L 2 U 18/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 129/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 18/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.11.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1946 geborene Kläger stürzte am 26.10.1989 von einem Gerüst ca. 2 m tief auf den Boden, wo er mit dem Kopf aufprallte. In der Unfallanzeige gab der Arbeitgeber an, der Kläger sei von der Gerüstleiter gerutscht und mit dem Hinterkopf aufgeschlagen, wobei er sich eine Platzwunde zugezogen habe.

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr.E. , diagnostizierte am Unfalltag zwei Kopfplatzwunden. Der Nervenarzt Dr.von K. berichtete am 28.12.1989, der Kläger gebe typische Beschwerden einer Ulnarisnervenschädigung an, die kurz nach dem Unfall aufgetreten seien. Im Nachschaubericht vom 02.01.1990 wird ein Sulcus ulnaris-Syndrom erwähnt, das den Kläger zunächst nicht so sehr gestört habe, so dass er bei Aufnahme des Durchgangsarztberichts nichts davon erzählt habe. Der Internist Dr.E. erklärte im Bericht vom 07.09.1990 seit dem Unfall bestehe eine Sensibilitätsstörung im Bereich des vierten und fünften Fingers rechts. Der Kläger gab am 11.08.1992 gegenüber der AOK an, er habe von einem Arbeitskollegen erfahren, dass er eine halbe Stunde bewusstlos gewesen sei. Die Beschwerden am rechten Arm habe er erst nach dem 10.11.1989 bemerkt. Es habe ihn an den zwei Fingern der rechten Hand gefroren, außerdem habe er ein Pelzigkeitsgefühl bemerkt.

Mit Schreiben vom 21.01.1998 beantragte der Kläger, das Unfallereignis zu entschädigen. Es bestünden ein Ellennerven- und Carpaltunnelsyndrom. Der Nervenarzt Dr.N. attestierte am 08.12.1997 ein Sulcus ulnaris-Syndrom rechts, wegen dem der Kläger seit 1990 in seiner Behandlung sei. Im Attest vom 31.08.1998 führte Dr.N. aus, es bestünden eine unfallbedingte Ulnarisschädigung, außerdem rezidivierende Lumboschialgien bei Adipositas permagna und neurogene Reizerscheinungen. Der Orthopäde Dr.F. berichtete am 24.08.1998, der Kläger befinde sich seit 1990 in seiner Behandlung, unter anderem wegen einer Schultereckgelenksarthrose, chronisch rezidivierender Epicondylitis; außerdem bestehe eine Adipositas permagna. In den oberen Extremitäten gebe es keinen eindeutigen Anhalt für sensomotorische Ausfälle. Die grobe Kraft sei beidseits uneingeschränkt. Es bestehe ein Druckschmerz über dem rechten Epicondylus lateralis humeri, aber freie Ellenbogengelenksbeweglichkeit.

Vom 26.11. bis 24.12.1997 befand sich der Kläger in der Orthopädischen Klinik T ... Im Entlassungsbericht wurde ausgeführt, 1990 sei der rechte Ellenbogen wegen Sulcus ulnaris- Syndrom operiert worden, es sei eine postoperative Besserung eingetreten.

Im Gutachten vom 01.02.1999 führte der Chirurg Dr.P. aus, am 26.10.1989 habe der Kläger eine Schädelprellung ohne sichere Gehirnbeteiligung, eine Kopfplatzwunde sowie eine Stauchung der Wirbelsäule erlitten. Fassbare Unfallfolgen bestünden nicht mehr. Das subjektive Beschwerdebild von Seiten der Halswirbelsäule lasse sich 10 Jahre nach der Traumatisierung nicht mehr mit dem Unfallereignis in Zusammenhang bringen. Auch die Beschwerden im Bereich des rechten Knie- und Sprunggelenkes seien ohne Unfallbezug. Selbst wenn der Kläger bei dem Sturz Prellungen erlitten habe, seien diese längst ausgeheilt. Die Beschwerden seien Ausdruck schicksalhaft aufgetretener degenerativer Veränderungen, wobei das massive Übergewicht einen zusätzlich belastenden Faktor darstelle.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.J. kam im Gutachten vom 19.04.1999 und der ergänzenden Stellungnahme vom 06.09.1999 unter Auswertung eines CT vom 01.02.1999 zu dem Ergebnis, es handele sich um einen Zustand nach Schädelprellung mit Kopfplatzwunde. Zum Unfallzeitpunkt seien keine Angaben über Erinnerungsverlust oder Bewusstlosigkeit gemacht worden. Eine substantielle Hirnschädigung sei ausgeschlossen worden. Unfallunabhängig bestehe erhebliches Übergewicht. Das Sulcus ulnaris-Syndrom verursache jetzt keine Ausfallerscheinungen mehr, die Muskulatur sei unauffällig, die Sensibilität nicht gestört und trophische Störungen ließen sich nicht erkennen. Die Motorik der rechten Hand sei intakt. Das Carpaltunnelsyndrom stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall, da eine Handgelenksverletzung nicht aktenkundig sei. Subjektiv habe der Kläger keine Beschwerden an den Fingern der rechten Hand angegeben. Eine MdE auf neurologischem Fachgebiet bestehe nicht.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.10.1999 die Gewährung einer Rente ab, da der Arbeitsunfall keine messbare MdE nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit hinterlassen habe. Der Kläger habe eine Schädelprellung mit Kopfplatzwunden und eine Stauchung des Achsenorgans erlitten. Unfallfolgen bestünden nicht mehr.

Mit Widerspruch vom 15.11.1999 wandte der Kläger ein, er leide an einem unfallbedingten Psychosyndrom, außerdem an einem Sulcus ulnaris Syndrom und Carpaltunnelsyndrom rechts.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.N. wies im Schreiben vom 15.05. 2000 auf eine depressive Symptomatik hin. Dr.F. erklärte im Schreiben vom 04.09.2000, der Kläger befinde sich seit 1992 in seiner Behandlung. Bereits damals habe er über rezidivierende Schmerzen im Bereich der rechten Schulter geklagt, es habe sich eine wiederholt aktivierte Schultereckgelenksarthrose gezeigt. Im März 1999 habe er wieder über vermehrte Schulterschmerzen geklagt. Ein Unfallereignis sei nicht erwähnt worden. Es habe sich damals ein beginnendes destruktives Subacromialsyndrom gezeigt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2001 zurück.

Mit der Klage hat der Kläger eingewandt, es bestünden weiterhin Unfallfolgen, die zu berenten seien. Im Befundbericht vom 26.11.2001 hat Dr.N. über ein chronisches depressives Syndrom, Adipositas permagna, Schlafapnoe sowie eine Sulcus ulnaris-Läsion rechts, die jetzt nach der Operation relativ stabil sei, berichtet. Der Internist K. gab im Befundbericht vom 03.05.2000 die Diagnosen an: Rezidivierende Lumboischialgien bei Diskusprolaps, chronisches HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen, Adipositas permagna, arterielle Hypertonie, Schlafapnoesyndrom. Trotz Operation am Ellenbogengelenk komme es häufig nach Überanstrengung zu Schmerzen und Kribbeln in den Fingern. Dr.N. berichtete am 12.06.1995, nach alter Ulnarisläsion bestünden sensible und motorische Restparesen fort. Dr.F. hat im Gutachten vom 05.08.2001 im Schwerbehindertenverfahren ausgeführt, nach einer Prellung des rechten Armes 1989 und einer 1990 erfolgten Verlagerungsoperation des Nervus ulnaris bestehe ein residuelles Sulcus ulnaris-Syndrom mit objektivierter Restschädigung des Nerven. Der GdB wegen der posttraumatischen Schädigung sei mit 20 anzusetzen.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.P. hat im Gutachten vom 26.07.2002 die Auffassung vertreten, durch den Unfall sei es zu einer Schädelprellung mit Kopfplatzwunden gekommen, die folgenlos verheilt seien. Außerdem bestehe ein Sulcus ulnaris-Syndrom rechts mit diskreten Beschwerden und Ausfällen, die keine wesentliche Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Hand beinhalteten. Es bestünden nur noch diskrete neurologische Ausfälle, die bei zum Teil uncharakteristischen und wechselnden Angaben etwas psychogen überlagert seien. Die elektromyographische Untersuchung habe keine Hinweise für eine stärkere Schädigung des Nerven erbracht. Die MdE sei mit unter 10 v.H. zu bewerten.

Der vom SG gleichfalls zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. hat im Gutachten vom 20.08.2002 zusammenfassend ausgeführt, eine unfallbedingte MdE sei auf orthopädischem Gebiet nicht begründbar. Anhaltspunkte für eine wesentliche Traumatisierung der Halswirbelsäule, des rechten Knies und des rechten Sprunggelenks seien nicht gegeben.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.S. hat im Gutachten vom 16.04.2003 erklärt, es liege eine Schädigung des Nervus ulnaris durch eine Kontusion des Ellenbogens während des Unfalls vor. Sie habe zu deutlichen Schmerzen, Missempfindungen und diskreten Atrophien sowie zu einer deutlichen Minderung der Gebrauchsfähigkeit der Hand geführt. Ob die angegebenen Kopfschmerzen sich noch auf den Unfall beziehen ließen, könne nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden. Die depressive Verstimmung sei keine unmittelbare Folge des Unfalls. Die MdE schätzte er auf 20 v.H. ein.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 04.06.2003 hat Dr.P. ausgeführt, die Differenzen im Untersuchungsbefund von Dr. S. zu den von ihm erhobenen Befunden seien sehr gering. Eine unfallbedingte MdE in Höhe von 20 v.H., wie von Dr.S. angenommen, durch die Schädigung des Nerven liege völlig außerhalb des Möglichen. Die als diskret und funktionell nicht bedeutsam einzuschätzende Schädigung des Nerven bedinge keine MdE von wenigstens 10 v.H.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 20.11.2003 verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 20.10.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2001 bei dem Kläger als Unfallfolge das Sulcus ulnaris-Syndrom an der rechten Hand anzuerkennen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Weitere unfallbedingte Gesundheitsstörungen lägen nicht vor. Dr.P. habe auf die Ausführungen von Dr. K. vom 28.12.1989 hingewiesen, der ein Sulcus ulnaris-Syndrom rechts diagnostiziert habe. Die objektivierbaren Ausfälle seien aber sehr gering. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Hand habe nicht festgestellt werden können. Insbesondere zeige die Untersuchung der Motorik keine wesentlichen Muskelatrophien. Dr.F. führe aus, dass der rechte Arm am Ober- und Unterarm sogar muskelstärker als der linke sei. Auch Dr.S. habe nur diskrete Befunde erhoben und spreche von geringgradigen Muskelatrophien. Damit nicht vereinbar sei die behauptete deutliche Einschränkung der Feinmotorik. Es könne nicht nachvollzogen werden, warum die leichte Schädigung des Nervus ulnaris zu einer MdE von 20 v.H. führen solle. Das Gutachten von Dr.F. vom 05.08.2001 sei zur Einschätzung des GdB im Bereich des Schwerbehindertenrechts erstellt worden. Außerdem habe Dr.F. das gesamte Funktionssystem Arme bewertet.

Zur Begründung der Berufung verwies der Kläger auf die Ausführungen von Dr.N. vom 12.06.1995, Dr.F. im Gutachten vom 05.08.2001 und Dr.S. im Gutachten vom 16.04.2003. Er leide an Schmerzen im Bereich des rechten Ellenbogens sowie unter Kraftlosigkeit und Sensibilitätsstörungen der Hand. Insbesondere die Handkante und die Finger 4 und 5 seien pelzig und die Hand insgesamt kraftloser und ungeschickter als die linke. Es sei eine MdE von 20 v.H. gegeben.

Der Kläger stellt die Anträge aus dem Schriftsatz vom 09.07.2004.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird. (§ 153 Abs.2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass unstreitig noch diskrete Folgen der durch den Unfall vom 26.10.1989 erlittenen Schädigung des Ellennerven bestehen. Dies haben Dr.J. , dessen im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, und Dr.P. bestätigt. Die Unfallfolgen sind aber so geringfügig, dass eine MdE von 20 v.H. nicht erreicht wird. Dr.N. hat im Befundbericht vom 26.11.2001 darauf hingewiesen, dass die Sulcus ulnaris-Läsion nach der Operation relativ stabil war. Dass keine wesentlichen Funktionseinschränkungen durch die Nervenschädigung bestehen, ergibt sich auch aus dem Gutachten des Orthopäden Dr.S. vom 15.06.2000 (S 2 RJ 68/99), der vollschichtige Hantierungen mit der rechten Hand für zumutbar hielt. Auch der Arbeitsmediziner Dr.B. erklärte im Gutachten vom 07.08.1997 (S 2 VS 234/96), es bestünde lediglich eine leichte Kraftminderung des fünften Fingers bei gleichmäßiger Beschwielung und gleichmäßiger grober Kraft beider Hände. Diese Feststellungen sprechen gegen eine Funktionsminderung der rechten Hand. Dr.F. hat im Gutachten vom 05.08.2001 (S 10 SB 2/88 99) Umfangsmaße der oberen Extremitäten angegeben, die keinerlei schonungsbedingte Muskelminderung zeigen. Insofern ist Dr.P. und Dr.F. zuzustimmen, dass eine MdE von 20 v.H. wegen der Sulcus ulnaris-Schädigung nicht gegeben ist.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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