L 11 KR 1392/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1705/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1392/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 240 Abs. 4 S. 2 SGB V, wonach für hauptberuflich selbständige Erwerbstätige als Untergrenze für die Beitragsbemessung der 40. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze gilt und nicht unterschritten werden darf, ist verfassungsgemäß.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. März 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Beitragshöhe streitig.

Die Klägerin ist seit 1. November 1996 Mitglied der Beklagten und gehört seit 1. Januar 1998 als selbständige Rechtsanwältin zum Personenkreis der selbständig Erwerbstätigen. Aufgrund des von ihr vorgelegten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2000 und der danach erzielten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 35.890,- DM wurde sie mit Bescheid vom 13. Februar 2002 mit Wirkung ab 01.01.2002 in die Versicherungsklasse F 11 unter Berücksichtigung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage eingestuft.

Am 1. Oktober 2002 beantragte sie unter Hinweis auf die Geburt ihres Sohnes eine Beitragsreduzierung bzw. die Prüfung, ob auch für freiwillig Versicherte die Möglichkeit der beitragsfreien Versicherung während des Bezuges von Erziehungsgeld bestehe. Zur Begründung führte sie aus, dass sie aufgrund der Kinderbetreuung nur noch mit eingeschränktem Deputat mit ca. 10 Wochenstunden arbeiten könne, welches bereits zur Reduzierung ihrer Einkünfte geführt habe. Deswegen habe auch das Finanzamt ihre Einkommensteuervorauszahlungen auf 0 reduziert.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 lehnte die Beklagte die Anträge mit der Begründung ab, eine beitragsfreie Versicherung für freiwillig Versicherte könne nicht erfolgen, denn dies werde vom Gesetz nicht vorgesehen. Nur bei Krankenversicherungspflichtigen sehe das SGB V den Fortbestand der Mitgliedschaft vor.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin nur noch geltend, dass sie an ihrem Antrag auf Beitragsreduzierung, jedoch nicht auf 0, festhalte. Denn § 240 Abs. 4 SGB V müsse verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass bei Erziehung eines Kindes, die zur Reduzierung der selbständigen Tätigkeit der Eltern führe, die Möglichkeit einer niedrigeren freiwilligen Beitragseinstufung vorgesehen werden müsse. Ansonsten würden auch freiwillig Versicherte gegenüber pflichtversicherten Versicherungsnehmern benachteiligt werden. Auf Nachfrage teilte sie ergänzend mit, dass sie keine Arbeitnehmer beschäftige, ca. 10 Stunden wöchentlich für die selbständige Tätigkeit aufwende, das aus dieser Tätigkeit erzielte Einkommen ihre Haupteinnahmequelle zum Lebensunterhalt wäre und sie aktuell monatlich 1.000,- EUR einnehme. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Inanspruchnahme von Elternzeit habe nach Maßgabe des § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ausschließlich bei Krankenversicherungspflichtigen den Fortbestand der Mitgliedschaft zur Folge. Eine Beitragsfreiheit für freiwillig versicherte Mitglieder sehe das Gesetz hingegen nicht vor. Die Klägerin übe auch nicht eine geringfügige selbständige Tätigkeit aus, da sie die Einkommensgrenze von 400,- EUR (§ 8 Abs. 1 SGB IV) überschreite. Demnach liege auch nach der Verminderung der Arbeitszeit eine hauptberuflich selbständige Tätigkeit vor. Beiträge seien daher weiterhin nach der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für Selbständige zu entrichten, wobei sicherzustellen sei, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Bei freiwilligen Mitgliedern, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig seien, müsse nach § 240 Abs. 4 SGB V mindestens der 40ste Teil der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahmen herangezogen werden. Für eine Reduzierung des Beitrags mangle es daher an einer gesetzlichen Grundlage.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin ergänzend geltend, dass bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge die Möglichkeit der Beitragsreduzierung bestehen müsse, denn andernfalls könne ein selbständig Tätiger entweder nur seine Kinder von Anfang an fremd betreuen oder müsse seine Erwerbstätigkeit aufgeben. Auch sei kein Grund ersichtlich, die Versicherungsbeiträge bei freiwillig und pflichtversicherten Mitgliedern nach unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen zu erheben.

Mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2004, der Klägerin zum Zwecke der Zustellung mit Übergabe-Einschreiben zur Post aufgegeben am 8. März 2004, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin sei, wenn auch in geringerem Umfang als zuvor, als Rechtsanwältin hauptberuflich selbständig erwerbstätig, so dass mindestens der 40ste Teil der monatlichen Bezugsgröße als kalendertägliche beitragspflichtige Einnahme bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen sei. Dem stünden auch nicht Art. 3 Abs. 2 und Art. 6 Grundgesetz (GG) entgegen, denn bei Pflichtversicherten würden zum einen Beiträge immer nur aus dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt berechnet werden. Zum anderen beruhe die Beitragsberechnung für freiwillige hauptberuflich selbständige Mitglieder auf anderen Grundsätzen und anderen Bemessungsgrundlagen, was auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) grundsätzlich für zulässig erachte. Selbständig Erwerbstätige könnten aus vielerlei Gründen nur sehr geringfügige Einnahme erzielen, dennoch gelte in allen Fällen die untere Beitragsbemessungsgrenze des § 240 Abs. 4 Satz 2 zweite Alternative SGB V. Denn auch bei solchen Versicherten, die gesundheitsbedingt oder aufgrund ihres hohen Alters nur noch geringfügige Einnahmen hätten, sei kein Absehen von der Mindestbeitragsregelung möglich. § 224 Abs. 1 SGB V, wonach ein Mitglied für die Dauer des Bezugs von Erziehungsgeld beitragsfrei sei, regele nur die Beitragsfreiheit für den Bezug von Erziehungsgeld, nicht etwa aufgrund beitragspflichtigen Arbeitsentgelts oder bei freiwillig versicherten Mitgliedern auf Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit.

Hiergegen richtet sich die am 6. April 2004 eingelegte Berufung, mit der die Klägerin ergänzend geltend macht, dass die Regelung des § 240 Abs. 4 SGB V die Ausübung des Elternrechts Selbständiger, aber auch die freie Berufsausübung im Vergleich zu pflichtversicherten Mitgliedern angesichts der unterschiedlichen Beitragsbemessungen unzumutbar erschwere, wenn nicht gar vereitele. Für die unterschiedlichen Beitragsbemessungen sei sachlich kein Grund erkennbar, so dass es auch nicht darauf ankomme, ob auch aus anderen Gründen nur sehr geringfügige Einkommen von Selbständigen erzielt werden könnten. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit sei die Betreuung der Kinder, die durch staatliche Transferleistungen wie Erziehungsgeld gefördert werde. Dieser Schutz und die Förderung würden durch die Festsetzung eines Mindestbeitrages in der gesetzlichen Krankenversicherung konterkariert.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. März 2004 und den Bescheid vom 30. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den von der ihr zu entrichtenden Krankenversicherungsbeitrag seit 01.08.2002 auf 152,- EUR, seit 01.07.2003 auf 290,- EUR und ab 01.10.2003 auf 234,53 EUR zu reduzieren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG, da die Klägerin eine Beitragsreduzierung für über ein Jahr begehrt.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Beitragsberechnung der Beklagten ab 01.08.2002 nach § 240 Abs. 4 SGB V nicht zu beanstanden ist und verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift nicht bestehen.

Der Senat teilt in vollem Umfang die in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids dargestellte Rechtsauffassung des SG und nimmt hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug.

Ausgehend vom § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V besteht nämlich keine gesetzliche Grundlage für die von der Klägerin beantragte Beitragsreduzierung. Denn diese Vorschrift sieht für hauptberuflich selbständige Erwerbstätige - wie die Klägerin - (§ 5 Abs. 5 SGB V) vor, dass die Untergrenze, d.h. der 40ste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223) gilt und nicht unterschritten werden darf.

Diese Regelung verstößt, auch wenn sie im Ergebnis zu einem Anstieg der Mindestbeiträge auf mehr als das Doppelte geführt hat (so selbst die Gesetzesbegründung Drucks. 200/88 = BT-Drucks. 11/2237 S. 225), nicht zur Verfassungswidrigkeit dieser gesetzlichen Regelung (vgl. zum folgenden BSG SozR 3-2500 § 240 Nr. 6). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt, auch wenn die Mindestbeiträge freiwillig Versicherter in der Regel höher sind als die mancher Pflichtversicherter, nicht vor. Denn eine ungleiche Behandlung mehrerer Gruppen von Normadressaten ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nur dann unvereinbar, wenn zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung nicht rechtfertigen können; ungleiche Behandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 82, 126, 146 m.w.N.). Das ist hier der Fall, denn die freiwilligen Mitglieder sind grundsätzlich geringer schutzbedürftig als die Pflichtversicherten, so dass deren Krankenversicherung von den Pflichtversicherten möglichst nicht mitfinanziert werden soll. Diesem vorzubeugen ist die Festsetzung der Mindestbeiträge geeignet. Freiwillige Mitglieder können auch anders als Pflichtversicherte jederzeit mit einer kurzen Kündigungsfrist aus der gesetzlichen Krankenversicherung austreten (§ 191 Nr. 4 SGB V). Wer trotz des Austrittsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt, kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Mindestbeiträge seien unangemessen hoch. Das gilt auch, wenn der Wechsel zur privaten Versicherung wegen etwaiger Risikoausschlüsse oder -zuschläge ausgeschlossen und unwirtschaftlich gewesen sein sollte.

Die Verfassung gebietet es auch nicht, dass aufgrund Art. 6 Abs. 1 GG für freiwillig versicherte Eltern, die aufgrund der Kinderbetreuung nur noch eingeschränkt einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, eine Beitragsbemessung unterhalb der Mindestbeitragsgrenze vorzunehmen ist. Zwar enthält Art. 6 Abs. 1 GG eine Pflicht zum besonderen Schutz von Ehe und Familie, begründet jedoch keine konkreten Ansprüche auf eine bestimmte Ausgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG, Urteil vom 16.12.2003 - B 1 KR 12/02 R; BVerfG vom 12.02.2003 - 1 BvR 624/01 - SozR 4-2500 § 10 Nr. 1 RdNr. 28). Denn der Verpflichtung zur Förderung der Familie wird der Gesetzgeber im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung allein schon dadurch gerecht, dass er Kindern den beitragsfreien Krankenversicherungsschutz der Familienversicherung nach § 10 SGB V gewährt (so auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr. 36), was ja auch für das Kind der Klägerin gilt. Hierdurch wird die Familie erheblich entlastet, so dass die Beklagte zu einer weitergehenden krankenversicherungsrechtlichen Entlastung Versicherter wegen Aufwendung für Kinder nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist.

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Oberen Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abgewichen wird.
Rechtskraft
Aus
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