L 5 KR 39/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 111/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 39/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Widerspruchsbescheid vom 10.07.2002 wird in entsprechender Änderung des Urteils vom 28.01.2003 insoweit aufgehoben, als ein Widerspruch des Klägers gegen die Beitragssatzerhöhung als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen wird. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Beitragssatzerhöhung der Beklagten zum 01.01.2002.

Der 1929 geborene Kläger ist im Rahmen der KVdR Mitglied der Beklagten. Im Zuge des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 12.02.2002, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes nach § 243 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) abgelehnt hatte (siehe dazu das Urteil des Senats vom heutigen Tag L 5 KR 8/03) bezeichnete der Kläger in den Schreiben vom 21.04.2002 und 02.05.2002 die zum 01.01.2002 erfolgte Beitragssatzerhöhung auf 14,5 % als nichtig, da die Satzung nicht öffentlich bekannt gemacht worden sei. Als für die Betroffenen zugängliche Bekanntmachungsart komme nur eine Veröffentlichung in öffentlichen Tageszeitungen oder dem DAK-Magazin in Betracht. Da die Beitragssatzerhöhung erst im DAK-Magazin 2/02 mitgeteilt worden sei, habe sie nicht zum 01.01.2002 wirksam werden können. Mit Schreiben vom 16.05.2002 erläuterte die Beklagte insoweit den Ablauf der Beitragssatzerhöhung und wies darauf hin, die Beitragssatzerhöhung sei ordnungsgemäß entsprechend § 30 ihrer Satzung im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden.

Der Kläger hat daraufhin am 28.05.2002 Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die zum 01.01.2002 zu Unrecht erhöhten Beiträge rückgängig zu machen und die Beiträge ab dem 01.07.2002 nach dem bis dahin geltenden Beitragssatz von 13,8 % zu erheben. In der Sache hat er sich weiter darauf berufen, die Beitragssatzerhöhung sei wegen Nichtbeachtung der Veröffentlichungspflicht der Satzungsänderung nach § 34 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) unwirksam.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2002 hat die Beklagte zum einen den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des 13.03.2002 wegen der Nichtanwendung des ermäßigten Beitragssatzes zurückgewiesen, zugleich hat sie "den mit Schreiben vom 16.05.2002 erhobenen Widerspruch" gegen die Neufestsetzung des Beitragssatzes als unzulässig zurückgewiesen, da die Beitragssatzerhöhung keinen Verwaltungsakt darstelle.

Mit Urteil vom 28.01.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sie für zulässig gehalten, weil "nach Auslegung des vorangegangenen Schriftverkehrs, insbesondere des Schreibens der Beklagten vom 16.05.2002 und des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2002" das erforderliche Verwaltungs- und Vorverfahren durchgeführt worden sei. Die Beitragssatzerhöhung sei wirksam zustande gekommen, insbesondere sei sie ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, da nach § 34 Abs. 2 Satz 3 SGB IV die Art der Bekanntmachung durch die Satzung geregelt werde und die Beklagte demgemäß entsprechend ihrer Satzung die Änderung im Bundesanzeiger bekannt gemacht habe.

Im Berufungsverfahren macht der Kläger weiterhin geltend, die Veröffentlichung der Beitragssatzerhöhung im Bundesanzeiger sei keine für die Betroffenen zugängliche Bekanntmachungsart. Die Beklagte habe auch selbst eingeräumt, die Versicherten durch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger nicht erreicht zu haben. Ferner meint er, es sei von Gerichtsseite aus zu prüfen, ob bei den Beitragssatzerhöhungen die gesetzlichen Vorschriften tatsächlich beachtet worden seien.

Dem Vorbringen des Klägers ist der Antrag zu entnehmen,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.01.2003 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2002 zu verurteilen, die Beitragssatzerhöhung zum 01.01.2002 rückgängig zu machen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten sind mit Schreiben des Berichterstatters vom 26.05.2003 auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage hingewiesen worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Klage allerdings unzulässig. Als Gestaltungs-(Anfechtungs-) und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist sie unzulässig, da kein anfechtbarer Verwaltungsakt ergangen ist.

Die Beitragssatzerhöhung zum 01.01.2002 ist als 42. Nachtrag der Satzung durch Änderung des § 14 der Satzung erfolgt. Vorschriften der Satzung (§ 34 Abs. 1 SGB IV) sind objektive Rechtsnormen, sie können weder vom Mitglied noch von anderen Personen unmittelbar angefochten werden, zumal das sozialgerichtliche Verfahren eine objektive Normenkontrolle nicht kennt (vgl. Krausskopf-Baier, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 34 SGB IV RdNr. 6 m.w.N.). Auch das Schreiben der Beklagten vom 16.05.2002 ist kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklagte hat in diesem Schreiben nur den Ablauf des Verfahrens, das zur Beitragssatzerhöhung geführt hat, geschildert und dem Kläger die Veröffentlichung der Satzungsänderung erläutert. Das Schreiben enthält aber offenkundig keine auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete "Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme" im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X.

Die Klage ist auch nicht durch den Widerspruchsbescheid vom 10.07.2002 zulässig geworden. Dabei kann dahinstehen, ob es ausreichen würde, wenn ohne anfechtbaren Ausgangsbescheid der Widerspruchsausschuss (erstmals) in der Sache entscheidet (siehe insoweit BSG SozR 1500 § 54 Nr. 45). Die Beklagte hat nämlich den Widerspruch (wobei sich in der Verwaltungsakte ein Schreiben des Klägers mit dem angegeben Datum 16.05.2002 nicht befindet) als unzulässig zurückgewiesen, also keine Sachentscheidung getroffen. Dabei war die Entscheidung des Widerspruchsausschusses rechtswidrig, weil ein Widerspruch des Klägers gegen die Beitragssatzerhöhung nicht vorlag. Der Kläger hat in den Schreiben vom 21.04.2002 und 02.05.2002 lediglich die Beitragssatzerhöhung als nichtig bezeichnet und mit der Klage die "Rücknahme" der Erhöhung gefordert. Ein Widerspruch im Sinne des § 84 Abs. 1 SGG lag damit nicht vor, so dass der Senat wegen der mit dem Widerspruchsbescheid insoweit verbundenen formellen Beschwer zur Klarstellung den Widerspruchsbescheid vom 10.07.2002 in diesem Punkt aufgehoben hat.

Die Klage ist auch nicht als Feststellungsklage (§ 55 SGG) zulässig. Zwar fällt unter diese Vorschrift auch die Frage, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind (§ 55 Abs. 2 SGG). Jedoch ist wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Gestaltungs- und Leistungsklage die Feststellungsklage grundsätzlich nur zulässig, wenn ein konkreter Anlass für eine Klage vorliegt, was in der Regel die vorherige Durchführung eines Verwaltungsverfahrens erfordert (BSG SozR 2200 § 385 Nrn. 10, 14). Eine solche Sachprüfung der Beklagten fehlt hier. Wie oben dargelegt hat die Beklagte im Schreiben vom 16.05.2002 dem Kläger lediglich die Ordnungsgemäßheit der Beitragssatzerhöhung erläutert. Im Ergebnis zielt das Begehren des Klägers aber darauf, dass seine Beiträge ab dem 01.07.2002 (arg. § 247 Abs. 1 Satz 2 SGB V) nicht nach dem zum 01.01.2002 angehobenen Beitragssatz von 14,5 %, sondern nach dem bis dahin geltenden Beitragssatz von 13,8 % zu berechnen sind. Hierüber hätte die Beklagte verbindlich entscheiden müssen. Zwar setzt grundsätzlich die Beitragsabführung im Rahmen des § 255 Abs. 1 SGB V keinen Verwaltungsakt voraus; vielmehr führt der Rentenversicherungsträger nach dem von der Krankenkasse gemeldeten Beitragssatz (§ 247 Abs. 1 SGB V) die Beiträge ab. Entsteht aber Streit über die Höhe des Beitrages muss die Krankenkasse im Verhältnis zu den Zahlungspflichtigen (§ 249 a SGB V) die Beitragshöhe ggf. verbindlich regeln. Demgemäß hätte die Beklagte hier - unter Beteiligung der BfA - entscheiden müssen, dass ab 01.07.2002 die Beitragsabführung nach einem Beitragssatz von 14,5 % zu erfolgen habe. Im Rahmen der Anfechtung dieser Entscheidung hätte der Kläger dann die Feststellung beantragen können, dass ein Beitragssatz von 13,8 % anzuwenden sei, so dass insoweit implizit die Wirksamkeit der Beitragssatzerhöhung zu prüfen gewesen wäre.

Ein Ausnahmefall, in dem die Feststellungsklage auch ohne Verwaltungsverfahren zulässig wäre (siehe insoweit BSG SozR 2200 § 385 Nr. 10) liegt nicht vor. In dem vom BSG (a.a.O) entschiedenen Fall hatte zumindest der Widerspruchsausschuss inhaltlich entschieden. Hier ist noch nicht einmal ein solches "rudimentäres" Verwaltungsverfahren durchgeführt worden. Vor allem hat der Kläger, nachdem er erstmals mit Schreiben vom 21.04. und 02.05.2002 die Wirksamkeit der Beitragssatzerhöhung angezweifelt hatte, schon auf das Erläuterungsschreiben vom 16.05.2002 am 28.05.2002 Klage erhoben, ohne also der Beklagten überhaupt die Gelegenheit zur Durchführung des erforderlichen Verwaltungsverfahrens zu geben. Der Fehler der Beklagten, einen Widerspruch gegen die Beitragssatzerhöhung zu bescheiden, war auch nicht ursächlich für die Erhebung der unzulässigen Klage, so dass der Kläger nicht damit gehört werden kann, sein Rechtsschutz werde unzumutbar erschwert, wenn wegen der Notwendigkeit das Verwaltungsverfahren nochmals durchzuführen, keine Entscheidung in der Sache ergeht.

Der Senat weist zur Information den Kläger darauf hin, dass auch in der Sache die Berufung keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, ist die Satzungsänderung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 3 SGB IV i.V.m. § 30 der Satzung der Beklagten ordnungsgemäß im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden. Auf den Zeitpunkt der Mitteilung an die einzelnen Mitglieder kommt es wegen der formellen Publizität von Rechtsnormen nicht an; ebenso ist unerheblich, ob der Bundesanzeiger zur Lektüre des Klägers zählt. Er mag sich vor Augen führen, dass auch Bundesgesetze, die im Bundesgesetzblatt verkündet werden, Geltung beanspruchen, obwohl mit Sicherheit die Mehrzahl der Bevölkerung in der Bundesrepublik nie das Bundesgesetzblatt eingesehen hat. Anhaltspunkte dafür, dass der 42. Nachtrag den Anforderungen des § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V und des § 260 Abs. 1 SGB V, wonach die Beiträge so zu bemessen sind, dass die im Haushaltsplan vorgesehenen gesetzlich vorgeschriebenen Ausgaben decken, nicht genügt, gibt es nicht. Der Kläger äußert insoweit nur Spekulationen und kritisiert die angeblich zu hohen Verwaltungskosten. Diese zählen aber zu denen im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben. Im Übrigen ist äußerst zweifelhaft, ob ein Mitglied die Wirksamkeit einer Beitragsforderung wegen eines angeblichen Fehlverhaltens der Krankenkasse im Ausgabenbereich zu Fall bringen kann (siehe BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 1). Darüber hinaus hat der Kläger die Möglichkeit, seine Mitgliedschaft zu kündigen (§ 175 Abs. 4 SGB V) und zu einer "kostenbewußteren" Kasse zu wechseln, wenn er der Auffassung ist, dass die Beklagte zu hohe Ausgaben tätigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat es nicht für angemessen gehalten, der Beklagten wegen des nur "formellen" Teilerfolges des Klägers Kosten aufzuerlegen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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