als "Verweisungstätigkeiten" angeführten Arbeiten als Baustellenmagaziner (zu der Einordnung dieser Tätigkeit als Anlerntätigkeiten vgl. schon BSG, Urt. v. 28.03.1979 - 4 RJ 11/78 - und vom 20.12.1978 - 4 RJ 23/78) oder des einfachen Werkzeugausgebers (BSG vom 28.04.1965 - 5 RKn 70/64) sind allenfalls angelernte Tätigkeiten und können dem Kläger im Rahmen einer krankenversicherungsrechtlichen "Verweisung" keinesfalls zugemutet werden.
Dieses Ergebnis entspricht auch einer späteren Entscheidung des BSG. Denn selbst bei Versicherten, die zuletzt eine ungelernte Tätigkeit ausgeübt haben, endet die Arbeitsunfähigkeit nicht schon mit der Feststellung, daß der Versicherte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch ausüben kann. Vielmehr müssen diese Tätigkeiten nach den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und nach ihrer Entlohnung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit entsprechen (BSG a.a.O. in: Die Leistungen 1994, 471 ff. = USK 93103).
Bei alledem sei auf die frühere Grundsatzentscheidung des BSG (vom 15.11.1984, Az. 3 RK 21/83 = BSGE 57, 227 = SozR 2200 § 1259 Nr. 59) hingewiesen, in der betont wird, jedenfalls in der ersten Blockfrist scheide eine Verweisung praktisch schlechthin aus. Dieser Grundsatz hat sich für das neue Recht des SGB V nicht geändert.
Soweit etwa die Beklagte unter Berufung auf das von ihr herangezogene BSG-Urteil vom 08.08.1995 (Az. 1 RK 21/94) meint, die frühere Rechtsprechung des BSG sei nicht mehr anzuwenden, unterliegt sie einem Rechtsirrtum: Denn in dem von der Beklagten genannten Fall ging es um die Gewährung von Mutterschaftsgeld für eine Versicherte, die ihre Beziehung zum Erwerbsleben deutlich abgebrochen hatte und deshalb keine weiteren Leistungen erhalten konnte. Im vorliegenden Falle geht es aber um die soziale Sicherung eines Arbeitnehmers, der lediglich durch das versicherte Risiko (der Krankheit) aus dem Beruf geworfen wurde, sich aber grundsätzlich nicht vom Arbeitsleben entfernt hat. Dies wird durch die Bereitschaft des Klägers erhärtet, sich dem Arbeitsamt zur leistungsgerechten Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Ganz deutlich wird dieser Umstand durch die Wiederaufnahme der Beschäftigung beim selben Arbeitgeber zum 12.04.1999.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Grundsätze des mit dem SGB III 1997 neu eingeführten dortigen § 121 berufen. In dieser Vorschrift wird festgelegt, daß einem Arbeitslosen, also einer Person, die sich von ihrer letzten Tätigkeit gelöst hat oder hat lösen müssen, grundsätzlich alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar sind. Dabei werden dem Arbeitslosen Lohneinbußen von mindestens 20 %, mit dem siebten Monat der Arbeitslosigkeit sogar weitaus höhere Einbußen (entsprechend dem gezahlten Alg) zugemutet. Diese Grundsätze können aber nicht auf die Leistungsgewährung beim Krg übertragen werden. Zum einen hat der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung 1997 nicht in das SGB V eingefügt. Zum zweiten widerspricht die Übertragung dieser Grundsätze der Systematik und dem Sinn der krankenversicherungsrechtlichen Regelungen: Diese knüpfen, insbesondere seitdem das SGB V die früher mögliche Dauerarbeitslosigkeit ausschließt, deutlich an die letzte verrichtete Beschäftigung an. Dies entspricht einem gesetzlichen Gesamtkonzept abgestufter sozialer Hilfe: Zunächst erhält ein durch Krankheit aus dem Beruf geworfener Versicherter eine möglichst dem letzten Entgelt nahe finanzielle Sicherung in Form des Krg; entfällt nach Ablauf von 78 Wochen der Krg-Anspruch, ergibt sich ggf. ein dann geringerer Anspruch auf Alg; schließlich wird der soziale Hilfsanspruch mit zunehmender Entfernung von der letzten Beschäftigung weiter verringert, wenn der Leistungsbezug für Alg ausläuft und lediglich noch (geringere) Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu gewähren ist. Schließlich besteht auch kein Bedürfnis nach einer Beschränkung der Krg-Zahlungen: denn die früher übliche, mehrfache Leistung von Krg in einer zweiten, dritten oder vierten Blockfrist ist durch die Neuregelungen des SGB V unterbunden worden. Dauer-AU bewirkt keine hohe Dauerleistung (mit eineinhalbjährigen Unterbrechungen) mehr. Festzuhalten bleibt, daß dem Krankenversicherungsrecht die Zumutbarkeits- und Verweisungsregeln des Arbeitsförderungsrechts fremd sind, ebenso wie die Regeln des BU-Rentenrechts nicht angewandt werden können.
Bei alledem kommt es allerdings nicht entscheidend darauf an, daß die Beklagte eine zumutbare Verweisungstätigkeit nicht genannt hat, wie das SG in seinem Urteil gemeint hat (etwas mißverständlich das BSG in dem o.a. Urteil vom 15.12.1993: USK 93103 a.a.O). Es ist Aufgabe der Gerichte, eigenständig und im Einzelfall zu prüfen, ob eine solche Beschäftigung ersichtlich ist und ob von den Beteiligten herangezogene Tätigkeiten als zumutbare, krankenversicherungsrechtlich bedeutsame Verweisungstätigkeiten in Betracht kommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es besteht keinerlei Anlaß, die Revision zuzulassen, § 160 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Krankengeld-(Krg)-Anspruch über den 20.12.1997 hinaus zusteht.
Der 1954 geborene, jetzt 45 Jahre alte, bei der Beklagten pflichtversicherte Kläger hat keine Berufsausbildung durchlaufen. Er war zunächst (von 1969 bis 1976) als Fabrikarbeiter und Bergmann beschäftigt, arbeitete dann aber seit 1976 bei verschiedenen Firmen, insbesondere im Gartenbaubereich als Maschinist und Baggerführer. Nach seinen Angaben durchlief er eine längere gezielte Anlernzeit als Baggerfahrer (1978 bei der Fa. L. in G.-B.). Zuletzt arbeitete er als Baggerführer und selbständig arbeitender Vorarbeiter bei der Fa. Garten- und Landschaftsbau- und Tiefbaufirma C. T. in G. mit einem Brutto-Monatsverdienst von 4762,11 DM.
Seit dem 07.11.1996 war er wegen wiederkehrenden Lumboischialgien bei Bandscheibenverschleiß und abgelaufener Scheuermann scher Erkrankung (konkret: akute Wurzelreizung, dann Bandscheibenvorfälle) arbeitsunfähig erkrankt. Für die Zeit ab 07.12.1996 (die Lohnfortzahlung endete bereits am 06.12.19996) erhielt er zunächst 72,09 DM, ab 01.01.1997 dann 64,47 DM tägliches Krg (x 30 = 1934,10 DM mtl.). Zuletzt hatte die behandelnde Ärztin am 09.12.1997 eine bis zum 20.12.1997 befristete Arbeitsunfähigkeits-(AU)-Bescheinigung ausgestellt, aufgrund derer der Kläger offenbar bis zum Freitag, den 19.12.1997, Krg-Leistungen erhalten hatte.
Zum 31.01.1997 wurde das Beschäftigungsverhältnis beendet. Der Kläger war ab März als Arbeitsloser beim Arbeitsamt (AA) gemeldet, erhielt jedoch wegen seiner Erkrankung zunächst keine Leistungen.
Der von der LVA Rheinprovinz auf den im Januar 1997 gestellten Rentenantrag gehörte chirurgische Sachverständige Dr. I. hielt den Kläger für leistungseingeschränkt. Er hielt nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten für zumutbar. Es bestehe eine deutlich eingeschränkte Belastbarkeit der Wirbelsäule. Als Baggerfahrer, seinem bisher ausgeübten Beruf, sei er nicht mehr einsetzbar. Eine Rente wegen Erwerbsminderung erhielt der Kläger nicht, weil die LVA ihn noch für fähig hielt, zumutbare Beschäftigungen als Baustellenmagaziner und Werkzeugausgeber zu verrichten (Bescheid vom 25.11.1997).
Der MDK-Gutachter Dr. B. verwies auf Bandscheibenvorwölbungen und -vorfälle im Lendenwirbelsäulenbereich. Er schloß sich der Leistungsbeurteilung der LVA an. Der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig und nur auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar (14.11.97).
Daraufhin setzte die Beklagte das Ende der AU auf den 19.12.1997 fest, weil der Kläger trotz seiner Beschwerden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt sein könne (Schreiben vom 16.12.1997).
Demgegenüber bescheinigte die behandelnde Ärztin Dr. V. auf dem Auszahlungsschein vom 16.12.1997 eine weitere AU für 4 Wochen und wies darauf hin, daß der Kläger trotz des Urteils des sozialmedizinischen Dienstes nicht einsatzfähig sei.
Auch der Gutachter des arbeitsamtsärztlichen Dienstes vertrat die Auffassung, der Kläger sei nicht mehr als Baggerfahrer einsatzfähig (Jan. 1998).
Ab 20.12.1997 gewährte das AA G. dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 334,20 DM wöchentlich (x13:3= 1448,20 DM mtl.).
In einem am 22.12.1997 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 18.12.1997 wandte sich der Kläger gegen die Einstellung der Krg-Zahlung. Nach Anhörung des Klägers und Einholung sowie Mitteilung (an den Kläger) eines weiteren ärztlichen Berichtes von dem behandelnden Orthopäden Dr. Lange wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 19.02.1998 zurück.
Mit der am 05.03.1998 bei dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er brauche sich als Baggerfahrer nicht auf andere Tätigkeiten verweisen zu lassen, zumal die zuletzt verrichtete Beschäftigung heute ein Lehrberuf sei. Zudem werde im Gutachten ärztlicherseits ausdrücklich herausgestellt, daß er arbeitsunfähig sei. Die Meldung als Arbeitsloser sei nur für den Fall der Beendigung des Krg erfolgt, um einen Anspruch auf Alg sicherzustellen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 16.12.1997 sowie den Widerspruchsbescheid vom 19.02.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 19.12.1997 Krg wegen Arbeitsunfähigkeit zu zahlen und die Geldleistung ab dem 16.01.1998 mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe keine Berufsausbildung durchlaufen. Somit sei der Kreis der zumutbaren Tätigkeiten weit zu ziehen. Wie bereits die LVA Rheinprovinz in ihrem ablehnenden Rentenbescheid betont habe, könne der Kläger auf Tätigkeiten wie Baustellenmagaziner oder Werkzeugausgeber verwiesen werden. Auch sei das Gutachten des MDK verbindlich. Wenn die behandelnde Ärztin auf dem Zahlschein vom 18.12.1997 dennoch AU bejaht habe, sei das unerheblich. Der Kläger könne die Leistungen der BA in Anspruch nehmen.
Das SG hat die Unterlagen der LVA Westfalen (als Reha-Träger) und der BA beigezogen.
Sodann hat es mit Urteil vom 10.12.1998 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 19.12.1997 hinaus Krg zu gewähren. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, bei der Prüfung, ob ein Versicherter nach beendetem Arbeitsverhältnis auf eine andere Tätigkeit als die zuletzt verrichtete verwiesen werden dürfe, bevor ihm Krg zustehe, komme es auf die individuellen Verhältnisse des Versicherten an. Bei ungelernten Arbeitnehmern hänge die Leistungsgewährung davon ab, ob die Krankenkasse dem Versicherten eine u.a. wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit konkret benannt habe und diese Tätigkeit entsprechende Fähigkeiten und Anforderungen wie der Ausgangsberuf habe (Hinweis auf Bundessozialgericht -BSG- in BSGE 61, 66; BSG SozR 2200 § 183 Nr. 51; SozR 3-2200, § 182 Nr. 9). Eine solche Überprüfung sei seitens der Beklagten jedoch nicht erfolgt. Sie habe lediglich pauschal auf die von der LVA Rheinprovinz bei der Ablehnung des Rentenanspruchs genannten Verweisungstätigkeiten hingewiesen, ohne selbst Zumutbarkeitskriterien zu nennen.
Das am 18.12.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.01.1999 mit der Berufung angefochten. Sie vertritt die Auffassung, mit Urteil vom 08.08.1995 habe das BSG klargestellt, daß die in § 192 Abs. 1 Nr. SGB V angeordnete Erhaltung der Mitgliedschaft nicht bedeute, daß daß auch der die Mitgliedschaft auslösende Tatbestand, also das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis, aufrechterhalten bleibe oder als aufrechterhalten gelte. Da das Beschäftigungsverhältnis des Klägers am 31.01.1997 geendet habe, zähle der Kläger nicht mehr zum Kreis der Arbeitnehmer. Er müsse sich wie ein Arbeitsloser auf alle zumutbaren Beschäftigungen verweisen lassen (Hinweise auf BSG 08.08.95 - 1 RK 21/94; BSG 21.09.95 - 11 RAr 35/95).
Die Beklagte hat den Klageanspruch für den 19. und 20.12.1997 entsprechend der AU-Bescheinigung vom 09.12.1997 anerkannt.
Im übrigen beantragt sie,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10.12.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt die Meinung, die Beklagte habe kein konkretes Betätigungsfeld benannt und auch nicht individuell auf seine Person bezogen überprüft, ob ihm nach seiner Aus- und Vorbildung eine bestimmte Tätigkeit zumutbar wäre. Die Auffassung, daß für ihn die für Arbeitslose geltenden Kriterien zugrunde zu legen wären, treffe nicht zu.
Der Senat hat zu Art und sozialer Bewertung der vom Kläger zuletzt verrichteten Beschäftigung Beweis erhoben und dazu eine Auskunft der Fa. T. eingeholt sowie berufskundliche Unterlagen über die Tätigkeit eines Baumaschinenführers eingeholt (Grundwerk aus bildungs- und berufskundlicher Informationen Nr. 546; Gutachten des Bausachverständigen P.; Auskunft des Verbandes der Metallindustrie). Der Arbeitgeber hat bestätigt, daß der Kläger als Baggerfahrer und Vorarbeiter eingesetzt war. Tarifvertraglich eingestuft sei er in die Lohngruppe M III (lt. Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des Baugewerbes in Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 21.05.1997: Facharbeitertätigkeit unterhalb der Vorarbeiterebene); seit 1999 übe er seine Beschäftigung wieder aus. Der Sachverständige P. hat geäußert, daß Baumaschinenführer als Facharbeiter anzusehen seien (Seite 6 seines Gutachtens). Der Lohntarifvertrag der Bauindustrie 1997 ist mündlich erörtert worden.
Wegen der näheren Einzelheiten nimmt der Senat ergänzend Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakten, der über den Kläger geführten Verwaltungsakte und der beigezogenen Reha-Akte der LVA Westfalen. Alle diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zutreffend und überzeugend hat schon das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Denn dieser verstößt gegen geltendes Recht und widerspricht der ständigen und gefestigten Rechtsprechung des BSG. Dementsprechend steht dem Kläger weiteres Krankengeld zu.
Streitig ist im Berufungsverfahren nur noch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 16.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.1998 und die dem Grunde nach ausgesprochene Verurteilung der Beklagten, dem Kläger über den 19.12.1997 hinaus Krankengeld zu gewähren. Über einen vom Kläger erstinstanzlich zunächst geltend gemachten zusätzlichen Verzinsungsanspruch hat der Senat mangels Entscheidung des SG nicht zu befinden. Diese Problematik ist vom Kläger auch nicht aufgegriffen worden. Außer Streit ist der Krg-Anspruch für den 19. und 20.12.1997, nachdem die Beklagte der Sache nach jedenfalls diesen Anspruch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anerkannt hat. Ihre Berufung ist insoweit auf die Leistungszeit ab dem 21.12.1997 beschränkt.
Richtige Klageart ist die Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 SGG. Insbesondere reicht eine Anfechtungsklage gegen den ergangenen Bescheid nicht aus. Denn hier geht es vorrangig um einen Anspruch auf Wieder- oder Weiterbewilligung von Krg (für zunächst vier Wochen, wie von der behandelnden Ärztin bescheinigt), nachdem die vorangegangene Leistungsbewilligung bis zum 20.12.1997 gereicht hatte.
Die den Krg-Anspruch tragenden Voraussetzungen des § 44 SGB V sind erfüllt, wobei davon auszugehen ist, daß dem Kläger jedenfalls ein Krankengeld-Spitzbetrag unter Berücksichtigung des gezahlten Alg zusteht. Die genannte Vorschrift setzt voraus, daß eine Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig gemacht hat. Dies trifft vorliegend zu. Der Begriff der AU ist gesetzlich nicht definiert. Nach der ständigen Rspr. des BSG, wie sie etwa im maßgeblichen Grundlagen-Urteil vom 09.12.1986 - 8 RK 12/85 - (BSGE 61, 66 ff.) zusammengefaßt ist, liegt AU vor, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, seine zuletzt verrichtete Tätigkeit auszuüben. Wie das SG zutreffend herausgehoben hat, ist aber AU bei Versicherten, deren Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet worden ist, erst anzunehmen, wenn auch eine andere, gleichartige Beschäftigung nicht mehr verrichtet werden kann. Dabei kommt es nicht auf die Zumutbarkeitskriterien an, die rentenversicherungsrechtlich etwa im Bereich der Mehrstufenlehre bei der BU-Rente zum Tragen kommen. Für den Anspruch auf Krg kommt es vielmehr darauf an, ob der Versicherte eine ähnliche Beschäftigung wie zuletzt hätte verrichten können. In diesem Zusammenhang hat das BSG (a.a.0.) deshalb auch von einer "gleichgearteten" Beschäftigung gesprochen, um deutlich zu machen, daß der Kreis der Tätigkeiten, die außer der bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit als krankenversicherungsrechtliche "Verweisungstätigkeiten" in Betracht kommen, sehr eng ist (so auch BSG in: USK 8633 und SozR 2200 § 183 Nr. 51, letzteres Urteil auch vom SG zitiert; siehe auch Großer Senat des BSG in: BSGE 53, 22).
Hat der Versicherte zuletzt einen anerkannten Ausbildungsberuf (siehe dazu das Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe, Stand 1998) ausgeübt, so scheiden Tätigkeiten außerhalb dieses Berufes aus. Wie die Beweiserhebung ergeben hat, war der Kläger zuletzt als Baggerfahrer und Vorarbeiter in der (Facharbeiter-) Lohngruppe M III des Baugewerbe-Tarifvertrages für NRW eingesetzt (so auch zuletzt die unbestrittene und dem Akteninhalt entsprechende Auskunft des Arbeitgebers vom 08.11.1999). Diese Tätigkeit entspricht, wie beispielsweise dem beigezogenen und den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Gutachten des Sachverständigen P., einer Facharbeitertätigkeit (vgl. zur Facharbeiterqualität beim Baumaschinenführer selbst vor dem Anerkennungszeitpunkt als Ausbildungsberuf: BSG in: VdK-Mitteilungen 1983, Nr. 2 S. 39). Es kommt nicht darauf an, daß der Kläger diesem Beruf nicht in einer förmlichen Ausbildung erlernt hat, was schon deshalb nicht möglich ist, weil sich das Berufsbild des Baumaschinenführers erst im Laufe der Jahre entwickelt hat (vgl. etwa die Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluß "Geprüfter Baumaschinenführer" vom 12.12.1977 (BGBl. I S. 2539)). Wenn die Beklagte demgegenüber im übrigen meint, der Kläger könne durchaus auf allgemeine Tätigkeiten des Arbeitsmarktes verwiesen werden, weil es allein darauf ankomme, ob der Versicherte die Ausbildung abgeschlossen habe, so unterliegt sie einem Rechtsirrtum. Denn das BSG hat in der maßgeblichen Grundsatzentscheidung in BSGE 61, 66 ff. allein darauf abgestellt, ob der Versicherte in einem Ausbildungsberuf tätig geworden ist. An keiner Stelle hat das BSG verlangt, der Versicherte müßte eine Ausbildung förmlich durchlaufen haben. Eine solche Forderung würde auch den anerkannten generellen Grundsätzen für die soziale Bewertung und Einschätzung von Erwerbstätigkeiten widersprechen. So richtet sich etwa der Wert einer verrichteten Beschäftigung sowohl im Recht der Erwerbsminderung nach SGB VI als auch im Rahmen von § 30 Abs. 2 BVG nicht allein danach, ob ein Betroffener eine Ausbildung durchlaufen hat, sondern nach dem Gesamtgepräge der von ihm verrichteten Tätigkeit, wozu die Dauer der Beschäftigung in einem anerkannten Ausbildungsberuf ebenso gehört wie etwa die tarifliche Einstufung, die als Indiz für eine Beschäftigung in einem Ausbildungsberuf (Facharbeitertätigkeit) gehört.
Selbst bei ungelernten Tätigkeiten ist krankenversicherungsrechtlich nur eine eingeschränkte Verweisung möglich. Dabei hängt die Möglichkeit einer Verweisung nicht nur von der Art der Arbeit, von den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten ab, sondern auch von der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit ab. Diese liegt dann nicht vor, wenn die Einkommenseinbuße im Verweisungsberuf 10 % und mehr beträgt. Daß diese Voraussetzung erfüllt ist, liegt nahe, zumal für den körperlich erheblich behinderten Kläger nur noch einfachere, weitaus geringer bezahlte Hilfstätigkeiten möglich wären. Dem braucht indes nicht näher nachgegangen zu werden, da der Kläger schon als Facharbeiter nicht auf andere Tätigkeiten verweisbar ist. Allein die Feststellung, daß ein Versicherter noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne, reicht zur Versagung der Krg-(Weiter-)Zahlung nicht aus (BSG, Urt. v. 15.12.1993, Az: 1 RK 20/93 in: Die Leistungen 1994, S. 471).
Mithin könnte die Beklagte den Kläger allenfalls auf vergleichbare "gleichgeartete" Facharbeitertätigkeiten zumutbar verweisen, bevor sie ihm weiteres Krankengeld gewährt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich lediglich um gleichwertige Tätigkeiten innerhalb eines Betriebes handeln muß oder aber auch um andere identische oder gleichartige Tätigkeiten im Wohnbereich des Versicherten. Solche Tätigkeiten hat weder die Beklagte benannt noch sind sie ersichtlich. In Betracht kämen etwa aus dem großen Spektrum der Baumaschinenführerarbeit allenfalls Tätigkeiten etwa als Laderfahrer, als Raupenfahrer, als Kranführer in einem Industriebetrieb. Aber alle diese Tätigkeiten sind mit einem hohen Anteil an Tätigkeit im Sitzen verbunden, so daß sie als Verweisungstätigkeit ausscheiden.
Die von der Beklagten als "Verweisungstätigkeiten" angeführten Arbeiten als Baustellenmagaziner (zu der Einordnung dieser Tätigkeit als Anlerntätigkeiten vgl. schon BSG, Urt. v. 28.03.1979 - 4 RJ 11/78 - und vom 20.12.1978 - 4 RJ 23/78) oder des einfachen Werkzeugausgebers (BSG vom 28.04.1965 - 5 RKn 70/64) sind allenfalls angelernte Tätigkeiten und können dem Kläger im Rahmen einer krankenversicherungsrechtlichen "Verweisung" keinesfalls zugemutet werden.
Dieses Ergebnis entspricht auch einer späteren Entscheidung des BSG. Denn selbst bei Versicherten, die zuletzt eine ungelernte Tätigkeit ausgeübt haben, endet die Arbeitsunfähigkeit nicht schon mit der Feststellung, daß der Versicherte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch ausüben kann. Vielmehr müssen diese Tätigkeiten nach den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten und nach ihrer Entlohnung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit entsprechen (BSG a.a.O. in: Die Leistungen 1994, 471 ff. = USK 93103).
Bei alledem sei auf die frühere Grundsatzentscheidung des BSG (vom 15.11.1984, Az. 3 RK 21/83 = BSGE 57, 227 = SozR 2200 § 1259 Nr. 59) hingewiesen, in der betont wird, jedenfalls in der ersten Blockfrist scheide eine Verweisung praktisch schlechthin aus. Dieser Grundsatz hat sich für das neue Recht des SGB V nicht geändert.
Soweit etwa die Beklagte unter Berufung auf das von ihr herangezogene BSG-Urteil vom 08.08.1995 (Az. 1 RK 21/94) meint, die frühere Rechtsprechung des BSG sei nicht mehr anzuwenden, unterliegt sie einem Rechtsirrtum: Denn in dem von der Beklagten genannten Fall ging es um die Gewährung von Mutterschaftsgeld für eine Versicherte, die ihre Beziehung zum Erwerbsleben deutlich abgebrochen hatte und deshalb keine weiteren Leistungen erhalten konnte. Im vorliegenden Falle geht es aber um die soziale Sicherung eines Arbeitnehmers, der lediglich durch das versicherte Risiko (der Krankheit) aus dem Beruf geworfen wurde, sich aber grundsätzlich nicht vom Arbeitsleben entfernt hat. Dies wird durch die Bereitschaft des Klägers erhärtet, sich dem Arbeitsamt zur leistungsgerechten Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Ganz deutlich wird dieser Umstand durch die Wiederaufnahme der Beschäftigung beim selben Arbeitgeber zum 12.04.1999.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Grundsätze des mit dem SGB III 1997 neu eingeführten dortigen § 121 berufen. In dieser Vorschrift wird festgelegt, daß einem Arbeitslosen, also einer Person, die sich von ihrer letzten Tätigkeit gelöst hat oder hat lösen müssen, grundsätzlich alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar sind. Dabei werden dem Arbeitslosen Lohneinbußen von mindestens 20 %, mit dem siebten Monat der Arbeitslosigkeit sogar weitaus höhere Einbußen (entsprechend dem gezahlten Alg) zugemutet. Diese Grundsätze können aber nicht auf die Leistungsgewährung beim Krg übertragen werden. Zum einen hat der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung 1997 nicht in das SGB V eingefügt. Zum zweiten widerspricht die Übertragung dieser Grundsätze der Systematik und dem Sinn der krankenversicherungsrechtlichen Regelungen: Diese knüpfen, insbesondere seitdem das SGB V die früher mögliche Dauerarbeitslosigkeit ausschließt, deutlich an die letzte verrichtete Beschäftigung an. Dies entspricht einem gesetzlichen Gesamtkonzept abgestufter sozialer Hilfe: Zunächst erhält ein durch Krankheit aus dem Beruf geworfener Versicherter eine möglichst dem letzten Entgelt nahe finanzielle Sicherung in Form des Krg; entfällt nach Ablauf von 78 Wochen der Krg-Anspruch, ergibt sich ggf. ein dann geringerer Anspruch auf Alg; schließlich wird der soziale Hilfsanspruch mit zunehmender Entfernung von der letzten Beschäftigung weiter verringert, wenn der Leistungsbezug für Alg ausläuft und lediglich noch (geringere) Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu gewähren ist. Schließlich besteht auch kein Bedürfnis nach einer Beschränkung der Krg-Zahlungen: denn die früher übliche, mehrfache Leistung von Krg in einer zweiten, dritten oder vierten Blockfrist ist durch die Neuregelungen des SGB V unterbunden worden. Dauer-AU bewirkt keine hohe Dauerleistung (mit eineinhalbjährigen Unterbrechungen) mehr. Festzuhalten bleibt, daß dem Krankenversicherungsrecht die Zumutbarkeits- und Verweisungsregeln des Arbeitsförderungsrechts fremd sind, ebenso wie die Regeln des BU-Rentenrechts nicht angewandt werden können.
Bei alledem kommt es allerdings nicht entscheidend darauf an, daß die Beklagte eine zumutbare Verweisungstätigkeit nicht genannt hat, wie das SG in seinem Urteil gemeint hat (etwas mißverständlich das BSG in dem o.a. Urteil vom 15.12.1993: USK 93103 a.a.O). Es ist Aufgabe der Gerichte, eigenständig und im Einzelfall zu prüfen, ob eine solche Beschäftigung ersichtlich ist und ob von den Beteiligten herangezogene Tätigkeiten als zumutbare, krankenversicherungsrechtlich bedeutsame Verweisungstätigkeiten in Betracht kommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es besteht keinerlei Anlaß, die Revision zuzulassen, § 160 SGG.
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