L 16 B 79/99 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 260/99 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 79/99 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 24. November 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die einstweilige Aussetzung ihrer Zahlungsverpflichtung infolge des Risikostrukturausgleichs (RSA) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für das Jahr 1998.

Mit Bescheid vom 10.11.1999 setzte die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin den Jahresausgleich im Rahmen des RSA für das Jahr 1998 auf 98.921.289,11 DM fest. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Differenzbetrag für das Jahr 1998 in Höhe von 39.823.437,57 DM zuzüglich eines Drittels des durch den RSA-Bescheid vom 11.02.1999 für das Jahr 1997 berechneten Korrekturbetrags für die Jahre 1994 bis 1996 von 82.348.363,81 DM (= 27.449.454,60 DM) und eines weiteres Korrekturbetrages in Höhe von 31.651.365,40 DM aufgrund neu ermittelter standardisierter Leistungsausgaben für die Jahre 1994 bis 1997.

Die Antragstellerin, die die Bescheide vom 11.02. und 10.11.1999 mit der Klage angefochten hat, hat am 18.11.1999 beim Sozialgericht - SG - Köln die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 10.11.1999 beantragt. Sie hat geltend gemacht, der Bescheid vom 10.11.1999 sei offensichtlich rechtswidrig und durch seine Vollziehung drohten ihr schwere, nicht wieder gut zu machende Nachteile. Bereits aufgrund der RSA-Verpflichtung aus dem Bescheid vom 11.02.1999 habe der Beitragssatz zum 01.01.1999 von 12,8 % auf 13,2 % und sodann zum 01.09.1999 auf 13,8 % erhöht werden müssen. Zum 01.01.2000 sei eine weitere Erhöhung auf 14,3 % im Hinblick auf die Belastungen durch den Bescheid vom 10.11.1999 zu erwarten. Dieser Beitragssatz liege weit über demjenigen anderer Krankenkasse - KKn - in Nordrhein-Westfalen, so dass mit existenzbedrohenden Mitgliederverlusten zu rechnen sei. Bereits infolge der Beitragserhöhung zum 01.09.1999 auf 13,8 % hätten 16.000 Mitglieder, was 3,45 % des Mitgliederbestandes entspreche, gekündigt.

Der Bescheid vom 10.11.1999 beruhe auf fehlerhaftem Datenmaterial und unzureichenden Stichproben. Die Antragsgegnerin habe insoweit ihre Ermittlungspflicht verletzt und auch nicht von ihrer Ersetzungsbefugnis nach § 3 Abs. 4 Satz 4 RSA-Verordnung - RSAV - Gebrauch gemacht. Die rückwirkenden Änderungen der Verhältniswerte für die Jahre 1994 bis 1996 seien unzulässig gewesen; die in die sem Zusammenhang übernommene Übertragung der Ausgabenstruktur des Jahres 1997 auf die Vorjahre sei rechtswidrig. Die infolge der nachträglichen Korrekturen erfolgte Mehrbelastung sei bei der Jahres-Etatplanung nicht vorhersehbar und damit nicht kompensierbar gewesen. Schließlich sei ihr Anspruch auf Akteneinsicht durch die Antragsgegnerin verletzt worden, da ihr keine Prüfung der Familienversichertenverzeichnisse bei den anderen KKn ermöglicht worden sei.

Die Antragsgegnerin hat die Ansicht vertreten, für die Antragstellerin sei allenfalls ein Betrag in Höhe von 15 Millionen nicht planbar gewesen im Hinblick auf die Neufestsetzung der Verhältnis- und anderen Eckwerte. Eine rechtzeitige Steigerung des Beitragssatzes auf 13,8 % habe daher die entsprechende Belastung auffangen können, so dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Nachteile ihrem eigenen Verschulden zuzurechnen seien. Die Ermittlungen zum RSA beruhten auch nicht auf einem fehlerhaften Datenmaterial. Ihr, der Antragsgegnerin, obliege es nicht, die von den KKn und ihren Spitzenverbänden gemeldeten Daten flächendeckend im einzelnen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. In den Jahren 1997/98 seien zahlreiche Einzelprüfungen durchgeführt worden, angesichts knapper Personalressourcen und eines begrenzten Zeitrahmens habe eine einheitliche stichprobenhafte Quote aber dabei nicht erzielt werden können. Die Stichproben hätten aber auch nur der Feststellung von Fehlern in Form unzureichender organisatorischer oder EDV-technischer Vorkehrungen zur korrekten Führung der Familienversichertenverzeichnisse gedient, nicht aber der Erhebung repräsentativer Ergebnisse etwa zum Zweck eines Ersetzungsverfahrens nach § 3 Abs. 4 Satz 4 RSAV, so dass die Antragsgegnerin hierdurch auch nicht benachteiligt werde. Die rückwirkende Korrektur auf der Grundlage der 1997 ermittelten Ausgabenrelationen sei mit Zustimmung der Spitzenverbände der KKn, bei Enthaltungen des BKK- und IKK-Bundesverbandes, erfolgt. Dass diese Vorgehensweise zu verteilungsrelevanten Struktureffekten geführt habe, sei nicht belegt.

Dem Anspruch auf Akteneinsicht habe nicht entsprochen werden können, weil zum einen Verwaltungsakten im üblichen Sinne bezüglich des RSA nicht geführt würden und zum anderen die einzelnen Datenbasen der anderen KKn aus wettbewerbsrechtlichen Gründen der Antragstellerin nicht hätten offenbart werden dürfen.

Mit Beschluss vom 24.11.1999 hat das SG den Antrag abgelehnt. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat am 24.11.1999 Beschwerde eingelegt. Unter Verweisung auf ihr bisheriges Vorbringen macht sie insbesondere geltend, durch die Veränderung der Verhältniswerte, die die Antragstellerin erst mit der 24. Bekanntmachung zum RSA am 26.10.1999 bekanntgegeben habe, sei für sie eine Mehrbelastung im Umfang von wenigstens 54 Millionen, was einer Erhöhung des Beitragssatzes um 0,4 Prozentpunkte entspreche, nicht vorhersehbar und bei der Aufstellung des Etats planbar gewesen.

Demgegenüber verbleibt die Antragsgegnerin bei ihrer Auffassung, dass die Beitragserhöhung nicht wesentliche Folge des RSA sei und die Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides kein berechtigtes Interesse geltend machen könne.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgerichtsgesetz - SGG - enthält keine Regelung bezüglich der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Beschwer durch Verwaltungsakte, mit denen eine Ausgleichszahlung festgesetzt wird. Gleichwohl gebietet es die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG - zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes vorläufige Regelungen zum Schutz des Adressaten belastender Verwaltungsakte zu treffen, wenn ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfGE 46, 166; 51, 268, 284). Dies gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, obwohl sie grundsätzlich nicht Träger von Grundrechten sein können (BVerfGE 39, 302, 313; 68, 193, 206 m.w.N.), denn insoweit handelt es sich um einen objektiven Verfahrensgrundsatz, der daher auch jedem zugute kommen muss, der nach den Verfahresnormen parteifähig ist oder von dem Verfahren unmittelbar betroffen wird (vgl.BVerfGE 61, 82, 104).

Ein Anordnungsgrund bezüglich der begehrten Rückzahlung bereits gezahlter 98.921.289,11 DM unter Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Ausgleichsbescheid vom 10.11.1999 (im Sinne drohender erheblicher Verletzung von wesentlichen Rechten der Antragstellerin, deren Beseitigung durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr möglich ist, bei gleichzeitig fehlender, einer Stattgabe einstweiligen Rechtsschutzes entgegenstehender gewichtiger Gründe (vgl. zu diesen Erfordernissen bei Vornahmesachen BVerfGE 79, 69, 75)), ist vorliegend zu verneinen.

Die Organisationsreform der GKV durch das Gesundheitsstruktur-Gesetz (GSG) mit Einführung der Wahlfreiheit der Versicherten bezüglich ihrer KK und des RSA diente dem Ausgleich verfassungsrechtlich bedenklicher, sachlich nicht gerechtfertigter Beitragsunterschiede (siehe dazu BVerfGE 89, 365) sowie einer Stärkung des Wettbewerbs der KK n untereinander (BT-Drucks. 12/3608 S. 74). Die zeitgerechte Durchführung des RSA hat der Gesetzgeber dabei als unabdingbar für die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle KK n angesehen (BT-Drucks. wie vor). Dieses Ziel wird aber in hohem Maße gefährdet, wenn der Einwand der einzelnen KK, der jeweiligen, jährlichen Berechnung des RSA liege unrichtiges Datenmaterial zugrunde, ausreicht, die Vollziehung der entsprechenden Ausgleichsbescheide anzuordnen. Nach den Bestimmungen der §§ 266, 267 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - i.V.m. der Risikostrukturausgleichs-Verordnung - RSAV - haben die KK n die erforderlichen Daten zu erheben und diese über ihre Spitzenverbände dem Bundesministerium für Gesundheit - BMG - vorzulegen (§ 267 Abs. 1 bis 4 SGB V). Die Antragsgegnerin hat bei Feststellung sachlicher oder rechnerischer Fehler in den Berechnungsgrundlagen diese bei der Ermittlung beim nächsten Ausgleichsverfahren zu berücksichtigen (§ 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V). Soweit die Antragstellerin gegen dieses Verfahren einwendet, die gemeldeten und erhobenen Daten, die die Antragsgegnerin der Berechnung des RSA im angefochtenen Bescheid zugrundegelegt habe, seien im Wesentlichen unrichtig, vermag dies ihr Aussetzungsinteresse nicht zu begründen. Selbst wenn diese Behauptung zuträfe, folgt hieraus noch nicht, dass die Ausgleichsbelastung der Antragstellerin im Ergebnis unzutreffend ist, da nicht auszuschließen ist, dass auch bei Zugrundelegung be richtigter Daten eine entsprechende Belastung verbliebe. Es liegt nahe, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Mitgliederstruktur - im Verhältnis zu anderen KKn nur wenige Rentenbezieher - in einem hohen Maße ausgleichspflichtig bleibt.

Auch lässt sich aus der angegebenen Zahl von ca. 16.000 Kündigungen nach der 1999 erfolgten Beitragserhöhung weder auf eine existenzbedrohende Situation der Antragstellerin schließen, noch erscheint bei einem Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache eine Beseitigung der nachteiligen Folgen dieser Kündigung ausgeschlossen (verstärkter Mitgliederzuwachs durch dann mögliche Beitragssenkungen).

Der Senat hat auch keine verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzlichen Regelungen über den RSA in den §§ 266, 267 SGB V. Eine Grundrechtsverletzung der Antragstellerin kommt nicht in Betracht, da sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht Trägerin solcher Rechte ist. Die Organisationsreform der GKV durch den GSG hat hieran nichts geändert (a.A. Ramsauer, NJW 1998, 481, 483 f.; Sodan/Gast, NZS 1999, 265, 266 ff.), denn die hiermit bezweckte Stärkung des Wettbewerbs und des Abbaus ungerechtfertigter Beitragsunterschiede hat zu keiner Änderung der gegliederten Grundstruktur der GKV (vgl. dazu auch BVerfGE 89, 365, 377) und der den Kassen übertragenen Aufgaben geführt, so dass ihre Stellung gegenüber dem Staat unverändert geblieben ist. Darüber hinaus schützt die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG weder die einzelnen Mitglieder der KK vor einer Beitragserhöhung noch vor der möglichen Auflösung einzelner KK n. Auch werden durch den RSA die KK n nicht ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich belastet, denn selbst wenn die Beschränkung auf bestimmte Vergleichs-Berechnungselemente zur Feststellung des RSA einzelne KK n stärker belasten sollte als andere, wäre dies im Hinblick auf die Schwierigkeit einer genauen Festlegung aller wesentlichen Parameter jedenfalls für einen Übergangszeitraum hinnehmbar (vgl. dazu noch unten).

Die Regelungen der §§ 266, 267 SGB V verstoßen auch nicht gegen das aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz folgende Willkürverbot, auf das sich die Antragstellerin als Teilnehmerin am Ausgleichsverfahren gegebenenfalls berufen könnte (vgl. BVerfGE 76, 130, 139; Schneider/Vieß a.a.O. S. 2705), denn die bisherige Entwicklung der GKV unter Geltung des RSA hat keine Hinweise dafür erbracht, dass die Gestaltung und Art der Durchführung des RSA zu unbilligen willkürlichen Ergebnissen geführt hätte (vgl. Schneider/Vieß a.a.O. S. 2703).

Im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in sozialpolitischen Angelegenheiten (vgl. BVerfGE 53, 313, 326 m.w.N.) und seiner Berechtigung im Rahmen komplexer Regelungsgegenstände, zunächst typisierende und generalisierende Regelungen zu treffen, während einer Übergangszeit Erfahrungen zu sammeln und neue Erkenntnisse zu gewinnen (vgl. BVerfGE 39, 169, 194; 89, 365, 380), vermag der Senat keinen Verstoß gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Gebote der Bestimmtheit, Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes durch die Einführung der §§ 266, 267 SGB V zu erkennen. Soweit, wie hier, keine grundrechtlich gesicherten Freiheiten betroffen sind, sind sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers grundsätzlich hinzunehmen, solange sie nicht offensichtlich fehlerhaft oder mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 89, 365, 376).

Der angefochtene Ausgleichsbescheid ist auch nicht offensichtlich rechtswidrig, so dass sich hieraus ebenfalls kein Anordnungsgrund ableiten lässt, der ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Rückzahlung der Ausgleichslasten rechtfertigen könnte.

Eine solche Rechtswidrigkeit folgt nicht aus der von der Antragstellerin gerügten Verweigerung der Akteneinsicht. Allerdings steht ihr als Beteiligter (§§ 10, 12 SGB X) eines Verwaltungsverfahrens vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts Anspruch auf Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist und soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen nicht geheimgehalten werden müssen (§ 25 Abs. 1, 3 SGB X). Schon letzteres könnte hier der Offenlegung der von der Antragstellerin gewünschten Daten entgegengestanden haben. Unabhängig davon hat die Antragstellerin nicht schlüssig dargelegt, dass sie im Rahmen der Feststellung des RSA für das Jahr 1998 bei der Antragsgegnerin Antrag auf Einsichtnahme in die Unterlagen gestellt hat, um Einwendungen gegen den allein hier zu prüfenden Bescheid vom 10.11.1999 zu erheben (vgl. dazu auch Beschluss des Senats vom 02.06.2000 - L 16 B 67/99 KR -).

Ebensowenig liegt ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflichten nach §§ 20, 21 SGB X vor. Letztere Vorschriften finden vorliegend keine Anwendung, da sie durch die spezialgesetzlichen Bestimmungen der §§ 266, 267 SGB V verdrängt werden (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 02.12.1999 - L 5 B 28/99 KR -; a. A. Hanau/Hagen a.a.O.). Es hätte keiner besonderen Verfahrensregelung zur Ermittlung und Erhebung der erforderlichen Daten bedurft, wenn stattdessen ohnehin die allgemeinen Bestimmungen der §§ 20, 21 SGB X Anwendung finden sollten (LSG NRW wie vor). Bei den Ermittlungen dieser Daten hat der Gesetzgeber in § 267 SGB V die Verpflichtung der Krankenkassen bestimmt, die erforderlichen Daten zu erheben und zu melden. Diese Regelungen sind sachgerecht, denn zum einen wäre die Antragsgegnerin offensichtlich überfordert, wenn sie selbst alle Ermittlungen durchführen und sämtliche Daten auf ihre Richtigkeit überprüfen müsste, zum anderen durfte der Gesetzgeber - auch wenn im Beratungsverfahren des Gesetzentwurfs zum GSG auf die Schwierigkeiten der richtigen Datenermittlung hingewiesen worden ist (s. Protokoll der 39. Sitzung des 15. Ausschusses vom 24.09.1992; BR-Drucks. 403/96 S. 12) - davon ausgehen, dass die KK n als Körperschaften des öffentlichen Rechts und ihre Spitzenverbände sich nach besten Kräften um die ordnungsgemäße Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben bemühen werden, auch wenn sie durch die Gesetzesreform in einen verschärften Wettbewerb untereinander treten sollten. Ein offensichtlicher Verstoß der Antragsgegnerin gegen ihre sich aus §§ 266, 267 SGB V i.V.m. der RSAV ergebenden Feststellungspflichten ist aber nicht zu erkennen. Dass eine Verfahrenszertifizierung jedenfalls bis zum Erlass des hier streitigen Bescheides von der Antragsgegnerin nicht gewährleistet werden konnte, ist naheliegend. Dass die nach § 267 Abs. 3 Satz 3 SGB V durchgeführten Stichproben kein verlässliches Datenmaterial erbracht haben bzw. nicht repräsentativ sind, ist ebensowenig offensichtlich (vgl. auch Schneider/Vieß a.a.O. S. 2703 f.).

Der angefochtene Bescheid vom 10.11.1999 ist auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil die darin vorgenommene Jahresausgleichsberechnung unter Korrektur des Beitragsbedarfs für die Jahre 1994 bis 1997 erfolgt ist. Rechtsgrundlage für die Durchführung der Korrektur ist die Bestimmung des § 25 Abs. 3 RSAV in der Fassung der 2. ÄndVO vom 12.10.1997 (BGBl. I S. 2494). § 25 RSAV sah in seiner ursprünglichen Fassung vom 03.01.1994 (BGBl. I S. 55) vor, dass auf der Grundlage der Verhältniswerte (§ 5), die nach den Ergebnissen der im Jahre 1955 durchgeführten Erhebungen nach § 267 Abs. 3 SGB V festgestellt worden sind, der vorläufige Jahresausgleich für das Geschäftsjahr 1994 berichtigt wird (Abs. 1 Satz 2) und, sofern die Datenerhebung im Jahr 1994 nicht zustandekommen sollte, der Jahresausgleich für das Jahr 1994 auf der Grundlage der Verhältnisse der Erhebung im Jahre 1995 zu erfolgen habe (Abs. 2). Durch die 1. ÄndVO vom 17.07.1996 (BGBl. I S. 1024) wurde in § 25 RSAV unter Absatz 3 die Regelung eingeführt, dass auf der Grundlage der 1996 durchgeführten Erhebungen nach § 267 Abs. 3 SGB V das Bundesversicherungsamt nach Anhörung der Spitzen verbände der KK n die Verhältniswerte für 1994 und 1995 im Jahres ausgleich für 1996 korrigieren kann. Ergänzend bestimmt § 25 Abs. 4 Satz 1 RSAV, dass, wenn eine Korrektur nach Abs. 3 durchgeführt wird, das Bundesversicherungsamt den Jahresausgleich für das Jahr 1997 abweichend von der zeitlichen Vorgabe in § 19 Abs. 5 bis zum 28.02.1999 durchführen kann. Das Bundesversicherungsamt kann die Fälligkeit der auf die Korrektur nach Abs. 3 und nach § 3 Abs. 5 entfallenden Teile der Ausgleichszahlungen im Benehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen abweichend von § 19 Abs. 3 bestimmen (§ 25 Abs. 4 Satz 2 RSAV). Wie § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V zeigt, hat der Gesetzgeber die Berücksichtigung nachträglich festgestellter sachlicher oder rechnerischer Fehler in den Berechnungsgrundlagen ausdrücklich gewollt. Dem trägt die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 266 Abs. 7 SGB V erlassene RSAV Rechnung. Angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber sich der Schwierigkeit bei der Umsetzung des RSA bewusst war und daher auch der Kassenwechsel der Mitglieder nicht vor dem 01.01.1997 ermöglicht werden sollte (vgl. BT-Drucks. 12/3608 S. 74), ist die in § 25 Abs. 3 RSAV geregelte Beitragskorrekturmöglichkeit bezüglich der ersten Jahre sachgerecht. Aufgrund der Bestimmungen des § 266 SGB V i.V.m. §§ 23, 25 RSAV konnte die Antragstellerin auch nicht davon ausgehen, dass der Beitragsbedarf für die Jahre 1994 bis 1996 bei Erlass des Ausgleichsbescheides für das Jahr 1997 bzw. 1998 bereits abschließend und unabänderlich festgestellt war. Die Änderung der Fassung des § 25 RSAV verstößt daher nicht gegen das aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz folgende Verbot echter Rückwirkung (vgl. dazu BVerfGE 57, 361, 391; 72, 175, 196), da hierdurch nicht in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen worden ist. Auch wenn fraglich sein mag, ob das wiederholte Hinausschieben der endgültigen Festsetzung des Beitragsbedarfs sowie die Änderung von Verteilungsparametern noch durch die Ermächtigungsgrundlage des § 266 SGB V gedeckt ist, so ist die entsprechende Änderung der RSAV und die darauf beruhende Neuberechnung nicht derart fehlerhaft, dass eine offenkundige Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides hieraus folgt.

Bloße Zweifel an der Rechtmäßigkeit des vollzogenen Bescheides sind aber nicht geeignet, die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu begründen. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher keinen Anlass gesehen, den § 80 Abs. 5, § 123 VwGO entsprechende Regelungen in das SGG aufzunehmen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen aber nicht schon grundsätzlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung, um den Anspruch auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu begründen (vgl. BVerfGE 79, 69, 75). Im übrigen wären solche Zweifel hier auch nicht ausreichend, um das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin über die Vollzugsinteressen der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Bedeutung der zeitgerechten Durchführung des RSA zu setzen.

Der Antrag musste daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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