L 16 KR 123/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KR 66/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 123/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 10/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26. April 1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Kostenerstattungsanspruch nach § 104 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (SGB X).

Der am 28.04.1975 geborene Beigeladene, der bei der Beklagten versichert ist, leidet an einer hochgradigen Sehbehinderung und schweren spastischen Lähmungen beider Beine mit Gehunfähigkeit. Im Jahre 1995 hat er das Studium der Rechtswissenschaften in Bonn aufgenommen. Seinen Antrag auf Versorgung mit einem Diktiergerät inklusive Konferenzmikrophon sowie einem sehbehindertengerechten Notebook inklusive Zubehör lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.11.1995 ab. Sie habe ihm im Dezember 1993 ein Lesephon-Gerät bewilligt. Die jetzt beantragten Geräte benötige er nach seinen Angaben, um im Rahmen des Studiums Mitschriften erledigen bzw. Lehrveranstaltungen aufnehmen zu können. Es handele sich somit um Gegenstände, welche ausschließlich für das Studium erforderlich seien. Hierfür könnten von der Krankenkasse keine Kosten übernommen werden, da solche Hilfen nicht in ihren Leistungsbereich fielen.

Daraufhin beschaffte der Kläger für den Beigeladenen die betreffenden Geräte und machte bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X geltend. Er zahlte an die Nxxxxxxx GmbH 1.144,25 DM gemäß Rechnung vom 08.12.1995 für ein Update einer Texterkennungssoftware sowie die Nachrüstung des stationären häuslichen Arbeitsplatzes mit einem CD-Rom-Laufwerk, an die Sxxxxxx xxxx GmbH 757,54 DM gemäß Rechnung vom 05.01.1996 für ein Diktier-Gerät mit Konferenzmikrophon sowie an die Firmengruppe Dr. Gxxxxxxx 17.411,-- DM gemäß Rechnung vom 15.01.1996 für ein Notebook mit verschiedenen Hard- und Softwaremodulen. Der Beklagten gegenüber bezifferte der Kläger den Erstattungsanspruch auf 19.312,79 DM. Er legte eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes xxx xxxxx-xxxx-xxxxxxx vom 11.06.1996 vor, wonach der Kläger zur Bewältigung des Studiums auf das Notebook angewiesen ist. Die Beklagte teilte dem Kläger mit (Schreiben vom 12.03. und 05.08.1996), sie sähe keine Möglichkeit, dem Erstattungsanspruch zu entsprechen. Das beantragte Notebook, das CD-Rom-Laufwerk sowie das Diktiergerät dienten nicht dem Ausgleich elementarer Grundbedürfnisse, sondern seien ausschließlich für die Ausübung des Studiums notwendig. Derartige Hilfen glichen die Folgen der Behinderung für bestimmte Verrichtungen im beruflichen Bereich aus und fielen nicht in den Aufgabenbereich der Gesetzlichen Krankenversicherung. Unabhängig davon läge keine ärztliche Verordnung vor. Ferner handele es sich bei einem Computer nach der aktuellen Rechtsprechung um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens.

Am 20.04.1998 hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, die Beklagte weigere sich zu Unrecht, ihre vorrangige Leistungspflicht aus § 33 SGB V anzuerkennen. Es entspreche zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung, dass Computer-Konfigurationen zu den "anderen Hilfsmitteln" i.S.d. § 33 Abs. 1 SGB V gehören können, wenn und soweit sie erforderlich seien, um die Behinderung des Versicherten auszugleichen, und dass sie nicht als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Da Computer vielfach zum Alltag nicht behinderter Menschen gehörten, müßten die konkret angefallenen Kosten danach aufgegliedert werden, ob sie für die handelsübliche Grundausstattung des Rechners oder für die spezifisch behinderungsgerechte Sonderausstattung angefallen seien. Der Beigeladene benötigte das Notebook zum Ausgleich seiner schweren Sehbehinderung. Er könne nur mit dessen Hilfe seinem Grundbedürfnis nachkommen, überall - und nicht nur zu Hause - Informationen aufzuschreiben und zu sammeln, um sie später auswerten zu können. Eine andere Form der mobilen schriftlichen Fixierung von Daten stehe dem Beigeladenen nicht zur Verfügung. Die Anschaffung eines gegenüber dem schon vorhandenen häuslichen Rechners zusätzlichen tragbaren Rechners für den mobilen Einsatz in Vorlesungen, Bibliotheken usw. sei vor diesem Hintergrund eine ausschließlich durch die Behinderung bedingte Beschaffung. Entsprechendes gelte teilweise für die Kosten, die der Kläger für ein Update einer Texterkennungssoftware für den vorhandenen Scanner verauslagt habe. Die Kosten für die Nachrüstung des Desktops mit einem CD-Rom-Laufwerk würden hingegen nicht geltend gemacht. Ebenso erkenne der Kläger den größten Teil der Komponenten des Diktiergerätes als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens an. Er mache jedoch die Kosten für das Konferenzmikrophon geltend, das speziell zum Mitschneiden von Vorlesungen habe angeschafft werden müssen, und für das ein "gewöhnlicher" Student keine Verwendung hätte.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm die für die Ausstattung des Beigeladenen mit einem sehbehindertengerechten Notebook mit Zubehör sowie einem Diktiergerät entstandenen Kosten teilweise, nämlich in Höhe von 17.981,99 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 26.02.1996, zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer bislang vertretenen Auffassung festgehalten.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat vorgebracht, er benötige ein Notebook zur Mitschrift von Vorlesungen wegen seiner behinderungsbedingten Einschränkungen der Schreib- und Sehfähigkeit. Seine Sehfähigkeit schwanke, so dass es ihm nicht möglich sei, handschriftlich angefertigte Mitschriften bei der Aufbereitung des Vorlesungsstoffes zu entziffern. Auch sei sein Schriftbild wegen der Spasmen kaum lesbar, so dass es keinen Zweck habe, in den Vorlesungen mitzuschreiben. Der begleitende Zivildienstleistende dagegen könne die wichtigen Vorlesungsinhalte nicht selbst herausfiltern und zu Papier bringen. Ein Mitschnitt sämtlicher Vorlesungen sei aufgrund des Mehraufwandes an Zeit für deren Auswertung nicht möglich.

Mit Urteil vom 26.04.1999 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 828,-- DM zu zahlen und nach Maßgabe des Gesetzes zu verzinsen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, es gehöre zu den Grundbedürfnissen des Menschen, einen leistungsgerechten Beruf zu erlernen. Der Beigeladene sei aufgrund seiner schweren Sehbehinderung und Schreibstörung nicht in der Lage, schriftliche Aufzeichnungen in den Vorlesungen zu machen. Auch bei jeder anderen Ausbildung, die geistige Tätigkeit verlange, seien schriftliche Aufzeichnungen notwendig, um den Lernstoff festzuhalten, um ihn später rekapitulieren und repetieren zu können. Dazu könne ein Diktiergerät Hilfe leisten, zumal es in der Regel über eine Konferenzschaltung verfüge. Ein Notebook wäre demgegenüber eine unwirtschaftliche Überversorgung und nicht erforderlich. Könne der Student den gesamten Vorlesungsinhalt aufnehmen, müsse der Lehrstoff nicht gleichzeitig handschriftlich in einen Rechner eingegeben werden. Ein synchrones Bedienen beider Geräte sei ohnehin nicht möglich.

Gegen dieses ihm am 08.06.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.06.1999 Berufung eingelegt. Er bringt vor, die Auffassung des Sozialgerichts, bei dem behinderungsgerecht ausgestatteten Notebook handele es sich um eine wirtschaftliche Überversorgung, sei nicht zutreffend. Die Fähigkeit, auch außerhalb der eigenen Wohnung schreiben zu können, gehöre nach seiner Auffassung zu den universellen Grundbedürfnissen und begründe einen Anspruch des Versicherten auf eine mobile Lösung zur Wiederherstellung seiner Schreibfähigkeit. Diese könne nur durch ein speziell ausgestattetes Notebook erreicht werden. Bei vielen Gelegenheiten sei ein lautes Diktieren keine praktikabele Methode der Aufzeichnung. Vorlesungen seien insoweit nur ein Beispielsfall. Die Notwendigkeit der Anschaffung eines zusätzlichen Notebooks neben der häuslichen Konfiguration sei behinderungsbedingt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.04.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für die Beschaffung eines Notebooks weitere 17.153,09 DM nebst Zinsen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat gegen das ihr am 09.06.1999 zugestellte Urteil am 08.07.1999 zunächst Berufung eingelegt, die sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.03.2000 zurückgenommen hat. Sie macht geltend, bei den beantragten Geräten handele es sich nicht um Hilfen, die unmittelbar dem Ausgleich der Behinderung dienten. Sie würden vielmehr ausschließlich eingesetzt, um dem Beigeladenen sein Hochschulstudium zu ermöglichen. Auch wenn der schwerstbehinderte Versicherte eine optimale Aus- und Fortbildung benötige, um auf dem Arbeitsmarkt überhaupt die Möglichkeit zu bekommen, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, fielen diese Belange in den Bereich der beruflichen Rehabilitation bzw. der sozialen Eingliederung von Behinderten, für die der Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung ausnahmslos nicht zuständig sei.

Der Beigeladene beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Auffassung des Klägers für zutreffend. Schriftsätzlich hat er weiter vorgetragen, ihm stehe zu Hause eine Kommunikationshilfe zur Verfügung, die es ihm ermögliche, schriftliche Texte über einen Heim-Computer einzulesen und über eine Sprachausgabe bzw. ein Großschriftprogramm akustisch bzw. visuell wahrnehmbar zu machen. Seinem Grundbedürfnis auf Kommunikation und Informationsbeschaffung sei somit nur beschränkt auf den räumlichen Bereich seiner Wohnung Rechnung getragen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei zur Kompensation seiner Behinderung sowohl ein Notebook als auch das Diktiergerät erforderlich. Ein Mitschneiden der Vorlesung mit Hilfe eines Diktiergeräts mit Konferenzschaltung sei nur möglich, soweit er sich im Hörsaal in der Nähe des Vortragenden aufhalte. Ein Mittippen in das Notebook sei ihm dann unmöglich, wenn aufgrund seiner körperlichen Tagesform die Spastik in den Händen so stark sei, dass er mit der Vortragsgeschwindigkeit des Dozenten nicht mehr mithalten oder vorübergehend überhaupt nicht tippen könne. Handschriftliche Aufzeichnungen könne er durch seine Behinderung nicht anfertigen. Notebook und Diktiergerät würden von ihm deshalb nicht nur in einem begrenzten Lebensbereich und schon gar nicht ausschließlich in der Berufsausbildung verwendet, sondern generell zur Kompensation seiner Einschränkung beim Anfertigen schriftlicher Aufzeichnungen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er weiter erklärt, er benötige das Notebook auch für Arztbesuche und Behördengänge und bei Vorträgen, also in Situationen, in denen er etwas mitschreiben oder aufzeichnen wolle oder vorher schriftlich Fixiertes reproduzieren wolle. Das Notebook diene ihm insofern auch als Gedächtnisstütze. Er meine deshalb im Gegensatz zum klagenden Landschaftsverband, ein Notebook sei für ihn zur Teilnahme am allgemeinen Leben unverzichtbar und das Studium stehe insofern nicht im Vordergrund.

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung eines weiteren Betrages von DM 17.153,09 für die Beschaffung eines Notebooks einschließlich Ausstattung für den Beigeladenen. Die Beklagte hat diesen Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X zu Recht abgelehnt, denn der Beigeladene hat gegen die Beklagte keinen den Erstattungsanspruch des Klägers erst begründenden Anspruch auf Ausstattung mit einem Notebook.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung-(SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

Unabhängig davon, ob es sich bei dem Notebook von vornherein um eine Spezialanfertigung für Behinderte oder die nachträgliche Umrüstung eines serienmässigen Notebooks handelt, scheitert der Anspruch des Beigeladenen an der fehlenden Erforderlichkeit. Das Notebook bzw. dessen behindertengerechte Ausstattung sind weder erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern noch "um seine (hier: des Beigeladenen) Behinderung auszugleichen". In Betracht zu ziehen ist vorliegend nur der letztgenannte Zweck, wonach nicht nur die Behinderung selbst, sondern auch sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen sind. Diese in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch das Gesundheitsreform-Gesetz (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl. I 4277) eingeführte Zweckbestimmung entspricht im Wesentlichen der vorausgegangenen Regelung des § 182 b Reichsversicherungsordnung (RVO). Bereits zu der Vorgängervorschrift des § 182 b RVO hatte das Bundessozialgericht (BSG) entschieden (BSGE 45, 133 = SozR 2200 § 182 b Nr. 4), dass der vom Gesetzgeber angestrebte Leistungsumfang nicht aus dem (zu weiten) Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift abgelesen, sondern nur unter Berücksichtigung seiner Einbettung in das Gesamtsystem der sozialen Sicherheit bestimmt werden kann. Aufgabe der Gesetzlichen Krankenversicherung ist auch nach dem GRG allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, die auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Mit der beruflichen Rehabilitation sind die gesetzliche Renten- und Unfallversicherung, die Arbeitsförderung, die soziale Entschädigung und die Sozialhilfe (Eingliederungshilfe) nach dem Bundessozialhilfegesetz beauftragt, wobei letztere auch die soziale Rehabilitation Behinderter zu verwirklichen hat (so ausdrücklich mit weiteren Zitaten BSG, Urteil vom 16.09.1999 - B 3 KR 9/98 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; derzeit: Die Sozialgerichtsbarkeit - SGb - 1999, 696). Die Rechtsprechung zu § 182b RVO und § 33 SGB V hat dies so konkretisiert, dass bei einem unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Organfunktion selbst gerichteten Hilfsmittel, insbesondere einem künstlichen Körperglied, ohne weiteres anzunehmen ist, dass eine medizinische Rehabilitation vorliegt. Hingegen werden nur mittelbar oder nur teilweise die Organfunktion ersetzende Mittel lediglich dann als Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderungen nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben (allgemein) beseitigen oder mildern und damit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betreffen (ständige Rechtsprechung, so etwa BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29, BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 27, BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 5 jeweils m.w.N.).

Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu derartigen Grundbedürfnissen die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auch die Aufnahme von Information, die Kommunikation mit Anderen sowie das Erlernen einen lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfassen (siehe BSG vom 16.09.1999 a.a.O. m.w.N.). Aufgabe der Gesetzlichen Krankenversicherung ist es, den durch seine Krankheit oder Behinderung beeinträchtigten Menschen die eigenständige und unabhängige Erfüllung seiner vitalen Lebensbedürfnisse zu ermöglichen (BSG, Urt. vom 06.08.1998 - B 3 KR 3/97 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 29 m.w.N.).

Zur Überzeugung des Senats bestehen schon erhebliche Zweifel, ob die Versorgung des Beigeladenen mit einem (behindertengerechten) Notebook nach Maßgabe vorstehender Grundsätze der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens dient. Sie erscheint aber jedenfalls - gemessen am Maßstab des Wirtschaftlichen und Notwendigen - nicht als unerlässlich.

Die hier streitige Versorgung mit einem Notebook betrifft im Wesentlichen nicht das Informationsbedürfnis des Klägers, wie es vom BSG etwa in seinem Urteil vom 16.04.1998 - B 3 KR 6/97 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 26 verstanden wird. Dort hat das BSG ausgeführt, das Grundbedürfnis auf Information stehe in einem engen Zusammenhang mit dem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben einschließlich der Schaffung eines eigenen geistigen Freiraums und der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Die Information sei für die Persönlichkeitsentfaltung und Allgemeinbildung von elementarer Bedeutung. Vorliegend geht es den Beigeladenen aber nicht um die Deckung eines derartigen (allgemeinen) Informationsbedarfs. Er verfügt zudem bereits über ausreichende Informationsmöglichkeiten durch das ihm von der Beklagten beschaffte Lese- und Texterkennungsgerät: er hat damit nämlich die Möglichkeit, gedruckte Texte zu lesen und sich schriftlich Informationen zu verschaffen, und zwar sowohl im persönlichen Lebensbereich als auch in beruflicher Hinsicht oder bei ehrenamtlicher Betätigung.

Dem Beigeladenen geht es nach seinem Vorbringen aber vielmehr um die Aufzeichnung/Konservierung und Reproduktion von Gehörtem und Gedachtem. Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung anschaulich dargestellt, dass es ihm aus Gründen seiner Behinderung verwehrt ist, Mitschriften und Notizen als Gedankenstütze zu fertigen. Als Beispiel hat er insofern angeführt, er müsse etwa im Zusammenhang mit Arztbesuchen und Behördengängen Hergänge dokumentieren, Informationen aufzeichnen und vorformulierte Fragen festhalten. Ferner diene ihm das Notebook zur Terminplanung. Dieses Bedürfnis ist nach Auffassung des Senats weniger als Informationsbedürfnis denn als das Bedürfnis mobilen schriftlichen Fixierens von Gedankeninhalten zu kennzeichnen. Der Senat läßt es dahingestellt, ob damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens im Sinne der Rechtsprechung des BSG betroffen ist. Denn der Kläger ist durch die Versorgung mit einem Diktiergerät einschließlich Konferenzmikrophon in der Lage, auch dieses Bedürfnis hinreichend abzudecken. Der Beigeladene ist offensichtlich trotz seiner Behinderung ständig in der Lage, das Mikrophon selbst zu bedienen. Soweit er durch nicht vorhersehbare Spasmen daran gehindert sein sollte, kann er die einfachen Bedienungsschritte darüber hinaus dem ihn begleitenden Zivildienstleistenden aufgeben. Demgegenüber ist er nach seinen schriftlichen Ausführungen ohnehin zeitweise - aufgrund spontan einschießender Spasmen - nicht in der Lage, die Tastatur des Notebooks zu bedienen. Sein Bedürfnis nach Konservierung und Reproduktion gehörter Inhalte wird deshalb durch die Ausrüstung mit einem Diktiergerät mit Mikrophon vollständig und ausreichend gedeckt. Ein Basisausgleich für die behinderungsbedingte entfallene Funktion des Mitschreibens und Anfertigens von Notizen ist somit vorhanden.

Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats auch nicht unter Berücksichtigung des vom Kläger in den Vordergrund seiner Argumentation gehobenen Aspekts der Berufsausbildung. Der Senat hat zwar schon entschieden, dass auch eine weitere Ausbildung nach Abschluß der Schulausbildung den Grundbedürfnissen des Behinderten zuzuordnen ist. Denn eine Schulausbildung beendet noch nicht das (Grund-)Bedürfnis eines jeden Menschen, in einem Beruf durch eigene Erwerbstätigkeit für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen (Urteil vom 29.09.1994 - L 16 Kr 87/93 - LSG NRW). Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat in seinem Urteil vom 08.03.1990 - 3 RK 13/89 - (Urteilssammlung der Krankenkassen - USK - 9056) ausdrücklich offengelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen Hilfsmittel, die auch und sogar überwiegend im beruflichen Bereich gebraucht werden, von den Krankenkassen zu gewähren sind. Er hat sich aber dahingehend festgelegt, dass eine Leistungspflicht der Krankenkassen jedenfalls voraussetzen würde, dass das Mittel nicht nur für den Beruf, sondern auch für andere Bereiche und dabei zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse erforderlich ist. Auch der erkennende Senat vertritt die Auffassung, dass es ein elementares Grundbedürfnis des Menschen ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben oder die hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu erwerben. Vorliegend kann jedoch bezüglich der Notwendigkeit des Einsatzes eines Notebooks im Bereich der Ausbildung des Beigeladenen nichts anderes gelten als in den übrigen Lebensbereichen. Die Versorgung des Beigeladenen mit einem Notebook ist im Hinblick auf die schon vorhandene Ausstattung zur Befriedigung seiner elementaren Grundbedürfnisse nicht erforderlich. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Verwendung eines derartigen Notebooks für den Beigeladenen, wie für jeden anderen Studenten, ein sinnvoll einsetzbares und überaus komfortables Arbeitsmittel darstellt. Die Verwendung eines Laptops ist aber weder generell noch für den Beigeladenen notwendige Voraussetzung, um ein Studium zu absolvieren.

Dies gilt erst recht für das Jurastudium, bei dem der prüfungsrelevante Stoff nicht nur durch Vorlesungen vermittelt wird, sondern in Form von Rechtsprechung, Kommentar- und Fachliteratur in Schriftform vorhanden und für den Beigeladenen aufgrund seiner häuslichen Ausstattung auch verfügbar ist.

Das vom Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zusätzlich dargelegte Bedürfnis, mittels eines mobilen Gerätes für andere (etwa Familienangehörige und Zivildienstleistende) nicht zugängliche Informationen aufzuzeichnen, fällt nach Auffassung des Senats nicht zu den elementaren Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Ein derartiger, wenn gleich verständlicher, Diskretionswunsch betrifft, unabhängig davon, ob er sich nicht auch anderweitig realisieren läßt, jedenfalls nicht den Basisausgleich der Behinderung.

Mangels eines Anspruchs des Beigeladenen gegen die Beklagte ist diese dem Kläger gegenüber auch nicht erstattungspflichtig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 104 SGB X sind somit nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, weil der Senat der hier zugrundeliegenden Rechtsfrage, ob ein behindertengerechtes Notebook zu den Hilfsmitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung zu rechnen ist, grundsätzliche Bedeutung beimißt, § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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