L 2 U 306/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 5040/01 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 306/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

Die Klägerin begab sich am 12.09.2000 zu dem H-Arzt Dr. S. und gab an, sie habe sich am Vortag in ihrer Tätigkeit als Landwirtin beim Absteigen vom Traktor das linke Knie verdreht. Dr.S. stellte zunächst eine Verdachtsdiagnose und ließ ein MRT durchführen. Dieses ergab eine deutliche intraspongiöse Kontusion am dorsomedialen Tibiakopf, eine geringe osteochond-rale Läsion am dorsomedialen Femurkondylus, einen Innenmeniskushinterhorneinriss, einen geringen retropatellaren Knorpelschaden und einen geringen Gelenkerguß mit Baker-Zyste. Der später aufgesuchte Durchgangsarzt Prof.Dr. L. war der Meinung, die Kniebeschwerden der Klägerin seien mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Innenmeniskusschaden ausgelöst. Am 13.11.2000 wurde eine Arthroskopie und Innenmeniskusteilresektion durchgeführt, die behandelnde Klinik gab gegenüber der Beklagten an, aufgrund des arthroskopischen und histologischen Zwischenbefundes sei die Knieerkrankung der Klägerin auf degenerative Ursachen zurückzuführen.

Der beratende Arzt der Beklagten, der Orthopäde Dr.G. , hielt bezüglich der Entschädigungspflicht der Beklagten eine weitere Klärung für erforderlich. Der Unfallhergang reiche nicht aus, eine intraspongiöse Kontusion und eine osteochondrale Läsion hervorzurufen. Die Kernspintomographie beschreibe grundsätzlich nur einen Bildbefund. Der von der Beklagten als Sachverständige gehörte Chirurg Prof.Dr.B. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. kam in seinem Gutachten vom 29.01.2001 zu dem Ergebnis, bei dem Unfall sei es zum Bemerkbarwerden eines vorbestehenden Innenmeniskusschadens im Sinne einer Gelegenheitsbedingung gekommen.

Mit Bescheid vom 23.02.2001 verweigerte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalles, weil zwischen dem geltend gemachten Vorfall und den Gesundheitsstörungen am Knie kein wesentlicher Ursachenzusammenhang bestanden habe. Den anschließenden Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2001 als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin die Feststellung eines Arbeitsunfalles beantragt.

Der vom Sozialgericht zuerst als Sachverständiger gehörte Chirurg und Orthopäde Dr.E. ist in seinem Gutachten vom 22.03.2002 zu dem Ergebnis gekommen, zu einer stärkeren Kniegelenksbinnenverletzung bzw. einem stärkeren Kniegelenksschaden sei es durch den Vorfall nicht gekommen. Durch das Abspringen vom Schlepper mit einem wohl ebenfalls stattgefundenen Verdrehen des linken Kniegelenkes sei es zum definitiven Riss eines degenerativ veränderten Innenmeniskus gekommen. Das Ereignis sei aber mit Wahrscheinlichkeit nach Art und Schwere nicht geeignet gewesen, auch einen gesunden Meniskus in der vorliegenden Form zu schädigen. Der Vorfall habe die Knieschädigung nicht wesentlich mitverursacht, weder im Sinne der Entstehung, noch der Verschlimmerung. Unfallfolgen läge keine vor.

Der vom Sozialgericht auf Antrag der Kläger nach § 109 SGG als Sachverständiger gehörte Orthopäde und Chirurg Dr.S. hat sich dem in seinem Gutachten vom 26.08.2002 bezüglich der Innenmeniskusverletzung angeschlossen. Er ist jedoch der Meinung, die Entlastung des linken Beines der Klägerin an zwei Unterarmgehstützen vor der arthroskopischen Intervention sei als Unfallfolge zu werten. Die im MRT festgestellte intraspongiöse Kontusion des dorsomedialen Tibiakopfes und die osteochondrale Läsion am dorsomedialen Femurkondylus seien eindeutig auf den Unfall zurückzuführen. Allein wegen dieser Verletzung sei die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11.09. bis 22.10.2000 ausgestellt worden. In der Tat hatte der Sachverständige als behandelnder Arzt gegenüber der Beklagten bis zur Untersuchung durch Prof.Dr.L. am 13.10.2000 ausschließlich die genannte Kontusion als Gesundheitsstörung angeführt, nicht jedoch den bereits festgestellten Innenmeniskushinterhorneinriss.

Dem gegenüber hat die Beklagte, gestützt auf den beratenden Arzt Dr.G. , geltend gemacht, grundsätzlich sei die MRT-Beschreibung die Darstellung eines morphologischen Befundes, wann dieser entstanden sei, könne aus dem MRT nicht herausgelesen werden. Derartige Kontusionen könnten noch ein bis zwei Jahre nachgewiesen werden. Die vorliegenden MRT-Aufnahmen sagten nichts darüber aus, zu welchem Zeitpunkt diese Kontusion entstanden sei.

Mit Urteil vom 26. August 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die bereits bestehende Schadensanlage bei der Klägerin sei die rechtlich allein wesentliche Ursache des neuen Schadens gewesen, es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die festgestellten Knieverletzungen auf dem angeschuldigten Ereignis vom 11.09.2000 beruhten. Ein Arbeitsunfall nach § 8 Abs.1 SGB VII liege daher nicht vor. Das Gericht stützt sich insoweit auf die Sachverständigen Prof.Dr. B. , Dr.E. und den beratenden Arzt der Beklagten, Dr.G ... Die Sachverständigen Prof.Dr.B. und Dr.E. hätten in Kenntnis der MRT-Befunde keine Unfallfolgen angenommen. Dr.G. habe nachvollziehbar vorgetragen, dass der Unfallmechanismus nicht mit Wahrscheinlichkeit geeignet sei, eine subchondrale ossäre Kontusion zu verursachen. Im Übrigen habe er überzeugend darauf verwiesen, dass die MRT-Beschreibung grundsätzlich die Darstellung eines morphologischen Befundes sei und für sich allein nicht die Ursächlichkeit eines äußeren Ereignisses für den Schaden erklären könne. Zu den notwendigen Kausalitätserwägungen habe Dr.S. keine Äußerungen gemacht. Es sei deshalb für das Gericht nicht nachvollziehbar, wie er zu der Einschätzung gelangt sei, die Kontusion des Tibiakopfes sei, trotz vorbestehender Verschleißerscheinungen, bei alltäglicher Belastung eindeutig dem Ereignis vom 11.09.2000 zuzurechnen.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 26.08.2003 festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 11.09.2000 um einen Arbeitsunfall handele.

Sie ist der Meinung, die für die Annahme eines Ursachenzusammenhanges notwendigen Erwägungen ergäben sich aus dem Gutachten des Dr.S ... Wenn dies für das Sozialgericht nicht nachvollziehbar gewesen sei, wäre es angebracht gewesen, bei dem Sachverständigen eine ergänzende Stellungnahme einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte und das Sozialgericht haben zu Recht entschieden, dass die Klägerin am 11.09.2000 keinen Arbeitsunfall erlitten hat. Die beim Unfall eingetretenen Gesundheitsstörungen waren nicht mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch den Unfallhergang wenigstens mitverursacht. Es fehlt damit an einem für die Annahme eines Arbeitsunfalles notwendigen Tatbestandsmerkmal.

Das Gericht weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Augsburg als unbegründet zurück und sieht nach § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die von der Klägerin hiergegen im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. Es trifft nicht zu, dass dem Gutachten des Sachverständigen Dr.S. nachvollziehbar zu entnehmen wäre, dass der Unfall zu der im MRT festgestellten knöchernen Kontusion geführt habe. Insoweit führt Dr.S. lediglich die von ihm selbst vorgenommene Krankschreibung ins Feld, der jedoch keine Begründung des Ursachenzusammenhanges zu entnehmen ist. Eine solche Begründung wäre wenigstens in dem Sachverständigengutachten umsomehr angebracht gewesen, als Dr.S. in seinen Berichten an die Beklagte über die bestehenden Gesundheitsstörungen und die Arbeitsunfähigkeit die bereits von Anfang an festgestellte Innenmeniskushinterhornläsion nicht erwähnt hat, wiewohl sie von den später behandelnden Ärzten als die Ursache der Kniegelenksbeschwerden der Klägerin angenommen worden ist.

Zu Recht hat das Sozialgericht beim Sachverständigen Dr. S. nicht weiter nachgefragt. Zum einen ist es für die sozialgerichtliche Entscheidung grundsätzlich ausreichend, wenn ein Sachverständigengutachten vorliegt, das genügend ist, um eine richterliche Entscheidung hierauf zu gründen. Es bedarf dann keiner Ergänzung eines in seiner Argumentation nicht überzeugenden anderen Sachverständigengutachtens mehr. Zum anderen ist das Gericht nicht gehindert, aus dem Mangel an einer überzeugend erscheinenden Argumentation in einem Sachverständigengutachten seine Schlüsse zu ziehen, ohne eine Ergänzung des Gutachtens herbeizuführen. Ist nämlich ein medizinisches Problem bereits deutlich zur Sprache gebracht und Gegenstand vorhergehender Sachverständigengutachten gewesen, ist der Schluss erlaubt, dass einem später gehörten Sachverständigen nur die von ihm gegebene Argumentation zu Gebote steht und keine weitere. So ist es im vorliegenden Fall bezüglich der Knochenkontusion. Sie war von Beginn an im MRT festgestellt und dem Sachverständigen Dr.S. bekannt, der beratende Arzt der Beklagten hatte auf die Problematik der Beurteilung hingewiesen und die Sachverständigen Prof.Dr.B. und Dr.E. hatten insoweit keinen Ursachenzusammenhang angenommen. Unter diesen Voraussetzungen musste die von Dr.S. gegebene Argumentation als die ihm zu Gebote stehende angesehen werden. Die Auffassung des Sozialgerichts, wonach die von Dr.S. getroffene kausale Zuordnung nicht nachvollziehbar sei, wird vom erkennenden Gericht geteilt.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Klägerin in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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