L 16 KR 211/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 39/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 211/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23. Juli 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers als selbständiger Künstler in der Künstlersozialversicherung (KSV).

Der Kläger absolvierte vom 01.10.1987 bis 31.03.1994 ein Studium an der Kunstakademie D ... und war Meisterschüler bei Prof. R ... Im August 1994 beantragte er bei der beklagten Künstler sozialkasse (KSK) die Feststellung seiner Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Zum Nachweis der Ausübung seiner künstlerischen Tätigkeit übersandte er Material bezüglich seiner letzten beiden Ausstellungen und gab an, dass er seine selbständige künstlerische Tätigkeit, neben der er keine weitere abhängige oder selbständige Tätigkeit ausübe, am 08.04.1994 aufgenommen habe. Sein Einkommen aus der künstlerischen Tätigkeit schätze er für das laufende Jahr mit 5.000,-- DM ein. Auf die Anforderung der Beklagten, aktuelles Material zum Nachweis der künstlerischen Tätigkeit vorzulegen, übersandte der Kläger 24 Zeichnungen ohne Signierung und Datierung und erklärte, kein weiteres neues Dokumentationsmaterial zur Verfügung stellen zu können, zumal er hauptsächlich am Computer arbeite. Ergänzend teilte er im Januar 1995 mit, er habe bereits seit 1984 als Schüler durch Portraitmalen und ähnliche Auftragsarbeiten Geld verdient. Sein voraussichtliches Arbeitseinkommen könne er derzeit nur mit 0,00 DM beziffern, da seine Investitionen und Kosten die voraussichtlichen Einnahmen übersteigen würden. Er legte des weiteren zwei Fotografien von Kunstobjekten vor, wobei es sich um künstlerische Arbeiten neueren Datums handele.

Mit Bescheid vom 28.02.1995 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger in der Rentenversicherung der Angestellten und in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei sei, weil er in folge der Aufnahme der selbständigen künstlerischen Tätigkeit bereits im Jahre 1984 nicht mehr zu den Berufsanfängern zähle und das Einkommen aus der künstlerischen/publizistischen Tätigkeit die sozialversicherungsrechtliche Geringfügigkeitsgrenze nicht über steige, so dass Versicherungsfreiheit bestehe.

Der Kläger legte am 27.03.1995 Widerspruch ein und machte geltend, erst mit der Beendigung seines Studiums sei von einer selbständigen erwerbsmäßigen künstlerischen Tätigkeit auszugehen. Während seines Studiums habe er höchstens 10 bis 15 Stunden für den Verkauf bzw. die Erstellung von Bildern aufgebracht, so dass diese Tätigkeit nicht als berufsmäßig anzusehen sei.

Nach erfolgloser Anforderung weiterer Nachweise der vom Kläger ausgeübten künstlerischen Tätigkeit stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.12.1995 fest, dass der Beginn der selbständigen künstlerischen Tätigkeit auf den 01.04.1994 zu verlegen sei und wies im übrigen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.1996 zurück, weil die bisher eingereichten Unterlagen für die Feststellung der Versicherungspflicht nicht ausreichten und daher konkrete Anhaltspunkte für eine selbständige künstlerische Tätigkeit nicht vorlägen.

Der Kläger hat am 25.04.1996 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, dass er als Berufsanfänger zunächst kein Einkommen erzielen könne, das zur Existenzsicherung ausreiche. Die von ihm vorgelegten Arbeiten könnten aber keine Zweifel an der Erwerbsmäßigkeit seiner künstlerischen Tätigkeit lassen.

Zum Nachweis seiner Tätigkeiten hat er die Kopie des Umschlagentwurfs eines Buches mit dem Titel "Planet der Alten" sowie die Korrespondenz mit dem S ... Verlag, dem W ... H ... Verlag M ... und dem Verlagshaus B ... L ... Taschenbücher über die Ablehnung der Veröffentlichung eines entsprechenden Manuskripts sowie Bescheinigungen der Galerie M ... C ... vom 02.02.1997, des Galeristen M ... B ... vom 18.04.1997 und der Landeshauptstadt D ... über seinen Besitz der Künstlerkarte des Kulturamtes der Stadt D ... vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Schreiben Bezug genommen.

Das SG hat eine Auskunft des Finanzamts D ...-A ... vom 13.02.1997 eingeholt, auf die ebenfalls verwiesen wird. Der Kläger hat die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 vorgelegt, wonach die Einkünfte aus selbständiger Arbeit 0 DM betragen haben.

Mit Urteil vom 23.07.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 16.09.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.09.1999 Berufung eingelegt. Er behauptet, er habe sich seit Beendigung seines Kunststudiums ausschließlich erwerbsmäßig künstlerisch betätigt und dies stets in der Absicht, Gewinn zu erzielen. Sein schriftstellerisches Projekt habe er in den letzten zwei Jahren verstärkt verfolgt, zu einer Veröffentlichung des Romans "Planet der Alten" sei es aber nicht gekommen. In diesem Zusammenhang hat er einen Schriftverkehr mit dem H ... Verlag und dem S ... Verlag aus den Jahren 1998/1999 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des SG Düsseldorf vom 23. Juli 1999 den Bescheid der Beklagten vom 28.02.1995 aufzuheben und den Teilabhilfebescheid vom 21.12.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.03.1996 abzuändern und festzustellen, dass er nach § 1 KSVG in der Rentenversicherung der Angestellten und der gesetzlichen Krankenversicherung seit dem 29.08.1994 und ab dem 01.01.1995 in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und ist weiterhin der Auffassung, dass eine erwerbsmäßige künstlerische Tätigkeit bisher nicht nachgewiesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Der Senat hat nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten von der Möglichkeit des § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gebrauch gemacht, da die Berufsrichter des Senats einstimmig der Auffassung sind, dass die Berufung unbegründet ist und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint.

Die Entscheidung des Senats konnte ohne Beiladung der Barmer Ersatzkasse erfolgen, bei der der Kläger bislang krankenversichert ist, da letztere keinen förmlichen Bescheid über die Versicherungspflicht des Klägers erlassen hat (BSG SozR 3-5425 § 1 Nr. 5 S. 20).

Die Berufung ist unbegründet, weil das SG zu Recht die Feststellung abgelehnt hat, dass der Kläger der KSV unterliegt.

Nach § 1 Nr. 1 KSVG in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.1988 (BGBl I S. 2606), geändert durch Gesetz vom 26.05.1994 (BGBl I S. 1014) - Erweiterung auf die soziale Pflegeversicherung -, werden selbständige Künstler und Publizisten in der Rentenversicherung der Angestellten, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben. Der Kläger ist zwar Absolvent der Kunstakademie und behauptet, seit Abschluss seines Kunststudiums als selbständiger Künstler tätig zu sein, es läßt sich aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass er seine behauptete künstlerische Tätigkeit in dem hier maßgeblichen Zeitraum erwerbsmäßig ausübt. Wie sich aus den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1995/1996 ergibt, hat der Kläger in diesem Zeitraum keinerlei Einkünfte aus seiner Tätigkeit erzielt. Für die folgenden Jahre ist bis zur Entscheidung des erkennenden Senats kein Erwerbseinkommen belegt. Infolge dieses Umstandes ist der Kläger jedenfalls seit April 1999 nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG versicherungsfrei. Dies gilt nach diesem Gesetz für denjenigen, der in dem Kalenderjahr aus selbständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt, das 1/7 der Bezugsgrösse nach § 18 SGB IV, bei höherem Arbeitseinkommen 1/6 des Gesamteinkommens nicht übersteigt. Wird die selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit nur während eines Teils des Kalenderjahres ausgeübt, sind die in Satz 1 genannten Grenzen entsprechend herabzusetzen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KSVG). Diese Einkommensgrenzen sind bei dem Kläger unterschritten, da er seit April 1999 überhaupt kein Erwerbseinkommen nachgewiesen hat.

Diese Vorschrift gilt allerdings nicht bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit (§ 3 Abs. 2 KSVG). Dieser Zeitraum ist nach den Angaben des Klägers unter Beachtung der von ihm vorgelegten Exmatrikulations-Bescheinigung der Kunstakademie D ... vom 08.04.994 auf die Zeit vom 01.04.1994 bis 31.03.1999 zu datieren, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Jedoch hat der Gesetzgeber insoweit nur von dem Nachweis eines Erwerbseinkommens abgesehen, weil "Berufsanfänger während der oft schwierigen Anlaufzeit besonders schutzbedürftig sind" (BT-Drucks. 9/26 S. 18), die erwerbsmäßige Ausübung der künstlerische Tätigkeit bleibt aber auch in dieser Zeit notwendige Tatbestandsvoraussetzung nach § 1 Nr. 1 KSVG, um die Versicherungspflicht in der KSV zu begründen. Daraus folgt, dass die künstlerische Tätigkeit in einem so nennenswerten Umfang während zumindest eines Teils des Jahres ausgeübt werden muss, dass die Erzielung eines Erwerbseinkommens möglich erscheint. Dies läßt sich jedoch bei dem Kläger nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.

Die von dem Kläger der Beklagten vorgelegten bzw. durch Fotografien nachgewiesenen Werke der bildenden Kunst lassen keinen ausreichenden Schluss darauf zu, dass sie überhaupt in der hier relevanten Zeit zwischen April 1994 und 1999 erstellt worden sind oder auch nur die Arbeitskraft des Klägers in nennenswertem, erwerbsorientiertem Umfang gebunden haben. Die der Beklagten im Widerspruchsverfahren eingereichten 24 Grafiken sind nicht datiert gewesen und daher möglicherweise bereits zum Zeitpunkt des Kunststudiums des Klägers entworfen bzw. geschaffen worden, da der Kläger nur angegeben hat, sie seien 1994 entstanden. Nichts anderes gilt hinsichtlich der beiden durch Fotografien belegten Objekte, zumal der Kläger keinerlei Nachweise über den Zeitpunkt der Beschaffung der Arbeitsmaterialien für diese Werke vorgelegt hat. An dieser Beurteilung ändern auch die vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Bescheinigungen der Galeristen C ... vom 02.02.1997 sowie B ... vom 18.04.1997 und des Oberstadtdirektors D ... - Abteilung Künstlerförderung, K ... R ... - vom 30.04.1997 nichts. Ersterer hat den Erhalt dreier Computergrafiken zum Kommissionsverkauf bestätigt, ohne dass sich hieraus Hinweise auf deren Entstehungszeitpunkt und den damit verbundenen Arbeitsaufwand des Klägers ergeben. Der Galerist B ... hat lediglich seinen Atelier-Besuch beim Kläger und seine Erwartung beschrieben, dass der Kläger in Zukunft mit seinen Werken auch in der Öffentlichkeit auftreten werde. Letztere Erwartung hat sich offensichtlich nicht erfüllt, da der Kläger über weitere Ausstellungen und Verkäufe keine Angaben gemacht hat bzw. machen konnte. Wann die dabei vorgeführten Arbeiten entstanden sind, ist ebenso wenig ersichtlich, zumal der Kläger auch insoweit keinerlei Nachweise über die Beschaffung der Arbeitsmaterialien beigebracht hat. Dass der Kläger schließlich im Besitz der Künstlerkarte des Kulturamtes der Stadt D ... ist, besagt ebenso wenig über seine künstlerische Tätigkeit nach Abschluss des Kunststudiums, weil diese Karte entsprechend der vorgelegten Bescheinigung des Kulturamtes den Absolventen der Kunstakademie ausgestellt wird, wozu der Kläger unstreitig zählt, nicht aber von dem Nachweis weiteren künstlerischen Schaffens in entsprechendem Umfang abhängig ist. Ein solcher Nachweis hätte dem Kläger entgegen seinen Angaben auch ohne weiteres möglich sein müssen, da er nach letzterer Bescheinigung für die Umsetzung seines künstlerischen Konzepts auf den Einsatz eines Computers mit Drucker angewiesen ist, Rechnungen über entsprechen den Computerbedarf - z.B. Papier, Druckerkartonagen etc. - aber nicht vorgelegt worden sind. Schließlich sind auch die Kopie eines Umschlagsentwurfs zu dem Roman "Planet der Affen" und der in diesem Zusammenhang geführte Schriftverkehr mit dem H ... Verlag und dem S ... Verlag aus den Jahren 1998/99 sowie weitere Schreiben letzteren Verlages, des W ... H ... Verlags M ... und des Verlages B ... L ... Taschenbücher aus dem Jahre 1997, die der Kläger im Klage- und Berufungsverfahren zu den Akten gereicht hat, nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu begründen; denn auch insoweit fehlen wiederum Hinweise auf die Entstehungszeit und -dauer.

Einer Vermutung, dass der Kläger angesichts seines Status als Meisterschüler und Absolvent der Kunstakademie seine Erwerbstätigkeit nach Abschluss des Kunststudiums in nennenswertem Umfang im künstlerischen Bereich gesucht hat, steht entgegen, dass er zum einen im Fragebogen der Beklagten zur Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG im August 1994 angegeben hat, als Student oder Praktikant krankenversichert zu sein. Des weiteren sind im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 Einkünfte von 20.000,-- DM aus Sprachunterricht aufgeführt, obwohl der Kläger behauptet, "im Rahmen normaler Arbeitszeit seine Arbeitskraft voll und ganz der künstlerischen Tätigkeit zur Verfügung zu stellen". Schließlich hat der Kläger Nachweise darüber verweigert, wovon er seinen Lebensunterhalt seit April 1994 bestritten hat, obwohl er selbst angibt, aus seiner künstlerischen Tätigkeit keine nennenswerten Einkünfte zu erzielen.

Angesichts der mangelnden Mitwirkung des Klägers, auf dessen Notwendigkeit der Senat ausdrücklich hingewiesen hat, sieht der Senat keine weiteren ausreichenden Erkenntnismöglichkeiten, um verlässliche Feststellungen über die Erwerbstätigkeit des Klägers zu treffen.

Die Berufung mußte daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung abgewiesen werden.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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